Böcher, Michael / Töller, Annette - DVPW
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etc.) erfolgt. Die zunehmende Verdichtung und Ausdifferenzierung von Regelungen lassen sich aber<br />
auch anhand einzelner Gesetze verfolgen: So wurden auf der Basis des jeweils geltenden Abfall-<br />
gesetzes (Varianten von 1972, 1986, 1994) seit Beginn der 1990er Jahre die verschiedensten<br />
Verordnungen zur getrennten Sammlung und Entsorgung verschiedener Produktgruppen (Ver-<br />
packungen, Batterien, Altautos, Elektroschrott) verabschiedet (<strong>Böcher</strong>/<strong>Töller</strong> 2012: 45f.).<br />
Ob mit zunehmender Regulierungsmenge und -dichte allerdings tatsächlich eine kontinuierliche<br />
„Ausweitung und Verschärfung des umweltpolitischen Regulierungsniveaus“ bedeutet, oder ob neben<br />
Auf- nicht auch Abschwünge zu beobachten sind, ist in der Umweltpolitikforschung umstritten<br />
(Jacob/Jörgens 2011 mit Referenzen). Mit dem Eintreten einer gewissen Sättigung der<br />
Umweltregulierung verschiebt sich zudem der Fokus von der Formulierung neuer auf die<br />
Novellierung, Umsetzung und Anwendung bestehender Politiken (Jacob/Jörgens 2011: 7f.), was dann<br />
als schwierig erscheint, wenn mit der Zunahme an Regulierungsmenge und -dichte die administrativen<br />
Kapazitäten zur Anwendung dieser Regeln auf der kommunalen Ebene nicht nur nicht aus- sondern<br />
noch abgebaut werden (SRU 2007: 95ff.). Hinzu kommt, dass mit der Vielzahl der Maßnahmen die<br />
Wahrscheinlichkeit dysfunktionaler Maßnahmen und sich gegenseitig behindernder Maßnahmen<br />
zunimmt (Jacob/Jörgens 2011: 6). Damit würde eine Reifung ggf. eine stärkere Prioritätensetzung<br />
erfordern, die, so Jacob/Jörgens, in anderen Politikfeldern längst erfolgt sei, in der Umweltpolitik<br />
jedoch nicht (Jacob/Jörgens 2011: 6).<br />
Als Reifungsprozess wird in Teilen der umweltpolitischen Literatur neben der kumulativen Zunahme<br />
und der thematischen Diversifizierung der Regulierungstätigkeit auch die Veränderung der Nutzung<br />
von Instrumenten diskutiert. Während der regulative, auf den Stand der besten verfügbaren Technik<br />
setzende Regulierungsstil lange Zeit als Markenzeichen der deutschen Umweltpolitik galt (Rose-<br />
Ackermann 1995; Lees 2007) und gerade ökonomischen Instrumenten (im internationalen Vergleich)<br />
lange der Sprung von den Lehrbüchern in die politische Praxis verwehrt blieb (<strong>Böcher</strong> 2009), ist die<br />
deutsche Umweltpolitik spätestens seit dem Einstieg in die ökologische Steuerreform 1999 durch eine<br />
zunehmende Diversifizierung des tatsächlich eingesetzten Instrumentenkastens gekennzeichnet.<br />
Allerdings kann es für derartige Reifung auch Hindernisse geben. Zwar sind sich Experten inzwischen<br />
weitgehend einig, dass die sektoralen Umweltpolitiken an strukturelle Grenzen stoßen und daher<br />
Politikintegration (so unrealistisch sie auch sein mag) erforderlich sei, aber gerade dort, wo (wie in<br />
Deutschland) der Bestand an solchen sektoralen rechtlichen Regeln besonders ausgeprägt ist, sind (der<br />
Logik der Pfadabhängigkeit folgend) die Barrieren für transsektorale Ansätze größer als anderswo<br />
(Jacob/Jörgens 2011: 7). In den normativen Worten von Jacob/Jörgens: „Die Erfolge von gestern<br />
werden dann schnell zu den Restriktionen von morgen“ (Jacob/Jörgens 2011: 7) oder aber analytisch<br />
ausgesprochen: Schnelle Reifung mit einem gewissen Sättigungsgrad erschwert spätere weitere<br />
Ausreifung bzw. die Logik der Pfadabhängigkeit behindert Policy-Wandel.<br />
3.3 Akteure<br />
Noweski führt aus, dass ein wichtiges Element der Reifung von Politikfeldern die Festigung von<br />
Rollenerwartungen und die Routinisierung der Beziehungen zwischen Akteuren sei (Noweski 2011:<br />
484). Dies gelte für staatliche Akteure ebenso wie für gesellschaftliche Akteure. Auch Jacob und<br />
Jörgens konstatieren für die deutsche Umweltpolitik eine Routinisierung von Prozessen, die es<br />
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