Polityka i historia - Zbliżenia Interkulturowe
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Jubileusz Güntera Grassa<br />
phie – »Ich glaube, daß die Geschichte ein<br />
absurder Prozeß ist, aus dem zu lernen<br />
schwerfällt« – und den Intentionen eines<br />
am Gedankengut der europäischen Aufklärung<br />
geschulten Citoyens, hat auch<br />
Günter Grass sich den oft vergeblich anmutenden<br />
Bemühungen der schöpferisch<br />
tätigen Menschen vom Stamme Sisyphos<br />
verschrieben: »Ich las den Mythos<br />
von Sisyphos Anfang der fünfziger Jahre.<br />
Doch vorher schon, ohne Kenntnis<br />
des sogenannten Absurden, dumm wie<br />
mich der Krieg entlassen hatte, war ich,<br />
der Zwanzigjährige, mit allen Seinsfragen<br />
und also mit dem Existentialismus auf<br />
Du.« (10, 100)<br />
Die sich unermüdlich abrackernde<br />
Gestalt der antiken Mythologie und ähnlich<br />
absurde Narren avancierten für<br />
Grass, »dem Melancholie und Utopie<br />
Zahl und Adler der gleichen Münze sind«<br />
(7, 301), zu Leitfiguren seines künstlerischen<br />
und politischen Handelns. Mittlerweile<br />
vertraut mit der Komik des Scheiterns,<br />
»angeekelt vom christlich-marxistischen<br />
Hoffnungsquark« (10, 100), hat der<br />
nach Camus’ Interpretation glückliche<br />
Steinewälzer seinen Marmorblock, der<br />
nicht zu verwechseln ist mit dem Stein<br />
der Weisen, gesucht und gefunden: »Kein<br />
himmlisch Jerusalem kann sein Tauschwert<br />
sein, kein irdisches Paradies ihn unnütz<br />
machen.« (10, 101) Für den scharfzüngigen<br />
und im besten Fall durchaus<br />
selbstironischen »Wanderprediger« (10,<br />
20) gibt es demnach keine erlösenden<br />
Endziele. Er versucht vielmehr, jedem<br />
Prinzipiendenken mit fragendem Zweifel<br />
zu begegnen, rein abstrakte Entwürfe<br />
an sinnlich erfahrbaren Realitäten zu<br />
überprüfen. Mit alleinseligmachenden<br />
Heilslehren und Säuberungsprozessen<br />
16<br />
im Zeichen barbarischer Vorstellungen<br />
von Rassen- oder Geisteshygiene hat das<br />
frühzeitig »gebrannte Kind« (vgl. 14, 138)<br />
– der Hitlerjunge dachte bis 1945, »daß<br />
unser Krieg richtig war« und glaubte<br />
noch als siebzehnjähriges SS-Mitglied an<br />
den Endsieg – nichts mehr im Sinn. Idealistische<br />
Ideologien jeglicher Couleur,<br />
totalitäre Staatssysteme und politisch-religiösen<br />
Extremismus jeder Ausprägung<br />
lehnt Grass ab. Er hat seine Lektionen<br />
gelernt und Konsequenzen daraus gezogen.<br />
Als undogmatischer »Revisionist«<br />
(14, 529) und erklärter Gegner gewaltsamer<br />
Revolutionen setzt er sich seitdem<br />
ausdauernd für die Flexibilität garantierende<br />
Position der permanenten Revolte<br />
ein. Der selbsternannte »Ketzer« (7, 38)<br />
verlacht jede Idee, die ihm »die letzte<br />
Ankunft, die endliche Ruhe des Steins<br />
auf dem Gipfel verspricht« (10, 101). Er<br />
bleibt dem bewährten Überlebensprinzip<br />
der »Firma Sisyphos« und also der Erde<br />
augenzwinkernd treu: »Das hört nicht<br />
auf. Nie, sag ich dir, nie wird das aufhören.<br />
Immer wartet unten der Stein« (10,<br />
99). Ein griechischer Mythos in der Auslegung<br />
eines nicht zuletzt an Friedrich<br />
Nietzsches Diagnosen anknüpfenden<br />
Franzosen, aktualisiert durch einen weltoffenen<br />
Bürger, der sich über die Drittrangigkeit<br />
der deutschen Fragen im von<br />
grenzüberschreitenden Umwelt- und globalen<br />
Wirtschaftsproblemen bestimmten<br />
Maßstab im klaren ist; ein wohltuend<br />
internationaler Standpunkt. Kurzum,<br />
Günter Grass, der traditionsbewußte Moderne,<br />
steht im hier skizzierten Kontext<br />
für eine bewegliche Position: »Vorbehalten<br />
bleibt Irrtum.« (1, 156)<br />
Doch weniger die gerade in Deutschland<br />
bereits bemerkenswerte Tatsache,