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Das kleine, hügelige<br />
Weinbaugebiet Colli<br />
Euganei in der norditalienischen<br />
Provinz<br />
Padua ist nur sehr<br />
wenigen ein Begriff. Selbst ich, die<br />
viel in Italien herumkommt, war bis<br />
vor Kurzem noch nicht dort. Ein<br />
großes Versäumnis, wie sich herausstellte.<br />
Denn das von bewaldeten<br />
Vulkankegeln geprägte Hinterland<br />
von Venedig hat mich begeistert, mit<br />
seinen Weinen, seiner intakten Natur<br />
und den hervorragenden Restaurants.<br />
Ach, und nicht zu vergessen: den<br />
heißen Thermalquellen!<br />
SCHON DEN RÖMER<br />
GEFIEL ES HIER<br />
Bei meiner Ankunft im schicken,<br />
aber etwas aus der Zeit gefallenen<br />
In den Thermalbädern der<br />
Colli Euganei kann man<br />
die Seele baumeln lassen.<br />
Hotel in Montegrotto Terme wird mir<br />
schlagartig bewusst, dass die Colli<br />
Euganei zwar weniger für ihre Weine<br />
bekannt, dafür aber umso berühmter<br />
für ihre therapeutischen Heilkräfte<br />
sind. Die besonderen Vorteile des<br />
Thermalwassers wussten schon die<br />
alten Römer zu schätzen, die ihre<br />
Anlagen „acquae patavinae “ (paduanische<br />
Gewässer) nannten. Deren<br />
antike Überreste sind noch heute zu<br />
besichtigen.<br />
Mit 130 Thermalanlagen und rund<br />
220 Thermalbädern sowie über<br />
13.000 Hotelbetten ist die Region<br />
eines der wichtigsten Kur-Zentren<br />
Europas und zieht jährlich Tausende<br />
von Gesundheitstouristen aus dem<br />
In- und Ausland an. Wer sich also<br />
neben Wein für Fangobäder und<br />
Inhalationstherapie interessiert,<br />
wird sich in einem der unzähligen<br />
Spa-Hotels pudelwohl fühlen.<br />
VON BORDEAUX-<br />
BLENDS BIS<br />
GOLDMUSKATELLER<br />
Ich bin jedoch nicht wegen des<br />
Wassers hier, sondern gespannt auf<br />
die ersten zu verkostenden Weine.<br />
Das Herzstück der Appellation<br />
bilden die Rot<strong>wein</strong>-Cuvées aus internationalen<br />
Rebsorten, die als Colli<br />
Euganei DOC Rosso in den Handel<br />
kommen. Für viele Winzer sind sie<br />
das Aushängeschild – und haben<br />
dabei ein bemerkenswert gutes<br />
Preis-Leistungs-Verhältnis. Bis auf<br />
die Weine des wohl bekanntesten<br />
Weinguts Vignalta sind die meisten<br />
Flaschen für weniger als 20 Euro zu<br />
haben.<br />
Die klassischen Bordeaux-Rebsorten<br />
werden hier aber nicht erst seit<br />
einigen Jahrzehnten angebaut, wie<br />
etwa in Bolgheri. Bereits 1870<br />
begannen die Grafen Corinaldi,<br />
auf ihren Ländereien in Monselice<br />
Merlot und Cabernet Sauvignon<br />
anzupflanzen, und gehörten damit<br />
zu den Ersten in Italien. Auf diese<br />
traditionsreiche Geschichte sind die<br />
Erzeuger besonders stolz. Heute<br />
wachsen auf den rund 2.500 Hektar<br />
des Anbaugebiets vor allem Merlot,<br />
Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc,<br />
Carmenère und Raboso, die beiden<br />
Letzteren sind in den roten Blends in<br />
kleineren Anteilen verschnitten.<br />
Neben den Rot<strong>wein</strong>en<br />
gibt es auch den Fior<br />
d‘Arancio Colli Euganei<br />
DOCG aus Moscato<br />
Giallo (Goldmuskateller).<br />
Er darf in drei verschiedenen<br />
Versionen erzeugt werden: als süßer<br />
Schaum<strong>wein</strong>, als konzentrierter<br />
Passito und als trockener Wein.<br />
Weingüter wie Monteversa und<br />
Maeli bringen extrem gute und<br />
eigenständige Pet-Nats aus Moscato<br />
Giallo auf die Flasche. Sie sind frisch<br />
und aromatisch, haben sehr guten<br />
Grip und eine tolle Säure. Für mich<br />
sind diese „rifermentato in bottiglia“<br />
die ausdrucksstärkste Spielart dieser<br />
Rebsorte. Diese Weine werden als<br />
Veneto IGT abgefüllt.<br />
SERPRINO, KEIN<br />
PROSECCO<br />
Eine weitere Spezialität der Colli<br />
Euganei ist der tankvergorene<br />
Serprino DOC. Er wird aus der<br />
Rebsorte Glera erzeugt, die auch<br />
für Prosecco verwendet wird.<br />
Ähnlich wie das berühmtere Pendant<br />
trinkt man den leichten, spritzigen<br />
Serprino als Aperitif, sein Absatz ist<br />
jedoch stark lokal begrenzt. Einige<br />
Winzer wollen deswegen den<br />
Serprino als Unterzone der DOC<br />
Prosecco anerkennen lassen, was<br />
derzeit in der Appellation kontrovers<br />
diskutiert wird.<br />
Besonders überzeugt hat mich der<br />
Serprino des Weinguts Ca‘ della<br />
Vigna, ein junger Betrieb, der vom<br />
Architekten-Ehepaar Wim Brouwer<br />
und Catia Bolzonella geleitet wird.<br />
AUF DEN SPUREN DER<br />
VULKANERUPTIONEN<br />
Entstanden sind die Colli Euganei<br />
vor 35 bis 43 Millionen Jahren.<br />
Damals brachten eine Reihe vulkanischer<br />
Eruptionen die etwa hundert<br />
Hügel mit dem unverwechselbaren,<br />
kegelförmigen Profil hervor. Sie sind<br />
bis zu 600 Meter hoch und weit<br />
über die Po-Ebene hinweg sichtbar.<br />
Die Böden bestehen hier aus harten<br />
Vulkangesteinen wie Basalt, Ryolith,<br />
Trachyt und Latit. In unzähligen<br />
Steinbrüchen wurden über viele<br />
Jahrhunderte Trachyt, aber auch<br />
Kalkstein abgebaut, die für den<br />
Bau prächtiger Plätze und Paläste<br />
im nahen Venedig dienten. Der<br />
Trachyt-Abbau wurde vor einigen<br />
Jahren eingestellt, ebenso der des<br />
polierfähigen Kalk-Marmors für<br />
Dekorzwecke.<br />
Im Museum „Muvi“ kann man<br />
die Entstehung der Vulkankegel<br />
eindrucksvoll nachvollziehen. Für<br />
alle, die tiefer in die Geologie und<br />
Geschichte der Region eintauchen<br />
wollen, lohnt sich der Besuch<br />
besonders.<br />
DER „PALAST“ DER<br />
COLLI EUGANEI<br />
Bereits die Habsburger feierten<br />
rauschende Feste in den Colli<br />
Euganei, dies zeigt eindrücklich das<br />
Castello del Catajo in Battaglia Terme.<br />
Das 1570 erbaute Schloss gilt als eine<br />
der schönsten Villen des Veneto und<br />
diente erst der Adelsfamilie Este und<br />
später dem Kaiser von Österreich als<br />
Sommerresidenz.<br />
Von den weitläufigen Terrassen des Castello<br />
del Catajo hat man einen herrlichen Blick<br />
auf die umliegende Hügellandschaft.<br />
Ein Spaziergang durch die<br />
prunkvollen, mit Fresken<br />
bemalten Säle und den<br />
wunderschönen Park mit<br />
seinen jahrhundertealten<br />
Bäumen und Statuen ist ein Muss<br />
für jeden, der die Region besucht.<br />
Von hier sieht man auch den im<br />
12. Jahrhundert angelegten Canale<br />
Battaglia, der Teil eines umfangreichen<br />
Kanalsystems ist, das noch<br />
heute Venedig mit Padua verbindet.<br />
WANDERPARADIES<br />
UND DETOX-OASE<br />
Für Wanderer und Radfahrer ist der<br />
20.000 Hektar große Naturpark<br />
„Parco Regionale dei Colli Euganei“<br />
ein Paradies. „Unsere Artenvielfalt<br />
ist beeindruckend. Über 1.600<br />
Pflanzenarten sind hier heimisch.<br />
Kastanienwälder und Olivenhaine<br />
treffen auf eine typische Alpenflora,<br />
es ist ein ganz spezieller Mix, den<br />
man nur selten in Italien findet“,<br />
erklärt mir Geologe Francesco<br />
Loreggian auf einer Wanderung<br />
durch die Weinberge.<br />
Ebenfalls ungewöhnlich sind die<br />
unzähligen Jujuben-Bäume, die man<br />
vor allem im mittelalterlichen Dorf<br />
Arquà Petrarca an jeder Ecke sieht.<br />
Ihre süßlichen, intensiv roten Früchte<br />
sind auch als Chinesische Dattel oder<br />
Brustbeere bekannt und werden<br />
hier zu einem Likör namens „Brodo<br />
di Giuggiole“ verarbeitet. Stattet<br />
man Arquà Petrarca einen Besuch<br />
ab, kommt man um ein Gläschen<br />
„Brustbeerensuppe“ nicht herum!<br />
<strong>wein</strong>.<strong>plus</strong>:magazin 27