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Rassismus Report 2004 - Zara

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<strong>Rassismus</strong> <strong>Report</strong> <strong>2004</strong> <strong>Rassismus</strong> & Wirtschaft Seite 51<br />

Gewinn oder Diskriminierung<br />

Tests zeigen immer wieder, dass bei der Entscheidung über Anstellungen ebenso diskriminiert wird wie beim Verkauf.<br />

Sicher wird auch bei Beförderung und Entlohnung diskriminiert, aber das lässt sich praktisch nicht testen und nur mit<br />

sehr viel Wenn und Aber aus den verfügbaren Daten errechnen. UnternehmerInnen – oder auch ihre Angestellten –<br />

suchen sich sehr gerne die Kundschaft aus. Sie betreiben das Geschäft – auch die Vermietung – wie einen Klub. Nicht<br />

jede oder jeder ist willkommen, sondern das Geschäft wird zu einer Art Reservat für ausgesuchte Kundschaft oder<br />

auch für ausgesuchte Belegschaft. Wir kennen das alle – wie schief man angesehen wird, wenn man in die „falsche“<br />

Gastwirtschaft geht, oder wie sich ein Verkäufer zum Wächter aufrichtet, wenn man das „falsche“ Geschäft betritt,<br />

wie indigniert VermieterInnen reagieren, wenn man glaubt, man gehöre jetzt schon zu ihrer Kategorie MieterInnen.<br />

Und wir empfinden das in allen Fällen als erniedrigend und als beleidigend.<br />

Die Menschheit als Kunde<br />

Diese Abschottung zum Klub, zur Kaste, dieses Einigeln kann man sicher erklären – bis zu einem gewissem Grad vielleicht<br />

sogar ökonomisch. Tatsache ist aber, dass es ein Phänomen vor allem der kleinen und mittleren Unternehmen<br />

ist. Die großen, besonders die international tätigen Firmen, tun es weniger. Sie haben zumeist von Anfang an ganz<br />

bewusst die ganze Menschheit als potenzielle KundInnen und alle als potenzielle MitarbeiterInnen gesehen. Den<br />

Ehrgeiz, groß zu werden, haben die meisten UnternehmerInnen aber gar nicht. Ihnen geht es um das komfortable<br />

Überleben, darum, alles selbst bestimmen zu können, oder auch darum, in einer ganz bestimmten Gemeinschaft eine<br />

Führungsposition einzunehmen. Infolgedessen können sie sich Ausschließung zum Teil leisten und sie gehört teilweise<br />

zum Geschäftsmodell. Das kann sehr lange gut gehen. So beschäftigte ein Verlag in Schottland einen jungen Mann<br />

nach der Probezeit nicht weiter. Im von ihm angestrengten Antidiskriminierungsverfahren stellte sich heraus, dass<br />

nicht sein portugiesischer Name und seine indische Herkunft die Ursache waren, sondern der Umstand, dass er katholisch<br />

war. Der Verlag hatte seit seiner Gründung im 18. Jahrhundert prinzipiell nie Katholiken beschäftigt. Umgekehrt<br />

gab es vor zehn Jahren, als die ILO (International Labour Office, eine UN-Unterorganisation) in den Niederlanden ihre<br />

ersten Diskriminierungstests am Arbeitsmarkt durchführte, den Fall eines jungen Testers marokkanischer Herkunft,<br />

den fast alle beschäftigen wollten, obwohl sie ansonsten stark gegen junge Männer marokkanischer Herkunft diskriminierten.<br />

Warum wollten alle genau den? „Er war so nett“.<br />

„Wunsch der Kunden“<br />

Tatsache ist, dass Diskriminierung bei der Anstellung weit verbreitet ist. Die Tests der ILO (www.ilo.org/migrant) zeigen<br />

regelmäßig, dass von zwei ansonsten gleichen BewerberInnen der/diejenige mit dem Akzent oder dem „ausländischen“<br />

Namen sich mindestens dreimal so oft bewerben muss, um eine Chance zu erhalten. Die Ablehnung geschieht<br />

auch nicht nach eingehendem Studium der KandidatInnen, sondern in der Mehrheit der Fälle binnen Sekunden beim<br />

ersten telefonischen Kontakt. Dabei handelt es sich stets um Anlerntätigkeiten, manche mit Kundenkontakt, manche<br />

ohne.<br />

Oft heißt es, die Firma diskriminiere nicht von sich aus, sondern auf Wunsch der KundInnen. Das kommt sicherlich<br />

vor. Reinigungsfirmen haben damit zu kämpfen, dass manche KundInnen für das Putzpersonal eine bestimmte<br />

Hautfarbe oder eine bestimmte Herkunft wünschen. Spätestens seit Inkrafttreten der Antidiskriminierungsrichtlinien<br />

der EU ist das illegal. Illegitim war es auch vorher schon. Ebenso ergeht es selbstverständlich Arbeitsvermittlern,<br />

wie dem AMS, und Personal-Leasing-Firmen. Unplausibel ist der vorgebliche Kundenwunsch ganz besonders auch<br />

dann, wenn es um Laufkundschaft geht. Denn die Geschäftsleitung weiß fast nichts über diese KundInnen. Ihr<br />

Versuch zu vorauseilendem Gehorsam sagt nichts über die KundInnen, aber einiges über die Geschäftsleitung aus.<br />

Arbeitsvermittler und Putzfirmen tun sich schwer, Kundenwünschen nicht zu entsprechen. Umgekehrt tun sie<br />

sich aber auch schwer damit, ihre diskriminierenden Praktiken in der Öffentlichkeit verteidigen zu müssen. In den<br />

Niederlanden, zum Beispiel, hat es sehr geholfen, ihr Verhalten anonym zu testen und weitere Tests anzukündigen.<br />

Mangelnde Anpassung von Seiten der Unternehmen<br />

Das Problem ist oft, dass Firmen versuchen, weiter zu machen wie bisher, obwohl sich das Umfeld geändert hat.<br />

Wenn, wie in vielen Geschäftsstraßen großer Städte in den letzten 40 oder 50 Jahren geschehen, die umliegenden<br />

Wohnungen mehr und mehr von MigrantInnen bezogen werden, dann geht den Geschäften die bisherige Kundschaft<br />

verloren. Sie ist weggezogen oder gestorben. Die GeschäftsinhaberInnen sind aber selten unternehmerisch genug,<br />

um die Zeichen der Zeit zu erkennen und zu ihrem Nutzen zu deuten. Statt Personal aus der neuen Bevölkerung zu<br />

rekrutieren, das ihnen die neuen EinwohnerInnen als KundInnen in das Geschäft bringt, tun sie weiter als ob nichts<br />

gewesen wäre, bis sie pleite sind und durch neue GeschäftsinhaberInnen ersetzt werden, die dann normalerweise<br />

selbst Einwanderer sind. (Diesen ergeht es ein paar Jahrzehnte später vielleicht wieder genauso.)

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