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Staatskonsolidierung vs. Staatszerfall. Eine vergleichende ...

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gemäß den Prinzipien der Indirect Rule (siehe 2.3.) – den lokalen Machthabern (Chiefs) die<br />

Entscheidung darüber, wer sich in den begehrten Gebieten niederlassen durfte. Doch auch<br />

die Chiefs profitierten vom illegalen Diamantengeschäft, so dass der informelle Sektor in den<br />

1940er und 1950er Jahren ein rasantes Wachstum verzeichnete. 75 Parallelstrukturen waren<br />

entstanden, die – William Reno zufolge – dazu führten, dass sich bereits der koloniale Staat<br />

immer mehr zum “shadow state“ entwickelte. 76 Dennoch blieb der Bergbausektor weiterhin<br />

die wichtigste Einnahmequelle der Kolonialregierung: Während der Anteil des<br />

Bergbausektors 1931 gerade einmal 5 % des gesamten Exportvolumens ausmachte, stieg<br />

dieser in den 1950er Jahren auf über 72 %.<br />

„By the time of independence in 1961, minerals contributed 86,7 per cent of total<br />

export. Diamonds alone contributed 60 per cent of total mineral exports and 43 per<br />

cent of all exports at this time.” 77<br />

Das enorme Wachstum des Bergbausektors führte jedoch nicht nur zu einem beachtlichen<br />

wirtschaftlichen Aufschwung während der 1950er Jahre 78 , sondern auch zu einer immensen<br />

Abhängigkeit der Staatseinnahmen vom Volumen des Außenhandels. 79<br />

Am Auf- und Ausbau des industriellen Sektors zeigte die britische Kolonialverwaltung<br />

dagegen ein ähnlich geringes Interesse wie in Tanzania. Mit einem Anteil von nur 4,5 % der<br />

erwerbstätigen Bevölkerung bzw. 5,9 % am BIP 80 war Sierra Leone zum Zeitpunkt der<br />

Unabhängigkeit „(...) still a producer of primary products and receiver of European<br />

manufactured goods.“ 81<br />

Ende 1895 begann die britische Kolonialverwaltung mit dem Bau einer Eisenbahnstrecke.<br />

Die 355 Kilometer lange Hauptverbindungsstrecke zwischen Freetown und Pendembu im<br />

Osten des Landes wurde 1908 fertiggestellt und 1916 um eine Nebenstrecke von Bauya<br />

nach Makeni ergänzt. 82 Von dieser Bahn, die auch unter militärisch strategischen Gesichtspunkten<br />

83 konzipiert war, gingen eine Reihe von Entwicklungs- und Erschließungseffekten<br />

aus: Infolge des rapiden Anstiegs des Exportvolumens (v.a. Palmkerne und -öl.) von 20.000<br />

Tonnen (1896) auf 84.600 Tonnen (1936) 84 kam es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung,<br />

75 Vgl. Hirsch: Diamonds and the Struggle, 2000, S. 27.<br />

76 Vgl. Reno, William: Corruption and State Politics in Sierra Leone, Cambridge 1995, S. 78.<br />

77 Alie: History of Sierra Leone, 1990, S. 197.<br />

78 Vgl. Fyfe: A Short History of Sierra Leone, 1979, S. 148. Der Boom der Diamanten- und Bergbauökonomie<br />

führte zwischen 1950 und 1961/62 zu einer Erhöhung der Staatsausgaben von rund 3 Mio. Le auf etwa 13<br />

Mio. Le. Vgl. Mühlenberg, Friedrich: Wirtschaftliche und soziale Strukturen, 1978, S. 30.<br />

79 Vgl. Mühlenberg/ Wolff: Sierra Leone, 1993, S. 387.<br />

80 Vgl. Mühlenberg: Sierra Leone, 1976, S. 475.<br />

81 Alie: History of Sierra Leone, 1990, S. 200.<br />

82 Vgl. ebd., S. 189.<br />

83 „The railway was constructed in an attempt to secure firmer political control over the recently declared<br />

Protectorate in the hinterland of the Colony and to counter French and Liberian intrusions upon the<br />

boundaries.” Saylor, Ralph G.: The Economic System of Sierra Leone, Durham 1967, S. 15.<br />

84 Jedoch sank dieser Wert während der 1950er Jahre – infolge des zunehmenden Aufschwungs des<br />

Bergbausektors – auf ca. 50.000 Tonnen, sodass die ökonomische Effizienz der ohnehin äußerst<br />

kostspieligen Eisenbahnlinie zunehmend in Frage gestellt wurde. Vgl. Alie: History of Sierra Leone, 1990,<br />

S. 189.<br />

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