Christkind von 1897 - Die Schweizerische Post
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18 Leute Porträt<br />
<strong>Die</strong> <strong>Post</strong> Nr. 12/2006<br />
www.post.ch/personalzeitung<br />
Älteste Schweizerin war<br />
Mit ihrem silbergrauen Haar, ihrem warmherziges Lächeln strahlt sie<br />
Zufriedenheit aus. Körperlich und geistig rüstig lebt sie im Haus ihres<br />
Sohnes. Frieda Näf aus Thal SG, die frühere <strong>Post</strong>haltergattin, wird an<br />
Heiligabend zum 109. Mal Geburtstag und Weihnachten feiern.<br />
Text und Bild: Hans-Ulrich Friedli<br />
<strong>Die</strong> Novembersonne taucht das schmucke<br />
Dorf unweit <strong>von</strong> Rorschach in ein warmes spätherbstliches<br />
Licht. <strong>Die</strong> Reben tragen immer<br />
noch farbiges Laub. Und am Fusse des Rebberges,<br />
inmitten <strong>von</strong> Obstbäumen, steht das alte,<br />
gut erhaltene und gepflegte Ostschweizer<br />
Haus, das durch Frieda Näf-Meier, seine älteste<br />
Bewohnerin und zugleich älteste Schweizerin<br />
Geschichte schreibt. «<strong>Die</strong> Mutter freut sich sehr<br />
auf die Begegnung, denn sie erzählt immer<br />
wieder gerne aus ihrem langen Leben», sagt ihr<br />
Sohn, Reinhard Näf (80). Er begleitete mich die<br />
Treppe hinauf in die vom Sonnenlicht durchflutete,<br />
gemütlich eingerichtete Wohnung der<br />
Frieda Näf, bis 1963 in der alten <strong>Post</strong> <strong>von</strong> Schwellbrunn tätig, ist mit 109 Jahren die älteste Schweizerin. <strong>Die</strong><br />
rüstige Rentnerin strahlt immer viel Lebensfreude aus und wohnt im Haus ihres Sohnes Reinhard (80) in Thal.<br />
Dame, die in drei Jahrhunderten gelebt hat.<br />
Nahe am Fenster sitzt sie im Lehnstuhl, blättert<br />
in einem selbst gefertigten Album und blickt<br />
immer wieder hinaus auf die grünen Wiesen,<br />
hinüber zu den Hügeln des nahen Appenzellerlandes,<br />
ihrer früheren Heimat.<br />
Seit 1963 pensioniert<br />
<strong>1897</strong> als «<strong>Christkind</strong>» in Brunnadern geboren,<br />
sieht ihr heute niemand das hohe Alter an.<br />
Ihre Augen funkeln, freundlich reicht sie die<br />
etwas zittrig gewordene Hand zur Begrüssung.<br />
Sogleich beginnt sie zu erzählen. Sie erinnert<br />
sich an Zeiten, die für uns Ewigkeiten zurückliegen,<br />
Epochen, die wir nur aus Schwarz-weiss-<br />
Filmen und vom Anblick verblichener Fotos<br />
kennen. Man stelle sich vor: Als der erste Weltkrieg<br />
ausbrach, war Frieda Näf ein 17-jähriges<br />
Mädchen, und später, als Hitlers Armeen<br />
Europa verwüsteten, stand sie als Mutter <strong>von</strong><br />
vier Kindern und <strong>Post</strong>halterin im Appenzeller<br />
Kurort Schwellbrunn mitten im Arbeitsleben.<br />
«1963, ein Jahr bevor die <strong>Post</strong>leitzahlen in der<br />
Schweiz eingeführt wurden», erzählt sie aus<br />
längst vergangenen Zeiten, «haben mein Mann<br />
und ich das <strong>Post</strong>büro an die Nachfolger übergeben.»<br />
Nach 33 Jahren aktiver Zeit als <strong>Post</strong>halterehepaar<br />
notabene, betont ihr ebenfalls schon<br />
seit 20 Jahren pensionierter Sohn und früherer<br />
Lehrer. Bereits 1967 sei sein Vater leider verstorben.<br />
«Und am kommenden Heiligabend wird<br />
meine Mutter nun das 109. Lebensjahr feiern<br />
können, wenn das nicht eine wundervolle<br />
Weihnachtsgeschichte ist», freuen sich Reinhard<br />
Näf und seine Familie auf den besonderen Tag.<br />
Telegramme und ES-Listen handschriftlich<br />
Und wenn Frieda Näf mit wachem Geist <strong>von</strong><br />
den Dingen erzählt, die ihr langes Leben<br />
begleitet haben, kommt sie besonders gerne<br />
auf ihre Erlebnisse als <strong>Post</strong>halterfrau zu sprechen.<br />
Sofort kommen ihr die unzähligen Telegramme<br />
für die Kurgäste in den Sinn, die sie im<br />
<strong>Post</strong>büro mit wunderschöner Schrift niederschrieb<br />
– manchmal 100 an einem Tag! Oder<br />
die Einzahlungsscheine, die sie alle <strong>von</strong> Hand<br />
auf lange Listen einschrieb und die Beträge im<br />
Kopf zu Tagessummen zusammenzählte, während<br />
ihr Mann bis in den Abend hinein zu Fuss<br />
die <strong>Post</strong> zu den weit verstreuten Höfen brachte.<br />
<strong>Die</strong> Buchhaltung musste am Ende eines langen<br />
Arbeitstages natürlich auf den Rappen<br />
stimmen. Und dafür war meist Frieda Näf<br />
zuständig. Sie erinnert sich an die langen<br />
Arbeitstage, an die Expresssendungen, die<br />
Sommer und Winter, bei Regen und Schnee,<br />
werktags und sonntags bis in die Nacht hinein<br />
zuzustellen waren. Spezielle Freude bereiteten<br />
ihr die abwechslungsreichen Begegnungen am<br />
<strong>Post</strong>schalter. Ob einheimischen Bekannten