Der Abend zu Geristein - Dillum
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Über Jahr und Tag aber, wie der Krieg mit Bern endlich ausgebrochen<br />
und die vornehmen Herren eine große Schlacht verloren hatten,<br />
da zogen die sieghaften Leute von Bern auch gegen den Herren<br />
von Gerenstein, erstürmten das Schloß und zwangen den Twingherrn,<br />
sich <strong>zu</strong> ergeben, wobei geschah, daß durch einen großmächtigen<br />
Schleuderstein, während die Feste belagert ward, das verwirrte,<br />
jammerselige Fräulein den plötzlichen Tod erhielt, der allein die<br />
Qual ihres erbärmlichen Lebens endigen konnte.“<br />
„Und dieses Fräulein, sagt es nur, gute Frau“, fuhr Samuel hier mit<br />
einer Art von Begeisterung empor. - „Es erscheint noch? Es spukt in<br />
dem alten Burgstall? Es spreitet Gold und Silber auf Leinlaken aus?<br />
Man hat’s bei Menschengedenken noch gesehen?“<br />
„Da bewahre mir der liebe Gott mein Maul!“ versetzte die seltsame<br />
Käthe und stand jählings, wie aus überfallender Ängstlichkeit auf,<br />
verneigte sich und wünschte guten <strong>Abend</strong>; so daß kaum noch Samuel<br />
ihr einhändigen konnte, was er ihr für ihren mühsamen Gang<br />
und den Zeitverlust mit Herzlichkeit anbot und was als Nebensache<br />
mit kurzem Dank ihm abgenommen wurde.<br />
Wie die Sage ungleich auf uns alle wirkte, läßt sich leicht ermessen.<br />
Wir fanden uns jetzt auch mit der Bäuerin und ihrem Töchterlein wegen<br />
Milch, Brot und guter Bedienung ab. <strong>Der</strong> Mond war eben aufgestiegen,<br />
da er gerade im letzten Zunehmen stand; und wir traten ungesäumt<br />
den bekannten Rückweg in der großen Strasse über Bolligen<br />
und die Wegmühle an.<br />
Samuel romantisierte fortwährend von der alten Zeit. Bei Adelbert<br />
rührten sich Grillen über das Unwahrscheinliche in der Erzählung<br />
des Kräuterweibes. Ich aber – gegen Prosa und Poesie gleich unparteiisch<br />
und Gott sei Dank für beide gleich empfänglich – überschlug<br />
den Gewinn des Nachmittags und fand ihn für Menschenkenntnis<br />
und Lebensgenuß nicht <strong>zu</strong> verachten. Aber freilich, in meiner gedrängten<br />
Darstellung ist das nicht am Einleuchtendsten.<br />
Hier endigte mein Freund, und ich lächelte seiner Besorgnis. Wäre<br />
nur mir gelungen, den Lesern <strong>zu</strong>r Hälfte die Lebendigkeit seines Vortrages<br />
anschaulich <strong>zu</strong> machen!<br />
Ende