Böcher, Michael / Töller, Annette - DVPW
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2. Theoretischer Kontext: Reifungstheorien, Umweltpolitikforschung<br />
5<br />
und Politikfeldanalyse<br />
Die Politikfeldanalyse ist in der Regel auf das eher kleinteilige Erklären des Zustandekommens von<br />
Policies oder von Policy-Wandel gerichtet (Capano/Howlett 2009; Blum/Schubert 2011). Selbst wenn<br />
solcher Wandel im Ausnahmefall einmal über einen längeren Zeitraum betrachtet wird, etwa über 20<br />
oder 30 Jahre (z.B. in der Umweltpolitikforschung die Regulierung von Chemikalien, Jacob 1999,<br />
oder die Regulierung der Getränkeverpackungsentsorgung, <strong>Töller</strong> 2012: 127ff.), geht es doch meist<br />
um die Erklärung der Policy, etwa durch institutionelle Faktoren, Akteure, oder andere<br />
Erklärungsfaktoren (z.B. auch Liefferink et al. 2009). Nur in wenigen Studien sind das ganze<br />
Politikfeld und dessen langfristiger Wandel Gegenstand der Analyse. Eine solche liefern Manow und<br />
Döhler (1995). Die Autoren betrachten das Politikfeld Gesundheitspolitik von den 1950er bis in die<br />
1990er Jahre unter der Perspektive sektoralen Wandels und kritisieren dabei die limitierten<br />
Sichtweisen der „Vernetzungsperspektive“ einerseits und der, wie sie schreiben „variablen-<br />
orientierten“ Politikwissenschaft andererseits, „denn Faktoren wie Föderalismus, Verbändedominanz<br />
und Koalitionsregierung unterliegen nicht nur historischen Wandlungsprozessen, sondern verändern<br />
ihre Wirkungsrichtung auch durch Interaktionseffekte untereinander“ (Döhler/Manow 1995: 3).<br />
Eine weitere Pionierstudie zum Wandel eines ganzen Politikfeldes hat Christine Trampusch über den<br />
„erschöpften Sozialstaat“ als Studie zur „Transformation eines Politikfeldes“ (so der Untertitel)<br />
angelegt. Trampusch legt dar, dass nur die längerfristige Betrachtung eines Politikfeldes es ermöglicht,<br />
Kontinuität und Wandel zu identifizieren (Trampusch 2009: 13). Ausgehend von der plausiblen<br />
Überlegung, dass zwar Policies in ihrem Zustandekommen von politischen Strukturen und Prozessen<br />
beeinflusst werden, sie aber ihrerseits wiederum politische Strukturen und Prozesse verändern,<br />
untersucht sie „die Entwicklung von Akteurskonstellationen, Interessenstrukturen und politischen<br />
Maßnahmen in der bundesdeutschen Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik“ (Trampusch 2009: 16) über<br />
einen Zeitraum von etwa 50 Jahren. Sie identifiziert eine aus dem Politikfeld selbst (Erschöpfung des<br />
Sozialstaates als treibende Kraft, Trampusch 2009: 21f.) kommende Transformation mit dem Ergebnis<br />
einer Entautonomisierung (17).<br />
Wenngleich die politikwissenschaftliche Umweltpolitikforschung einen gewissen normativen Bias<br />
aufweist, kann man sie doch zu Recht als Bestandteil der Politikfeldanalyse betrachten (<strong>Böcher</strong>/<strong>Töller</strong><br />
2012: 22ff.). Insofern ist sie normalerweise auf das Beschreiben und Erklären konkreter<br />
Umweltpolitiken oder deren Wandel gerichtet, während langfristige Entwicklungen des Politikfeldes<br />
„an sich“ normalerweise nicht im Fokus der Analyse stehen. In vielen Studien wird die Umweltpolitik<br />
sogar immer noch – trotz ihres mittlerweile 40. Geburtstages - als „neues“ Politikfeld betrachtet<br />
(Jacob/Jörgens 2011: 4 mit weiteren Verweisen).<br />
Langfristige Wandlungsprozesse zu analysieren, ist aber noch etwas anderes, als – implizit oder<br />
explizit – mit dem Konzept einer bestimmten Art des Wandels (z.B. Reifung) zu arbeiten. Implizite<br />
Reifungstheorien sind in der Umweltpolitik nicht unüblich: Reifung wird hier häufig an den<br />
verwendeten Instrumenten und einem Instrumentenwandel im Zeitverlauf festgemacht. Instrumente<br />
werden dabei in Generationen (oder zumindest Wellen) eingeteilt. Reifung entspricht dann einer<br />
beobachtbaren Ausdifferenzierung und größeren Variabilität der verwendeten umweltpolitischen