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Staatskonsolidierung vs. Staatszerfall. Eine vergleichende ...

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Hauptaugenmerk dieses Abschnittes auf das ethnisch-kulturelle Konfliktpotential gerichtet,<br />

das sich aus einem unausgewogenen Kräfteverhältnis zwischen den einzelnen Gruppen<br />

ergeben kann. 22 Inwieweit ethnisch-kulturelle Heterogenität die Staatsbildungsprozesse<br />

Tanzanias und Sierra Leones tatsächlich beeinflusst hat, wird dann im dritten Kapitel näher<br />

erläutert.<br />

Die Bevölkerung Tanganyikas setzt sich aus mindestens 120 ethnischen Gruppen 23 zusammen,<br />

so dass das heutige Tanzania sowohl im regionalen als auch im internationalen<br />

Vergleich eine extrem multiethnische Bevölkerungsstruktur aufweist. Besonders stark<br />

zersplittert ist dabei die Bevölkerung Tanganyikas. Das Kräfteverhältnis zwischen den ethnischen<br />

Gruppen zeigt jedoch deutlich, dass kein Volk eine politisch oder ökonomisch besonders<br />

dominierende Rolle spielt oder spielen kann; zumal die Sukuma als größte ethnische<br />

Gruppe nur einen Anteil von etwa 13 % der Gesamtbevölkerung ausmachen, gefolgt von den<br />

Makonde (4 %), Chagga (3,7 %), Haya (3,5 %) und den Nyamwezi (3,4 %). 24 Zwar gab es<br />

immer wieder Hinweise und Vorwürfe auf tribalistisch bedingte Bevorzugungen und<br />

Netzwerke (Klientelismus), „(...) dennoch spielt der ethnische Faktor von jeher in der Politik<br />

eine wesentlich geringere Rolle als in den meisten anderen Staaten Afrikas.“ 25 Das<br />

Kräfteverhältnis der zanzibarischen Bevölkerungsgruppen erscheint demgegenüber deutlich<br />

unausgewogener: Mit einem Anteil von 56,2 % dominiert die Gruppe der Suaheli 26 klar<br />

gegenüber der afrikanischen (19,5 %), arabischen (16,9 %) und asiatischen (5,8 %) Bevölkerung.<br />

Die Machtposition der arabischen Sultansherrschaft 27 führte jedoch zu einer<br />

wirtschaftlichen und politischen Unterdrückung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit durch<br />

die landbesitzende arabische Oberschicht. Die Folge war, dass sich bereits Mitte der 1950er<br />

abgrenzbare Einheiten veränderte die vorkoloniale soziale Realität insofern grundlegend, als dass die bis<br />

dato „fließenden“ interethnischen Grenzen – oftmals unter Missachtung bestehender Unterschiede –<br />

festgeschrieben wurden. Das klare Bewusstsein einer bestimmten ethnischen Gruppe anzugehören ist<br />

demnach im wesentlichen als Produkt der Kolonialzeit zu verstehen. Vgl. Aschenbrenner-Wellmann, Beate:<br />

Ethnizität in Tanzania. Überlegungen zur Bedeutung der Ethnizität im Rahmen des gesellschaftlichen<br />

Wandels, München 1991, S. 114 f. Und: Alie, Joe A. D.: A New History of Sierra Leone, New York 1990, S.<br />

220.<br />

22 Horowitz hält mittlere Fragmentierungen für besonders konfliktträchtig, da diese eher über hierarchische<br />

interethnische Beziehungen und eine hervorstechende Konfrontationsstruktur verfügen als ethnisch sehr<br />

stark fragmentierte Gesellschaften. Vgl. Horowitz, Donald L.: Democracy in Divided Societies, in: Diamond,<br />

Larry/ Marc F. Plattner (Hrsg.): Nationalism, Ethnic Conflict, and Democracy, Baltimore-London 1994.<br />

23 Vgl. u.a. Hofmeier, Rolf: Tansania: „Friedensoase“ in der subsaharischen Krisenzone, in: Matthies, Volker<br />

(Hrsg.): Der gelungene Frieden. Beispiele und Bedingungen erfolgreicher friedlicher Konfliktbearbeitung,<br />

Bonn 1997, S. 157.<br />

24 Vgl. Hofmeier, Rolf: Tanzania, in: Nohlen Dieter/Nuscheler, Franz (Hrsg.): Handbuch der Dritten Welt.<br />

Ostafrika und Südafrika Bd. 5, 3., völlig neu bearb. Aufl., Bonn 1993, S. 179 f.<br />

25 Hofmeier: Friedensoase Tansania, 1997, S. 157.<br />

26 Der Terminus Suaheli stammt vom arabischen “Sawahili“, das soviel wie Küste bedeutet. Die Suaheli sind<br />

demnach die Menschen, die an der Küste leben. In der Literatur werden häufig die Begriffe Suaheli und<br />

Shirazi vermischt. Im engeren Sinn werden als Shirazi jedoch nur die Nachkommen der ersten Siedler<br />

Zanzibars bezeichnet, die aus der Gegend um die persische Stadt Shiraz kamen. Alle Mischungen zwischen<br />

Shirazis und Afrikanern müssen streng genommen zu der Gruppe der Suahelis gerechnet werden. Vgl.<br />

Fengler: Konfliktformationen und Zukunftsperspektiven der tanzanischen Union, 1997, S. 19.<br />

27 Ab 1890 teilten sich die Briten mit dem Oman die Macht in Zanzibar, das zuvor Zentrum des omanischzanzibarischen<br />

Reiches war. Obwohl der Sultan weiterhin konstitutioneller Monarch von Zanzibar blieb, lag<br />

die militärische, politische und wirtschaftliche Macht fortan in den Händen der Briten. Vgl. ebd., S. 23.<br />

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