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Böcher, Michael / Töller, Annette - DVPW

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esiegelt. Im Gegensatz dazu verschärfte sich der Konflikt zwischen BMU und BMWi tendenziell<br />

unter der rot-grünen Koalition ab 1998. Sigmar Gabriel, der das BMU unter der großen Koalition<br />

leitete, galt als relativ starker Umweltminister (Jänicke 2010). 5<br />

Betrachtet man die organisatorische Spezialisierung als Voraussetzung für die Etablierung eines<br />

Politikfeldes, so zeigt allerdings der Blick in die Bundesländer, dass dort zwar im Laufe der Zeit auch<br />

Umweltministerien entstanden, diese jedoch inzwischen weitgehend wieder abgeschafft bzw. der<br />

Umweltschutz mit sogenannten „Verursacherinteressen“ (z.B. Landwirtschaft oder Bau) gemeinsam in<br />

einem Ressort untergebracht ist, was als einer starken Vertretung von Umweltinteressen eher<br />

abträglich gilt (SRU 2007: 90).<br />

Des Weiteren rechnet Noweski für die Ausreifung von Politikfeldern den Verbänden eine wichtige<br />

Rolle zu, wenngleich seine Gleichung, je mehr Verbände existierten (ggf. in policy-koordinierender<br />

Form), desto reifer sei das Politikfeld (Noweski 2011: 484), nicht gilt. In der Gesundheits- und<br />

Sozialpolitik können in jüngerer Zeit eher ein Rückgang der Verbandsbeteiligung und eine<br />

Autonomisierung staatlicher Akteure beobachtet werden, ohne dass dies die Reife der Politikfelder in<br />

Frage stellen würde. Auch in der Umweltpolitik kann man beobachten, dass die in großem Maßstab<br />

policy-koordinierende Rolle von Wirtschaftsverbänden, auf die sich Noweski bezieht, in Deutschland<br />

ein Übergangsphänomen war, das seit Ende der 1990 Jahren kaum noch eine Rolle spielt (<strong>Töller</strong> 2012)<br />

und daher nicht als Reifungsphänomen interpretiert werden sollte. Eine Wandlung, die man als<br />

Reifungsprozess verstehen kann, lässt sich bei den Umweltverbänden beobachten. Grundsätzlich<br />

verstehen sich Umweltverbände als „Korrektiv“ im umweltpolitischen Prozess (Hey 2008: 25) und<br />

beteiligen sich traditionell durch Protest oder durch die Unterstützung gerichtlicher Verfahren (Roose<br />

2009: 111). Allerdings hat Protest als Handlungsform in den letzten 20 Jahren an Bedeutung<br />

abgenommen (Rucht 2007: 527), und die Protestformen haben sich deutlich gewandelt. Noch Ende der<br />

1980er Jahre gingen Beobachter einhellig davon aus, dass angesichts asymmetrischer Organisations-<br />

und Konfliktfähigkeit der Verbände den Wirtschaftsverbänden allenfalls von Seiten der<br />

Gewerkschaften, nicht aber von Seiten der Umweltverbände etwas entgegen gesetzt werden könnte<br />

(z.B. Rey 1990: 124, 136f.). Dies kann heute nicht mehr uneingeschränkt gelten. Zwar besteht immer<br />

noch ein erhebliches Ungleichgewicht in der Ressourcenausstattung, was sich beispielsweise auswirkt,<br />

wenn es darum geht, die eigenen Positionen fachlich zu untermauern (Pehle 1998: 174; 182f.). Aber<br />

die Zugangsmöglichkeiten zu staatlichen Institutionen sind nicht mehr in demselben Maße disparat<br />

wie noch in den 1990er Jahren (Knöpfel 1999: 107; Pehle 1998: 183ff.; Jänicke et al. 1999; von<br />

Winter 2001: 218), und das Klima ist deutlich weniger konfliktiv. Manche Autoren sprechen in diesem<br />

Zusammenhang sogar von „Gegnerfreiheit“, die Umweltverwaltung sei zum Bündnispartner der<br />

Verbände geworden (Hey 2008: 28).<br />

Eine neue, wichtige Machtressource erhielten die Umweltverbände Ende 2006, als ihnen (veranlasst<br />

durch die europäische Richtlinie zur Öffentlichkeitsbeteiligung 2003/35) durch das Umwelt-<br />

Rechtsbehelfsgesetz ein sogenanntes Verbandsklagerecht eingeräumt wurde. Waren bis dahin nur<br />

5<br />

Auch das Verhältnis zwischen der Exekutive und dem Parlament im Zeichen der zunehmenden Bedeutung<br />

wissenschaftlicher Expertisen und ebensolcher Expertengremien wäre ein interessantes Thema<br />

(Jacob/Jörgens 2011: 17f.), dem wir uns hier nicht weiter widmen können.<br />

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