Inhaltsverzeichnis/Table des matières - Dr. Dieter Winkler Verlag
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Josephinismus als Aufgeklärter Absolutismus –<br />
ein Forschungsproblem?<br />
Gesellschaftlicher Strukturwandel und theresianisch-josephinische<br />
Reformen<br />
HELMUT REINALTER<br />
Die Reformtätigkeit Josephs II.<br />
Seit Mitte <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts wurden in der Habsburgermonarchie eine Reihe<br />
signifikanter Reformen eingeleitet, die auf eine reflektierte, programmatische,<br />
vor allem aber praktische Aufklärung zur „Verbesserung <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> und zur<br />
Beförderung der Vernunft“ zielten. Von der Vernunft erwartete man sich zugleich<br />
eine bessere Moral, Glück und Freiheit der Menschen, weshalb Vorurteile und<br />
Aberglauben, Schwärmerei, Fanatismus und Dogmatismus bekämpft, also die<br />
herrschende Unvernunft nach Möglichkeit beseitigt werden sollte.<br />
In der Habsburgermonarchie hatte sich schon Mitte <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts<br />
ein umfassender gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, politischer und geistiger<br />
Umwandlungsprozess vollzogen, wobei im Übergang zu modernen Formen der<br />
Staatsverwaltung und gesellschaftlichen Ordnung wesentliche Elemente <strong>des</strong> alten<br />
Systems überwunden werden konnten. Mit einiger Verspätung gegenüber den<br />
westeuropäischen Staaten entstand zwar auch hier ein modernes Bürgertum, das<br />
sich aber weder ökonomisch noch politisch profilierte. Die rückständigen sozialen<br />
und politischen Strukturen der Habsburgermonarchie, die sich am Beginn <strong>des</strong><br />
Österreichischen Erbfolgekriegs besonders deutlich zeigten, erzwangen nun Reformen,<br />
die in anderen Ländern schon früher von der philosophischen Aufklärung<br />
in Bewegung gesetzt wurden. In den habsburgischen Gebieten rief daher<br />
nicht die Philosophie zur Reform auf, sondern die Praxis der Aufklärung, die für<br />
die Durchführung von Neuerungsmaßnahmen entscheidend war. 1<br />
Die Reformen Maria Theresias waren primär darauf angelegt, das bisher<br />
föderative Österreich mit seinen nahezu autonomen Kronländern in einen zentra-<br />
1 Helmut Reinalter, Aufgeklärter Absolutismus und Revolution. Zur Geschichte <strong>des</strong> Jakobinertums<br />
und der frühdemokratischen Bestrebungen in der Habsburger-Monarchie. Wien 2000, 50-<br />
62; ders., Die praktische Aufklärung und der Josephinismus. In: Herbert Lachmayer (Hg.), Experiment<br />
Aufklärung im Wien <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts. Essayband zur Mozart-Ausstellung. Ostfildern<br />
2006, 171; Robert A. Kann, Kanzel und Katheder. Studien zur österreichischen Geistesgeschichte<br />
vom Spätbarock zur Frühromantik. Wien 1962, 127; Helmut Reinalter, Gesellschaftstheorien<br />
und Sozialkritik in der österreichischen Aufklärung. In: Michael Benedikt<br />
(Hg.), Verdrängter Humanismus. Verzögerte Aufklärung., 1/2. Teilband., Klausen-Leopoldsdorf<br />
1997, 759-771.