Herausforderung Demographischer Wandel - Kuratorium der ...
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Kornelia Haugg<br />
Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
<strong>Demographischer</strong> <strong>Wandel</strong> im Fokus <strong>der</strong> Politik<br />
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung verfolgt<br />
u. a. mit dem <strong>Kuratorium</strong> <strong>der</strong> Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung<br />
(KWB) gemeinsame Ziele in <strong>der</strong> Berufsbildung:<br />
Neben den quantitativen Problemen auf dem Ausbildungsmarkt,<br />
die wir gegenwärtig zu bewältigen haben, ist es unser<br />
gemeinsames Ziel, Ausbildungsberufe zu haben, die einerseits<br />
den Qualifi kationsbedarf <strong>der</strong> Wirtschaft decken und<br />
an<strong>der</strong>erseits den so ausgebildeten Fachkräften eine breite<br />
Beschäftigungsperspektive bieten. Betrachtet man die Bilanz<br />
seit 1996, dann ist mit 185 Neuordnungsverfahren und 70<br />
neuen Ausbildungsberufen eine einzigartige Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
des dualen Systems gelungen. Auch in diesem Jahr setzen<br />
wir dies fort: mit 17 Mo<strong>der</strong>nisierungen und 4 neuen Berufen.<br />
Für den Übergang an <strong>der</strong> so genannten zweiten Schwelle,<br />
dem Übergang in das Arbeitsleben, spielen mo<strong>der</strong>ne, den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Wirtschaft entsprechende Berufsbil<strong>der</strong> eine<br />
ganz entscheidende Rolle. Die z. T. großen Schwierigkeiten in<br />
an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n an dieser Stelle sollten unser Bewusstsein<br />
dafür schärfen, welch hohes Gut das duale System darstellt,<br />
mit dem wir sorgfältig und pfl eglich umgehen müssen. Dies gilt<br />
selbstverständlich auch vor dem Hintergrund <strong>der</strong> sich schon<br />
jetzt abzeichnenden demographischen <strong>Herausfor<strong>der</strong>ung</strong>en,<br />
die praktisch auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens<br />
in Deutschland Verän<strong>der</strong>ungen hervorrufen werden.<br />
Das <strong>Kuratorium</strong> <strong>der</strong> Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung hat<br />
mit dem Thema „<strong>Demographischer</strong> <strong>Wandel</strong> – <strong>Herausfor<strong>der</strong>ung</strong><br />
für Bildung und Berufsbildung“ für die diesjährige Tagung <strong>der</strong><br />
kaufmännischen Ausbildungsleiter eines <strong>der</strong> zentralen Zukunftsthemen<br />
unseres Landes auf die Tagesordnung gesetzt.<br />
Die Eckdaten <strong>der</strong> demographischen Entwicklung sind seit langem<br />
bekannt – o<strong>der</strong> vielleicht doch besser, sie scheinen bekannt<br />
zu sein. Denn den Entwicklungsszenarien liegen immer<br />
Prämissen zu Grunde, „Unterstellungen“ in den Modellrechnungen,<br />
die sich auch als falsch erweisen können. Und auch<br />
in <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Fakten, den daraus abzuleitenden Konsequenzen<br />
treten Unterschiede zu Tage, ganz zu schweigen<br />
von <strong>der</strong> Frage, wo Handlungsbedarf gesehen wird, und wie<br />
Lösungsstrategien gestaltet werden können. Unterschwellig<br />
schwingen in den Diskussionen auch Idealbil<strong>der</strong> vom Aufbau einer<br />
Gesellschaft mit, die durchaus zu hinterfragen sind. Gibt es<br />
Grund für Untergangsszenarien? Kann nicht auch eine alternde<br />
und schrumpfende Gesellschaft erfolgreich, vital und produktiv<br />
sein? Diese Fragen beinhalten genügend Diskussionsstoff.<br />
Hier einige Zahlen und Fakten zur demographischen Entwicklung<br />
aus <strong>der</strong> Perspektive des BMBF:<br />
Demographische Entwicklung in Deutschland<br />
Seit 33 Jahren liegen die Kin<strong>der</strong>zahlen in Deutschland unter<br />
jenem Wert, <strong>der</strong> für eine langfristig stabile Bevölkerungsentwicklung<br />
notwendig wäre. Zur Zeit beträgt die durchschnittliche<br />
Kin<strong>der</strong>zahl pro Frau knapp 1,4. Bei <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> jährlichen Geburten<br />
je 1.000 Einwohner liegt Deutschland mit 8,3 Geburten<br />
weltweit an letzter Stelle. Seit Anfang <strong>der</strong> 70er Jahre ist jede<br />
Generation um rund ein Drittel kleiner als ihre Elterngeneration.<br />
Bei einem angenommenen jährlichen Wan<strong>der</strong>ungszuwachs<br />
zwischen 100.000 und 200.000 werden – nach Berechnungen<br />
des Statistischen Bundesamtes – im Jahr 2050, in Deutschland<br />
zwischen 67 und 75 Mio. Menschen leben, je nachdem, wie<br />
sich die Lebenserwartung entwickeln wird.<br />
10<br />
„Demografischer <strong>Wandel</strong> als <strong>Herausfor<strong>der</strong>ung</strong> für Bildung und Ausbildung im Focus <strong>der</strong> Politik“<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Bevölkerung in Deutschland<br />
- zwei Szenarien<br />
Variante a: mittlere Lebenserwartung, Wan<strong>der</strong>ungssaldo von jährlich mind. 100.000<br />
Variante b: mittlere Lebenserwartung, Wan<strong>der</strong>ungssaldo von jährlich mind. 200.000<br />
85<br />
80<br />
75<br />
70<br />
65<br />
60<br />
55<br />
50<br />
2001 2010 2020 2030 2040 2050<br />
Variante a<br />
Variante b<br />
Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen des<br />
demographischen <strong>Wandel</strong>s werden sich zudem deutschlandweit<br />
uneinheitlich auswirken. Ausgehend von den Prognosen<br />
zur Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr<br />
2020 wird sich vor allem <strong>der</strong> Süden Deutschlands eher weiterentwickeln.<br />
Dagegen ist insbeson<strong>der</strong>e in den neuen Län<strong>der</strong>n<br />
mit dramatischen Einbrüchen zu rechnen. Nach <strong>der</strong> Wende<br />
brach die Kin<strong>der</strong>zahl je Frau im Osten auf knapp 0,8 ein. In<br />
keinem Land <strong>der</strong> Welt wurden jemals so niedrige Werte registriert.<br />
Inzwischen nähern sich die Werte denen <strong>der</strong> alten<br />
Län<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> an.<br />
Die Statistiker belegen: Wer gut qualifi ziert und weiblich ist,<br />
zieht westwärts. Unter den seit <strong>der</strong> Wende in den Westen abgewan<strong>der</strong>ten<br />
Personen waren 63% weiblich. In vielen Regionen<br />
Ostdeutschlands kommen heute je 100 Männer in <strong>der</strong> Gruppe<br />
<strong>der</strong> 18 bis 29jährigen weniger als 82 Frauen. Folglich unterteilen<br />
die Statistiker Deutschland auch bevölkerungsmäßig in<br />
Schrumpf- und Boomregionen. Während <strong>der</strong> Westen bis auf<br />
wenige Regionen (z. B. Ruhrgebiet o<strong>der</strong> Saarland) von 1990 bis<br />
2004 einen Bevölkerungszuwachs von zum Teil über 15% verzeichnen<br />
konnte, verläuft die Entwicklung in den neuen Län<strong>der</strong>n<br />
bis auf einige Regionen (z. B. um Berlin und in Teilen Sachsens)<br />
proportional umgekehrt. Mit einem Nachlassen dieses Trends in<br />
den nächsten 15 Jahren rechnen die Experten nicht.<br />
Wie zutreffend auch immer diese Prognosen sein mögen – <strong>der</strong><br />
Trend steht fest: In vielen Teilen <strong>der</strong> Welt wird die Bevölkerung<br />
weiter steigen, gleichzeitig wird sie in Deutschland und in <strong>der</strong><br />
EU schrumpfen und altern. Das bedeutet aber auch: Wer Arbeit<br />
hat, muss künftig für immer mehr Ältere mitsorgen.<br />
Eine schrumpfende Bevölkerungszahl verstärkt zwangsläufi g<br />
die Diskussion um einen Fachkräftemangel, <strong>der</strong> schon heute<br />
für einige Branchen beklagt wird.<br />
Zwar ist nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt und<br />
Berufsforschung (IAB) bis zum Jahr 2010 mit einer hohen Arbeitslosenquote<br />
zu rechnen. Allerdings wird sich die Bilanz aus<br />
Arbeitskräfteangebot und Arbeitskräftebedarf – selbst bei einer<br />
angenommen jährlichen Anzahl von 200.000 Zuwan<strong>der</strong>ern –<br />
bis zum Jahr 2020 halbieren. Spätestens ab dem Jahr 2015<br />
wird in Deutschland das Angebot an Arbeitskräften wegen des<br />
Bevölkerungsrückgangs spürbar abnehmen. Die Altersgruppe<br />
<strong>der</strong> 50- bis 64-Jährigen wird relativ an Gewicht zunehmen, die<br />
<strong>der</strong> jungen erwerbsfähigen Personen dagegen abnehmen.