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LÜNEBURG AKTUELL ½ KULTUR ½ KUNST ½ ... - Quadrat

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Die Handelsmacht von Bardowick war gebrochen.<br />

Da ein staatliches Konjunkturprogramm nicht in<br />

Sicht war, besannen sie sich auf ihre eigene Kraft<br />

und auf das, was sie bisher nebenbei betrieben<br />

hatten – auf den Anbau von Gemüse. Und wenn sie<br />

auch nicht gleich ein Monopol auf diesem Gebiet<br />

hatten, nach und nach wurde Bardowick zu der<br />

führenden Gemüseanbau-Gemeinde. Nicht nur zu<br />

den umliegenden Wochenmärkten, sogar bis Hamburg<br />

exportierte man Kohl, Rüben und Zwiebeln –<br />

und zwar auf Ilmenau und Elbe. „Dort, wo heute<br />

die Kornhausbrücke zur Speicherstadt führt, nahe<br />

der Katharinenkirche, landeten die Bardowicker<br />

Schiffer das für Hamburg bestimmte Gemüse an.<br />

Bald war es ratsam, einen festen Anlaufpunkt zu<br />

installieren, ein Haus, in dem man die Ladung lagern<br />

konnte, in dem aber auch die Schiffsbesatzungen<br />

und Bardowicker Gemüsehändler und<br />

-händlerinnen übernachten und essen konnten. An<br />

der Straße am Kai zwischen Katharinenkirche und<br />

Dovenfl eet wurde eigens dafür vom Hamburger Senat<br />

1535 ein Haus gemietet“, sagt Herbert Werner.<br />

Allerdings: Die Hamburger hatten den Bardowickern<br />

kein Sahnestück vermietet. Dieses erste Zippelhaus<br />

(das Wort „Zippel“ ist das niederdeutsche<br />

Wort für Zwiebel oder, wie sie früher genannt wurde:<br />

Zipolle) darf man sich als baufälligen Schuppen<br />

vorstellen. Noch dazu stand er an einer Stelle,<br />

die jedem Hochwasser preisgegeben war.<br />

links – Fleet, Katharinenkirche und Zippelhaus<br />

– hier war die Niederlassung der Bardowicker<br />

über Jahrhunderte.<br />

mitte – Blick auf die Straße „Zippelhaus“, eine<br />

feine Adresse am Hafen. Die Spitze des Kirchturms<br />

der Katharinenkirche lugt hervor.<br />

rechts – Es sieht aus, als habe er ein wachsames<br />

Auge auf die Häuser am „Zippelhaus“ zu seinen<br />

Füßen: Columbus auf seinem Sockel an der Kornhausbrücke<br />

in Hamburg.<br />

Als 1604 der Zustand dieses „Hauses“ so erbärmlich<br />

geworden war, dass der Wind durch die Ritzen<br />

pfi ff und der Regen durch die Lecks im Hause<br />

troff, wollten die Bardowicker und die Hamburger<br />

eine vernünftige Lösung für das Zippelhaus herbeiführen.<br />

Ein Neubau wurde beschlossen. Wie es<br />

damals in diesem aussah, davon zeugen Zeichnungen<br />

aus dieser Zeit. Wie überall auf den Straßen<br />

und Häusern im Mittelalter herrschten sicher<br />

auch hier Dreck und Gestank. Abfall wurde einfach<br />

auf die Straße oder in das nahe Fleet geworfen.<br />

Ratten gab es zuhauf, dazu waren Flöhe ständige<br />

Begleiter der Menschen. Abends herrschte sicher<br />

Ruhe in den Schlafräumen, denn der Tage Arbeit<br />

war lang und hart. Hier wurde auch gekocht<br />

und gegessen – Gemüse gab es sicher reichlich.<br />

Dazu diente das Zippelhaus als Lagerhaus. Vor<br />

dem Hause waren tagsüber Verkaufsstände aufgebaut.<br />

Hausfrauen und Dienstmädchen kamen mit<br />

Körben zu diesem „Frischemarkt“ um Kraut, Rüben,<br />

Salat, Kräuter und – nicht zu vergessen –<br />

„Zippeln“ aus Bardowick quasi ackerfrisch einzu-<br />

zurückgeblättert � quadrat 21<br />

holen, wie man in Hamburg sagt. Ja, und mancher<br />

Schiffer wird unter den Markt- oder Gemüsemädchen<br />

auf Brautschau gegangen sein und die Frau<br />

fürs Leben gefunden haben.<br />

Ganze 213 Jahre hat dieses „neue“ Zippelhaus<br />

gestanden und den Bardowicker Gemüsehändlern<br />

und Schiffern gedient. Dann hatte der lange,<br />

schmale und einfache Fachwerkbau ausgedient.<br />

Im Jahre 1882 wurde der Bau abgerissen und<br />

durch neue Häuser ersetzt. Bardowick erhielt eine<br />

Abfi ndung von 40.000 Goldmark.<br />

Heute tragen sechs mächtige, stolze Häuser die<br />

Adresse Zippelhaus. Eine gute Adresse. Neben<br />

einem Spitzenrestaurant, ausgezeichnet mit der<br />

„Chaine des Rotisseurs“ und einer Auszeichnung<br />

der Gourmet-Zeitschrift „Feinschmecker“, beherbergen<br />

die sechs Häuser Reedereien, Schifffahrtsbetriebe,<br />

Architekten, Anwälte und Handelsunternehmen.<br />

Die kupfernen Braukessel der Brauerei<br />

Gröninger kann man durch Scheiben einiger „Zippelhäuser“<br />

sehen, darin spiegelt sich die Speicherstadt.<br />

Und nicht zu vergessen ist ja das prächtige Standbild<br />

des Amerika-Entdeckers Christoph Kolumbus,<br />

der sein wachsames Auge auf die Straße mit dem<br />

Namen Zippelhaus richtet, auf das Zippelhaus,<br />

dessen Vorgänger hier erbaut wurde, als er gerade<br />

mal 35 Jahre zuvor seinen Fuß auf amerikanischen<br />

Boden setzte. (cb)

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