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Staatskonsolidierung vs. Staatszerfall. Eine vergleichende ...

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esonderen Rückhalt in ihrem ethnischen Klientel hatten. Während die ASP besonders viele<br />

Stimmen von der afrikanischen Bevölkerung gewinnen konnte, war die ZNP vor allem in<br />

arabischen Bevölkerungskreisen erfolgreich. 129 Das Resultat von insgesamt vier<br />

Wahlgängen war eine Pattsituation zwischen beiden Lagern. Obwohl die ASP mit einem<br />

Anteil von 54,2 % eine Stimmenmehrheit erreichen konnte, gelang es der ZNP, durch die<br />

Bildung einer Koalition mit der drittstärksten Partei – der Zanzibar and Pemba Peoples’ Party<br />

(ZPPP) 130 – die Mehrheit der Sitze zu erlangen und folglich die Regierung zu bilden. Dies<br />

führte zu Unmut auf Seiten der ASP-Anhänger, die sich zunehmend gewaltbereit gaben. 131<br />

Nachdem Zanzibar am 10. Dezember 1963 unabhängig wurde, kam es bereits im Januar<br />

1964 zu einer Revolution, die mindestens 4.000 Tote forderte und 15.000 Menschen zu<br />

Flüchtlingen machte. 132 Neuer Präsident Zanzibars wurde der ASP-Führer Abeid Karume.<br />

Wolfgang Fengler zufolge schufen die Auseinandersetzungen zwischen Zanzibaris und der<br />

britischen Kolonialmacht und die Polarisierung der Gesellschaft entlang der beiden<br />

politischen Lager, ASP und ZNP/ZPPP, die Basis dafür „(...) daß Gewalt als ein Weg der<br />

politischen Konfliktlösung akzeptiert wurde.“ 133<br />

Insgesamt betrachtet verlief der Dekolonisationsprozess Sierra Leones ähnlich friedlich wie<br />

der Tanganyikas. Die Briten zogen sich schrittweise zurück und einheimische Politiker übernahmen<br />

ihr Amt. 134 Zwar war es Mitte der 1950er Jahre zu gewaltsamen Ausschreitungen<br />

gekommen, 135 aufgrund ihrer sozioökonomischen Ausrichtung, standen diese jedoch in<br />

keinem direkten Zusammenhang mit den Verhandlungen zur Unabhängigkeit. 136 Den<br />

Grundstein für die spätere Unabhängigkeit Sierra Leones legte die 1951 verabschiedete<br />

Stevenson Constitution, die eine Umstrukturierung des Legislativrates zu Gunsten der<br />

Protektoratsmehrheit vorsah. Von den insgesamt vierzehn Abgeordneten sollten zehn die<br />

Bevölkerung des Protektorats repräsentieren, wobei kein Bildungsnachweis (Lese- und<br />

Schreibfähigkeit) erforderlich war. 137 Dies führte jedoch zu heftigen Protesten auf Seiten der<br />

Krio-Burgeoisie, die dadurch ihre historisch bedingte Stellung als politische Elite bedroht sah<br />

und deshalb die Verfassung kategorisch ablehnte. Unterstützung erhielt sie zunächst von der<br />

129<br />

Vgl. ebd., S. 29.<br />

130<br />

Die ZPPP spaltete sich 1959 von der ASP ab und entschied sich nach den Wahlen vom Juni 1961 und 1963<br />

für eine Koalition mit der ZNP. Vgl. ebd., S. 30.<br />

131<br />

Vgl. Fengler: Konfliktformationen und Zukunftsperspektiven der tanzanischen Union, 1997, S. 34.<br />

132<br />

Vgl. Duggan, William R./ John Civille: Tanzania and Nyerere. A study of Ujamaa and Nationhood, New York<br />

1976, S. 77.<br />

133<br />

Fengler: Konfliktformationen und Zukunftsperspektiven der tanzanischen Union, 1997, S. 36.<br />

134<br />

Vgl. Schicho: Westafrika und die Inseln im Atlantik, 2001, S. 256.<br />

135<br />

Lohnforderungen und die Ablehnung der staatlichen Schlichtungseinrichtungen führten im Februar 1955 zur<br />

Ausrufung eines Generalstreiks in Freetown. Als sich dieser zu einem Aufstand ausweitete, kam es drei Tage<br />

lang zu Plünderungen und Raubzügen, wobei auch die Privathäuser von drei SLPP-Ministern – Siaka<br />

Stevens, Albert Margai und M. S. Mustapha – nahezu vollständig verwüstet wurden. Von größerem Ausmaß<br />

waren dagegen die Ausschreitungen in den nördlichen und südlichen Provinzen des Protektorats, wo im<br />

November 1955 tausende Bauern auf die Straße gingen, um gegen die willkürlichen Steuererhebungen und<br />

Zwangsmaßnahmen der Chiefs zu rebellieren. Vgl. Alie: History of Sierra Leone, 1990, S. 212.<br />

136<br />

Vgl. Conteh-Morgan/Dixon-Fyle: Sierra Leone at the End of the Twentieth Century, 1999, S. 64.<br />

137<br />

Vgl. Alie: History of Sierra Leone, 1990, S. 208.<br />

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