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4 Der Ring von Brodgar<br />
nen. Vor allem zur Hauptinsel, die<br />
den Namen »Mainland« trägt, was<br />
eigentlich Festland bedeutet. Dort<br />
findet sich auch die Hauptstadt<br />
der Inselgruppe: Kirkwall. Obwohl<br />
Hauptstadt natürlich ein großes<br />
Wort ist, denn wir sprechen über<br />
7.000 Einwohner, was immerhin<br />
rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung<br />
ist. Neben Verwaltungssitz<br />
ist Kirkwall auch die Drehscheibe für<br />
den Verkehr. Hier landen auch die<br />
Kreuzfahrtschiffe von April bis Oktober.<br />
Es gibt sogar einige Hotels und<br />
Restaurants in der Stadt. Der Ring<br />
of Brodgar ist gerade einmal 19 Kilometer<br />
entfernt. Und auch weitere<br />
Sehenswürdigkeiten aus der Steinzeit<br />
wie die Stones of Stenness, eine<br />
Stätte mit einem Graben und einer<br />
runden Steinsetzung aus gewaltigen<br />
Sandsteinplatten im Innern, die<br />
Steinzeit-Siedlung von Barnhouse<br />
oder die Standing Stones genannten<br />
einzeln errichteten Monolithen<br />
sind ganz in der Nähe. Die Bucht von<br />
Skaill lockt bei Flut Surfer, bei Ebbe<br />
beeindrucken die natürlichen Spuren<br />
im Fels. Gegenüber liegt die Insel<br />
Hoy, die für die Felsnadel Old Man<br />
of Hoy bekannt ist. Auf Mainland<br />
locken auch <strong>das</strong> Loch of Stenness<br />
und <strong>das</strong> Loch of Harray, wobei bisher<br />
noch kein Seeungeheuer wie Nessy<br />
gesichtet wurde. Aber <strong>das</strong> gehört ja<br />
eher ins Reich der Sagen.<br />
Unabhängig, schottisch<br />
oder norwegisch?<br />
Kein Mythos, sondern wissenschaftlich<br />
nachgewiesen ist dagegen, <strong>das</strong>s<br />
die Wikinger die steinzeitlichen Bauwerke<br />
als Kultstätten nutzten. Die<br />
herrschten nämlich, nachdem sie<br />
die keltischen Pikten weitgehend<br />
vertrieben hatten, rund 600 Jahre<br />
auf den Orkney-Inseln, bis Schottland<br />
die Inselgruppe dann 1468 annektierte.<br />
Die Jarls, also die Wikingerfürsten,<br />
wurden ersetzt. Doch bereits<br />
1707 wurde Schottland ein Teil<br />
Großbritanniens. Streng genommen<br />
war die Inselgruppe also keine zweieinhalb<br />
Jahrhunderte schottisch.<br />
Norm, die skandinavische Sprache<br />
der Orkney-Bewohner, starb erst im<br />
17. Jahrhundert aus. Die Verbindung<br />
zu Skandinavien riss jedoch nie ganz<br />
ab. Selbst die Flagge der Orkneys<br />
sieht heute skandinavisch aus. Sie<br />
wurde 2007 ermittelt und sieht wie<br />
die norwegische aus, nur <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />
Kreuz, <strong>das</strong> <strong>das</strong> blaue Kreuz im Zentrum<br />
umgibt, nicht weiß sondern<br />
gelb ist.<br />
Das mag uns zum Schmunzeln<br />
reizen, aber den Bewohnern ist es<br />
durchaus ernst mit der Abgrenzung<br />
zum übrigen Schottland. Die Mehrheit<br />
der Schotten war gegen den<br />
Brexit, also für den Verbleib in der<br />
EU. Auf den Orkneys wurde heftig<br />
darüber diskutiert, ob man nicht<br />
die Unabhängigkeit oder zumindest<br />
einen Sonderstatus, wie ihn die<br />
Faröer-Inseln mit Dänemark haben,<br />
anstreben sollte. Laut BBC wurde im<br />
Sommer <strong>2023</strong> ein Antrag auf Prüfung<br />
anderer Regierungsformen gestellt.<br />
Eine der Optionen sei eine Rückkehr<br />
zu Norwegen als »selbstverwaltetes<br />
Territorium« eingebracht wurde. Offenbar<br />
wird nunmehr ein »Orkxit«<br />
befürchtet, zumal von Seiten der<br />
Orkney-Bewohner argumentiert<br />
wird, <strong>das</strong>s sie gegenüber den Shetlands<br />
benachteiligt würden. Noch ist<br />
es nicht so weit, aber man braucht<br />
als Tourist schon jetzt natürlich einen<br />
Reisepass, denn der Besucher<br />
der Orkneys verlässt <strong>das</strong> EU-Gebiet.<br />
Anders als etwa in Ungarn, wo wir<br />
vor wenigen Jahren bei einer Donaukreuzfahrt<br />
aus Serbien kommend<br />
um drei Uhr morgens aus den Kabinen<br />
geholt wurden, weil wir unsere<br />
Pässe vorzeigen mussten, sind die<br />
schottischen Grenzbeamten aber<br />
ausgesprochen nett. Wir hatten den<br />
Eindruck, <strong>das</strong>s die Grenzkontrolle<br />
auch sie nervt.<br />
Infos und Fun Facts<br />
Zum Schluss noch zwei Kuriositäten.<br />
Der Name Orkney kommt vermutlich<br />
aus dem Keltischen, wurde von<br />
den Wikingern übernommen und<br />
bedeutet junger Eber. Ich könnte<br />
mir vorstellen, <strong>das</strong>s J.R.R. Tolkien,<br />
der Nordistik-Professor, seine Bösewichte<br />
in »Herr der Ringe« danach<br />
benannt hat: die Orks.<br />
Erwiesen ist dagegen, <strong>das</strong>s die<br />
Orkney-Inseln Ort des kürzesten Linienflugs<br />
der Welt sind. Die Flugroute<br />
geht von der Insel Westray zur Insel<br />
Papa Westray. Die Strecke beträgt<br />
2,7 Kilometer und der Flug dauert<br />
eine Minute, bei Rückenwind ist die<br />
Strecke in 53 Sekunden zu schaffen,<br />
auch die Rekordzeit von 47 Sekunden<br />
habe ich gefunden. Im Vergleich:<br />
Der Flug von Friedrichshafen nach<br />
St. Gallen, Schweiz, dauert endlose<br />
acht Minuten! Von Deutschland aus<br />
ist die Anreise zu den Orkney-Inseln<br />
allerdings etwas länger und etwas<br />
komplizierter, egal mit welchem<br />
Transportmittel. Mit dem eigenen<br />
Fahrzeug sind es von uns aus über<br />
fünfhundert Kilometer bis Calais,<br />
dann die Fähre, dann noch fast 1.200<br />
km bis zum Fährhafen Scrabster. Von<br />
da muss man übersetzen. Der Flug<br />
geht natürlich schneller, ist aber<br />
auch mit Umsteigen verbunden,<br />
gerne zweimal. Der Kurzbesuch mit<br />
dem Kreuzfahrtschiff ist da noch <strong>das</strong><br />
Bequemste. Der dauert allerdings<br />
nur wenige Stunden und macht eher<br />
Appetit darauf, die windgepeitschte,<br />
grandiose Landschaft mit ihren mysteriösen<br />
Zeugen der Vergangenheit<br />
und ihren besonderem Menschenschlag<br />
länger zu besuchen.<br />
1 Widerstandsfähige Flora 1 Das Vieh trotz dem rauen Klima<br />
52 Das Stadtgespräch