Mit Innovationen durch die Krise - Wirtschaftsnachrichten
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Die geplante E-Medikation zur elektronischen<br />
Erfassung aller von Ärzten verordneten<br />
und von Apotheken abgegebenen Arzneimittel<br />
soll zur Sicherheit des Patienten umgesetzt<br />
werden und zwar so bald wie möglich,<br />
wenn es nach Mag. pharm. Heinrich<br />
Burggasser, Präsident der Österreichischen<br />
Apothekerkammer, geht.<br />
Foto: Österreichische Apothekerkammer<br />
allem Acetylsalicylsäure (ASS) und andere<br />
NSAR (Schmerzmittel), Antidepressiva.<br />
Medikamentensicherheit ist wesentlich<br />
„Arzneimittelsicherheit ist ein zentrales<br />
Thema für alle Bürger. Wir haben den Spagat<br />
zwischen Beratung und richtiger Einnahme<br />
zu schaffen. Viele Menschen glauben, rezeptfreie<br />
Arzneimittel sind Zuckerln“, sagt<br />
Heinrich Burggasser, Präsident der Österreichischen<br />
Apothekerkammer. „Noch gibt es<br />
in Österreich keine Medikamentenfälschung<br />
in den Apotheken, noch können wir auf<br />
Grund unserer hohen Beratungsfunktion arzneimittelbezogene<br />
Erkrankungen in Zaum<br />
halten. Allerdings stehen wir nun in Österreich<br />
an einer Wegkreuzung: Denn <strong>die</strong> Arzneimittelsicherheit<br />
muss weiter verbessert<br />
und erhöht und nicht <strong>durch</strong> unkontrollierte<br />
Abgabe vermindert werden.“<br />
Apothekerinitiative für e-Medikation<br />
„Jede Apotheke kann den Kunden über <strong>die</strong><br />
richtige und korrekte Einnahme seiner Medikamente<br />
beraten. Um dem Problem der<br />
Wechselwirkungen allerdings flächendeckend<br />
Herr zu werden, fordere ich <strong>die</strong> sofortige<br />
Umsetzung der e-Medikation für <strong>die</strong> Sicherheit<br />
aller unserer Patienten“, so Burggasser.<br />
Seit Jahren werden bereits Software-<br />
Lösungen getestet, <strong>die</strong> Medikamentendaten<br />
kombinieren. Die Apothekerschaft hat von<br />
Beginn an mitgearbeitet und mit dem Arzneimittel-Sicherheitsgurt<br />
in Salzburg Pionierarbeit<br />
geleistet. „Es gibt kein gesundheit-<br />
lich sinnvolles Argument gegen <strong>die</strong> e-Medikation.<br />
Sie gehört eingeführt und umgesetzt.<br />
Wenn <strong>die</strong> anderen Partner im Gesundheitssystem<br />
nicht mit im Boot sind oder politischer<br />
Widerstand zwischen Parteigrenzen<br />
nicht überwunden werden kann, dann werden<br />
wir <strong>die</strong> e-Medikation mit unseren Möglichkeiten<br />
eben wieder alleine umsetzen“, so<br />
Burggasser.<br />
Patientenanwalt für rasche Umsetzung<br />
„Die Forderung nach mehr Medikamentensicherheit<br />
ist wichtig und richtig und kommt<br />
zum perfekten Zeitpunkt“, unterstützt Gerald<br />
Bachinger, Sprecher der Patientenanwälte<br />
Österreich, <strong>die</strong> Initiative der Apothekerkammer.<br />
„Punkto Medikamentensicherheit ist<br />
Feuer am Dach und es ist absolut unverständlich,<br />
dass bei der Umsetzung der e-Medikation<br />
so viel Zeit verloren geht. Zeit, in der<br />
<strong>die</strong> Gesundheit und das Leben der Patienten<br />
täglich gefährdet sind.“<br />
GESUNDHEIT<br />
INFO<br />
Internationale Beispiele von Medikamenten-Liberalisierung<br />
USA: Auf Grund unkontrollierter Abgabe von Medikamenten in Supermärkten gehen<br />
in den USA bereits 28 Prozent aller Spitalsaufenthalte auf falsch eingenommene<br />
Arzneimittel zurück. 16.500 Patienten sterben pro Jahr an Magen-Darm-<br />
Komplikationen (Blutungen), <strong>die</strong> <strong>durch</strong> Schmerzmittel ausgelöst wurden, welche<br />
an Tankstellen und in Supermärkten erhältlich sind. Allein in Kalifornien gibt es pro<br />
Jahr 5.000 Lebertransplantationen bei Kindern wegen Paracetamol (zur Fiebersenkung)<br />
auf Grund von Überdosierung <strong>durch</strong> <strong>die</strong> Eltern.<br />
Die als liberal geltende New York Times hat <strong>die</strong> Ursachen <strong>die</strong>ser bedenklichen Entwicklung<br />
recherchiert und kommt in ihrer Ausgabe vom 18.9. 2007 zum Schluss,<br />
dass „Internet-Versandhandel von Arzneimitteln, <strong>die</strong> Etablierung von Ketten-Drug-<br />
Stores einzelner Konzerne und <strong>die</strong> Auflösung des geordneten Apothekensystems<br />
verantwortlich für <strong>die</strong>se tödliche Giftmischung sind“. Da Medikamente in den USA<br />
im Supermarkt erhältlich sind, werden sie nicht als Arzneimittel wahrgenommen.<br />
In einer Stu<strong>die</strong> der University of Minnesota wurde festgestellt, dass Frauen zu viele<br />
Medikamente aus dem Supermarkt nehmen und <strong>die</strong>se bei einem Arztbesuch gar<br />
nicht angeben. 59 Prozent der Frauen nahmen mehr als vier verschiedene Supermarkt-Medikamente<br />
zu sich.<br />
Ungarn: In Ungarn ritt man sich im Jahr 2007 im Zuge von ausufernden Deregulierungsbestrebungen<br />
in eine fatale Arzneimittelunterversorgung. Die damalige Regierung<br />
zerstörte das geregelte Apothekensystem, ließ <strong>die</strong> Apothekenpflicht für<br />
mehrere rezeptfreie Medikamente fallen und erlaubte, dass <strong>die</strong>se Präparate über<br />
Automaten, an Tankstellen und in Supermärkten gekauft werden konnten. Die Auswirkungen<br />
waren dramatisch: Das Apothekensterben am Land führte zu einer akuten<br />
Arzneimittelunterversorgung für <strong>die</strong> lokale Bevölkerung, und <strong>die</strong> Kunden litten<br />
unter der schlechten Beratungsqualität. Der Handlungsbedarf für <strong>die</strong> Regierung<br />
war so massiv, dass im Jahr 2011 wieder ein regulierendes Apothekensystem eingeführt<br />
werden musste.<br />
Schweden: Im Jahr 2009 wurde das Apothekensystem in Schweden dereguliert. Die<br />
großen Erwartungen, <strong>die</strong> damit verbunden waren, konnten nicht erfüllt werden. Obwohl<br />
es zu massiven Bewegungen im Apothekenmarkt (Schließungen und Neueröffnungen)<br />
kam, ist <strong>die</strong> Kundenzufriedenheit stark gesunken. Eine aktuelle Umfrage<br />
der schwedischen Verbraucherbehörde zeigt zwei Jahre nach der Deregulierung<br />
ein tristes Bild: Waren vor der Deregulierung noch 95 Prozent der Bevölkerung<br />
mit den pharmazeutischen Dienstleistungen zufrieden, sind es nun nur noch<br />
77 Prozent. Auch <strong>die</strong> Beratungsqualität hat nachgelassen: Vor der Liberalisierung<br />
fühlten sich noch 80 Prozent der Bevölkerung von den Apothekenmitarbeitern gut<br />
informiert, heute nur noch rund <strong>die</strong> Hälfte. Jeder Zehnte erklärte außerdem, länger<br />
als zwei Tage auf verschreibungspflichtige Medikamente warten zu müssen. Vor<br />
der Reform hatten sich nur vier Prozent über lange Wartezeiten beklagt.<br />
Stu<strong>die</strong>: Beratung ist gefragt<br />
Laut einer Stu<strong>die</strong> der Karmasin Motivforschung<br />
unter 400 Österreichern über 60<br />
Jahre im Zeitraum vom 7. bis 10. Mai 2012<br />
nehmen 41 Prozent der Senioren zumindest<br />
einmal pro Monat Beratung in der Apotheke<br />
in Anspruch. „86 Prozent <strong>die</strong>ser Altersgruppe<br />
nehmen <strong>die</strong> Beratung in den Apotheken<br />
in Anspruch. 77 Prozent schätzen an der<br />
Apotheke vor allem <strong>die</strong> Möglichkeit, in einem<br />
persönlichen Gespräch individuelle Fragen<br />
stellen zu können. 54 Prozent wollen rezeptfreie<br />
Arzneimittel nicht in Drogeriemärkten<br />
wie ,dm’ kaufen. 31 Prozent wären<br />
aber nicht abgeneigt“, berichtet Motivforscherin<br />
Sophie Karmasin. Beratung in der<br />
Apotheke suchen 73 Prozent der Konsumenten<br />
wegen der Dosierung bzw. der Wirkungsweise<br />
von Arzneimitteln, gefolgt von Nebenwirkungen<br />
mit 71 Prozent und Wechselwirkungen<br />
mit 63 Prozent. Ü<br />
WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN 6/2012 25