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Staatskonsolidierung vs. Staatszerfall. Eine vergleichende ...

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stärksten Oppositionspartei zu werden. 143 Sierra Leone übernahm damit ein von<br />

Parteienkonkurrenz geprägtes Mehrparteiensystem, während es der TANU in Tanganyika<br />

bereits vor der Unabhängigkeit gelang, eine de-facto-Einparteienherrschaft zu etablieren.<br />

2.3. Gemeinsame und unterschiedliche Ausgangsbedingungen<br />

Im Hinblick auf die in Kapitel 3 durchgeführte Untersuchung der postkolonialen Staatbildungsprozesse<br />

soll nun – durch eine direkte Gegenüberstellung der gewonnenen Teilergebnisse<br />

– zusammengefasst werden, wie das Verhältnis zwischen den gemeinsamen und<br />

unterschiedlichen Ausgangsbedingungen gewichtet ist.<br />

Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit sind Tanzania und Sierra Leone zwar gleichermaßen<br />

durch eine multiethnische Bevölkerungsstruktur gekennzeichnet. Von größerer Bedeutung<br />

sind jedoch die Unterschiede hinsichtlich des ethnischen Konfliktpotentials, das sich zum<br />

einen aus dem Grad der Fragmentierung und zum anderen aus dem Kräfteverhältnis<br />

zwischen den einzelnen Gruppen ergibt. Während Tanzanias Bevölkerung so stark fragmentiert<br />

ist, dass keine Gruppe eine dominante Rolle einnehmen kann, gilt für Sierra Leone<br />

genau das Gegenteil: Durch die regionale Dominanz zweier, gleich starker Gruppen (Mende<br />

und Temne) ist das Kräfteverhältnis der ethnischen Gruppen deutlich unausgewogener und<br />

weist somit auf ein erhöhtes ethno-regionales Konfliktpotential hin. Ein zweiter, wichtiger<br />

Unterschied zwischen Tanzania und Sierra Leone besteht darin, dass Kiswahili in Tanzania,<br />

im Gegensatz zu Krio in Sierra Leone, vor allem wegen seiner stärkeren Verbreitung und<br />

höheren Integrationskraft, zur Herausbildung eines Nationalbewusstseins beigetragen hat.<br />

Religiöse Unterschiede spielen dagegen in beiden Fällen eine untergeordnete Rolle.<br />

Erwähnenswert sind hier lediglich die religiös-kulturellen Unterschiede zwischen dem<br />

mehrheitlich christlichen Tanganyika und dem nahezu ausschließlich muslimischen Zanzibar.<br />

Im Gegensatz zu den ethnisch-kulturellen Strukturfaktoren ist die übernommene Wirtschaftsstruktur<br />

in beiden Fällen nahezu identisch. Der jeweils hohe Anteil der Subsistenzwirtschaft<br />

und die äußerst schwache Ausprägung des industriellen Sektors machen deutlich, dass es<br />

weder in Tanzania noch in Sierra Leone zu einer umfangreichen Modernisierung bzw.<br />

Industrialisierung der Gesellschaft gekommen ist. <strong>Eine</strong> weitere Gemeinsamkeit besteht darin,<br />

dass die Wirtschaft beider Länder fast ausschließlich auf den Export weniger Rohstoffe aus-<br />

143 Vgl. Conteh-Morgan/Dixon-Fyle: Sierra Leone at the End of the Twentieth Century, 1999, S. 70 f. Weil Siaka<br />

Stevens zu diesem Zeitpunkt kein Mitglied des House of Representatives war und dementsprechend auch<br />

keine Aussichten auf einen Ministerposten in einer postkolonialen Regierung hatte, weigerte er sich, das in<br />

London ausgehandelte Abkommen zur Unabhängigkeit zu unterzeichnen. Um seiner Forderung nach<br />

erneuten Wahlen Ausdruck zu verleihen, gründete er das Election Before Independence Movement (EBIM),<br />

aus dem noch im gleichen Jahr die APC hervorging. Als Sprachrohr der Lohnarbeiter, der armen<br />

Landbevölkerung (insb. des Nordens), des Lumpenproletariats und der Bauern, die unter dem Joch der<br />

Chiefs litten, gelang es der APC schnell, eine breite Wählerschaft zu mobilisieren und damit zur führenden<br />

Oppositionspartei Sierra Leones zu werden. Vgl. Cartwright, John R.: Politics in Sierra Leone 1947-1967,<br />

Toronto 1970, S. 132, und: Kallon, Kelfala M: The Political Economy of Corruption in Sierra Leone, Lewiston<br />

u.a. 2004, S. 65.<br />

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