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Böcher, Michael / Töller, Annette - DVPW

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3. Elemente einer Reifung des Politikfeldes Umweltpolitik<br />

3.1 Probleme<br />

Konstitutiv für ein Politikfeld ist die Existenz spezifischer gegenüber anderen bereits existierenden<br />

Politikfeldern abgrenzbarer Probleme. Vorstellbar ist, dass eine Reifung des Politikfeldes in einer<br />

Ausdifferenzierung der zu bearbeitenden Problemlagen besteht. Denkbar ist auch, dass bestimmte<br />

Problemlagen verschwinden, durch neue ersetzt werden, oder die scheinbar gelösten Probleme neue<br />

Probleme erzeugen, an die zuvor nicht gedacht werden konnte.<br />

In kaum einem anderen Politikfeld wird es so deutlich wie in der Umweltpolitik: Welche Probleme auf<br />

die Agenda kommen, hat nicht nur (manchmal sogar kaum) mir objektiven Problemlagen (also z.B.<br />

der wissenschaftlich entdeckten Gefährlichkeit von Produkten oder Prozessen) zu tun, sondern viel<br />

damit, was gerade Gegenstand öffentlicher Diskussionen („Agenda Setting“) ist, zu aktuellen<br />

Befindlichkeiten oder Ideologien passt oder mit gerade viel diskutierten Instrumenten angegangen<br />

werden kann (Kingdon 1984; <strong>Böcher</strong>/<strong>Töller</strong> 2012: 193ff.). Anerkannt ist gerade in der Umweltpolitik-<br />

forschung, dass solche Probleme, die einerseits mit dem menschlichen Sensorium erfahrbar und<br />

andererseits mit regulativen Instrumenten gut bewältigbar sind (Belastung von Wasser und Luft),<br />

bereits in der Frühphase der deutschen Umweltpolitik recht erfolgreich bearbeitet wurden.<br />

Problemlagen verschwanden in ihrer Intensität, z.B. stellen vergiftete Flüsse oder Smog durch<br />

Industrieabgase als wichtige umweltpolitische Probleme der 1970er Jahre heute keine mehr dar. Die<br />

Diskussion um das „Waldsterben“ in den frühen 1980er Jahren ist ein schönes Beispiel für die<br />

Bedeutung der Medien als Agenda-Setter, aber auch kultureller Orientierungen für die Definition von<br />

Problemen. Abfallpolitik begann bereits in den 1980er Jahren, wichtig und gleichermaßen kontrovers<br />

zu sein und sie ist es bis heute.<br />

Bodenschutz und die Erhaltung der Biodiversität sind hingegen Themen, die erst relativ spät ins<br />

politische Bewusstsein gelangten, auch, weil ihre Eigenschaften als persistente Umweltprobleme (oder<br />

neuerdings „wicked problems“ genannt) ein deutlich komplexeres Vorgehen erfordern als die<br />

Verbesserung der Qualität von Luft und Wasser. 3 Solche Probleme verlangen zudem die Koordination<br />

verschiedener Politiken – Politikintegration könnte damit als aktueller Test für eine weitere „Reifung“<br />

der Umweltpolitik aufgefasst werden.<br />

Was also übrig bleibt, „sind einerseits sogenannte ‚wicked‘ oder ‚persistente‘ Probleme, deren<br />

besondere Problemstruktur, verbunden mit der Existenz einflussreicher Vetospieler und komplexen<br />

Verursacher/Nutznießer-Strukturen, die politische Lösungsstrategien von vornherein stark erschwe-<br />

ren“ (Jacob/Jörgens 2011: 14): Klimaschutz und -anpassung, Erhaltung der Biodiversität, Flächen-<br />

versiegelung etc. (z.B. Arnold 2011: 774). Umgekehrt hängen Thematisierung und tatsächliche<br />

politische Bearbeitung umweltpolitischer Probleme auch vom Vorhandensein nicht nur geeigneter,<br />

sondern auch politisch-ideologisch gerade passender Lösungen ab (Jacob/Jörgens 2011: 20;<br />

<strong>Böcher</strong>/<strong>Töller</strong> 2012: 286ff.).<br />

3<br />

Das hat aber natürlich auch mit der Veränderung des umweltpolitischen Denkens zu tun, das sich auch von<br />

sektoral-nachsorgend zu ganzheitlich-vorsorgend verändert hat.<br />

7

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