Böcher, Michael / Töller, Annette - DVPW
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deutsche Umweltpolitik als Faktor zu deren Etablierung (Reifung) beobachtet werden. Diese von<br />
Noweski und anderen (z.B. Massey/Huitema 2012) betonte Akkumulierung von Wissensbeständen,<br />
die als ein Element der Reifung von Politikfeldern gelten können, sehen wir bei den Akteuren<br />
angesiedelt. Dazu gehören die Gründung umweltpolitisch relevanter Sachverständigengremien wie des<br />
SRU 1971 und ,die Ausdifferenzierung wissenschaftlicher Bereiche (wie im Fall der Umweltpolitik<br />
z.B. die Bindestrich-Disziplinen Umweltrecht, Umweltchemie, Umweltmedizin, Umweltsoziologie<br />
etc.) und die Entstehung neuer privater und öffentlicher Umweltforschungseinrichtungen wie das<br />
Wuppertal-Institut oder das Öko-Institut.<br />
Die Einrichtung von Umweltministerien und spiegelbildlichen Parlamentsausschüssen (in Deutschland<br />
1986) und damit die Entstehung zweier wichtiger korporativer Akteure können als wichtige Elemente<br />
der weiteren Etablierung (Reifung) des Politikfeldes interpretiert werden. Allerdings gehört in<br />
Deutschland die ambivalente Ausstattung des Bundesumweltministeriums mit Machtressourcen (v.a.<br />
gegenüber anderen Ressorts wie dem Wirtschafts- und Finanzministerium) zu einer Grundkonstante<br />
der Umweltpolitik. Das BMU ist gegenüber anderen Ministerien personell eher bescheiden<br />
ausgestattet (Weidner/Jänicke 1998: 213), verfügt über keine Vetorechte, und neben dem BMU (bis<br />
1986 das BMI) haben auch weitere Ministerien für umweltpolitisch relevante Teilaspekte die<br />
Federführung. 4 Ende der 1970er Jahre musste sich das damals für Umweltpolitik zuständige<br />
Innenministerium die Kompetenzen für die Chemikalienregulierung mit zwei weiteren Ressorts (dem<br />
Bundesministerium für Arbeit und dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit)<br />
teilen (Müller 1998: 41). Zwar erhielt das BMU 1990 die Federführung für die Klimapolitik, aber das<br />
Wirtschaftsministerium blieb zuständig für die Energiepolitik, und auch einige andere Ministerien<br />
behielten relevante Kompetenzen (vgl. Hartkopf/Bohne 1983: 145; Weidner/Jänicke 1998: 205;<br />
Müller 1998: 42). Wenn es um die Einführung oder Veränderung von Steuern geht, spielt das<br />
Finanzministerium und dessen Interesse an der Schaffung von Einnahmen für den Staatshaushalt eine<br />
zentrale Rolle. Seit jeher nimmt das Umweltministerium eine v.a. gegenüber dem Wirtschafts-<br />
ministerium inferiore Position ein (Müller-Brandeck-Bocquet 1996: 168; Pehle 1998: 60ff.; Dryzek et<br />
al. 2002: 371). Die Konfliktlinie zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium (vor der Einrichtung<br />
des BMU auch zwischen Wirtschafts- und dem für Umweltfragen zuständigen Innenministerium)<br />
einerseits und die Machtasymmetrien zwischen beiden andererseits bestimmen die deutsche<br />
Umweltpolitik wie kein anderer Faktor (vgl. Pehle 1998; Wurster 2010: 256f.).<br />
Dieses Grundmuster unterliegt gleichwohl gewissen Schwankungen im Zeitverlauf, die u.a. mit der<br />
Person des/der Umweltministers/in zusammenhängen. So hatte Umweltpolitik unter Klaus Töpfer<br />
Ende der 1980er Jahre noch eine relativ starke Position, die aber schon Anfang der 1990er Jahre zu<br />
schwinden begann. Die Machtasymmetrien zwischen dem BMU und den anderen Ministerien<br />
verschärften sich 1993 und 1994, als das Ministerium in besonderem Maße Haushaltskürzungen zu<br />
spüren bekam (Müller-Brandeck-Bocquet 1996: 168), die man auch als Ausdruck ordnungspolitischer<br />
Präferenzen interpretieren kann. Mit der Benennung der damals politisch unprofilierten Angela Merkel<br />
zur Umweltministerin 1994 wurde die machtpolitische Inferiorität des BMU gegenüber dem BMWi<br />
4 Wir beschränken uns hier auf das Verhältnis zwischen den Ministerien und gehen nicht auf die – ebenfalls<br />
spannende – Frage des Verhältnisses zwischen politischer Führung des Ministeriums und Ministerialverwaltung<br />
ein (siehe aber Smeddinck/Tils 2001: 297ff.).<br />
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