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Staatskonsolidierung vs. Staatszerfall. Eine vergleichende ...

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Der Zustand des Gesundheitswesens blieb hingegen ähnlich schlecht wie der in Tanganyika.<br />

Zwar wurden während der Kolonialzeit immer wieder Versuche unternommen,<br />

Krankenhäuser, Gesundheitszentren und Apotheken zu bauen. Aufgrund des Mangels an<br />

Personal und unzureichender Finanzausstattung konnte jedoch nur ein Bruchteil der<br />

Bevölkerung medizinisch versorgt werden. „Compared to the population of the country,<br />

however, the medical services provided during the colonial era were only token services.” 91<br />

2.3. Das koloniale Verwaltungssystem<br />

Die britische Kolonialverwaltung errichtete sowohl im heutigen Tanzania als auch in Sierra<br />

Leone ein System der indirekten Herrschaft (Indirect Rule); eine Form der Machtausübung,<br />

bei der – im Gegensatz zur Direct Rule – traditionelle Herrschaftsstrukturen in das koloniale<br />

Verwaltungssystem miteinbezogen werden. Dahinter steckte die Annahme, dass die<br />

afrikanische Bevölkerung am besten von ihren eigenen Gesellschaftsautoritäten regiert<br />

werden könnte. 92 Wichtigstes Element der Lokalverwaltung war der “Häuptling“ bzw.<br />

Stammesfürst (Paramount Chief), dem gelegentlich auch ein Rat (Native Council) zur Seite<br />

stand. Diese Native Authorities bildeten die afrikanische Basis der ansonsten britischen<br />

Verwaltungspyramide. 93 Als Organ der Kolonialverwaltung hatten sie deren Anordnungen zu<br />

erfüllen, erhielten aber auch gewisse Eigenverantwortlichkeit für kommunale Aufgaben ihrer<br />

Chieftaincy übertragen. Zu diesem Zweck wurden ihnen zwei weitere Einrichtungen<br />

unterstellt: Erstens die Eingeborenengerichte (Native Courts), die als Rechtssprechungsorgan<br />

der untersten Instanz für zivilrechtliche Entscheidungen zuständig waren<br />

und sich in vielen Fragen nach dem traditionellen Recht (customary law) richteten. Zweitens<br />

ein Finanzfond (Native Treasury), zur Verwaltung der erhobenen Steuern. 94<br />

In Tanganyika übernahmen die Briten dagegen zunächst die Struktur der deutschen<br />

Kolonialmacht, in der weitgehend selbstständige Bezirksvorsteher mit Hilfe einheimischer<br />

Kräfte (akida) als Verwalter, Richter und Steuereinnehmer fungierten. 95 Der Wandel kam<br />

91 Alie: History of Sierra Leone, 1990, S 204.<br />

92 „Das Personal für diese Mittlerposition wurde entweder aus den führenden Familien der vorkolonialen<br />

Herrschaftszusammmenhänge kooptiert oder aber wegen erwiesener Loyalität aus dem Kreis der<br />

Eroberungsstreitkräfte und ihrer Verbündeten eingesetzt.“ Jung, Dietrich/ Klaus Schlichte/ Jens Siegelberg:<br />

Kriege in der Weltgesellschaft, Wiesbaden 2003, S. 146.<br />

93 Die britische Kolonialverwaltung war, von oben nach unten betrachtet, zuerst in Provinzen, dann in Distrikte<br />

und schließlich in lokale Verwaltungseinheiten (Chieftaincies) gegliedert. Siehe: Anhang Nr. 1. Die Einteilung<br />

Sierra Leones in Provinzen und Distrikte, und Physische Karte: Tanzania.<br />

94 Vgl. Herzog: Geschichte Tansanias, 1986, S. 76, und Coulson, Andrew: Tanzania. A Political Economy,<br />

Oxford 1982, S. 94 f. Während der Großteil der Steuern an das Colonial Office weitergeleitet wurde, bekam<br />

die Native Authority den verbleibenden Rest; einerseits um damit öffentlich Aufgaben wahrnehmen zu<br />

können, andererseits als Lohn für die erbrachten Dienste: „A central feature was intended to be that the<br />

Native Authority – the chief – was supposed to be paid not by the government but by the Native Treasury, a<br />

local body responsible for raising and spending tax in the area. Thus the Native Authority would be the<br />

servant of the Native Treasury, not a paid agent of the central government.” Willis, Justin: The Administration<br />

of Bonde, 1920-60: A Study of the Implementation of Indirect Rule in Tanganyika, in: African Affairs, vol. 92,<br />

no. 366/1993, S. 57.<br />

95 Vgl. Schicho, Walter: Handbuch Afrika. Nord- und Ostafrika, Frankfurt a. M./Wien 2001, S. 315.<br />

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