Aktuelle Ausgabe - Feed Magazin
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die Methode ist dabei einFach wie Überzeugend: Hat man seine<br />
Zielgruppe definiert, eruiert man aus den Stimmungen die Trends, gleicht die<br />
Erkenntnisse ab und präsentiert am Ende das ideale Produkt zum perfekten<br />
Zeitpunkt. Besser kann man die Erwartungen der Zielgruppe nicht erfüllen,<br />
denn das Ergebnis ist die Erfüllung der Erwartung. Um das Bild abzurunden<br />
und auch stets innovativ zu sein, streut man zudem gezielt Gerüchte zu möglichen<br />
Entwicklungen und erhält so nicht nur ein fundiertes Meinungsbild,<br />
sondern erfährt auch Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten. Im<br />
Falle Apple scheint die Sache aufzugehen, auch weil man bei einer derart euphorischen<br />
Kundenklientel, die bisweilen fast Nahe der Jüngerschaft angesiedelt<br />
wird, fast ideale Bedingungen vorfindet für entsprechende Feldstudien.<br />
WIE HEISST DER BüRGERMEISTER VON WESEL?<br />
ein echorauM oder hallrauM (echo chaMber) ist in der Akustik<br />
ein Raum, der so gestaltet ist, dass Schall von den Wänden möglichst lange<br />
reflektiert und wahrnehmbar ist. Die Qualität eines Hallraums wird daran gemessen,<br />
wie gleichmäßig und nachhaltig sich Schall erhalten lässt; dazu wird<br />
vor allem die hermetische Abschottung und die Vermeidung von Störfaktoren<br />
als Diffusor beitragen. In der Kommunikation ist das nicht anders. Je ungestörter<br />
man die Ausbreitung eines Impulses und seines Widerhalls, dem Echo,<br />
beobachten kann, desto geringer die Fehlinterpretationen. Das unterscheidet<br />
den „kommunikativen“ Echo-Raum vom Echo in freier Wildbahn, wo aus dem<br />
„Bürgermeister vom Wesel“ wie im Rheinwiederhall (Melodie Friedrich Gernsheim)<br />
der „Esel“ wird und aus den „gelahrten Doktoren?“ die Toren.<br />
KLEINE-WELT-PHäNOMEN<br />
so viel der theorie. aber wie baut Man nun (s)einen Echo-Raum<br />
und treibt die Schäflein hinein? Antwort: Man muss sie nicht bauen, man muss<br />
sie nur suchen. Die Auseinandersetzung mit Echoräumen aus gesellschaftlicher<br />
Sicht beschrieb Stanley Milgram bereits 1967 mit einem „Kleine-Welt-Phänomen<br />
(engl. small world phenomenon)“, und erforscht dies aus sozialpsychologischer<br />
Sicht. Der Mensch neigt dazu, sich in einen Mikrokosmos zu verschanzen.<br />
Sich mit Gleichgesinnten zu umgeben empfindet man schlicht als angenehmer<br />
denn sich beständig mit „Andersgläubigen“ und deren Thesen auseinanderzusetzen.<br />
„Unter sich“ zu sein ist ein natürliches Bedürfnis und sorgt für Zusammenhalt<br />
durch Bestätigung des eigenen Verhaltens und der eigenen Denkweise.<br />
Der (virtuelle) Stammtisch macht stark und schafft Wohlbefinden.<br />
SORTIERT, VERMESSEN UND MEISTBIETEND VERKAUFT<br />
gruPPendynaMische Prozesse sowie deren Instrumentalisierung<br />
und Manipulierung ist keine neue Erkenntnis und auch kein neues Phänomen<br />
des Internets. Neu im digitalen Zeitalter sind jedoch die Möglichkeiten der<br />
Analyse und Auswertung in Echtzeit sowie die Herstellung von eingangs beschriebenen<br />
Zusammenhängen jenseits des vordergründigen Verhaltens. Sich<br />
an einer Protestaktion gegen ein Thema zu beteiligen und entsprechend einer<br />
Meinungsgruppe zusortiert zu sein, ist das eine, aber aufgrund der reinen Konstellation<br />
von „Wer kennt wen?“ gruppiert zu werden, nebst eines Algorithmus<br />
von „Likes“ und „Dislikes“ hat eine neue Qualität, deren Auswirkungen heute<br />
nur erahnt werden können. Wenn also „Linke Linke verlinken“, sind sie sich<br />
im Zweifel ihrer Rolle bewusst, wer aber nur aufgrund seiner Vorliebe für<br />
bestimmte Kräuterliköre, aufgrund der Analyse von Zusammenhängen<br />
und diversen Auswertungen, zur Gruppe potenzieller Interessenten von<br />
Steuerabschreibungsmodellen sortiert wird, wird das wohl nur indirekt an<br />
der Konfrontation mit entsprechenden Angeboten erfahren. Das Geschäft<br />
mit den Auswertungen und Analysen ist längst ein Milliarden-Business.<br />
unternehMen, koMMunikatoren und werbetreibende haben<br />
ein veritables Interesse, den Einzelnen in Echoräumen zu identifizieren, aber<br />
auch sie dort zu erhalten und idealerweise sogar eigene zu schaffen, wenn<br />
möglich. Viele Nutzer haben auch gar nichts dagegen und sind selbst aktiv<br />
am Aufbau in ihrem digitalen Umfeld beteiligt. So tritt man fleißig in Gruppen<br />
zum Lieblingsverein bei, belohnt artig alle Artikel des sympathisierten<br />
Meinungsführers mit „Gefällt mir!“ und zögert nicht selbst aktiv zu werden,<br />
wenn es die bisher schmerzlich vermisste „Interessensgemeinschaft zur Erhaltung<br />
der alten Kneipe im Kleingartenverein Blaue Blume“ noch nicht gibt.<br />
Dass man dabei so praktisch technisch unterstützt wird von Social Community-Plattformen<br />
wie Facebook, sollte einen nicht wirklich verwundern.<br />
KLEINSTADT-ATMOSPHäRE IM GROSSEN WEITEN WEB<br />
die welt zieht sich zurÜck - so könnte man einen aktuellen Trend<br />
im WWW beschreiben. Ein Rückzug in begrenzte und von Freundschafts- und<br />
Bekanntsschaftskontakten geprägte Communities. Was relevant ist, bestimmt<br />
der eigene Schwarm. Was einen aufregt, muss man erst gar nicht mehr lesen,<br />
was witzig und sehenswert ist, erfährt man schnell genug. Das Internet der<br />
Empfehlung: praktisch, wenn das auch noch der eigenen Neigung gleich entspricht.<br />
Vielen scheint das vollends zu genügen. Wurde früher die AOL-Welt,<br />
eine abgeschottete Nutzergemeinde, noch als zu begrenzt gebrandmarkt und<br />
dann aufgebrochen, scheint heute im Rückblick der Entwicklung das alte AOL-<br />
Konzept vielleicht einfach nur „einen Schritt zu weit voraus“ gewesen zu sein.<br />
„Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können,<br />
muß man vor allem ein Schaf sein.“ Albert Einstein<br />
kontroverse hat Man ja genug in beruF, Schule oder Alltag; in der<br />
digitalen Welt soll vor allem Bestätigung der eigenen Denkweise, Belohnung<br />
des eigenen Konsumverhaltens durch Zustimmung und eine weiche Diskussionen<br />
der Trending Topics im geneigten Freundeskreis für Entspannung und<br />
Zufriedenheit sorgen. Pfeiffer beschrieb es auf der re:publica als den „Weg zum<br />
Dumm 3.0“ - wenn eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Denkmustern<br />
und widersprüchlichen Ansichten fast vollends ausgeblendet wird. Die<br />
Welt der eigenen Echoräume verblendet die Wahrnehmung der Realität. Wenn<br />
der Informationszufluss nur noch aus einer Art Widerhall von Meinungen und<br />
Stimmen besteht, die im Kern der eigenen Denke entspricht, fehlt die 3. Dimension,<br />
der andere Blickwinkel auf eine Sache. Wenn man zehn Artikel zu einer<br />
Thematik liest, die alle des gleichen Geistes Kinde sind, ist man am Ende nicht<br />
besser informiert und nicht in der Lage, sich ein eigenes Bild zu machen.<br />
PFeiFFer eMPFahl daher einen regelmäßigen Blick über den Tellerrand<br />
hinaus, aber ob solche gelegentlichen Ausflüge reichen, ist fraglich.<br />
Noch mehr aber, ob es überhaupt gewollt ist, denn nicht umsonst nennt man<br />
diese Gesellschaft die Konsumgesellschaft und wie Rudi Dutschke schon<br />
feststellte: „Auch wenn man gut konsumiert, kann man dahinvegetieren.“<br />
<strong>Feed</strong>-<strong>Magazin</strong> 02-2011 37