Staatskonsolidierung vs. Staatszerfall. Eine vergleichende ...

Obwohl die Gefahr eines Staatsstreichs während seiner gesamten Regierungszeit allgegenwärtig
blieb und es oftmals glückliche Umstände waren, die einen Umsturz des Regimes
verhinderten 206 , gelang es Stevens, durch eine Mischung aus repressiven und kooptiven
Maßnahmen (siehe 3.3.2.), Schritt für Schritt seine Macht zu konsolidieren. 207 Während er
seine ärgsten politischen und militärischen Feinde verhaften und teilweise auch hinrichten
ließ, wurden andere, weniger bedrohliche Gegner (v.a. die führenden Politiker der SLPP)
erfolgreich in das APC-Regime eingebunden. Ein ausgeklügeltes Netzwerk klientelistischer
Beziehungen sicherte ihm zudem die Unterstützung der wichtigsten zivilgesellschaftlichen
Verbände. 208 Auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht baute er seine Macht kontinuierlich
aus. Nachdem er 1971 eine republikanische Verfassung eingeführt hatte und damit erster
Präsident Sierra Leones geworden war, wurde 1978 auch das, bereits seit 1973 de facto
bestehende Einparteiensystem, verfassungsrechtlich verankert (siehe 3.3.1.). 209
Zwar gelang es Stevens auf diese Weise immerhin siebzehn Jahre an der Macht zu bleiben,
die allein auf den Machterhalt des Regimes ausgerichtete Sicherheitsstrategie führte jedoch
dazu, dass der Staat immer weniger in der Lage war, eine effektive Kontrolle des Staatsgebietes
zu gewährleisten. 210 Dies machte sich besonders in den Provinzen bemerkbar, wo die
RUF, aufgrund des Fehlens von Sicherheitskräften, bereits Mitte der 1980er Jahre junge
Männer für eine militärische Ausbildung in Libyen rekrutierte:
„The culmulative result was that the force was unable to perform, there was a
complete breakdown of security particularly in the provincial areas. (...) Without police
detection, Foday Sankoh and student activists traversed the length and breadth of the
country recruiting young men for military training in Benghazi, Libya.“ 211
Nachdem Stevens 1985 freiwillig zurückgetreten war und mit General Joseph Momoh den
Oberbefehlshaber der weitgehend unbewaffneten Armee zu seinem Nachfolger gemacht
hatte, dauerte es nicht lange, bis sich die Serie von Putschen und Putschversuchen
fortsetzte. 212 Gleichzeitig machte die Invasion der RUF 1991 und die damit einhergehende
Ermordung, Verstümmelung, Vergewaltigung und Verschleppung von Zivilisten mehr als
deutlich, dass das APC-Regime neben seiner eigenen Sicherheit nun auch nicht mehr in der
206 Vgl. Cox: Civil-Military Relations in Sierra Leone, 1976, S. 214.
207 Vgl. Conteh-Morgan/Dixon-Fyle: Sierra Leone at the End of the Twentieth Century, 1999, S. 80.
208 Vgl. Hayward: State consolidation, fragmentation and decay, 1989, S. 167.
209 Vgl. Adebajo: Building Peace in West Africa, 2002, S. 81.
210 Vgl. Conteh-Morgan/Dixon-Fyle: Sierra Leone at the End of the Twentieth Century, 1999, S. 82.
211 Alie: Background to the Conflict, 2000, S. 34. Siehe dazu: Abdullah, Ibrahim: Bush Path to Destruction: The
Origin and Character of the Revolutionary United Front/Sierra Leone, in: The Journal of Modern African
Studies, vol. 36, no. 2/1998, S. 220.
212 Bereits 1987 kam es durch einzelne Offiziere zu einem Putschversuch gegen Momoh. Im Hintergrund hatte
jedoch Stevens alte APC-Garde die Fäden in der Hand. „The attempted coup of March 1987 was a result of
the resistance to Momoh’s efforts to eradicate corruption and marginalize the stalwarts of the informal
economy. It was no surprise that those implicated in the coup attempt were all of the inner core of the
Stevens regime (..).” Conteh-Morgan/Dixon-Fyle: Sierra Leone at the End of the Twentieth Century, 1999,
S. 82 f.
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