Polityka i historia - Zbliżenia Interkulturowe
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Artykuły<br />
von den Menschen nicht zu erfüllen und<br />
ihnen daher unerträglich seien. Schließlich<br />
droht der Großinquisitor Jesus: Er<br />
solle verschwinden, und zwar unverzüglich,<br />
sonst bleibe nichts anderes übrig, als<br />
ihn ebenfalls zum Ketzer zu erklären und<br />
dem Flammentod zu überantworten.<br />
Der 90jährige Greis wartet auf eine<br />
Antwort, und sei sie auch noch so<br />
schrecklich. Aber der Gefangene schweigt<br />
und küsst ihn schließlich auf die blutleeren<br />
Lippen. Darauf entlässt der Alte ihn<br />
aus dem Kerker und sagt: Geh und komme<br />
nicht wieder … Komme nie mehr wieder …<br />
Niemals! Niemals!“ 2 Und Jesus geht.<br />
Eine großartige Erzählung mit tiefen<br />
Geheimnissen. Ich greife davon eines<br />
heraus, das den Historiker interessiert.<br />
Das Problem des Großinquisitors, um<br />
das es hier gehen soll, besteht in der Aufgabe,<br />
unter dem Druck der von Gott gesetzten,<br />
von Jesus in die Welt gebrachten<br />
Werte und Normen die irdischen Geschicke<br />
der Menschheit zu organisieren.<br />
Diese Aufgabe ist deswegen so schwer,<br />
schier unlösbar, weil Gott die Menschen<br />
zu schwach geschaffen hat, um seinen<br />
Anspruch wirklich erfüllen zu können.<br />
Statt sie mit den dafür notwendigen Fähigkeiten<br />
auszustatten, hat er ihnen<br />
durch seinen Sohn eine Freiheit der Entscheidung<br />
überbringen lassen, der sie gar<br />
nicht gewachsen sind. Denn ihre unumgängliche<br />
Sorge für das Überleben im<br />
Alltag frisst alle ihre bescheidenen Kräfte<br />
auf. So bleibt es ihren Führern überlassen,<br />
ihnen das kleine Glück zu ermöglichen,<br />
d.h. das irdische Leben lebbar zu<br />
machen. Da diese Führer selbst Menschen<br />
sind, wenn auch Menschen mit tie-<br />
40<br />
2 Ebenda, S. 423f.<br />
ferer Einsicht und vor allem größerer<br />
Macht als die Masse, müssen sie die Entscheidung<br />
treffen, die die Menschen<br />
nicht treffen können. Diese verzichten<br />
auf die Freiheit, um das kleine Glück auf<br />
Erden zu schaffen. Der Großinquisitor,<br />
der für die Führer der Menschen steht,<br />
sieht die Tragweite der Aufgabe und der<br />
Entscheidung. Er erkennt auch, dass er<br />
das Angebot Gottes ausschlagen muss,<br />
um die Ordnung auf Erden erkämpfen<br />
und durchsetzen zu können. Die Kenntnis<br />
des göttlichen Anspruchs und der irdischen<br />
Möglichkeiten und die Aufgabe,<br />
die praktischen Konsequenzen daraus<br />
ziehen zu müssen, sind schon kaum erträglich.<br />
Da kann man nicht zulassen,<br />
dass Gott sich plötzlich wieder bemerkbar<br />
macht, seine Wertsetzungen und Angebote<br />
erneuert und damit die über viele<br />
Jahrhunderte hinweg mühselig aufgebaute<br />
Ordnung stört. Also: Hinweg mit ihm<br />
– „kehre niemals wieder!“ Der Kirchenfürst<br />
vertreibt Gott aus der Welt, um diese<br />
von Gott geschaffene Welt regierbar zu<br />
machen.<br />
Der Großinquisitor hat sein Problem<br />
mit Gott, in der Auseinandersetzung mit<br />
ihm formuliert er es, in der Vertreibung<br />
Gottes aus der Welt sucht er die Lösung.<br />
Im Dilemma des Politikers findet das Problem<br />
seine Fortsetzung. Der Politiker ist<br />
derjenige Mensch, dem es obliegt, die irdische<br />
Ordnung, das kleine Glück der<br />
Menschen zu organisieren. Er entwirft<br />
die Ziele, er kennt die Instrumente und<br />
Möglichkeiten, und er sucht die Wege,<br />
beides miteinander zu vereinbaren. Sein<br />
Dilemma liegt in seiner eigenen Menschlichkeit<br />
und in der Zeitbedingtheit seiner<br />
Aufgabe. Und er hat es sehr schwer, nicht<br />
ein Gefangener seiner Ziele, seiner Auf-