Der Abend zu Geristein - Dillum
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36<br />
gelkugelkopf jenes Götzenbildes in den Schweizerischen Altertümern<br />
[Heft 2, Bern 1823] berief.<br />
Doch als er die gesamte Figur jetzt durchmusterte, sank ihm der Mut<br />
um sieben oder acht Jahrhunderte tiefer. Und es träumte ihm von einem<br />
frommen Waldbruder, der in diesen Felsschluchten gehaust<br />
habe, und dessen Andenken hier in den rohen Umrissen, nach der<br />
gesunkenen Kunst jener Zeit, den Bewohnern der Gegend sei aufbewahrt<br />
worden. Dies sei handgreiflich bewiesen, meinte Samuel,<br />
durch das Kreuz, welches wie <strong>zu</strong>m Segnen in der rechten Hand der<br />
Gestalt sich gen Himmel erhebe. Mit der linken Hand aber nahm unser<br />
Freund es nicht so genau. Und in der Tat: Die Verwitterung des<br />
Bildes ließ unentschieden, ob ein Schwert, ein Stab oder ein Rosenkranz<br />
hinabwärts vorgestellt sein solle; oder ob etwas Rundes, ein<br />
Schild, ein Korb, ein Pilgerhut, seitwärts unter dem Arme hinausgestanden.<br />
Doch Samuel fand im mindesten kein Arg an diesem Übelstande und<br />
ergoß sich vielmehr in eine wohlgestellte Anrede an das Rätselgebilde:<br />
Sei immerhin mir gegrüßt, du ehrwürdige Reliquie der ehrwürdigen<br />
Vorzeit! In unzähligen Seelen vielleicht, dort oben über dem<br />
Sternengefilde, blüht noch die Erinnerung an die Hülle des Frommen,<br />
der einst in diesem Felsental Gottseligkeit lehrte und christliches<br />
Wohltun übte. Hienieden erlischt bald auch der letzte Zug, der<br />
die segnende teure Gestalt einst dem andächtigen Bewohner <strong>zu</strong><br />
dankbarer Verehrung aufbewahrt hat. Leibes- und Seelenarzt, mag<br />
der friedliebende Bruder hier gewaltet haben, wie die Genien des<br />
hellenistischen Mythos. Und hätten Polyklete den heiligen Mann uns<br />
dargestellt, so würden wir ein Ideal erhalten haben, weit über die<br />
Herkules, die Meleager, die Theseus, welche nur aus irdischer Not<br />
<strong>zu</strong> erlösen vermocht.<br />
Alles über den Gegenstand war nun erschöpft, und in unbewußtem<br />
Gefühle vielleicht, daß da nichts mehr <strong>zu</strong> sagen, nichts mehr <strong>zu</strong><br />
mutmaßen sei, wandten wir uns beide fast instinktmäßig von dem<br />
Bilde wieder weg, und klimmten bald atemlos auf dem unscheinbaren<br />
Pfade hinan, den Adelbert vor einer Weile schon eingeschlagen.<br />
Er führte <strong>zu</strong> einem Bauernhause, von welchem in diesem Augenblick<br />
Adelbert gegen uns <strong>zu</strong>rückkam, indem er sogleich uns <strong>zu</strong>rief: Lagern<br />
wir uns an dieser lieblichen Stätte! Setzen wir uns unter den<br />
Zwetschgenbaum hier und trinken eine Schüssel Milch, die der unwürdige<br />
Prosaiker des altertümelnden Kleeblattes euch Phantasten<br />
und Grüblern hat bereiten lassen! Im Anschauen des zerbröckelnden