Christkatholisch_2024-3
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Thema<br />
«Wenn du Menschen fischen<br />
willst, musst du dein Herz an<br />
die Angel hängen!»<br />
Manuela Petraglio: achtsam, mutig und offen für Neues<br />
Wenn Manuela Petraglio aus Magden von der christkatholischen Kirche<br />
erzählt, merkt man schnell, mit wieviel Herzblut sie den Menschen mit ihren<br />
Sorgen und Nöten verbunden ist. Die langjährige Synodalratspräsidentin<br />
weiss, dass wir für unser Christsein bei aller Liebe für Traditionen immer<br />
offen sein müssen für Neues, achtsam im Miteinander.<br />
Interview Niklas Raggenbass, Bilder Nik Egger<br />
Niklas Raggenbass: Die christkatholische Kirche<br />
St. Martin in Magden könnte nicht schöner gelegen<br />
sein. Wir sehen das Dorf mit seinen Wegen,<br />
Feldern und Häusern. Sie alle erzählen uns Geschichten<br />
von Menschen in Freud und Leid. Hier<br />
haben sie vieles erlebt und mitgetragen. Wie oft<br />
hören Sie die Glocken der Kirche, die grad zu läuten<br />
beginnen?<br />
Manuela Petraglio: Das kann ich nicht mehr zählen.<br />
Die Kirche und alles, was mit ihr zusammenhängt, hat<br />
mein Leben geprägt. Mein Vater und dessen Eltern<br />
haben diese Glocken noch von Hand zum Schwingen<br />
gebracht.<br />
Sind Sie denn in Magden aufgewachsen?<br />
Geboren bin ich in Basel, doch aufgewachsen in Magden<br />
in einer durch und durch christkatholischen Familie.<br />
Die Familie meines Vaters, Ernst Bürgi, hat das<br />
Sigristenamt geführt, dem neben dem Pfarrer eine<br />
ganz besondere Bedeutung zukam. Mein Grossvater<br />
war auch der «Sigerscht», danach war meine Grossmutter,<br />
die Mutter meines Vaters, über 50 Jahre lang<br />
tätig. Der Vater von Mamis Seite war Schreiner. Er<br />
machte alle Einsargungen und war damit so etwas<br />
wie ein Seelsorger. Oft kamen die Trauernden zuerst<br />
zu ihm und dann erst zum Pfarrer. Mein Vater war neben<br />
seinen Aufgaben in der Familie auch politisch engagiert,<br />
so war er Gemeinderat, lange Zeit Kirchenpflegepräsident<br />
und in der Nationalsynode tätig.<br />
Und Ihre Mutter?<br />
Sie setzte sich für viele Menschen ein, die oft bei uns<br />
zu Hause zu Gast waren, was ich als Einzelkind hautnah<br />
erlebte. Meine Eltern verloren zwei Kinder vorher<br />
und ich bin eigentlich das dritte Kind. Meine Mutter<br />
hat 8 Monate für mich im Bett gelegen – mein Vater,<br />
machte in dieser Zeit alles. Meine Mutter, Elisabeth<br />
Bürgi Stalder, hat sich auch sozial enorm eingebracht.<br />
Unglaublich für wen sie alles sorgte. Sie hat nicht nur<br />
10 Jahre lang den Frauenverein in Magden geleitet,<br />
sondern engagierte sich ihr ganzes Leben lang für<br />
sozial schwächere Menschen. Sie wurde auch angefragt,<br />
alleinstehende Leute zu betreuen, und zwar in<br />
einer Zeit, als es noch keine Spitex oder Sozialhilfe<br />
gab. Meine Mutter legte dann im ehemaligen Restaurant<br />
Hirschen in Magden den Grundstein für Alterswohnungen,<br />
was eine Stiftung wurde.<br />
Wie empfanden Sie Ihre Eltern als Erziehende?<br />
Ich bin streng erzogen worden, doch mit viel Aufmerksamkeit<br />
und Liebe. Es war klar: Man macht das und<br />
das nicht. Da schaute man genau drauf. Die Eltern<br />
liessen mir aber auch die Freiheit, zu entscheiden, wo<br />
ich selbst eine Verantwortung übernehmen wollte. Das<br />
prägte mich. Ich hatte eine schöne Kindheit – aber<br />
nicht nur die Kindheit. In einem Umfeld bin ich gross<br />
geworden, in dem ich miterlebte, was die Eltern machten.<br />
Das gab mir immer einen Halt und sollte mir ein<br />
Vorbild für mein eigenes Leben werden – und war sicher<br />
später auch ein Grund, dass ich mit meinem Mann<br />
und unseren Kindern, Tiziano und Fabrizio, unser Haus<br />
zu einem «Generationenhaus» umgebaut habe.<br />
Wie verlief denn Ihre Ausbildung?<br />
Ich besuchte die Primar- und Bezirksschule. Nach der<br />
Bezirksschule habe ich die Diplommittelschule in<br />
Aarau absolviert, wo ich auch wohnte. Dann besuchte<br />
ich drei Jahre das Lehrerseminar in Brugg. Schon<br />
in der 5. Klasse wusste ich, dass ich Handarbeitslehrerin<br />
werden wollte und davon kam ich nicht mehr ab.<br />
Noch heute finde ich, dass das mein Traumberuf ist.<br />
Wann fing das Schule-Geben denn an?<br />
Das war 1987 und ich begann als Lehrerin für Textiles<br />
Werken – Handarbeitslehrerin war das früher. Schon<br />
vorher mit 18 lernte ich meinen Mann, Marco Petraglio,<br />
im Tessin kennen, wo wir immer in den Ferien waren.<br />
Da wir nur Italienisch sprachen, wurde mir diese<br />
Landessprache fast zur Muttersprache. Marco kam<br />
nach Magden und eröffnete nach einigen Jahren eine<br />
eigene Firma. Als wir eine Familie gründeten, hörte<br />
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<strong>Christkatholisch</strong> Nr. 3, <strong>2024</strong>