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de und der Krieg auf sein katastrophales Ende zusteuerte. Einschneidend war auch eine Straßenbahnfahrt durch das jüdische Ghetto von Łódź im Herbst 1943. Bethy Lübcke war damals zu einem Ernteeinsatz nach Polen geschickt worden. Das Ghetto bot ein Bild des Elends. Soldaten, die ebenfalls in der Straßenbahn saßen, sagten ihr, der Führer wüßte darüber Bescheid und wolle es so. „Deutsche sind die Herrenrasse, und nichtarische Menschen sind Untermenschen, die man vernichten kann“, faßt sie heute zusammen, was sie von ihnen hörte. Für sie eine furchtbare Erfahrung, weil sie an ihre Freundin Lilian denken mußte. „Da kamen mir zum ersten Mal Zweifel“, sagt sie heute. Das selbstgefällige Verhalten von Arbeitsdienst-Führerinnen tat ein übriges. Der endgültige Bruch kam 1945, als sie mit dem Zug nach Hamburg zurückkehrte und der Zug durch das zerstörte Rothenburgsort fuhr. Sie erlebte, wie Soldaten, die ihre Familien suchen wollten, in Tränen ausbrachen. Die Eltern waren immer gegenüber der NS-Ideologie auf Abstand geblieben. Bethy Lübcke war dagegen wie viele andere vom Regime zunächst eingefangen worden. Trotzdem gab es immer andere Impulse und Einflüsse. Emma, eine Nachbarin im Haus in der Barmbeker Von-Essen-Straße, fiel Bethy dadurch auf, daß sie die besten politischen Witze erzählen konnte. Emma lebte von einer kleinen Rente, half aber anderen, wo sie konnte. Als Sozialdemokratin stand sie unter Polizeibeobachtung, ließ sich aber nicht einschüchtern und versteckte einen politischen Flüchtling. Unter dem NS-Regime riskierte sie damit ihr eigenes Leben. „Emma ist für mich bis heute ein ganz besonderer Mensch geblieben“, sagt Bethy Lübcke. Demokratie als Lebensform Nach dem Krieg ließ sich Bethy Lübkke zur Krankenschwester ausbilden und gleichzeitig zur Medizinisch-Technischen Assistentin. Sie arbeite 11 Jahre im Krankenhaus St. Georg. Außerdem engagierte sie sich in der Gewerkschaft, ließ sich in den Betriebsrat wählen. Sie bildete sich weiter, ging auf die Gewerkschaftsschule, dann auf die Akademie der Arbeit. 1958/59 wurde sie Assistentin beim DGB-Bundesschulleiter, für eine Frau in der da- 50 Generation 60plus maligen Zeit eine sehr ungewöhnliche Position. Dann wechselte sie zur Hamburger Gewerbeaufsicht, wo sie zehn Jahre blieb. Sie bekam dort lehrreiche Einblicke in die Arbeitswelt, stieß auf Probleme, die bis heute nicht gelöst sind – etwa die Frage von gleicher Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit. Als sie begann, für die ÖTV zu arbeiten, merkte sie, daß in den bestehenden Tarifverträgen, die die Gewerkschaft ausgehandelt hatte, Frauen schlechter bezahlt wurden und schlechter behandelt wurden als die Männer. Also setzte sie sich dafür ein, daß sich das ändert. Aber es dauerte lange, bis sich der Erfolg einstellte. Zwanzig Jahre bei der ÖTV – die besten Berufsjahre Richtschnur war immer das soziale Engagement. In der Abteilung Gesundheitswesen, deren Leiterin sie schließlich wurde, ging es darum, den einzelnen Mitgliedern zu ihrem Recht zu verhelfen. Sie schulte Vertrauensleute sowie Personal- und Betriebsräte. Auch gesundheitspolitische Fragen und der Arbeitsschutz fielen in ihren Aufgabenbereich. Heute hält sie die 20 Jahre, die sie bei der ÖTV arbeitete für ihre besten Berufsjahre. Forderungen, die sie damals vertreten hat, sind aktuell geblieben – nicht nur die nach gleichem Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit. Die nach mehr Ganztagsplätzen in Kindergärten und nach Ganztagsschulen haben sogar an Aktualität gewonnen. Allerdings konnten die Gewerkschaften keinen großen Umbruch herbeiführen. „Sie konnten das Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich nicht verhindern. Dabei ist das heute weltweit das größte Problem. Man konnte nur einzelnen helfen und so etwas bewegen“, sagt Bethy Lübcke heute. Zum Beispiel die Verkürzung der Wochenarbeitszeit, die während ihrer Tätigkeit als Krankenschwester noch 60 Stunden in der Woche betrug. Sie wurde der Arbeitszeit der übrigen Angestellten schrittweise angeglichen. Dasselbe galt für die Verbesserung der Bezahlung, die immer noch nicht ausreicht. 1971 kam ihr einziger Sohn zur Welt. Sie zog ihn alleine auf, was eine große Herausforderung war. Denn damals war es noch nicht so selbstverständlich, daß alleinstehende Frauen Kinder erzogen und gleichzeitig berufstätig waren. Inzwischen hat der Sohn vier Kinder und ist selbst gewerkschaftlich aktiv. Die 68er-Bewegung sieht sie im Rückblick eher ambivalent. Es gab zwar berechtigte Kritik an der Gewerkschaftsführung, aber gerade die in den 70er Jahren auftretenden K-Gruppen haben den Gewerkschaften geschadet. Trotzdem wirkte die 68er-Bewegung positiv: „Durch sie wurde das übermäßig Angepaßte und Disziplinierte hinterfragt und zurückgedrängt“, sagt sie. Zwei Jahrzehnte ehrenamtliches Engagement in Berne Vor nunmehr 20 Jahren half sie beim Aufbau des Freundeskreises Seniorenhilfe; lange Zeit war sie 1. Vorsitzende. Als sie mit dieser Arbeit begann, ging sie gerade in den Ruhestand. „Aber ich wollte mich nicht zur Ruhe setzen“, erzählt sie. Damals war die Seniorenwohnanlage Walddörfer gerade fertiggestellt, und in Bethy Lübckes Bekanntenkreis entstand die Idee, sich um die neuen Bewohner zu kümmern. Mit Fragebögen brachte der Freundeskreis in Erfahrung, wo die Schwerpunkte dieser Arbeit liegen sollten und orientierte sich an den Ergebnissen – und damit an den Bedürfnissen der Bewohner. Als wichtiges Thema stellte sich der Umgang mit Dementen heraus. Der Freundeskreis zog Fachleute heran, um das dafür nötige Wissen zu erwerben. Außerdem setzte sich der Verein für die Gründung von Heimbeiräten ein und schulte auch deren Mitglieder. Als in den Neunziger Jahren das damals im Besitz der Stadt befindliche Berner Schloß verkauft werden sollte, beteiligte sich Bethy Lübcke an der Gründung des Vereins „Rettet das Berner Schloß“. Der Verein hatte sich zum Ziel gesetzt, das Schloß (siehe Artikel in der Rubrik „Aus der Lokalgeschichte) für die Berner zu erhalten. Obwohl der Verein nie genug Geld hatte, um das Schloß selbst zu kaufen, trug er dazu bei, daß das traditionsreiche Anwesen erhalten blieb. Mittlerweile hat sich Bethy Lübcke aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen. Sie betreut allerdings weiterhin Busausflüge für den Freundeskreis, besucht Bewohner in der Seniorenwohnanlage und organisiert einen Mittagstisch für Parkinson-Kranke und ihre Angehörigen.
Solidarische Gesellschaft als Vision Die Lebenshilfe wird 50 Interview mit Eva Mohr, seit 1997 Geschäftsführerin der Hamburger Lebenshilfe-Werk für Menschen mit geistiger Behinderung gGmbH (www.lebenshilfe-werk-ggmbh.de) Seit wann gibt es die Lebenshilfe in Hamburg? Die Lebenshilfe in Hamburg gibt es seit 1960. Sie wurde unter dem Namen „Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind Landesverband Hamburg“ gegründet. Es war eine Zeit, in der sich Eltern in Vereinen zusammengefunden und sehr engagiert für die Durchsetzung der Rechte und für ein würdevolles Leben ihrer behinderten Kinder eingesetzt haben. Der Hamburger Lebenshilfe-Werk e. V. wurde im Jahr 1966 vom damaligen Vorsitzenden des Landesverbandes, Herrn Dr. Karl Schütze gegründet. Mit der Schaffung weiterer Einrichtungen wuchs die wirtschaftliche Verantwortung, und die Vereinsstrukturen passten nicht mehr so richtig. Deshalb Dipl.Betriebswirtin Eva Mohr ist Geschäftsführerin der Lebenshilfe. hat der Vereinsvorstand 1982 gemeinsam mit dem Landesverband ein gemeinnütziges Unternehmen ins Leben gerufen, die heutige Hamburger Lebenshilfe-Werk für Menschen mit gei- Nutzerinnen und Nutzer sowie Mitarbeiter der Tagesförderstätte Saseler Weg. stiger Behinderung gGmbH. Inzwischen betreibt sie 8 Wohneinrichtungen und eine Tagesförderstätte in Hamburg sowie das Karl-Schütze-Heim in Merkendorf/Schleswig-Holstein mit insgesamt 300 Plätzen und 200 Mitarbeitern für Menschen mit geistiger Behinderung. Seit wann gibt es die Lebenshilfe in Deutschland? Die Lebenshilfe in Deutschland wurde im Jahr 1958 – also vor 50 Jahren – als „Bundesvereinigung Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind“ von 14 Eltern und Fachleuten in Marburg gegründet. Inzwischen hat sie sich in „Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V.“ umbenannt. Das Hamburger Lebenshilfe-Werk ist ebenfalls Mitglied der Bundesvereinigung. In welchen Stadtteilen liegen die Einrichtungen des Hamburger Lebenshilfe-Werks? In den Walddörfern befinden sich unsere Wohneinrichtung Saseler Weg und unsere Tagesförderstätte. In ganz Hamburg betreiben wir darüber hinaus sieben weitere Wohneinrichtungen für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung – in Altona, Bergedorf, Har burg, Jenfeld, Rothenburgsort und Wilhelmsburg. Die zentrale Verwaltung des Hamburger Lebenshilfe-Werks ist in der Schweriner Straße in Hamburg- Rahlstedt. Was ist die Vision der Lebenshilfe? Wir wollen die Stellung der Menschen mit geistiger Behinderung in unserer Gesellschaft stärken. Auch wenn sich ihre Situation seit Gründung der Lebenshilfe schon deutlich verbessert hat, so leben sie dennoch nicht durchgängig als gleichberechtigte Bürger unter uns. Der Erfolg der vergangenen Jahre darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade heute unser entschiedenes Engagement für die berechtigten Interessen dieser Menschen wichtig bleibt. Wir müssen unter den heute gegebenen Bedingungen die Vision einer Gesellschaft entwickeln, die für alle Menschen Perspektiven bietet. Eine solche Gesellschaft kann nur – davon bin ich zutiefst überzeugt – auf Gerechtigkeit und Solidarität gegründet sein, sie darf keinen Menschen ausgrenzen. Das zu erreichen ist unser Ziel. Frau Mohr, wir wünschen Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern alles Gute und viel Erfolg bei der Arbeit. Wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Hamburger Lebenshilfe-Werk für Menschen mit geistiger Behinderung gGmbH Schweriner Str. 8 · 22143 Hamburg Telefon: (0 40) 6 75 00 60 Telefax: (0 40) 6 77 39 75 E-Mail: info@lebenshilfe-werk-ggmbh.de
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