SJf_Wettbewerbs_Broschüre_2007 - Die Goldene Sonne am Calanda
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Geschichte / Geografie / Gesellschaft<br />
Martina Bertschinger<br />
8180 Bülach<br />
1988<br />
Kantonsschule Zürcher Unterland Bülach<br />
Würdigung<br />
<strong>Die</strong> Faszination, die der Nationalsozialismus<br />
auf die Menschen ausübte, ist ein<br />
Phänomen, das immer wieder zu neuen<br />
Erklärungsversuchen herausfordert.<br />
Martina Bertschinger ist es in ihrer Arbeit<br />
gelungen, Zeitzeugen zu ihrer Motivation,<br />
der Hitlerjugend oder dem Bund deutscher<br />
Mädchen beizutreten, zu befragen.<br />
Subtil und mit grossem Einfühlungsvermögen<br />
analysiert sie die Aussagen ihrer<br />
InterviewpartnerInnen und gibt Einblick<br />
in Handlungsspielräume d<strong>am</strong>aliger Jugendlicher.<br />
Eine gelungene oral history<br />
Arbeit!<br />
Prädikat<br />
Sehr gut<br />
Sonderpreis<br />
Jugendforum Historia „Alle Macht dem<br />
Volke“ im Schloss Cappenberg (DE)<br />
Expertin<br />
Christine Stuber, lic. phil.<br />
Gymnasium Reussbühl, Meggen<br />
28<br />
Beweggründe zum Eintritt in die Hitlerjugend<br />
Als Einführung erhält man eine Übersicht über die Hintergründe der Hitlerjugend: die politische<br />
und gesellschaftliche Ausgangslage in Deutschland, die Entwicklung der Hitlerjugend von den<br />
Vorläufern, den Waldvögeln, bis zur eigentlichen Organisation selbst. Weiter werden die Inhalte<br />
und Ziele der Organisation beschrieben.<br />
Im Hauptteil der Arbeit werden Gründe und Motivationen gesucht, weshalb die Kinder und Jugendlichen<br />
vor und während des Zweiten Weltkriegs in der Jugendorganisation der NSDAP mitwirken<br />
wollten oder eben nicht. Anhand von neun persönlichen Interviews oder Fragebögen mit<br />
d<strong>am</strong>als direkt Betroffenen werden ganz verschiedene und einmalige Schicksale dargestellt.<br />
Befragt wurden Leute aus ganz verschiedenen Gebieten des d<strong>am</strong>aligen Reiches, vom heutigen<br />
Polen über Berlin bis nach Jestetten. So können Parallelen zwischen verschiedenen Motivationen<br />
und den jeweiligen Hintergründen der Zeitzeugen gezogen werden. <strong>Die</strong> porträtierten<br />
Personen sprechen offen über ihre Hintergründe und die Gefühle, die sie durchlebt haben. Da<br />
es für sie eine sehr prägende Zeit war, können sich diese heute älteren Menschen auch nach<br />
60 Jahren noch sehr gut und genau daran erinnern.<br />
Unter den persönlich interviewten Personen befindet sich auch der Alt-Bundespräsident von<br />
Deutschland, Richard von Weizsäcker. <strong>Die</strong>ser war selbst zwar nie Mitglied der nationalsozialistischen<br />
Jugendorganisation, da er durch den Status seiner F<strong>am</strong>ilie gewisse Vorteile geniessen<br />
konnte. Er vermittelt jedoch einen sehr guten groben Überblick über die Geschehnisse und die<br />
Stimmung während der d<strong>am</strong>aligen Zeit.<br />
Im letzten Teil werden die Hypothesen mit den Ergebnissen der Interviews und der aktuellen Literatur<br />
verglichen:<br />
Anfänglich, d.h. um 1922, freuten sich die meisten Kinder und Jugendlichen auf den Beitritt in<br />
die HJ. <strong>Die</strong> Eltern unterstützten in den meisten Fällen die HJ, weil diese eine Organisation der<br />
„fortschrittlichen und volksnahen“ Regierung war, die ihnen zu dieser Zeit zur Wohlstandssteigerung<br />
verhalf. Ausserdem war die HJ eine Erziehungshilfe, da die Eltern ja hart arbeiten mussten.<br />
<strong>Die</strong> Kinder bek<strong>am</strong>en ein Fahrtenmesser, ein Abzeichen und eine Uniform, was sie so richtig stolz<br />
machte. Für die Kinder standen das Zus<strong>am</strong>mengehörigkeitsgefühl, aber auch der Spass, das<br />
Abenteuer und die Kollegen im Vordergrund. <strong>Die</strong> Führer strahlten Macht aus, was für die Kinder<br />
sehr beeindruckend und teilweise auch anziehend war (Schutzgefühl).<br />
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden dann die unterschiedlichsten Jugendorganisationen<br />
übernommen oder abgeschafft. Ab 1936 wurde die Mitgliedschaft in der HJ<br />
obligatorisch. <strong>Die</strong> Kinder und Jugendlichen wurden gezwungen mitzumachen. Für viele war dies<br />
eine Abschreckung.<br />
Mit dem Kriegsbeginn um 1939 wurden die Absichten der Hitlerjugend, die par<strong>am</strong>ilitärische Vorbereitung<br />
auf den Krieg, immer offensichtlicher. Der Krieg brachte Erschütterung, Tote, Schrecken,<br />
was sich auf das Bild der HJ sehr negativ auswirkte.<br />
D<strong>am</strong>it diese Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten niemals in Vergessenheit gerät, ist es<br />
wichtig, sich auch 60 Jahre nach dem Krieg mit dieser Ideologie zu beschäftigen. Mit der Untersuchung<br />
der Bereitschaft der Menschen, einem solchen Regime zu dienen, wird das Mitwirken,<br />
in diesem Fall der Kinder und Jugendlichen, plötzlich verständlich und nachvollziehbar. Dann<br />
müssen wir uns fragen, ob wir wohl nicht genau gleich gehandelt hätten wie die Leute dazumal<br />
und mitgeschwommen wären im Nazi-Strom.