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Ausgabe 07/2023

Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: Juli 2023

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14 · Thema des Monats <strong>07</strong>/<strong>2023</strong><br />

«DIE BESTE SELBSTVERTEIDIGUNG<br />

MUSS MAN NIE ANWENDEN»<br />

Einige Menschen wollen sich mit einem Selbstverteidigungstraining ein grösseres Sicherheitsgefühl<br />

verschaffen. Doch wie sieht ein solches aus? Und reicht dafür ein einzelnes Training?<br />

Ein kleiner Selbstversuch.<br />

Stellen Sie sich vor, Sie sind abends auf<br />

dem Nachhauseweg. Wie aus dem Nichts<br />

erscheint eine Gestalt und bedroht Sie mit<br />

einem Messer. Eine Situation, die Ohnmacht<br />

auslösen kann, wenn man nicht dafür gerüstet<br />

ist. Also wie reagieren? Vor einigen Wochen<br />

erreichte die Redaktion eine Mail mit<br />

einer möglichen Antwort.<br />

Darin weist Michael Rimle auf regelmässig<br />

in Herisau stattfindende Selbstverteidigungstrainings<br />

hin. Beim Training bleibe<br />

es nicht nur beim Boxen und Kicken, auch<br />

Messerattrappen und Alltagsgegenstände<br />

kämen zum Einsatz. So würde für unterschiedliche<br />

Situationen, wie beispielsweise<br />

Bodenkampf oder Angriff von mehreren<br />

Personen, die jeweils passende Reaktion<br />

vermittelt und verinnerlicht. Ich möchte mir<br />

ein eigenes Bild machen und besuche deshalb<br />

ein Schnuppertraining beim Kampfkunst-Verein<br />

«shiftyourself». Neben dem<br />

Schulhaus Kreuzweg erwarten mich nebst<br />

Michael Rimle auch Matthias Roderer und<br />

Reto Schmidli. Letzterer hat den Verein 2018<br />

ins Leben gerufen und bietet unter anderem<br />

Progressive Fighting Systems (PFS) an. Dabei<br />

handelt es sich um ein speziell für den<br />

Strassenkampf ausgerichtetes Kampf- und<br />

Verteidigungstraining.<br />

Der gebürtige Aarauer ist seit 1987 in der<br />

Kampfkunst aktiv. «Früher war ich ein eher<br />

ängstlicher Mensch. Um dagegen etwas<br />

zu unternehmen, fing ich mit dem Kampfkunsttraining<br />

Shaolin Kung-Fu an.» Darauf<br />

folgend fokussiert er sich auf Wettkampf-<br />

Kampfsportarten wie Wushu und Sanda. Einige<br />

Jahre später sucht er für den Fall einer<br />

Selbstverteidigung eine Kampfkunst, welche<br />

dem Strassenkampf am nächsten kommt.<br />

«Ich besuchte verschiedene Kampfkunst-Seminare,<br />

bis ich 1994 schliesslich das PFS für<br />

mich entdeckte. Die modernen Trainingsmethoden<br />

überzeugten mich, weil sie mehrere<br />

Kampfkünste vereinen.» Sechs Jahre später<br />

eröffnet er mit seinem Trainingskollegen<br />

und Freund die Kampfkunstschule PFS-Aarau.<br />

2010 zieht Reto Schmidli aus beruflichen<br />

Gründen ins Appenzellerland. Heute lebt er<br />

in Herisau und bietet seit gut fünf Jahren das<br />

Selbstverteidigungstraining hier an.<br />

Michael Rimle und Matthias Roderer<br />

nehmen seit einigen Jahren daran teil. Ich<br />

möchte ihre Beweggründe für die Teilnahme<br />

erfahren. Das Training habe einen positiven<br />

Einfluss auf sie. Rimle: «Wer weiss, dass er<br />

sich – falls nötig – wehren kann, geht selbstbewusster<br />

durchs Leben. Dieses Wissen<br />

finde ich wertvoll und tut mir gut. Nebenbei<br />

mag ich es, dass ich mich beim Training<br />

austoben kann.» Dem stimmt auch Roderer<br />

zu. «Durch die neugewonnene Ausstrahlung<br />

wird man eher in Ruhe gelassen», sagt er.<br />

Bevor er im Kampfsport aktiv wurde, sei er<br />

einige Male ungewollt in gefährliche Situationen<br />

geraten. Dies passiere ihm heute nicht<br />

mehr. Dennoch ist er überzeugt: «Die beste<br />

Kampfkunst ist diejenige, die man nicht<br />

braucht.» Ausserdem mache ihnen der Sport<br />

mit Gleichgesinnten in einer entspannten<br />

Atmosphäre Spass.<br />

Beim Messerkampf werden Schnelligkeit und Geschicklichkeit trainiert.<br />

Training mit Messerattrappen<br />

Das Training richtet sich in erster Linie an Erwachsene<br />

und Jugendliche. Mit Kindern würde<br />

Reto Schmidli die Einheiten anders aufbauen,<br />

beispielsweise ohne Trainingsmesser.<br />

Sind diese bei den Erwachsenen wirklich<br />

nötig? «Ja», sagt Schmidli, es sei wichtig,<br />

sich für verschiedene Gefahrensituationen<br />

zu wappnen. «Ein Messerangriff in einem<br />

Kampf zu unterbrechen ist sehr gefährlich<br />

und nicht ratsam. Dennoch trainieren wir<br />

es. Messerkampf eignet sich hervorragend,<br />

um Eigenschaften wie Schnelligkeit und<br />

Geschicklichkeit zu trainieren. Man spürt<br />

sofort, wenn man vom Trainingsmesser berührt<br />

wird.» Ziel sei es, den Gegner aufzuhalten,<br />

ohne vom Messer verletzt zu werden.<br />

Hier könnten Sekunden entscheidend sein.<br />

Dafür ist nicht nur die richtige Technik wichtig,<br />

sondern auch die Fähigkeit, Situationen<br />

richtig einzuschätzen und dementsprechend<br />

reagieren zu können. Auch dies ist Teil des<br />

Selbstverteidigungstrainings. Letztlich aber<br />

sind sich alle drei einig: Davonrennen ist –<br />

wenn immer möglich – die beste Lösung. Die<br />

erlernten Abwehrmöglichkeiten sollten nur<br />

im äussersten Notfall angewendet werden.<br />

«Ich achte darauf, dass unsere Mitglieder<br />

nette, anständige Personen sind. Wir wollen<br />

nicht, dass unser Training dafür missbraucht<br />

wird, um selber zum Täter zu werden.»<br />

Verhältnismässigkeit ist wichtig<br />

Ebenfalls im Kurs behandelt wird die Verhältnismässigkeit<br />

der Anwendung verschiedener<br />

Kampfmethoden, da einige zu starken<br />

Verletzungen führen könnten. «Wir versuchen<br />

jeweils zu unterscheiden, ob wir uns<br />

in Lebensgefahr befinden oder es sich um<br />

eine ‹simple› Konfliktsituation handelt – natürlich<br />

stets mit dem Bewusstsein, dass der<br />

Charakter der Situation zu jedem Zeitpunkt<br />

wechseln kann.» Zudem zeige er bei gefährlicheren<br />

Kampfmethoden immer auch Alternativvarianten<br />

oder Hebelanwendungen,<br />

um einen potenziellen Angreifer aufzuhalten.<br />

Weder Täter noch Opfer sollten bei der<br />

Anwendung unnötig verletzt werden. Hier<br />

sei die Verhältnismässigkeit der Notwehr<br />

bedeutend, da ansonsten das Opfer rechtlich<br />

belangt werden könne.<br />

Anton Sonderegger, Mediensprecher der<br />

Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden<br />

bestätigt dies: Gemäss Artikel 15 des Strafgesetzbuches<br />

dürfe eine Abwehr in einer<br />

Notwehrsituation das erforderliche Mass<br />

an Verteidigung nicht überschreiten. In die-<br />

(Bilder: hst)

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