Polityka i historia - Zbliżenia Interkulturowe
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Wenn László / Ladislaus I., 1076 bis<br />
1095 ungarischer König, viele Kirchen<br />
und Klöster stiftete und sie reich ausstattete,<br />
zugleich aber seine innenpolitischen<br />
Gegner aufs härteste verfolgte und vernichtete,<br />
so widersprach sich das aus seiner<br />
Sicht nicht. Dass er die Gliedmaßen<br />
der Feinde gern an Kirchentüren annageln<br />
ließ, war ein unzweideutiges Signal<br />
an den oppositionellen Adel: Das Bekenntnis<br />
zur neuen Staatsreligion bedeutet<br />
die Unterwerfung unter meine Herrschaft.<br />
Wer die Taufe ablehnt, wird als<br />
Feind – heute würde man sagen: als Staatsfeind<br />
– behandelt.<br />
Wie stark die Regenten früherer Zeiten<br />
von dem Dilemma, als christliche<br />
Herrscher gegen zentrale christliche Gebote<br />
(du sollst nicht töten!) aus politischer<br />
Notwendigkeit verstoßen zu müssen, in<br />
ihrem Innern und Gewissen wirklich berührt<br />
waren, können wir meistens nicht<br />
genau sagen. Die Zuverlässigkeit der<br />
Quellen, der Viten und Biographien,<br />
steht wirklich nicht außer Zweifel. Einen<br />
Herrscher allerdings finden wir an der<br />
Schwelle zur Neuzeit, der sich in zahlreichen<br />
Selbstzeugnissen zu diesem Dilemma<br />
geäußert hat: Ivan IV., „der Schreckliche“,<br />
der erste gekrönte Zar des Moskauer<br />
Reiches, Herrscher von 1547 bis 1584.<br />
Das Bild dieses „grausen Zaren“, wie Johannes<br />
Scherr ihn genannt hat, ist von<br />
viel Fürchterlichem bestimmt. Gewiss, er<br />
neigte zum Jähzorn, er ließ viele Gegner<br />
auf schreckliche Weise foltern und hinrichten,<br />
auch erschlug er in einem Wutanfall<br />
seinen Sohn und Thronfolger. Bei<br />
nüchterner Betrachtung fällt die Bilanz<br />
seiner Schreckenstaten jedoch vergleichsweise<br />
günstig aus. Allein die Bartholomäusnacht<br />
forderte in Paris doppelt so<br />
Hans Hecker: Das Problem des Großinquisitors...<br />
viele Opfer wie die gesamte Herrschaftszeit<br />
des schrecklichen Ivan, von anderen<br />
nicht minder schrecklichen Ereignissen<br />
und Herrschern ganz zu schweigen. Insofern<br />
war Ivan der Schreckliche durchaus<br />
ein Kind und ein Herrscher seiner<br />
Zeit.<br />
Was ihn wirklich hervorhebt, ist seine<br />
umfangreiche publizistische Tätigkeit.<br />
Was er tat, welche Maßnahmen er traf,<br />
kommentierte er, oftmals sogar recht ausführlich.<br />
Nicht alles erklärte er in einer<br />
Weise, die dem heutigen Historiker zufrieden<br />
stellende Auskünfte gäbe. Dem<br />
damaligen Moskauer Geist entsprechend<br />
erklärte er vieles mit dem Willen Gottes,<br />
den er als rechtgläubiger (orthodoxer)<br />
Herrscher zu erfüllen habe, nachdem das<br />
frühere Zentrum der Orthodoxie, Konstantinopel,<br />
ein Jahrhundert vorher von<br />
den heidnischen Osmanen erobert worden<br />
war. Erst durch den Vorhang seiner<br />
geradezu ausschweifenden theologischen,<br />
ideologischen und narzistischselbstmitleidigen,<br />
weithin in Bibelzitate<br />
gekleideten Betrachtungen hindurch<br />
können wir seine politischen Motive ausmachen.<br />
Wenn Ivan IV. vor allem die<br />
Bojaren der Häresie, des Verrats bezichtigte<br />
und sie erbittert verfolgte, so bekämpfte<br />
er in ihnen den regionalen<br />
landbesitzenden Erbadel, der seiner Politik<br />
im Wege stand, dem Aufbau des<br />
Moskauer Zentralstaates und der Fortentwicklung<br />
der autokratischen Monarchie.<br />
Es ging also um Politik, um Macht. Dass<br />
er in der Ausübung seines Amtes neben<br />
Milde auch unnachsichtige Härte zeigen<br />
musste, formulierte er mehrfach, so z.B.:<br />
Und immerdar geziemt es den Herrschern,<br />
umsichtig zu sein: hier sehr milde,<br />
dort grimmig; für die Guten Gnade<br />
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