Jahresbericht Gesundheitlicher ... - LMTVet - Bremen
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JAHRESBERICHT GESUNDHEITLICHER VERBRAUCHERSCHUTZ BREMEN 2010<br />
Da die traditionellen Fischarten wie Rotbarsch und Seelachs immer teurer werden und zunehmend schlechter<br />
verfügbar sind, versucht der Handel auf andere Fischarten auszuweichen. Dies sind zumeist Arten, die im<br />
Pazifik gefangen werden, zoologisch mit den im Atlantik vorkommenden Arten verwandt sind und auch ähnlich<br />
aussehen. Die Vermarktung erfolgt fast ausschließlich als Frostware in Fertigverpackungen. Die importierte<br />
Frostware wird in zunehmendem Maße auch aufgetaut vermarktet. Mittlerweile gibt es spezielle Dienstleistungsangebote,<br />
vor allem für Tilapia, Pangasius und Scallops (Jakobsmuscheln und verwandte Kammmuschelarten).<br />
Der Handel spricht in solchen Fällen gerne von „Refreshware“. Gerade bei Scallops spielt die<br />
Wasseraufnahme beim Auftauen im Wasserbad eine besondere Rolle, da durch die Faserstruktur des Adduktormuskels<br />
(Schließmuskel) auch ohne Phosphatzugabe erhebliche Mengen an Wasser aufgenommen („soaked<br />
scallops“) werden können.<br />
Weiter ergibt sich das Problem der Bezeichnung, da für die Deklaration die Namen aus der Nationalen Fischliste<br />
der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung verwendet werden müssen. Die Bundesanstalt verfolgt<br />
die Strategie, für eine Art auch einen Handelsnamen vorzusehen und Gruppierungen von Arten (spp.)<br />
möglichst zu reduzieren. Da mittlerweile die gentechnischen Methoden zur Tierartspezifizierung sehr weit<br />
fortgeschritten sind und auch auf verlässliche umfangreiche Datenbanken zurückgegriffen werden kann, ergaben<br />
sich für einige Inverkehrbringer Beanstandungen, da die deklarierten Arten nicht mit dem Inhalt der betroffnen<br />
Fertigverpackungen übereinstimmten. Besonders häufig wurden Scallops beanstandet, da hier der<br />
markträchtige Name „Jakobsmuschel“ nur für Pecten maximus und P. jacobaeus zulässig ist.<br />
Eine ähnliche Situation war bei Plattfischen aus dem Nordpazifik zu verzeichnen. Hier überschneiden sich die<br />
Fanggebiete von Limanda aspera, Lepidopsetta billienata und Hippoglosoides elassodon, für die in der Nationalen<br />
Fischliste jeweils Deutsche Namen festgelegt sind (Pazifische Kliesche, Pazifische Scholle, Heilbuttscholle).<br />
Beanstandungen bezüglich falscher Kennzeichnung kommen insbesondere bei den beiden letztgenannten<br />
häufiger vor. Teilweise mag es daran liegen, dass die Anlandungen nicht sortenrein sind oder bei der<br />
Bearbeitung – meist in Chinesischen Betrieben – nicht sorgfältig genug gearbeitet wird.<br />
Während man die beschriebenen Fälle eher als Einzelfälle oder als fahrlässige Handlungen interpretieren<br />
kann, wurde Mitte des Jahres ein Fall aufgedeckt, der sowohl durch das Ausmaß als auch die konsequente<br />
Durchführung und Organisation im Exportland erstaunt oder erschreckt.<br />
Vietnam ist als Exportland hauptsächlich für Pangasiuserzeugnisse bekannt, daneben werden jedoch in bedeutendem<br />
Ausmaß andere Fischarten exportiert. Vertreter eines namhaften vietnamesischen Erzeugers waren<br />
direkt bzw. über einen Zwischenhändler an zwei im Land <strong>Bremen</strong> ansässige Unternehmen herangetreten<br />
und boten einen im Gegensatz zu Pangasius – dessen Reputation im wahrsten Sinne des Wortes verwässert<br />
ist – hochwertigen Fisch, nämlich den Rotflossenwels (Hemibagrus wickiodides) an. Nach dem Hörensagen<br />
wurden gleich mehreren Interessenten Exklusivverträge angeboten. Die gelieferten Filets waren denen des<br />
Pangasius nicht unähnlich aber von bedeutend besserer Qualität. Die Filets wurden im Discount als TK-Ware,<br />
eingeschweißt in Beuteln, verkauft. Solche in Sachsen Anhalt, NRW (Köln) und Hamburg entnommenen Fertigpackungen<br />
entpuppten sich bei Untersuchungen der Bundesforschungsanstalt für Fischerei (MRI) und der<br />
beteiligten Untersuchungsämter im August 2010 als Pangasius. Die angewandten gentechnischen Untersuchungen<br />
bedienten sich anerkannter Datenbanken als Referenz, wodurch noch eine - allerdings unwahrscheinliche<br />
- Fehlermöglichkeit gegeben war. Zur endgültigen Abklärung wurden die betroffenen Betriebe<br />
aufgefordert, von Ihren Lieferanten möglichst schnell unbearbeitete Fische zur gentechnischen und ichtyologischen<br />
Bestimmung einzusenden. Es stellte sich schnell heraus, dass auch diese Referenzen nichts anderes<br />
als Pangasius waren. Zu diesem Zeitpunkt waren die gesamtem erreichbaren Lagerbestände bereits beprobt<br />
und sichergestellt. Der Hauptimporteur aus Belgien hatte in einem Informationsschreiben – in dem er zugeben<br />
musste, die Farmen und Fabriken selbst nie gesehen zu haben, da Sie in einem Sperrgebiet liegen – erklärt,<br />
die Behörden hätten angesichts der Schwierigkeiten bei der ortsüblichen Benennung, der in einem sehr großen<br />
Stausee kultivierten Arten erlaubt, diese Fische unter der lokalen Bezeichnung „Ca Lang bzw. engl. „Red<br />
Mystus“ zu vermarkten. „Mystus“ ist älteres, weniger gebräuchliches Synonym des lat. Gattungsnamens für<br />
den Rotflossenwels.<br />
Es ist anzunehmen, dass diese Praxis schon bis zu vier Jahre verfolgt wurde, bevor es zur Aufdeckung kam.<br />
Die sichergestellten Waren wurden an den Hersteller in Vietnam zurückgesandt. Bisher ist nicht vollständig<br />
geklärt, ob die betroffen Betriebe in Deutschland und ggf. auch der Großimporteur in Belgien Opfer oder Mittäter<br />
bei dieser Betrügerei sind. Der Markt für dieses Erzeugnis ist jedenfalls vollständig zusammengebrochen.<br />
Dr. Claude Boiselle