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Das Liebig-Laboratorium Lehramt AC1 neu

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6 Bleiche, Desinfektion, oxidativer Stress: starke Oxidationsmittel<br />

Unser Leben in einer Sauerstoffatmosphäre hat ihren Preis: wir sind reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) ausgesetzt, die bei<br />

•−<br />

Stoffwechselvorgängen entstehen können. Zu ihnen gehören sowohl freie Radikale (das Hyperoxid-Radikal-Anion, O , das Hydroxyl-<br />

2<br />

Radikal, HO • , und das Hydroperoxid-Radikal, HOO • ), als auch nichtradikalische reaktive Stoffe wie Wasserstoffperoxid, H 2 O 2 , Ozon, O 3 ,<br />

oder Singulett-Sauerstoff. Aufgrund ihrer Schädlichkeit für den Organismus werden Sie durch Enzyme entgiftet, die gegen diesen<br />

„oxidativen Stress“ gerichtet sind – ein Stoff wie H 2 O 2 wird aber auch gezielt durch Organismen synthetisiert und eingesetzt. Ein<br />

Beispiel ist die H 2 O 2 -Produktion durch holzabbauende Pilze. In gleicher Weise stellen diese Sauerstoffspezies aufgrund ihrer<br />

Reaktivität auch wichtige Reaktionspartner in der technischen und synthetischen Chemie dar. Ein wichtiger Zweig der technischen<br />

Chemie befasst sich mit der Produktion von Bleich- und Waschmitteln, in denen vor allem Peroxide und Chlor-freisetzende<br />

Verbindungen Verwendung finden.<br />

Die O-O-Gruppierung („Peroxo“-Gruppe) kommt in vielen starken Oxidationsmitteln vor. Ein Beispiel für ein geläufiges starkes<br />

−<br />

Oxidationsmittel, das keine Peroxo-Verbindung darstellt, ist das Permanganat-Ion, MnO . Sie werden sich vor allem mit der Chemie<br />

4<br />

des Wasserstoffperoxids und in geringerem Maße mit der des Permanganats auseinandersetzen. Es sollen dabei die folgenden Fragen<br />

untersucht werden: Worauf beruht die hohe Reaktivität? Wie sieht die Redoxchemie von Wasserstoffperoxid aus? Welche qualitativen<br />

und quantitativen Methoden gibt es, Wasserstoffperoxid nachzuweisen? Welche Bedeutung besitzt Permanganat in der quantitativen<br />

analytischen Chemie?<br />

6.1 Wissenswertes vorab<br />

Redox-Reaktionen, die Übertragung von Elektronen, sind in der Technik und in der Natur von zentraler Bedeutung. Die Energiegewinnung in der<br />

Atmungskette beruht zum Beispiel auf einer kaskadenartig abgestuften Reihe unterschiedlicher Redoxsysteme. Dabei kann es zu einer<br />

Fehlleitung von Elektronen kommen. So kann beim Kontakt von Sauerstoff mit 1-Elektronen-Reduktionsmitteln wie NADH oder Ferredoxinen<br />

•−<br />

das Hyperoxid-Radikal O entstehen. Hyperoxid (in der Biochemie meist „Superoxid“ genannt) ist eine reaktive Sauerstoff-Spezies, die<br />

2<br />

zellschädigende Eigenschaften besitzt. Die Zelle besitzt daher Enzyme, die Superoxiddismutasen, die das Hyperoxid-Radikal-Anion zu<br />

Wasserstoffperoxid (H O ) und Sauerstoff umwandeln. <strong>Das</strong> durch Superoxiddismutasen oder durch 2-Elektronen-Reduktionsmittel wie FADH<br />

2 2 2<br />

erzeugte Wasserstoffperoxid ist ebenfalls zelltoxisch und wird daher durch weitere Enzyme, die Katalasen, in die untoxischen Produkte<br />

Sauerstoff und Wasser disproportioniert. Als Beispiel wird Ihnen die Häm-Katalase begegnen, deren aktives Zentrum dem<br />

sauerstofftransportierenden Häm-Zentrum im Hämoglobin vom Aufbau her ähnlich ist, aber ein Eisen(III)-Zentralatom in einem Porphyrin-<br />

Ringsystem aufweist. Die H O -Disproportionierung erfordert einen 2-Elektronen-Redoxprozess. Dabei wird die Eisen(III)-Ruheform des<br />

2 2<br />

Enzyms um zwei Elektronen oxidiert. Die entstehende Verbindung kehrt anschließend wieder in die Ruheform zurück (Katalysatoren gehen<br />

unverändert aus der Reaktion hervor).<br />

Wasserstoffperoxid kann über katalytisch wirksame Eisen(II)-Ionen in einer als Fenton-Reaktion bezeichneten Redoxreaktion organische<br />

Substrate oxidieren. Wasserstoffperoxid wird dabei von Eisen(II) zu Hydroxid und dem stark zelltoxischen Hydroxyl-Radikal reduziert.<br />

Fe 2+ + H 2 O 2 → Fe 3+ (OH − ) + HO •<br />

Auch andere Metallionen wie Mn 2+ können über eine Fenton-analoge Reaktion reaktive Sauerstoffspezies erzeugen. Sie werden sich daher mit<br />

der Redoxchemie von Eisen und Mangan beschäftigen.<br />

Wasserstoffperoxid ist eine schwache Säure und bildet zwei Reihen von Salzen, die Hydroperoxide und die Peroxide. Die in reiner Form blaue<br />

Flüssigkeit kommt als 30%ige wässrige Lösung in den Handel („Perhydrol“). Wasserstoffperoxid zersetzt sich unter Wärme- und Lichteinwirkung<br />

sowie in Gegenwart katalytischer Mengen an Schwermetallen und Alkalien. Der dabei zunächst in statu nascendi (in der Entstehung) befindliche<br />

Sauerstoff ist besonders reaktiv und hat daher eine hohe Bleich- und Desinfektionswirkung. In den Handel kommt Perhydrol deshalb mit<br />

Stabilisatoren wie Phosphorsäure.<br />

Wasserstoffperoxid stellt für aerobe Organismen nicht nur ein Zellgift dar. So wird es zum Beispiel kurz nach der Befruchtung von der Eizelle<br />

gebildet. Durch Aushärtung der Eiweiße in der Eizellenhülle wird das Eindringen weiterer Spermien verhindert. Auch Pflanzen nutzen<br />

Wasserstoffperoxid. Weißfäulepilze bauen den Holzbestandteil Lignin (ein vernetztes Polyphenol) mit Hilfe von Wasserstoffperoxid ab, um an ihr<br />

eigentliches Substrat, Cellulose und Hemicellulose, zu gelangen. <strong>Das</strong> Holz wird dabei weiß und fasrig (daher „Weißfäule“). <strong>Das</strong><br />

Wasserstoffperoxid wird hierbei von einer Manganperoxidase zu Wasser reduziert, wobei Mn II zu Mn III oxidiert wird. Letzteres wird chelatisiert,

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