Wohnen im Alter - GIT Verlag
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16 medAmbiente 2 · 2009<br />
Wohnkonzepte<br />
Die 5. Generation<br />
Wohnkonzepte <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />
Allen Anbietern und Gestaltern von Wohnkonzepten <strong>im</strong> <strong>Alter</strong> muss klar sein,<br />
dass „alt sein“ nicht gleichbedeutend mit „krank sein“ ist – und dass die<br />
Senioren von heute zunehmend aktiv an der Gestaltung ihrer letzten<br />
Lebensphase beteiligt sind. Bei der Entwicklung von Wohnkonzepten für ältere<br />
Menschen muss berücksichtigt werden, dass ihre Bedürfnisse sich <strong>im</strong><br />
Wesentlichen nicht von den Bedürfnissen andere Bevölkerungsgruppen<br />
unterscheiden. Wie sich das <strong>Wohnen</strong> <strong>im</strong> <strong>Alter</strong> derzeit verändert, erläutern die<br />
am Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Medizinischen Fakultät<br />
an der Universität Halle-Wittenberg tätigen Pflegewissenschaftler Gudrun<br />
Roling und Alexander Bauer.<br />
Die meisten älteren Menschen wollen so lange<br />
wie möglich in ihre eigenen Häuslichkeit wohnen<br />
und wünschen sich, auch <strong>im</strong> Falle eines<br />
zunehmenden Hilfe und Pflegebedarfs ein<br />
weitgehend „normales“ Leben zu führen.<br />
Wohnkonzepte sollten daher folgende Parameter<br />
berücksichtigen: Es bedarf eines eigenen<br />
Wohnbereichs sowie Strukturen, die eine<br />
selbstbest<strong>im</strong>mte Lebensweise unterstützen und<br />
das Bedürfnisse nach Int<strong>im</strong>ität und zwischenmenschlichen,<br />
sozialen Kontakten berücksichtigen.<br />
Eine altengerechte Bauweise darf nicht<br />
isolieren, sondern sollte durch bauliche und<br />
gestalterische Maßnahmen zu ihrer sozialen<br />
Integration und Partizipation beitragen.<br />
Die vier Generationen des Pflegehe<strong>im</strong>baus<br />
Der Blick auf das Modell der vier Generationen<br />
des Altenpfleghe<strong>im</strong>baus (nach BMG und Kuratorium<br />
Deutsche <strong>Alter</strong>shilfe) verdeutlicht den<br />
Paradigmenwandel in der stationären Pflege<br />
und Versorgung alter Menschen und somit<br />
auch in den Wohnkonzepten, die ihm zugrunde<br />
liegen.<br />
In der 1. Generation des Pflegehe<strong>im</strong>baus bis<br />
Anfang der 60er Jahre wurden Pflegebedürftige<br />
als Insassen gesehen, sie wurden „verwahrt“. In<br />
den 60er und 70er Jahren (2. Generation des<br />
Pflegehe<strong>im</strong>baus) wurden Pflegebedürftige als<br />
Patienten behandelt, was dazu führte, dass<br />
man Pflegehe<strong>im</strong>e nach dem Vorbild des Krankenhausbetriebs<br />
baute und führte. Die 3. Generation<br />
des Pflegehe<strong>im</strong>baus entstand in den<br />
1980er und 90er Jahren: Damals nahm man<br />
sich Wohnhe<strong>im</strong>e oder Wohnhäuser zum Vor<br />
bild und zielte darauf ab, pflegebedürftige Bewohner<br />
zu aktivieren.<br />
Vor ca. zehn Jahren entwickelte sich die 3. Generation<br />
zur 4. Generation des Pflegehe<strong>im</strong>baus<br />
weiter: Alte Menschen sollten in den He<strong>im</strong>en<br />
Geborgenheit und Normalität wie in der Familie<br />
erleben. Aktuelle Entwicklungen führen<br />
weg von stationären Versorgungsstrukturen<br />
hin zum Ausbau ambulanter Wohnkonzepte.<br />
Hier stehen insbesondere die Anpassung der<br />
häuslichen Umgebung an den zunehmenden<br />
Unterstützungs und Pflegebedarf sowie die<br />
Teilnahme am öffentlichen Leben <strong>im</strong> Vordergrund.<br />
Auch Pflegehe<strong>im</strong>e öffnen sich zunehmend,<br />
sodass ein Zusammenleben mit anderen<br />
Bevölkerungsgruppen und die Teilnahme am<br />
öffentlichen Leben gefördert wird.<br />
Ambient Assisted Living<br />
<strong>Alter</strong>sgerechtes <strong>Wohnen</strong> der 5. Generation bedeutet<br />
zwingend „Anforderungsgerechtigkeit“.<br />
Das heißt, dass die Konzepte flexibel an die<br />
sich verändernden Bedarfe älterer Bewohner<br />
angepasst werden können. Dazu gehört auch,<br />
dass krankheitsbedingte Krisen oft nur temporär<br />
die Selbstständigkeit verhindern.<br />
Für ein anforderungsgerechtes <strong>Wohnen</strong> fehlen<br />
geeignete Schnittstellen, die einen bedarfsgerechten<br />
Übergang zwischen Selbstständigkeit<br />
und institutioneller Unterbringung ermöglichen.<br />
Das Potential solch flexibler Modelle<br />
scheint hoch. Einerseits wird der Großteil der<br />
älteren Bevölkerung auch zukünftig in Privathaushalten<br />
leben, während kollektive Wohnformen<br />
eine Nische bleiben. Dies wird beson<br />
Die Pflege- und Gesundheitswissenschaftler<br />
Gudrun Roling und Alexander Bauer<br />
ders die Regionen Deutschlands betreffen, in<br />
denen lokale Anbieterstrukturen professioneller<br />
Dienstleister wenig entwickelt sind.<br />
Andererseits steht das Gesundheitssystem unter<br />
einem enormen Kostendruck, der innovative<br />
und bedarfsgerechtere Versorgungsformen<br />
außerhalb der stationären Einrichtungen geradezu<br />
erzwingt. Um die Sicherheit in der Gesundheitsversorgung<br />
älterer Menschen zu gewährleisten,<br />
erfolgt noch <strong>im</strong>mer in vielen<br />
Fällen eine stationäre Unterbringung, aus der<br />
selten ein Wechsel in das selbstständige <strong>Wohnen</strong><br />
zurück möglich ist. Dies geschieht zum<br />
Teil auch dann, wenn bspw. körperliche Einschränkungen<br />
nur vorübergehend vorliegen<br />
und später eine eigenständige Lebensführung<br />
wieder möglich wäre.