Der Abend zu Geristein - Dillum
Der Abend zu Geristein - Dillum
Der Abend zu Geristein - Dillum
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
45<br />
Schweigst du nicht bald, du Pfaffenknecht, mit deiner Predigt! Hätt’<br />
ich nur alle deine Halunken-Burger …“<br />
„Ich sag’s ungern, liebe Herren! Aber es ist die Landmähre so: Man<br />
kann’s nicht anders berichten als es ergangen ist.“<br />
„Hätt’ ich sie, hätt’ ich sie hier! Du sollst es vorschmecken, wie ich sie<br />
kitzeln wollte! - Hiermit trug er in seinen eisernen Armen den halb <strong>zu</strong><br />
Tode Gewürgten rasch an das Bogenfenster und warf ihn – während<br />
Fräulein Viola mit Schreien und Weinen herbeistürmte – risch<br />
[schnell] in den Burggraben, wo dichtes Strauchwerk den Leichnam<br />
also bald umfing. Aber einmal in die grimmige Wut geraten, wendet<br />
Herr Aimo flugs sich <strong>zu</strong> dem Fräulein um, das mit Jammergekreisch<br />
ihm vergebens nachgeeilt. Er packt’s an dem Arme, zerrt es treppunter<br />
in die Kammer, wo sie alle gewesen, schmettert die Tür in Schloß<br />
und Riegel, sperrt das Kind ein und brüllt in seinem Zorne: So heul’<br />
und flenn’ in Ewigkeit um vermessenes Bernerblut!“<br />
„Hier, meine besten Herren, ist die Geschichte so gut als aus. Denn<br />
nie haben die Leute übereingestimmt, wie sie des Weitern verlaufen.<br />
Einige sagen: Aber in Scham über die erlittene Schmach und aus<br />
herrlicher Dankbarkeit gegen seinen Gott, der ihn von den Todespforten<br />
<strong>zu</strong>rückgerissen und ihm eine Zeit der Busse vergönnt, sei er<br />
ein Waldbruder in den Felsschluchten des Bantigers geworden. Aber<br />
in stiller Nacht sei er oft an die Burg geschlichen und habe sein<br />
Ebenbild in den Felsen dort gegraben, daß es das Kreuz empor halte<br />
gegen das Schloß, der heidnischen Jungfrau Bekehrung <strong>zu</strong> predigen<br />
von ihrem gottlosen Sinne.<br />
Doch andere sagen, der Jüngling sei alsbald tot gewesen von dem<br />
entsetzlichen Sturze. Und nie sei er begraben worden. Aber in leuchtender<br />
Gestalt sei er, <strong>zu</strong>m Schrecken des Twingherrn und <strong>zu</strong>m Trost<br />
des Fräuleins in ihrer Gefangenschaft, dort im Schloßgraben an der<br />
Felswand stehend erschienen und habe ein flammendes Kreuz mit<br />
der Rechten in die Höhe gestreckt, um die Erfüllung seines Versprechens<br />
an<strong>zu</strong>deuten, daß er die Jungfrau beschenken wolle mit dem<br />
heiligen Zeichen.<br />
Fräulein Viola jedoch verlor in ihrem Gefängnis den armen Verstand.<br />
Immerfort sah sie den schönen, unschuldigen Jüngling neben sich<br />
und bereute, daß sie nicht ihrem Herzenstriebe gefolgt sei, von jeder<br />
Verführung ab<strong>zu</strong>sehen. Allmählich ward sie still und stiller, und<br />
nichts mehr gab ihr Beschäftigung, als seufzend ihre Kostbarkeiten,<br />
Gold und Silber auf weißen Tüchern <strong>zu</strong> verspreiten, als sollte sie<br />
wieder dem unglückseligen Ritter von Bolligen alles vorspiegeln.