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Christkatholisch_2024-3

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Hintergrund<br />

Sie führt die Frauen,<br />

die das Leben lieben.<br />

Seit zwanzig Jahren führt Priorin Irene Gassmann das Kloster Fahr<br />

Die Kraft ihrer Vision hat das Kloster im Limmattal zu einem Ort gemacht,<br />

wo die Liebe zu Gott und zum Leben erfahrbar ist. Ein Gespräch über<br />

göttliche Fügung und über den Mut, Grenzen zu überschreiten.<br />

Von Marie-Christine Andres Schürch<br />

Priorin Irene, als Sie im Jahr 2003 gewählt wurden,<br />

lebte im Fahr noch ein Propst, der das Kloster<br />

gegen aussen repräsentierte. Wo steht das<br />

Kloster heute?<br />

Selbst lebt und handelt man stets im Jetzt und merkt<br />

gar nicht, was sich alles entwickelt. Aber wenn ich<br />

zurückschaue, sehe ich, wie viel sich in diesen zwanzig<br />

Jahren entwickelt hat. Schon rein äusserlich ist<br />

viel sichtbar, und ich spüre, dass auch die Gemeinschaft<br />

gewachsen ist. Es hat ein Prozess stattgefunden,<br />

der eigentlich paradox ist: Alle Schwestern werden<br />

älter, gleichzeitig habe ich das Gefühl, wir werden<br />

immer lebendiger. Diese Lebendigkeit ist wunderschön,<br />

ich spüre, was alles möglich ist.<br />

Im Jahr 2003 hat man uns als Gemeinschaft von<br />

Frauen kaum wahrgenommen. Viele Leute hielten das<br />

Fahr für das Kloster von Pater Hilarius, unserem<br />

Propst. Es war ein anspruchsvoller Prozess, unseren<br />

Platz einzunehmen. Im Jahr 2006 zog sich der Propst<br />

nach Einsiedeln zurück und im Limmattal gab es einen<br />

Aufschrei: «Ein Frauenkloster ohne Mann!». Das<br />

kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Nach<br />

und nach haben wir Schwestern dann das Netz zu<br />

Menschen von aussen geknüpft. Im Jahr 2008 wurde<br />

der Freundeskreis gegründet. Seither haben sich<br />

enorme Welten geöffnet. Heute nimmt man uns wahr<br />

als Schwesterngemeinschaft vom Kloster Fahr.<br />

Im Jahr 2013 haben Sie als Priorin entschieden,<br />

die Bäuerinnenschule zu schliessen, in der Sie selber<br />

lange Schulleiterin waren. Was denken Sie<br />

heute über diesen Schritt?<br />

Ich hätte mir vor zwanzig Jahren nie vorstellen können,<br />

die Bäuerinnenschule zu schliessen. Als mir gegenüber<br />

jemand die Schule als Ballast bezeichnete,<br />

den wir abwerfen müssen, war ich zwei Tage lang<br />

verärgert. Dann merkte ich, dass die Person recht<br />

hatte. Die Schliessung war ein schmerzlicher Prozess,<br />

der jedoch gleichzeitig Luft und Raum für Neues<br />

gab. Für mich ist in all diesen Veränderungsprozessen<br />

wichtig, dass man nicht nur etwas verliert,<br />

sondern eine Vision hat, was in diesem Freiraum entstehen<br />

könnte. Loslassen FÜR etwas.<br />

Im Fall der Schule hat sich das wunderbar gefügt. Im<br />

Jahr 2012 begannen wir die Sanierung der Klosteranlage<br />

und merkten bald, dass es nicht geht, während<br />

der Sanierung im Kloster zu wohnen. Genau da<br />

wurde in der Schule Raum frei. Zuerst zügelten der<br />

Klosterladen und die Paramentenwerkstatt, später<br />

zog dann der ganze Konvent für zwei Jahre in die<br />

leerstehende Schule. Diese Erfahrung zeigt: Wenn<br />

man vertrauensvoll mutige Schritte macht und offen<br />

ist, auch für unkonventionelle Lösungen, dann fügt<br />

es sich. Hätte ich das am Schreibtisch geplant, es<br />

wäre nicht halb so gut aufgegangen.<br />

Die Züglete innerhalb der Klosteranlage hat auch<br />

Bewegung in die Gemeinschaft gebracht….<br />

Mir war wichtig, dass der Umzug nicht nur praktisch<br />

und funktional ist, sondern auch ein spiritueller Prozess.<br />

Deshalb haben wir für unser temporäres Domizil<br />

einen Namen gesucht. Das ging von Bethlehem<br />

über Emmaus, Jerusalem, und so weiter. Schliesslich<br />

haben wir uns für den Namen «Subiaco» entschieden.<br />

Das ist der Ort, wo unser Ordensgründer Benedikt<br />

in einer Höhle gelebt hat. Ich war schon einmal<br />

dort, und dachte, es wäre schön, wenn die Schwestern<br />

auch einmal dorthin könnten. Der Umzug war im<br />

Jahr 2014, 2016 sollten wir zurückzügeln. Im Jahr<br />

2015 hatten wir also Zeit. Papst Franziskus rief zudem<br />

gerade dann das «Jahr des geweihten Lebens»<br />

aus und sagte: «Geht zurück zu den Wurzeln.» Das<br />

passte! Vor Weihnachten habe ich den Schwestern<br />

das Vorhaben vorgestellt. Sie waren platt. Wir hatten<br />

noch nie als Gemeinschaft auswärts übernachtet.<br />

Und dann eine ganze Woche ins Ausland! Nach und<br />

nach kam die Vorfreude, im Herbst 2015 reisten wir<br />

eine Woche nach Italien, auf den Spuren von Benedikt.<br />

Wir waren in Nursia, Subiaco, Monte Cassino,<br />

über Florenz und Assisi. Wir haben viel erlebt. Die<br />

einen Schwestern waren bis dahin noch nie durch<br />

den Gotthard gefahren.<br />

Sind Sie bei ihren Schwestern berüchtigt für Ihre<br />

etwas verrückten Ideen?<br />

Wichtig finde ich, was sich bei solchen Vorhaben für<br />

unser spirituelles Leben ergibt. Ich merke, dass die<br />

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<strong>Christkatholisch</strong> Nr. 3, <strong>2024</strong>

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