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Polityka i historia - Zbliżenia Interkulturowe

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Jubileusz Güntera Grassa<br />

sche Nationalmannschaft oder die jeweilige<br />

Regionalmannschaft, mit der man<br />

sich identifiziert. Speziell mit der Danziger<br />

Fußballmannschaft ist der Krieg für<br />

Grass verbunden: „An Fußballspiele der<br />

Danziger Mannschaft, die eher Mittelklasse<br />

war, gegen auswärtige Vereine —<br />

Breslau, Fürth, sogar Schalke — erinnere<br />

ich mich. Namen damals berühmter Fußballer<br />

wie Goldbrunner, Lehner fallen<br />

mir ein. Und daß ich am 21. Juni 1941, an<br />

einem Sonntag, als mit Sondermeldungen<br />

der Rußlandfeldzug begann, dort,<br />

vom Stehplatz aus, in der vertieften<br />

Stadionschüssel ein Spiel gesehen habe —<br />

weiß nicht mehr, gegen wen“ (Unkenrufe<br />

57-58). Im Gedicht Schlager im Ohr heißt es<br />

dementsprechend: „Jetzt hat Goldbrunner<br />

eine Flanke von Lehner…/ Wir hörten<br />

Fußball/ und Sondermeldungen/<br />

über den Drahtfunk“.<br />

Da das Staatsgeschick mit fußballerischen<br />

Darbietungen verknüpft scheint,<br />

sind Länderspiele Anlass für Plötzliche<br />

Angst: „wenn um den Fußball Urlauber<br />

zelten/ und der Nationen verspielter<br />

Blick/ große Entscheidungen spiegelt,/<br />

[…]/ liegt plötzliche Angst in der Luft“.<br />

Der Gewinn der Weltmeisterschaft wird<br />

in der Rede von der Gewöhnung eingereiht<br />

in die diversen deutschen Wunder der<br />

Nachkriegsjahre: „dem deutschen Wirtschaftswunder,<br />

dem Wiederaufbauwunder,<br />

dem Fräulein- wie dem Fußballwunder“.<br />

Auch der Abgrenzung zur<br />

DDR dienen die Länderspiele, denn<br />

„selbstverständlich leistet sich die Bundesrepublik<br />

eine Fußballnationalmannschaft,<br />

während auf der anderen Seite, je<br />

nach Gusto des Fernsehsprechers, die<br />

mitteldeutsche bzw. Zonenmannschaft<br />

gewinnt, verliert oder ein Unentschieden<br />

36<br />

erkämpft“ (Essays und Reden I: Die kommunizierende<br />

Mehrzahl 257).<br />

Wie schon das Spiel von 1954 ist auch<br />

Spiel von 1974 ein Politikum, an dem<br />

Grass die deutsch-deutsche Teilung anschaulich<br />

macht. In seinem Roman Der<br />

Butt betonte Grass noch die einheitsstiftende<br />

Funktion des gemeinsamen<br />

Fußballgenusses:<br />

„Als ich, nahbei dem Städtischen<br />

Krankenhaus, in einer Imbißstube zuerst<br />

paar Schnäpse zum Bier, dann eine, dann<br />

noch eine Bockwurst mit Senf und Brot<br />

bestellte, liefen im Fernsehen die Spiele<br />

der Zwischenrunde: Polen lag vorne.<br />

Chile war ausgeschieden. Und immerzu<br />

regnete es. Die Fußballweltmeisterschaft<br />

machte mich zum Zuschauer zwischen<br />

anderen männlichen Zuschauern, die wie<br />

ich Kornschnäpse tranken, Bockwürste<br />

in Senf stippten, zubissen, mit Bier nachspülten,<br />

den verlorenen Blick hatten und<br />

alle Väter sein mochten, um ihre Töchter<br />

besorgt“ (Butt 683).<br />

In Mein Jahrhundert geschildert wird<br />

dann das Spiel Deutschland gegen<br />

Deutschland mitsamt des berühmten<br />

Sparwasser-Tores zum 1:0 für die DDR als<br />

hochbrisantes Politikum aus der Perspektive<br />

des Spions Guillaume, der zu der Zeit<br />

in der Haftanstalt Köln-Ossendorf sitzt,<br />

aber von der Gefängnisleitung einen<br />

Fernsehapparat in die Zelle bekommt.<br />

Guillaume, der einerseits Bewunderer<br />

von Willy Brandt ist und ihn andererseits<br />

ausspioniert, weiß aus dieser inneren<br />

Spaltung heraus nicht, für welches<br />

Deutschland er jubeln soll. Dies ist umso<br />

bemerkenswerter, als der Autor seine erzählende<br />

Figur Guillaume gestehen lässt,<br />

gar kein Fußballfan zu sein. Das Spiel<br />

steht für etwas anderes, wird zunehmend

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