Mit Innovationen durch die Krise - Wirtschaftsnachrichten
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„Das neue Konzept der EU-Regionalpolitik,<br />
definiert Regionalpolitik als Investitionspolitik<br />
– denn Regionalpolitik ist ein wesentliches<br />
Instrument für Wachstum“, ist EU-Kommissar<br />
Dr. Johannes Hahn überzeugt.<br />
Foto: Europäische Kommission<br />
dass <strong>die</strong> Europa 2020-Strategie eine „horizontale<br />
Strategie“ ist, d.h. in alle Politikbereiche<br />
einfließt und auf allen Ebenen – also<br />
von der EU bis zur regionalen Ebene – <strong>durch</strong><br />
konkrete Maßnahmen umgesetzt wird.<br />
n Wie sieht das neue Konzept der Regionalpolitik<br />
aus und was bedeutet es für<br />
Österreich?<br />
Das neue Konzept der Regionalpolitik, das<br />
ich im Herbst letzten Jahres vorgelegt habe<br />
und das für <strong>die</strong> Periode 2014 – 2020 gelten<br />
wird, definiert <strong>die</strong> Regionalpolitik als Investitionspolitik.<br />
Dabei sollen vor allem Maßnahmen<br />
gefördert werden, <strong>die</strong> den Zielsetzungen<br />
der zuvor beschriebenen Europa<br />
2020-Strategie entsprechen. Also zielgerichtete<br />
Investitionen in innovative Projekte, <strong>die</strong><br />
nachhaltige Arbeitsplätze schaffen und sozial-<br />
und umweltverträglich sind. Gerade in<br />
der aktuellen „Wachstums-Debatte“ ist darauf<br />
hinzuweisen, dass <strong>die</strong> Regionalpolitik<br />
das wesentliche Instrument für Wachstum<br />
ist. Sie ermöglicht in der EU im Schnitt Investitionen<br />
von 65 Milliarden Euro pro Jahr<br />
(EU-<strong>Mit</strong>tel und nationale Kofinanzierungsanteil<br />
zusammengerechnet), in vielen <strong>Mit</strong>gliedstaaten<br />
entspricht <strong>die</strong>s mehr als 50 Prozent<br />
der gesamten öffentlichen Investitionstätigkeit.<br />
Durch <strong>die</strong> Festlegung von Mindestanteilen<br />
für Forschung und Innovation,<br />
KMU-Wettbewerbsfähigkeit, Energieeffizienz<br />
sowie <strong>die</strong> Verstärkung des gesamten<br />
Evaluierungsprozesses wird gewährleistet,<br />
dass <strong>die</strong> Investitionen tatsächlich in <strong>die</strong> zentralen<br />
Wachstumsbereiche getätigt werden<br />
und dass es eine effiziente <strong>Mit</strong>telausnutzung<br />
gibt. Ein großer Vorteil der Regionalpolitik<br />
ist auch <strong>die</strong> Flexibilität: Bereits in der laufenden<br />
Periode wurden 17 Milliarden Euro<br />
umgewidmet, um Investitionen in Forschung<br />
und Entwicklung, Unterstützung von KMU<br />
sowie aktive Arbeitsmarktpolitik (Ausbildung-<br />
und Umschulungsmaßnahmen) zu ermöglichen.<br />
Damit haben wir einen wesentlichen<br />
Beitrag zur Bewältigung der <strong>Krise</strong> geleistet.<br />
Für Österreich wird insbesondere das<br />
von mir vorgeschlagene Konzept der Übergangsregionen<br />
von Bedeutung sein, das eine<br />
nachhaltige Absicherung der bisher erzielten<br />
positiven Entwicklung benachteiligter Regionen<br />
ermöglicht. Das Burgenland käme<br />
dafür in Frage. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang ist<br />
darauf hinzuweisen, dass <strong>die</strong>ses Konzept nur<br />
umgesetzt werden kann, wenn <strong>die</strong> entsprechenden<br />
<strong>Mit</strong>tel zur Verfügung stehen. Dies<br />
sollte bei den derzeitigen Verhandlungen<br />
zum künftigen EU-Finanzrahmen bedacht<br />
werden! Sowie auch <strong>die</strong> Tatsache, dass 95<br />
Prozent des EU-Budgets in <strong>die</strong> EU-<strong>Mit</strong>gliedstaaten<br />
zurückfließen.<br />
n Wie beurteilen Sie <strong>die</strong> aktuelle politische<br />
und wirtschaftliche Lage in Griechenland?<br />
Werden wir künftig wieder<br />
ein „schlankeres“ Europa werden?<br />
In Griechenland sind nun einmal <strong>die</strong> Wahlen<br />
abzuwarten. Jetzt ist <strong>die</strong> Bevölkerung am<br />
Zug, <strong>die</strong> entscheiden wird, wohin der politische<br />
und wirtschaftliche Kurs des Landes<br />
gehen wird. Natürlich hoffe ich – so wie alle<br />
Verantwortlichen auf EU-Ebene –, dass es<br />
eine Entscheidung für den mit Unterstützung<br />
der EU eingeleiteten Reformkurs sein wird.<br />
Ich hoffe auch, dass <strong>die</strong> politischen Verantwortungsträger<br />
<strong>die</strong> Bevölkerung offen darüber<br />
informieren, was <strong>die</strong> Konsequenzen einer<br />
Ablehnung des Reformprogramms wären.<br />
Eine Verweigerung der Konsoli<strong>die</strong>rungs-<br />
und Reformmaßnahmen würde <strong>die</strong><br />
Strukturprobleme des Landes nicht lösen.<br />
Ein Austritt aus der Eurozone steht daher –<br />
zumindest unsererseits – nicht zur Debatte<br />
und wäre auch nicht im Interesse Griechenlands.<br />
Wir sind weiterhin bereit, Griechenland<br />
zu unterstützen: Es ist ein Solidaritätspakt.<br />
Aber Solidarität darf keine Einbahnstraße<br />
sein: Griechenland muss nun seine<br />
Hausaufgaben machen. Dabei ist auch festzuhalten,<br />
dass das von uns in Zusammenarbeit<br />
mit den griechischen Behörden erarbeitete<br />
Programm kein reines Sparprogramm<br />
ist. So enthält zum Beispiel das „Memorandum<br />
of Understanding“ einen Punkt, dass<br />
das Land im Schnitt 3,5 Milliarden Euro an<br />
Strukturfondsmittel für <strong>die</strong> Umsetzung von<br />
Projekten abzurufen hat. Und gerade in meinem<br />
Ressort haben wir Maßnahmen gesetzt,<br />
<strong>die</strong> dazu beitragen, das Wirtschaftswachstum<br />
in Griechenland anzukurbeln, wie zum Beispiel<br />
einen Garantiefonds zur Unterstützung<br />
von KMU, <strong>die</strong> Erhöhung des EU-Kofinanzierungsanteils<br />
sowie <strong>die</strong> Verwendung nicht<br />
abgerufener Strukturfondsmittel zur gezielten<br />
Förderung von Klein- und <strong>Mit</strong>telbetrieben<br />
sowie zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.<br />
Nicht zuletzt sind wir auch<br />
INTERVIEW<br />
mit Expertenteams vor Ort, um <strong>die</strong> Griechen<br />
beim Aufbau von effizienten Verwaltungsund<br />
Finanzstrukturen zu unterstützen. Unser<br />
Programm ist daher keineswegs, wie es<br />
manchmal dargestellt wird, eine Entmündigung<br />
Griechenlands, sondern ganz im Gegenteil,<br />
„Hilfe zur Selbsthilfe“.<br />
Auf Basis <strong>die</strong>ser Tatsachen wünsche ich mir<br />
– im Interesse der EU und Griechenlands<br />
selbst –, dass der bisher eingeschlagene Weg<br />
der Reformpartnerschaft weiter beschritten<br />
wird.<br />
n Durch <strong>die</strong> Wirtschaftskrise ist <strong>die</strong> EU-<br />
Skepsis in vielen Ländern gewachsen.<br />
Gibt es eine Vertrauenskrise und was<br />
kann <strong>die</strong> EU dagegen tun?<br />
Natürlich führen <strong>Krise</strong>n zu Verunsicherungen<br />
und zu einem gewissen Vertrauensverlust.<br />
Daher ist auch eine emotional-kritische<br />
Haltung vieler Menschen gegenüber der EU<br />
spürbar. Allerdings glaube ich, dass sich <strong>die</strong><br />
meisten Menschen sehr wohl bewusst sind,<br />
dass man <strong>die</strong> bestehenden Probleme nur gemeinsam<br />
lösen kann. Dies hat auch <strong>die</strong><br />
jüngste Abstimmung der Iren über den Fiskalpakt<br />
gezeigt. Unser Ziel muss es sein,<br />
<strong>die</strong>se Dissonanz zwischen Kopf und Herz<br />
wegzubekommen. Die politischen Verantwortungsträger<br />
müssen sich der Diskussion<br />
– und <strong>durch</strong>aus auch der Kritik – stellen und<br />
auch klar für ihre Positionen einstehen, auch<br />
wenn das nicht immer populär ist. Und wir<br />
müssen den direkten Kontakt mit den BürgerInnen<br />
verstärken, dazu bietet der Lissabon-Vertrag<br />
gute Möglichkeiten, z.B. <strong>durch</strong><br />
eine viel stärkere Einbindung der nationalen<br />
Parlamente aber auch der regionalen Körperschaften.<br />
Was mich persönlich betrifft, so<br />
lege ich großen Wert darauf, bei meinen Besuchen<br />
in den europäischen Regionen, Vertreter<br />
aller in <strong>die</strong> EU-Programme involvierten<br />
Personen, zu treffen – von den regionalen<br />
Politikern bis, zum Beispiel, den Eigentümern<br />
eines Klein- und <strong>Mit</strong>telbetriebs oder<br />
den <strong>Mit</strong>arbeitern eines Forschungsprojekts.<br />
Letztes Wochenende habe ich <strong>die</strong> vom Erdbeben<br />
schwer betroffene Region in Italien<br />
besucht, um mir vor Ort ein Bild über <strong>die</strong> Situation<br />
und mögliche Hilfsmaßnahmen zu<br />
machen. Was ich auch sehr unterstütze und<br />
fördere sind Besuchsreisen von verschiedensten<br />
Bevölkerungs- und Berufsgruppen<br />
und Schulklassen nach Brüssel. So konnte<br />
ich letzte Woche eine Gruppe von österreichischen<br />
Gemeinderäten im Rahmen ihres<br />
Programms begrüßen und mit ihnen diskutieren.<br />
Ich glaube, dass <strong>die</strong>se Initiativen wesentlich<br />
dazu beitragen, <strong>die</strong> Kluft zwischen<br />
den Menschen und den EU-Institutionen zu<br />
verringern. Es ist wichtig zu vermitteln, dass<br />
<strong>die</strong> EU nicht etwas Fernes oder Abstraktes<br />
ist. Die EU sind wir alle! Und eine positive<br />
und gesicherte Zukunft kann nur gemeinsam<br />
– also unter <strong>Mit</strong>wirkung der Menschen, für<br />
<strong>die</strong> ja letztlich das Projekt gegründet wurde<br />
– erreicht und gestaltet werden. Ü<br />
WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN 6/2012 29