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panoptikum » Persönliche Paradigmen<br />
» Friedrich Stadler: Professor<br />
Peters, warum kommt jemand nach<br />
Österreich, wenn er schon an der<br />
Harvard Medical School ist?<br />
» Jan-michael peters: Weil mir das IMP damals<br />
ein sehr attraktives Angebot für eine<br />
Gruppenleiterstelle gemacht hat. Ich hatte<br />
auch ein Gegenangebot eines Max-Planck-<br />
Instituts in Deutschland, aber das IMP war<br />
beeindruckender, weil es eine ganze Reihe<br />
von Dingen angeboten hat, die in der Kombination<br />
doch nicht so häufig zu finden sind:<br />
erstens eine sehr gute finanzielle Ausstattung;<br />
zweitens ein hervorragendes Doktorandenprogramm<br />
hier am Vienna Biocenter<br />
Campus, welches allen Gruppen die Möglichkeit<br />
gibt, mit talentierten jungen Leuten zu<br />
arbeiten; drittens eine sehr gute Infrastruktur;<br />
und viertens – ein ganz wichtiger Punkt –<br />
eine unglaublich inspirierende<br />
intellektuelle Atmosphäre.<br />
» Stadler: Sie haben<br />
2011 den Wittgenstein-<br />
Preis für Ihre Forschung<br />
über die Chromosomenverteilung<br />
Der Zellbiologe und Wittgenstein-Preisträger 2011 Jan-Michael Peters im<br />
Gespräch mit dem Wissenschaftshistoriker und -theoretiker Friedrich Stadler:<br />
über das IMP und seine Forschung, ethische Grenzen und notwendige Kompromisse<br />
sowie den Stellenwert von Kreativität. Redaktion: Marc Seumenicht<br />
3,6 meter auf zehn<br />
tausendstel millimeter<br />
bei der Zellteilung bekommen. Können Sie<br />
kurz den Stand der Forschung erklären?<br />
» peters: Seit dem 19. Jahrhundert haben wir<br />
durch mikroskopische Beobachtungen eine<br />
relativ präzise Vorstellung, wie das Erbgut,<br />
verpackt in Chromosomen, bei der Zellteilung<br />
verteilt wird. Aber bis heute haben wir nur ein<br />
unvollständiges Bild davon, wie dieser Vorgang<br />
auf molekularer Ebene funktioniert. Da<br />
gibt es zwei Bereiche, die uns besonders interessieren:<br />
Der eine ist, wie das Erbgut in Form<br />
von DNA in Chromosomen verpackt ist, und<br />
der zweite, wie dieses Erbgut verdoppelt und<br />
dann bei der Bildung von zwei Tochterzellen<br />
so verteilt wird, dass beide Tochterzellen wirklich<br />
identische Chromosomensätze, oder heute<br />
würde man sagen, identische Genome erhalten.<br />
Wir besitzen seit über zehn Jahren die<br />
Technologie, um ein menschliches Genom<br />
fast vollständig und relativ rasch in seiner Sequenz,<br />
der DNA, zu bestimmen, und<br />
nichtsdes totrotz wissen wir fast überhaupt<br />
nichts darüber, wie diese DNA-Moleküle verpackt<br />
werden. Man muss sich vorstellen, dass<br />
das sehr lange Polymere aus DNA sind. Wir<br />
haben 46 Chromosomen, 23 von der Mutter,<br />
23 vom Vater. Wenn man die DNA-Moleküle,<br />
die sich in diesen Chromosomen befinden –<br />
pro Chromosom jeweils eins – in ausgestreckter<br />
Länge zusammenzählen würde, hätten<br />
sie eine Länge von 3,6 Metern. Und die<br />
werden verpackt in einem Zellkern, der nur<br />
einen Durchmesser von maximal zehn tausendstel<br />
Millimetern hat. Wie das organisiert<br />
ist, ist erstaunlich wenig verstanden.<br />
Das aufzuklären ist eines<br />
unserer Ziele.<br />
» Stadler: Welche Rolle spielen<br />
hier moderne Instrumente bei<br />
der Beobachtung? Kann man<br />
durch die verbesserte Technisierung weitere<br />
Sprünge in der Forschung erwarten?<br />
» peters: In jedem Fall. In der Biologie sind<br />
wir sehr stark durch Technologien limitiert,<br />
mit denen wir Dinge entweder im Mikroskop<br />
sehen oder durch chemische oder physikalische<br />
Methoden messen können. Als<br />
ich begonnen habe, Biologie zu studieren,<br />
war es undenkbar, dass man jemals ein Genom<br />
sequenzieren würde. Heute ist das für<br />
Studenten eine Routineangelegenheit.<br />
» Stadler: Haben Sie da schon konkrete<br />
Vorstellungen, wie es zu Fehlentwicklungen<br />
in Zellen kommt, die zu Erkrankungen wie<br />
Tumoren führen, oder Ansätze, die das Verständnis<br />
erweitern können?<br />
» peters: Unser Ansatz in meinem Forschungslabor<br />
ist, zunächst die gesunde Zelle<br />
zu untersuchen. Die Idee dabei ist simpel:<br />
Wir müssen erst verstehen, wie komplizierte<br />
Vorgänge funktionieren, bevor wir verstehen<br />
können, was von diesen Vorgängen unter<br />
bestimmten Voraussetzungen falsch<br />
funktioniert und zu Krankheiten führen<br />
kann. Wo genau sich bei diesen Grundlagenforschungsarbeiten<br />
dann Einblicke in<br />
die Entstehung von Krankheiten eröffnen,<br />
ist nicht immer ganz einfach vorherzusagen.<br />
Sie können aber in Einzelfällen in der<br />
Tat zu Erkenntnissen führen, die uns helfen<br />
zu erklären, wie Dinge in krankhaften Situationen<br />
nicht funktionieren.<br />
» Stadler: Ist die Zielsetzung immer grundlagenforschungsorientiert<br />
oder haben Sie<br />
im Hinterkopf die konkrete Anwendung?<br />
» peters: Alles, was wir tun, ist getrieben<br />
von der Neugier. Die meisten Forschungs-<br />
© shutterstock, fwf/marc seumenicht