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Böcher, Michael / Töller, Annette - DVPW

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lungsfeld verabschiedet werden dürfen, aber auch im europäischen und internationalen Kontext, denn<br />

die deutsche Umweltgesetzgebung ist in starkem Maße europäisiert und internationalisiert. 6<br />

3.2.1 Institutionen als Rahmenbedingungen: nationaler Kontext<br />

Die Entwicklung der umweltpolitischen Kompetenzen im deutschen Föderalismus ist nur bedingt als<br />

Reifungsprozess zu konzeptualisieren. Die Umweltpolitik ist ein Bereich, in dem – u.a. aufgrund<br />

übergeordneter Regelungserwägungen – in den 1970er Jahren zunächst eine deutliche „Unitari-<br />

sierung“ der Kompetenzen beim Bund stattgefunden hat: so wurden die Bereiche Luftreinhaltung,<br />

Lärmbekämpfung und Abfallbeseitigung in den Kompetenzkatalog für die konkurrierende<br />

Gesetzgebung (Art. 74 Nr. 24 GG) aufgenommen (Müller 1986: 83; Müller-Brandeck-Bocquet 1996:<br />

123; Pehle 1998: 199). Die Folge war einerseits die weitgehende Begrenzung der Landeskompetenzen<br />

in der Umweltpolitik auf Naturschutz und Landschaftspflege sowie Wasserschutz (hier hatte der Bund<br />

nur die Kompetenz für die Rahmengesetzgebung nach Art. 75 Nr. 3 und 4 GG, siehe Volkery 2007)<br />

und andererseits ein zunehmender Einfluss der Länder über den Bundesrat auf die Bundes-<br />

gesetzgebung (siehe Müller-Brandeck-Bocquet 1996: 124ff.).<br />

Während diese Zentralisierung der Kompetenzen der Etablierung des Politikfeldes insgesamt<br />

zuträglich war (Wurster 2010: 255), führte die gerade erwähnte Konstellation, die Bestandteil der von<br />

Scharpf so bezeichneten „Politikverflechtung“ ist (Scharpf 1985; Posse 1986), durch die Überlagerung<br />

föderaler Konfliktlinien mit parteipolitischen Konfliktlinien zu einer Anfälligkeit der Entschei-<br />

dungsfindung für Blockaden. Es gibt eine Reihe von Beispielen, etwa in der Abfallpolitik, in denen die<br />

Beteiligung des Bundesrates durch Veto-Positionen zu jahrelangen Entscheidungsverzögerungen<br />

geführt hat (Hoffmann 2011: 116; <strong>Töller</strong> 2012: 125ff.). Auch wenn dies nicht systematisch empirisch<br />

untersucht worden ist, gehen die meisten Studien aber davon aus, dass es in der Umweltpolitik nicht<br />

strukturell zu „Reformblockaden“ gekommen ist (Wurster 2010: 258). 7<br />

Die Föderalismusreform I von 2006 gilt für die Umweltpolitik als Zäsur, denn sie hat die<br />

Kompetenzordnung für die Umweltpolitik in bedeutender Weise geändert. 8 Der Kern dieser<br />

Veränderung für die Umweltpolitik liegt in drei Bereichen:<br />

Erstens wurde die Rahmengesetzgebung abgeschafft, und die bisher dort zugehörigen Materien<br />

(Naturschutz, Landschaftspflege sowie Wasserhaushalt) wurden in die konkurrierende Gesetzgebung<br />

aufgenommen. 9 Zweitens wurde die bisher geltende Erforderlichkeitsklausel 10 für die Bereiche<br />

6<br />

Auf den Einfluss internationaler (Umwelt-)Politik auf die deutsche Politik können wir im Rahmen dieses<br />

Papiers nicht eingehen, siehe aber <strong>Böcher</strong>/<strong>Töller</strong> 2012: 171ff.<br />

7<br />

Diese Kompetenzlage hatte aber eine andere wichtige (und empirisch gesicherte) Auswirkung: sie ist die<br />

Ursache für das immer noch stark nach einzelnen Umweltmedien (Luft, Wasser, Boden) sektoralisierte<br />

deutsche Umweltrecht, zu dessen Integration das Umweltgesetzbuch beitragen sollte (Eppler 2010: 155).<br />

Diese Kompetenzlage erschwert die Realisierung integrierter, sektorübergreifender Regulierungsansätze, wie<br />

sie u.a. von der Europäischen Union (s.u.) verfolgt werden. Darüber hinaus erschwert die Sektoralisierung<br />

grundsätzlich die Umsetzung europäischen Umweltrechts (Eppler 2010: 166ff.)<br />

8<br />

Zu den vorangegangenen Diskussionen für die Umweltpolitik siehe Eppler 2010: 169-180.<br />

9<br />

Konkurrierende Gesetzgebung bedeutet, dass die Länder Gesetze verabschieden dürfen, solange und soweit<br />

der Bund von seiner Zuständigkeit keinen Gebrauch macht.<br />

10<br />

Danach steht dem Bund ein Gesetzgebungsrecht nur zu, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger<br />

Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im<br />

gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht (SRU 2006: 4).<br />

15

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