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CliniCum onko 06/2023

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DE, AT und CH Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie II<br />

Umgang mit Diarrhöen bei funktionalen<br />

neuroendokrinen Neoplasien<br />

Nicht alle Diarrhöen bei hormonsekretierenden<br />

Tumoren sistieren unter Somatostatin-Analoga.<br />

Die Differenzialdiagnostik kann sich dann im Einzelfall<br />

schwierig gestalten. Ein Experte legte dar,<br />

an welche Ursachen Sie denken sollten und warum<br />

die Ernährungstherapie bei funktionalen NET<br />

überlebenswichtig ist.<br />

Von Lara Sommer<br />

❙ Manchmal beeinflusst die Funktionalität<br />

neuroendokriner Neoplasien<br />

(NET) die Lebensqualität und<br />

Prognose stärker als die Tumorlast<br />

selbst, erläuterte Prof. Dr. Dominik<br />

Maria Schulte von der Christian-<br />

Albrechts-Universität zu Kiel. Er<br />

stellte einen Patienten mit neuroendokrinem<br />

Tumor im Ileum<br />

(G1) und hepatischen Metastasen<br />

(G2; Ki-67 8%) vor. Angesichts<br />

einer 5-HIAA-Ausscheidung*<br />

von 380mg/d lag bei diesem<br />

eindeutig ein Karzinoid-<br />

Syndrom vor. Im Rahmen der<br />

Therapie entfernten Chirurg:innen<br />

unter anderem ein 80cm<br />

langes Teilstück von Jejunum<br />

und Ileum. „Der Patient kam<br />

initial mit einer drastischen<br />

Verschlechterung des Allgemeinzustands<br />

zu uns, und<br />

das lag nicht an der Operation“,<br />

leitete der Referent über.<br />

Das Hauptproblem stellte eine<br />

starke Diarrhö dar. Dieses<br />

Symptom kann bei allen<br />

funktionellen NET vorkommen,<br />

die etwa 30 Prozent dieser<br />

Neoplasien ausmachen.<br />

Generell rät Schulte, zu Beginn<br />

und im Zuge des Restagings<br />

eine komplette Lokalisations-<br />

und Funktionsdiagnostik<br />

durchzuführen. „Chromogranin A<br />

ist kein Marker für die Funktionalität,<br />

sondern mehr oder weniger für die mormasse“, so der<br />

Tu-<br />

Experte.<br />

Unter Somatostatin-Analoga ist<br />

Diarrhö oft therapiebedingt<br />

Treten Durchfälle bei NET auf, müssen<br />

Ärzt:innen schrittweise die möglichen<br />

Ursachen abklären. Einerseits<br />

könnte hier der Überschuss an Serotonin<br />

die Diarrhö verursachen. Unter<br />

der Behandlung mit Somatostatin-<br />

Analoga (SSH) gehen die hormonbedingten<br />

Durchfälle andererseits teilweise<br />

in eine Steatorrhö über. „Oft<br />

sorgt die exokrine Pankreasinsuffizienz<br />

dafür, dass die Lebensqualität der<br />

Erkrankten nicht besser geworden ist,<br />

obwohl der Karzinoidtumor behandelt<br />

wurde“, verdeutlichte der Endokrinologe.<br />

Auch ein Kurzdarmsyndrom<br />

nach der Resektion kann zu<br />

Maldigestion, Malabsorption und<br />

verringerter Resorption von Gal-<br />

lensäuren führen. Pellagra, ein<br />

schwerer Mangel an Vitamin<br />

B3, geht ebenfalls mit Diarrhö<br />

einher und kann Folge des<br />

erhöhten Tryptophanverbrauchs<br />

für die Serotoninsynthese<br />

sein.<br />

Wird eine SSH-Therapie angewendet,<br />

sollten Mediziner:innen<br />

die fäkale Elastase<br />

bestimmen, um eine schwere<br />

exokrine Pankreasinsuffizienz<br />

rechtzeitig zu diagnostizieren.<br />

Liegt die Erkrankung vor,<br />

stellt eine Supplementation<br />

von 2.000 IE Lipase pro<br />

Gramm Nahrungsfett die<br />

wichtigste Maßnahme dar.<br />

Bei einer schweren Pankreasinsuffizienz<br />

handelt es sich<br />

um einen potenziell lebens-<br />

Das Karzinoid-Syndrom<br />

Typisch für das Karzinoid-Syndrom sind Diarrhö, Fatigue,<br />

abdominale Krämpfe, Appetitverlust und Gesichtsrötungen.<br />

Außerdem entwickelt sich eine karzinoide Herzerkrankung,<br />

welche oft die Lebenserwartung Betroffener<br />

limitiert und kardiologische Betreuung erfordert. Die<br />

Symptome beruhen auf einer übermäßigen Freisetzung<br />

von Serotonin in die Zirkulation. Diagnostisch bestimmen<br />

Ärzt:innen die Konzentration des Metaboliten 5-HIAA im<br />

angesäuerten 24-Stunden-Urin. Treten systemische Beschwerden<br />

auf, liegen in der Regel bereits Metastasen vor.<br />

bedrohlichen Zustand. Oft weisen Betroffene<br />

einen Mangel der fettlöslichen<br />

Vitamine A, D, E und K auf,<br />

ebenso an Kalzium, Zink, Magnesium,<br />

Thiamin und Folsäure. „Viele Betroffene,<br />

die wegen eines Karzinoid-<br />

Syndroms behandelt werden und mit<br />

Fatigue zu mir kommen, haben einfach<br />

nur eine schwere Mangelernährung<br />

und eine Hypovitaminose“,<br />

schilderte Schulte. Er warnte davor,<br />

sich auf unauffällige Blutwerte zu verlassen:<br />

Ein Vitamin- oder Elektrolytmangel<br />

zeige sich dort in der Regel<br />

erst, wenn die körpereigenen Reserven<br />

erschöpft sind. Der Experte substituiert<br />

die fettlöslichen Vitamine<br />

unter SSH-Therapie mittlerweile routinemäßig.<br />

„Alle Patient:innen, die<br />

einen neuroendokrinen Tumor haben,<br />

gehören auf Mangelernährung<br />

untersucht“, fasste er zusammen. Die<br />

Ernährungsmedizin fehle jedoch bisher<br />

in allen Leitlinien.<br />

Empfehlungen auch an den<br />

verkürzten Darm anpassen<br />

Als zusätzliche Medikation erhalten<br />

Betroffene Pankreasenzyme in einer<br />

Dosis von 2.000 IE/g Nahrungsfett zu<br />

jeder fetthaltigen Mahlzeit. „Auch der<br />

Cappuccino dazwischen muss mit<br />

Lipase behandelt werden“, hob der<br />

Referent explizit hervor, ebenso wie<br />

andere Snacks. Für die Einnahme gilt<br />

das Pizzaprinzip, bei dem sich kleine<br />

Essensmengen und entsprechende<br />

Dosen abwechseln. Ärzt:innen sollten<br />

angesichts des Kurzdarmsyndroms<br />

außerdem empfehlen, viele kleine<br />

Mahlzeiten einzunehmen, gründlich<br />

zu kauen sowie Essen und Trinken<br />

strikt voneinander zu trennen. ❙<br />

* 5-Hydroxyindolessigsäure<br />

„Diarrhöen bei neuroendokrinen Neoplasien<br />

verstehen – Diagnose und Therapie“, Vortrag<br />

im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen,<br />

Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften<br />

für Hämatologie und Medizinische<br />

Onkologie, Hamburg, 14.10.23<br />

Foto: Pixelbliss/stock.adobe.com<br />

24 <strong>onko</strong> CC 6 / 23

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