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Polityka i historia - Zbliżenia Interkulturowe

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Jubileusz Güntera Grassa<br />

sich zunächst nicht, sondern lehnte Engagement<br />

sogar ausdrücklich ab: „Als ich<br />

1955 zum erstenmal bei der Gruppe 47<br />

las, stand der Begriff und Markenartikel<br />

‚littérature engagée’ hoch im Kurs. Rundweg<br />

gesagt: Mich hat die selbstgefällige<br />

Art, im nachherein eine Widerstandsliteratur<br />

liefern zu wollen und in unregelmäßigen<br />

Abständen als Gewissen der<br />

Nation aufzutreten, ziemlich angeödet.<br />

[…] Zur Zeit meiner Rückkehr nach Berlin<br />

begann die unterschwellige wie offene<br />

Diffamierung Willy Brandts, ohne<br />

daß die Öffentlichkeit dagegen aufstand,<br />

erschreckende Wirkung zu zeigen. Diese<br />

Diffamierung eines Mannes, der sich (wie<br />

jeder Diffamierte) nicht dagegen wehren<br />

konnte, war der erste Anlaß, in der Öffentlichkeit<br />

(in der nur Namen zählten<br />

und zählen) mit Hilfe des zuerst lästigen,<br />

dann immer langweiliger werdenden<br />

Ruhmes für den Diffamierten zu sprechen.<br />

Langsam wurde aus dem sympathisierenden<br />

ein gelernter Sozialdemokrat;<br />

ein geborener bin ich nie gewesen. Ironischerweise<br />

sind die Wortführer der<br />

littérature engagée bis heutzutage die heftigsten<br />

Gegner des nicht politisch engagierten<br />

Schriftstellers, doch gleichwohl<br />

politisch engagierten Bürgers Günter<br />

Grass. Am meisten Verständnis habe ich<br />

bei Altsozialdemokraten gefunden, auch<br />

bei Schriftstellern der Emigration wie<br />

Carl Zuckmayer…“ (EuR I: 481).<br />

Willy Brandt und Günter Grass begegneten<br />

einander kurz nach dem Mauerbau<br />

auf Vermittlung von Hans Werner Richter,<br />

jenes heute fast vergessenen Literaten,<br />

dessen bleibende Leistung die Gründung<br />

und Organisation der legendären Gruppe<br />

47 ist. Dieser war von der SPD angesprochen<br />

worden, ob er vielleicht Schrift-<br />

20<br />

steller kenne, die sich für die SPD engagieren<br />

würden: „Hans Werner Richter<br />

besuchte mich und erzählte mir, daß einige<br />

Autoren der Gruppe 47 bei Willy<br />

Brandt eingeladen seien. Auf die Frage,<br />

warum er nicht auch mich auf die Liste<br />

gesetzt hätte, sagte er: ‚Du bist doch ein<br />

Anarchist!’ Ich erklärte ihm: ‚Das magst<br />

du so sehen, aber mich interessiert das,<br />

ich komme mit’“ (EuR III 266).<br />

Am Ende war es der mutmaßliche<br />

Anarchist Grass, den Richter zunächst<br />

gar nicht anzusprechen wagte, der als einziger<br />

dem informellen Treffen tatkräftige<br />

tagespolitische Arbeit für „das kleinere<br />

Übel, die SPD, […] die rührende ungeschickte,<br />

die laue brave muffige SPD, die<br />

Tante SPD, mein schlechtes Gewissen,<br />

mein Ärgernis, meine schwach begründete<br />

Hoffnung SPD“ folgen ließ.<br />

Grass Engagement für die SPD ist aber<br />

ungemein an die Person Willy Brandt<br />

geknüpft, für den er eine immense Hochachtung<br />

verspürt. Grass „bewegt Willy<br />

Brandts lange Reise von Lübeck über die<br />

Stationen der Emigration nach Berlin,<br />

weil sich in ihr ein Teil jener Geschichte<br />

Deutschlands widerspiegelt, auf den ich,<br />

ohne Anteil gehabt zu haben, stolz bin<br />

(EuR I: 103). Grass zeigt sich von Brandts<br />

Charakter beeindruckt. Der Eitelkeit des<br />

Schriftstellers mag es zudem geschmeichelt<br />

haben, dass Willy Brandt die Literaten<br />

ausdrücklich zur aktiven Mitwirkung<br />

aufforderte: „Als Willy Brandt in<br />

der Stuttgarter Liederhalle die Frage<br />

‚Braucht die Politik den Schriftsteller?’ zu<br />

beantworten versuchte, wies er auf die<br />

neue Ostpolitik hin und bat die Schriftsteller,<br />

ihm aufklärend zu helfen: ‚Ich<br />

scheue mich nicht, Sie um Hilfe zu bitten,<br />

damit nicht abermals die Vernunft

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