Vom Maskenkult zur Theatermaske - Hochschulschriftenserver der ...
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edrohende Kraft, die die staatlichen Repräsentanten des bestehenden Systems nicht<br />
wi<strong>der</strong>standslos hinnehmen konnten. Es hat daher zahlreiche Versuche gegeben, den<br />
Kult zu verbieten und seine Anhänger zu vernichten (die bereits erwähnten Erzählungen<br />
von den Königen Lykurg und Pentheus sind prähistorische Reflexe davon). Ein Erfolg<br />
blieb allerdings aus, denn <strong>der</strong> Gott und sein Kult verkörperten zu sehr die menschlichen<br />
Urbedürfnisse, als dass sich irgendein Wi<strong>der</strong>stand hätte durchsetzen können. Die staatlichen<br />
Ordnungsinstanzen konnten die Ausbreitung des Kultes nicht verhin<strong>der</strong>n. Was<br />
allein in ihrer Macht stand, war die Möglichkeit, dem Kult einen festen und geregelten<br />
Rahmen zu geben und ihn auf diese Weise in Schranken zu halten. Und genau dies bildete<br />
den Weg, auf dem es <strong>zur</strong> Entstehung des Theaters kam.<br />
Zunächst wurden <strong>der</strong> Spontaneität des Kultes Grenzen gesetzt. Der Kult wurde entschärft,<br />
indem es von nun an festgelegte Zeiten gab, an denen die Feiern stattfinden<br />
durften: die Dionysos-Feste. Diese erhielten sodann einen geregelten Ablauf, mit dem<br />
man die Ekstase, die den Kult so bedrohlich machte, unter Kontrolle zu bringen suchte.<br />
Die staatliche Ordnungsmacht reagierte somit, nachdem sie ihre Hilflosigkeit gegenüber<br />
<strong>der</strong> Bedrohung erkannt hatte, mit einer Institutionalisierung <strong>der</strong>selben. In die zeitlich<br />
terminierten Festzeiten und den geregelten Ablauf wurde nun auch diejenige Form des<br />
Kultdienstes aufgenommen, aus <strong>der</strong> sich das Theater als Institution entwickelt hat.<br />
S. hierzu auch Blume [1978] 1991, S. 14 f.:<br />
„Dionysos bemächtigte sich <strong>der</strong> Gemüter mit einer sonst ungekannten Vehemenz. Er verlieh den<br />
Menschen das Gefühl schrankenloser Freiheit, verhieß ihnen Erlösung von den geltenden Zwängen,<br />
und wer sich die gesellschaftlichen Bedingungen in einer griechischen Polis vergegenwärtigt, dem<br />
wird es wohl einleuchten, daß beson<strong>der</strong>s die vom politisch-gesellschaftlichen Leben ausgeschlossenen<br />
Frauen sich von dieser Religion angesprochen fühlten. Der orgiastische Kult des stets von | einem<br />
Schwarm rasen<strong>der</strong> Begleiterinnen, den Mänaden, umgebenen Dionysos riß sie unwi<strong>der</strong>stehlich aus <strong>der</strong><br />
abgeschlossenen Umgebung ihres häuslichen Alltags hinaus in die Wildnis. Sein Wahnsinn versetzte<br />
die Menschen in Ekstase, ließ sie ganz von <strong>der</strong> Gottheit erfüllt sein. Eine Reihe von Mythenerzählungen<br />
zeigt die vergeblichen Versuche <strong>der</strong> Herrschenden, die Schrankenlosigkeit und den Irrationalismus<br />
dieses Kultes zu unterdrücken und die Aufnahme des Gottes zu verhin<strong>der</strong>n, [Anm. 3: Die bekanntesten<br />
dieser Mythen handeln vom Thrakerkönig Lykurg (Aischylos ›Lykurgie‹, verloren) und<br />
von Pentheus in Theben (Euripides ›Bakchen‹).] doch <strong>der</strong> Siegeszug <strong>der</strong> neuen Religion ließ sich<br />
nicht aufhalten. Bevor sich allerdings <strong>der</strong> Kult des Dionysos im 6. Jh. einen festen Platz im staatlichen<br />
Festkalen<strong>der</strong> Athens erobern konnte, mußte sein Charakter gezähmt werden. Tatsächlich hatten die<br />
feierlichen Opfer, die nunmehr vor versammelter Bürgerschaft am hellichten Tage dem Dionysos dargebracht<br />
wurden, kaum noch etwas gemein mit den nächtlichen Orgien voll Rausch und Gewalttat, die<br />
sich einst draußen in <strong>der</strong> freien Natur abgespielt hatten.“<br />
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