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Polityka i historia - Zbliżenia Interkulturowe

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Jubileusz Güntera Grassa<br />

eine scharfe Rede gehalten. Er hat als erster<br />

vor der damals schon beginnenden<br />

Verfälschung des Arbeiteraufstandes gewarnt“<br />

(EuR I 96), denn „während noch<br />

in der sowjetisch besetzten Zone von der<br />

Werkbank weg verhaftet wurde, begann<br />

man in Bonn schon am Mythos der<br />

Volkserhebung zu stricken. Dringlich<br />

wies Brandt auf das weltweite Echo des<br />

Arbeiteraufstandes hin. Ich zitiere: ‚Wir<br />

haben lesen können, daß diese Ereignisse<br />

für die Stellung Deutschlands und für<br />

das Vertrauen zu den demokratischen<br />

Kräften in unserem Volk mehr bedeutet<br />

hätten als alle Schritte der Bundesregierung<br />

zusammengenommen.’ – Diese<br />

Anklage hat noch heute Gültigkeit“ (EuR<br />

I: 107f.).<br />

Unklar muss bleiben, ob Grass seine<br />

eigene Wahrnehmung im Rückblick modifiziert,<br />

nachdem sein väterlicher Freund<br />

ihm politisch die Augen geöffnet hat, oder<br />

aber ob die Freunde schon vor Beginn ihrer<br />

Freundschaft einer Meinung nach –<br />

gewisse gemeinsame Ansichten vor der ersten<br />

Begegnung sind schließlich förderlich<br />

beim Aufbau einer Freundschaft.<br />

Der folgende Roman örtlich betäubt beschäftigt<br />

sich, wie das komplementäre<br />

Theaterstück Davor, mit den schärfsten<br />

Kritikern der Politik von Willy Brandt –<br />

der linken Opposition junger Menschen.<br />

Aus eigener Erfahrung berichtet Grass:<br />

„Wie groß waren die Hoffnungen, als von<br />

Berlin aus und dann in der Bundesrepublik<br />

zum ersten Mal in der deutschen Geschichte<br />

Studenten von links her politisch<br />

zu argumentieren begannen. Der<br />

Protest der Studenten fand nicht nur bei<br />

den Schülern ein Echo. Wenn Sie bereit<br />

sind, gerecht zu urteilen, werden Sie<br />

kaum überhört haben können, wie früh,<br />

22<br />

wie oft und wie verständnisvoll aus eigener<br />

Kenntnis der Erste Vorsitzende der<br />

SPD, Willy Brandt, den Protest der Jugend<br />

beim Wort genommen hat; er hat<br />

diese Zerreißprobe im eigenen Haus ausgehalten.<br />

Auf dem Nürnberger Parteitag,<br />

während des Wahlkampfes in Baden-<br />

Württemberg und bis jetzt, nach der Verurteilung<br />

seines Sohnes Peter, habe ich<br />

von Willy Brandt kein autoritäres Wort<br />

gehört, auch wenn seine Toleranz nur die<br />

Intoleranz der Wähler provozierte, auch<br />

wenn ihm die Kritik in der eigenen Partei<br />

forschere Töne nach dem Muster<br />

Kiesinger abfordern wollte. Wäre es nicht<br />

politisch folgerichtig gewesen, wenn gerade<br />

der Studentenprotest Willy Brandts<br />

neue Formel von der Anerkennung beziehungsweise<br />

Respektierung der Oder-<br />

Neiße-Grenze bis zu einem Friedensvertrag<br />

aufgegriffen hätte? Wie sehr ist ein<br />

solcher Versuch, eine neue Deutschlandund<br />

Ostpolitik zu beginnen, gerade auf<br />

die Mithilfe der jungen Generation angewiesen.<br />

Doch davon war nichts zu hören.<br />

Zwei bis drei Prozent Stimmenverlust<br />

sind nachweislich auf Willy<br />

Brandts Oder-Neiße-Formel zurückzuführen.<br />

Anstelle politischer Parteinahme<br />

verlor sich der Studentenprotest zum gleichen<br />

Zeitpunkt zunehmend in revolutionärer<br />

Rhetorik. Während verschiedener<br />

Veranstaltungen, besonders in Berlin,<br />

lernte ich eine linksradikale Intoleranz<br />

kennen, die ich während der Bundestagswahlen<br />

1965 in erster Lektion schon von<br />

seiten der Jungen Union hatte kennenlernen<br />

dürfen“ (EuR I: 341f.).<br />

Im nächsten größeren Prosawerk, Aus<br />

dem Tagebuch einer Schnecke, ist Willy Brandt<br />

das Gravitationszentrum des Buches,<br />

selbst wenn sein Name ausgespart wird –

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