FreeLounge, Ausgabe 4/2010 - Freizeit und Spiel
FreeLounge, Ausgabe 4/2010 - Freizeit und Spiel
FreeLounge, Ausgabe 4/2010 - Freizeit und Spiel
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<strong>Ausgabe</strong><br />
4/<strong>2010</strong><br />
7,50 Euro<br />
Platz nehmen<br />
in der Stadt
Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser,<br />
bei unserer Arbeit haben wir so oft interessante neue Ideen entdeckt,<br />
dass wir uns einmal intensiv damit beschäftigen wollten, wie man heute<br />
in einer Stadt Platz nimmt.<br />
Platz nehmen werden immer mehr ältere Menschen. Viel diskutiert wird<br />
aktuell die Frage, wie Städte aussehen sollen, wenn r<strong>und</strong> ein Drittel ihrer<br />
Bewohner älter sind als 65 Jahre. Wir haben uns umgeschaut <strong>und</strong> mit<br />
Experten über anstehende Veränderungen gesprochen. Muss man bei<br />
der Stadtmöblierung umdenken? Woran können sich Kommunen bei der<br />
Planung orientieren? Gibt es überzeugende Best-Practice-Beispiele?<br />
Erfreulich, doch in der Konsequenz für viele Politiker überraschend,<br />
ist der Wunsch nach mehr Bürger-Beteiligung. Der öffentliche Raum<br />
gewinnt an Bedeutung, deshalb wollen die Menschen in ihrer Stadt auch<br />
gefragt werden <strong>und</strong> mitreden. Immer mehr rückt dabei E-Participation<br />
in den Fokus. Zeit einmal zu schauen, welche Erfahrungen man mit der<br />
Kommunikation via Internet bis jetzt gemacht hat. Doch nicht nur das.<br />
Die intensive Beteiligung von Kindern <strong>und</strong> insbesondere auch Jugendlichen<br />
erweist sich als ein sehr erfolgreiches Kosten-Nutzen orientiertes<br />
Verfahren. Hier haben wir einiges zu berichten.<br />
Auch die Kunst erobert Räume in der Stadt. Ausstellungen <strong>und</strong> sogar<br />
Opern verlassen die heiligen Hallen <strong>und</strong> erstrecken sich mehr <strong>und</strong> mehr<br />
auf den öffentlichen Raum. Wir stellen Ihnen tolle Projekte vor.<br />
Wenn Sie Platz nehmen <strong>und</strong> diese <strong>Ausgabe</strong> lesen, dann ist das Jahr fast<br />
vorbei. Wir freuen uns schon jetzt darauf, Sie auch in 2011 mit Balance<br />
zwischen Theorie <strong>und</strong> Praxis über zeitgemäße Freiraumgestaltung zu<br />
informieren.<br />
Die ganze Redaktion dankt für sehr viel positives Echo <strong>und</strong> wünscht<br />
Ihnen schöne Weihnachten <strong>und</strong> einen guten Start ins neue Jahr.<br />
Dr. Anke Münster<br />
Chefredaktion <strong>FreeLounge</strong><br />
Inhalt | 3
4 | Inhalt<br />
Inhalt<br />
TOP-THEMA<br />
6 Altengerecht oder lebenswert für alle?<br />
12 NRW plant die altengerechte Stadt<br />
Interview mit Barbara Steffens,<br />
Ministerin für Ges<strong>und</strong>heit, Emanzipation,<br />
Pfl ege <strong>und</strong> Alter in NRW<br />
14 Freiraum für Jugendliche<br />
Autor: Stephan Willinger<br />
REPORT<br />
16 Dynamik + Wandel: Stadtsilhouetten<br />
Autor: Ursula Kleefi sch-Jobst<br />
22 Neue kreative Orte in der Stadt<br />
Urban Intervention Award <strong>2010</strong><br />
25 Schippen, Pumpen, Mitreden<br />
Sportliche Freiraumentwicklung in Berlin<br />
Autor: Tore Dobberstein<br />
28 „Die Zeit der aufwendigen Suche ist bald<br />
vorbei“<br />
Interview mit Birgit Findeli,<br />
scapescout GmbH<br />
30 Bewegung im öffentlichen Raum<br />
Autor: Mathias Knigge<br />
32 Möblierung öffentlicher Stadträume<br />
1. Teil des Dossiers von Thomas Volprecht<br />
GESELLSCHAFT<br />
38 Online-Bürgerbeteiligung:<br />
Im Netz gefragt<br />
43 Child in the City <strong>2010</strong><br />
Autor: Holger Hofmann, DKHW<br />
45 Smart Green – Sportentwicklung <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
1. Teil der Serie von Prof. Dr. Alfred Rütten<br />
<strong>und</strong> Jana Ziemainz<br />
48 Erfolgreiche Zwischennutzung<br />
von Freiräumen<br />
Autor: Ruth Esther Gilmore<br />
MARKTMONITOR<br />
52 Marktmonitor – Highlights<br />
55 Italienisches Design aus Österreich<br />
BEST PRACTICE<br />
60 Plätze <strong>und</strong> Straßen im Umfeld<br />
UN-Campus/WCCB Bonn<br />
62 KONZEPT-PAUSE der Arnoldus<br />
Gr<strong>und</strong>schule Gilching<br />
64 Sieg-Carée, Siegen
SPIELRAUM<br />
66 Kinderfre<strong>und</strong>liche Stadtgestaltung<br />
70 Wiesbaden macht Zukunft<br />
72 Exportschlager <strong>Spiel</strong>platz<br />
KUNST IN DER STADT<br />
76 Platz nehmen<br />
79 Puccini mit Ghettoblaster<br />
82 Eindrücke vom Weißen Weg<br />
84 „Immis“ aus Klettband, Holz <strong>und</strong> Stoff<br />
85 (re)designing nature<br />
86 Entdecke Deine Stadt<br />
VERBAND/TAGUNGEN<br />
88 Geglückter Start<br />
91 <strong>Spiel</strong>en verbindet –<br />
über Grenzen hinweg!<br />
Autor: Andreas Kupfer<br />
MATERIALKUNDE<br />
93 Mehr Farben <strong>und</strong> Formen<br />
Autor: Klaus Kaiser<br />
96 Perfekte Fahrradparker<br />
oder ein schönes Stadtbild?<br />
Autor: Hartwig Hammerschmidt<br />
99 Unbehindert mobil – Barrierefreiheit im<br />
öffentlichen Raum<br />
Autor: Bernhard Kohaupt<br />
ADVERTORIAL<br />
102 Firma Ziegler – <strong>Spiel</strong>plätze von A bis Z<br />
104 Tivoli<br />
109 Termine<br />
Impressum<br />
110 Entdeckt!<br />
Inhalt | 5
6 | Top Thema
Altengerecht oder<br />
lebenswert für alle?<br />
Künftig wird die Zahl der alten Jungen, jungen Alten <strong>und</strong> Hochbetagten<br />
in allen Städten <strong>und</strong> Gemeinden steigen. Das bedeutet Veränderung,<br />
denn die Kommunen müssen zu den Menschen passen,<br />
die dort leben. Welche Ideen gibt es? Was passiert ganz konkret?<br />
Und sind Wörter wie „seniorenfre<strong>und</strong>lich“ <strong>und</strong> „altengerecht“ die<br />
richtigen Prädikate für die Veränderungen in den Städten?<br />
In den kommenden Jahrzehnten werden sich<br />
immer mehr ältere Menschen in den Städten<br />
<strong>und</strong> Gemeinden ihren Platz nehmen. Das<br />
wird stärker auffallen, wenn die Babyboomer<br />
bald das Rentenalter erreichen. 2025 wird im<br />
Schnitt in Deutschland ein Viertel aller Bürger<br />
65 Jahre oder älter sein. Es gibt schon heute<br />
Gemeinden, die deutlich über dieser Prozentzahl<br />
liegen. Im kleinen Rahmen lässt sich also<br />
aktuell empirisch erforschen, wie sich Städte<br />
<strong>und</strong> Gemeinden verändern müssen, um für ihre<br />
Bürger attraktiv zu sein oder zu bleiben. Das ist<br />
eine Chance, die noch viel zu selten genutzt<br />
wird.<br />
Wer ist alt?<br />
In vielen Fällen wird noch immer sehr wenig<br />
differenziert von der Gruppe der älteren Menschen<br />
gesprochen. Die Ansprüche an den vierten<br />
Lebensabschnitt verändern sich aber in einem<br />
extremen Tempo. Der vorzeitige Ruhestand<br />
wird quasi nahtlos von der Erkenntnis abgelöst,<br />
dass in vielen Bereichen auf das berufl iche<br />
Know-how älterer Menschen nicht mehr verzichtet<br />
werden kann. Die Bertelsmann Stiftung<br />
hat zuletzt darauf hingewiesen, dass in fünfzehn<br />
Jahren die Zahl der Arbeitnehmer unter<br />
45 deutschlandweit um knapp fünf Millionen<br />
sinken wird. In verschiedenen Regionen werden<br />
jüngere Arbeitnehmer zur Mangelware. Das<br />
spätere Rentenalter wird damit nicht nur wich-<br />
tig, um die Rentenkassen zu schonen, sondern<br />
vielleicht sogar um den Wirtschaftsstandort<br />
zu sichern. Das muss sich in vielen Köpfen erst<br />
noch durchsetzen. Aber auch bei den Menschen<br />
selbst verändert sich die Sicht auf das eigene<br />
Alter. „When I’m sixty-four“ würden die Beatles<br />
heute ganz sicher nicht mehr so schreiben. Alt<br />
wird man später. Und auf dem Sofa sitzt diese<br />
Generation längst nicht mehr, wie zum Beispiel<br />
auch die Bilder von den Demonstrationen um<br />
Stuttgart 21 deutlich gezeigt haben. Es gibt<br />
eine große Gruppe von aktiven älteren Menschen,<br />
aber zudem - aufgr<strong>und</strong> der längeren Lebensdauer<br />
- auch eine ebenso steigende Anzahl<br />
von Hochbetagten, die durch Krankheit nicht<br />
mehr uneingeschränkt am Leben im öffentlichen<br />
Raum teilnehmen können. Die Wünsche<br />
<strong>und</strong> Anforderungen an die Städte sind deshalb<br />
sehr heterogen.<br />
Anforderungen an den<br />
öffentlichen Raum<br />
Liest man die Empfehlungen der WHO für „Age<br />
Friendly Cities“ so fällt auf, dass die Vorgaben<br />
den Außenraum betreffend jeder Stadt enorm<br />
gut täten <strong>und</strong> alle Bürger begeistern würden.<br />
Nur ganz wenige Punkte haben überwiegend<br />
mit dem Älterwerden zu tun. Von der Sicherheit<br />
über eine ausreichende Anzahl von Parks <strong>und</strong><br />
Grünfl ächen mit Sitzmöglichkeiten bis hin zu<br />
einer guten Beschilderung: Das sind Forderun-<br />
Top Thema | 7
Wann ist eine Bank bequem? Und welche Anforderungen stellen ältere Menschen? Das war das<br />
Thema eines Workshops, den die Firmengruppe Nusser mit der Deutschen Seniorenliga <strong>und</strong> dem<br />
Zentrum für Alternskulturen veranstaltet hat.<br />
Gut beurteilt wurde zum Beispiel die Bank „Rothenburg“ :<br />
8 | Top Thema<br />
Armlehnen hohe, steile<br />
Rückenlehne<br />
nach hinten geneigte<br />
Sitzfl äche<br />
gen, die Menschen in jedem Alter an ihre Stadt<br />
stellen. Wenn hier Schritt für Schritt Verbesserungen<br />
erreicht werden, dann werden die Städte<br />
<strong>und</strong> Kommunen vor allem eins: lebenswerter<br />
<strong>und</strong> nicht in erster Linie altengerecht.<br />
Veränderungen bei der<br />
Stadtmöblierung?<br />
Auf Messen wie der GalaBau zeigt sich, dass<br />
sich die Hersteller von Stadtmöblierung viele<br />
Gedanken darüber machen, wie auf den demografi<br />
schen Wandel reagiert werden muss.<br />
Ein Beispiel ist die Frage nach geeigneten Sitzmöbeln.<br />
Die Firmengruppe Nusser hat als Hersteller<br />
von Sitzbänken <strong>und</strong> Stadtmöblierung in<br />
diesem Jahr einen Workshop veranstaltet, um<br />
die Anforderungen an eine „ideale Parkbank“ zu<br />
präzisieren. Fachlich unterstützt <strong>und</strong> moderiert<br />
wurde der Workshop durch die gemeinnützige<br />
Deutsche Seniorenliga mit dem Zentrum für<br />
Alternskulturen der Universität Bonn. Dabei<br />
wurden Gruppendiskussionen <strong>und</strong> Produkttests<br />
anhand diverser Bankmodelle durchgeführt.<br />
Dr. Uwe Kleinemas vom Zentrum für<br />
Alternskulturen fasst das Ergebnis zusammen:<br />
„Natürlich muss eine Sitzbank bestimmte ergonomische<br />
Anforderungen erfüllen. Aber eine<br />
ebenso wichtige Rolle spielen der Standort <strong>und</strong><br />
die Möglichkeit, dort mit anderen Menschen zu<br />
kommunizieren. Ältere Menschen möchten am<br />
gemeinschaftlichen Leben teilhaben <strong>und</strong> auch<br />
hinsichtlich öffentlich angebotener Bänke sozusagen<br />
mitten im Leben sitzen.“ Ablehnung bestand<br />
gegenüber Begriffen wie „Seniorenbank“.<br />
Vielmehr war die Sicht der Tester, dass eine<br />
Parkbank nicht nur speziell für Senioren, sondern<br />
für Menschen jeden Alters ergonomische<br />
Ansprüche erfüllen sollte. Für den Sitzkomfort<br />
werden Armlehnen <strong>und</strong> eine hohe, eher steile<br />
Rückenlehne mit einer leicht nach hinten geneigten,<br />
etwas höheren Sitzfl äche gewünscht,<br />
auf der man sich bequem zurücklehnen kann.<br />
Sitzmöbel im Loungestil oder puristische Bänke,<br />
die von Landschaftsarchitekten gerne gewählt<br />
werden <strong>und</strong> die Plätzen <strong>und</strong> Parks ein modernes<br />
Profi l geben, erfüllen diese Anforderungen<br />
oft nicht. Es wird eine Aufgabe sein, diesen<br />
Spagat zwischen Design <strong>und</strong> Funktionalität zu<br />
meistern. Dass bei dem Workshop in Bonn aber<br />
auch sehr oft die Standorte bemängelt wurden,<br />
macht deutlich, dass viel zu selten die tatsächlichen<br />
Nutzer befragt <strong>und</strong> berücksichtigt werden.<br />
Neben der ergonomischen Qualität kommt<br />
es also darauf an, im Dialog mit den Bürgern<br />
zu planen. Sitzmöbel sind natürlich nur einer
von verschiedenen Bereichen, auf die der Fokus<br />
gerichtet ist. Hinzu kommen alle Arten von<br />
Beschilderungen <strong>und</strong> Stadtplan-Anlagen sowie<br />
<strong>Freizeit</strong>angebote, aber auch Toiletten. Bei den<br />
Kommunen müsste damit begonnen werden,<br />
über Standards für Städte nachzudenken, doch<br />
ist man davon - nicht zuletzt durch fi nanzielle<br />
Zwänge - oft noch weit entfernt.<br />
Hoher Handlungsdruck:<br />
Barrierefreie Kommunen<br />
Das gilt auch für die Frage nach einer barrierefreien<br />
Stadtgestaltung. Hier geht es mit Nachdruck<br />
um die Interessen älterer Menschen, um<br />
die Möglichkeit, auch mit Einschränkung der<br />
Mobilität weiter am öffentlichen Leben teilzunehmen.<br />
Durch den vorhergesagten Anstieg des<br />
Bevölkerungsanteils an Hochbetagten stehen<br />
die Städte <strong>und</strong> Gemeinden in einer besonderen<br />
Verantwortung. Doch ist der Nutzen nicht allein<br />
auf die Gruppe älterer Menschen beschränkt.<br />
Der Stadt- <strong>und</strong> Regionalplaner Thomas Hafner<br />
weist auf eine Prognose der EU-Kommission<br />
hin, nach der 2040 fast 40 Prozent der Menschen<br />
mobilitätseingeschränkt sind. „Dazu<br />
werden auch die Menschen gezählt, die temporär<br />
in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, wie<br />
Schwangere, Kranke, Übergewichtige, Fahrradfahrer,<br />
Reisende mit viel Gepäck oder Erwachsene<br />
in Begleitung von Kleinkindern“, erläutert<br />
Thomas Hafner den überraschend hohen Prozentsatz.<br />
Insbesondere in historischen Stadtkernen besteht<br />
oft noch ein hoher Handlungsbedarf bei<br />
der barrierefreien Gestaltung von Städten,<br />
obwohl gr<strong>und</strong>sätzlich seit den 1970er Jahren<br />
zunehmend auf die entscheidenden Punkte<br />
wie abgesenkte Bordsteine, Rampen oder auch<br />
In Warburg wird im kommenden Jahr der historische Stadtkern barrierefrei umgebaut.<br />
Umgesetzt wird der Entwurf von Lohaus Carl Landschaftsarchitektur.<br />
Top Thema | 9
Arnsberg ist das „Best Practice“ für ein Miteinander der verschiedenen Generationen.<br />
Neue Parks gehören ebenso zum Konzept wie ein starkes bürgerschaftliches Engagement.<br />
Links<br />
» www.sociopolis.de<br />
» www.who.int/ageing/en/<br />
» www.gartenbank.de<br />
» www.bertelsmann-stiftung.de<br />
» www.arnsberg.de<br />
10 | Top Thema<br />
taktile Streifen an Fußgängerüberwegen geachtet<br />
wird. Oft sind es Pfl astersteine, die<br />
bestimmte Teile der Stadt für Menschen mit<br />
Mobilitätseinschränkung unpassierbar machen.<br />
Weil der Kostaufwand sehr hoch ist <strong>und</strong> Vorgaben<br />
von Seiten der Denkmalpfl ege bestehen,<br />
können die Umgestaltungen nicht so schnell<br />
erfolgen, wie es zu wünschen wäre. Die Stadt<br />
Warburg hat im November ein Modellvorhaben<br />
„Barrierefreier historischer Stadtkern“ auf<br />
den Weg gebracht. 10 Millionen Euro sind notwendig,<br />
um die Veränderungen durchzuführen.<br />
70 Prozent der Summe übernimmt das Land<br />
Nordrhein-Westfalen. In Görlitz, einer Stadt, in<br />
der schon heute der Anteil von Menschen über<br />
60 Jahren bei mehr als 30 Prozent liegt, wurden<br />
nicht nur Ziele der Denkmalpfl ege <strong>und</strong> des<br />
barrierefreien Bauens vorbildlich realisiert. Parallel<br />
wurde eine Datenbank angelegt, die über<br />
die Barrierefreiheit ausgewählter Gebäude <strong>und</strong><br />
des öffentlichen Raums informiert. Das Modellprojekt<br />
wurde von dem Büro Sociopolis <strong>und</strong><br />
der Technischen Universität Dresden begleitet.<br />
Auch für barrierefreien Tourismus, eine zusätzlich<br />
wichtige Ausrichtung für entsprechend<br />
gestaltete Städte <strong>und</strong> Gemeinden, ist dies eine<br />
zukunftsweisende Idee.<br />
Die Frage nach „Inhalt“ <strong>und</strong> „Etikett“<br />
Zum Älterwerden müsste man nach Arnsberg<br />
ziehen. In keiner anderen deutschen Stadt hat<br />
man so früh angefangen, an Konzepten zu arbeiten<br />
<strong>und</strong> Lösungen für eine Zukunft zu suchen,<br />
in der die Bevölkerungszahl schrumpfen<br />
<strong>und</strong> das Durchschnittsalter steigen wird. Mehrfach<br />
wurde Arnsberg dafür ausgezeichnet. Im<br />
November erst erfolgte die Ernennung zur „Seniorenfre<strong>und</strong>lichsten<br />
Stadt“ durch die Stiftung<br />
„Lebendige Stadt“. Eine Fachjury unter Vorsitz<br />
des Düsseldorfer Architekten Hermann Henkel<br />
wählte das Arnsberger Konzept aus insgesamt<br />
239 eingereichten Bewerbungen aus dem In-<br />
<strong>und</strong> Ausland aus. Schaut man aber auf die Website<br />
der Stadt, dann fi ndet man dort den Claim<br />
„Bildungsstadt Arnsberg“. Ein Widerspruch? Nur<br />
auf den ersten Blick. Das Engagement für ältere<br />
Menschen hat - wie schon gesagt - in der Regel<br />
als Ergebnis auch mehr Lebensqualität für alle<br />
anderen Gruppen. Bei einer Reduzierung auf<br />
das Thema altengerechte Stadt würde dieser<br />
Nutzen nicht kommuniziert. Das gilt insbesondere<br />
für den öffentlichen Raum, aber auch für<br />
andere Bausteine vom Wohnen bis hin zu sozialen<br />
Angeboten wie bürgerschaftliches Engagement.<br />
Und außerdem: Werbung kann man mit
dem Angebot für eine einzelne Bevölkerungsgruppe<br />
nicht machen, denn das grenzt im Umkehrschluss<br />
andere Menschen aus. In Arnsberg<br />
hat man es geschafft, ein Konzept tatsächlich<br />
zu leben <strong>und</strong> nicht nur als Leitbild auf geduldigem<br />
Papier festzuhalten. Die Idee der Bildungsstadt<br />
betrifft dabei in ganz verschiedener Hinsicht<br />
die Gruppe der älteren Menschen: Nicht<br />
nur, dass es eine Seniorenakademie gibt, ältere<br />
Menschen bringen auch ihre Erfahrung ein <strong>und</strong><br />
helfen den Jungen, zum Beispiel wenn es darum<br />
geht, Kinder in ihrer Schullaufbahn zu unterstützen.<br />
Hier hilft Bildung allen Beteiligten.<br />
Der Bürgermeister von Arnsberg, Hans-Josef<br />
Vogel, hat es so formuliert: „Die aktiven Alten,<br />
sie bauen mit an den Städten des langen <strong>und</strong><br />
guten Lebens“. Zu dem Gesamtkonzept gehört<br />
es, im möglichen Rahmen auch die Freiräume<br />
so zu gestalten, dass die Anforderungen älterer<br />
Menschen erfüllt werden. Sei es mit eigentlich<br />
kleinen Aktionen, dass Stadtmöblierung durch<br />
Probesitzen vorab auf die Tauglichkeit getestet<br />
wird. Oder mit dem Bau eines neuen Parks mit<br />
Gradierwerk, Finnbahn <strong>und</strong> einem ausgewogenen<br />
Verhältnis zwischen Ruhe- <strong>und</strong> Aktionsbereichen.<br />
Wie ältere Menschen in Kommunen „Platz nehmen“<br />
können, wird in den nächsten Jahren zu<br />
einer zentralen Frage werden. Ideen <strong>und</strong> Projekte,<br />
die das ermöglichen, werden zum Erfolgsfaktor<br />
dafür, ob die Städte <strong>und</strong> Gemeinden<br />
ihre wichtige Funktion als belebte Orte für ein<br />
gemeinsames <strong>und</strong> lebenswertes Miteinander<br />
erfüllen können.<br />
Dr. Anke Münster<br />
Mehr Dorf für weniger Menschen<br />
Während in den größeren Städten künftig mehr ältere Menschen auch mehr<br />
Angebote im öffentlichen Raum erwarten, stehen viele Dörfer vor ganz anderen<br />
Problemen: Es gibt in manchen Regionen Gemeinden, in denen mehr als<br />
20 Prozent der Gebäude nicht mehr genutzt werden. Das Thema wurde aktuell<br />
auf einer Tagung in Siegen erörtert, zu der die Universität Siegen <strong>und</strong> die Südwestfalen<br />
Agentur im Vorfeld der Regionale 2013 eingeladen hatten. Auf der<br />
Konferenz „Leerstände im Dorf“ berieten Experten zusammen mit Bürgerinnen<br />
<strong>und</strong> Bürgern über neue Ideen für alte Häuser <strong>und</strong> die Zukunft der Dörfer in<br />
Südwestfalen.<br />
Ein Ziel der Konferenz bestand darin, überhaupt ein Bewusstsein für dieses<br />
Thema zu schaffen, da Leerstände zum Beispiel von Politikern nicht gerne<br />
angesprochen werden. Darauf wies Armin König hin, der als Bürgermeister der<br />
Gemeinde in Illingen im Saarland weiß, wovon er spricht. In seiner Gemeinde<br />
kämpft er zusammen mit den Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürgern seit einigen Jahren<br />
gegen Leerstände – mit Erfolg. „Mehr Dorf für weniger Menschen“: mit dieser<br />
Devise konnte die Zahl der leer stehenden Gebäude in den vergangenen<br />
Jahren immerhin von 105 auf 28 verringert werden – vor allem durch konsequente<br />
Umnutzung <strong>und</strong> Abrisse. Neubaufl ächen werden in Illingen auch nur<br />
noch in Sonderfällen genehmigt. „Dort, wo Innenstädte ausbluten, müsste die<br />
Ausweisung von Neubaugebieten eigentlich verboten werden“, sagte König.<br />
Für Matthias Günther vom Eduard-Pestel-Institut Hannover wird zudem das<br />
Thema Gebäude-Abrisse in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen.<br />
„Derzeit reißen wir eindeutig zu wenig Häuser ab“, sagte Günther. Wenn mehr<br />
abgerissen wird, kommt es natürlich auf eine tragfähige Gesamtstrategie der<br />
kommunalen Flächennutzung an.<br />
Zahlreiche Lösungsmöglichkeiten <strong>und</strong> Ideen für die Leerstands-Problematik<br />
wurden auf der Siegener Konferenz vorgestellt: Prämien-Modelle für den<br />
Kauf alter Häuser oder für deren Abriss, Kunst <strong>und</strong> Kultur als Möglichkeit der<br />
Zwischennutzung, Gemeinschaftskäufe durch Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger. Ganz<br />
gleich wie man das Problem jedoch angehe, entscheidend sei die Einbeziehung<br />
der Dorfgemeinschaften, erklärte Dr. Stephanie Arens von der Südwestfalen<br />
Agentur. „Nur mit ihrer Hilfe können Probleme gelöst werden. Wenn Bürgerinnen<br />
<strong>und</strong> Bürger sich für ihren Ort einsetzen, wird das Dorf attraktiv <strong>und</strong><br />
lebenswert – sowohl für junge <strong>und</strong> alte Bewohner als auch für Menschen von<br />
außerhalb“.<br />
Im Zuge der REGIONALE 2013 soll im kommenden Jahr mit einer Leerstands-<br />
Offensive begonnen werden. Projekte wie „10x LandLeben Heimat“, „Mobil4you“<br />
oder „Meine Heimat 2020“ zielen unter anderem darauf ab, die Rahmenbedingungen<br />
in Dörfern, wie beispielsweise die Nahversorgung oder den<br />
Öffentlichen Personennahverkehr zu verbessern <strong>und</strong> ein gemeinschaftliches<br />
Vorgehen der Dörfer in Südwestfalen zu unterstützen.<br />
Top Thema | 11
NRW plant die<br />
altengerechte Stadt<br />
Barabara Steffens<br />
Ministerin für Ges<strong>und</strong>heit,<br />
Emanzipation, Pfl ege <strong>und</strong> Alter<br />
in Nordrhein-Westfahlen<br />
12 | Top Thema<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Frau Steffens, was ist der Kern Ihrer<br />
Initiative für eine altengerechte Stadt? Was<br />
ist daran neu?<br />
Barbara Steffens: Wir stellen die Menschen<br />
in ihrer gewohnten Lebensumgebung in den<br />
Mittelpunkt. Wir alle wollen doch möglichst in<br />
der eigenen Wohnung alt werden. Wir wollen<br />
nicht in stationäre Pfl egeeinrichtungen, wenn<br />
es sich vermeiden lässt. Um dieses Ziel zu erreichen,<br />
müssen die Voraussetzungen dafür im<br />
Quartier geschaffen werden. Es beginnt bei so<br />
scheinbaren Kleinigkeiten, wie längere Grünphasen<br />
für Fußgänger <strong>und</strong> langsamer schließenden<br />
Aufzugtüren <strong>und</strong> geht hin zur einer<br />
guten medizinischen Versorgung, um vereinfachte<br />
Möglichkeiten beim Einkaufen oder Unterstützungsangebote<br />
<strong>und</strong> Hilfestrukturen im<br />
Alltag. Das alles muss vorhanden sein. Alten<br />
Menschen müssen sich Möglichkeiten eröffnen,<br />
in ihren Quartieren an kulturellen Angeboten<br />
teil zu haben. Das bedeutet nicht, dass jeder<br />
Stadtteil über ein eigenes Theater verfügen<br />
sollte. Erforderlich ist eben ein Mobilitätsangebot,<br />
als Ergänzung zum Kulturangebot. Das<br />
können Fahr- oder Begleitdienste sein. Was<br />
ebenfalls unbedingt nötig ist, sind niedrigschwellige<br />
Angebote, wie Begegnungsräume.<br />
Auch wenn immer mehr Menschen<br />
im Alter fi t sind, lässt sich nicht<br />
verleugnen, dass sie andere Bedürfnisse<br />
haben, um ihr längeres<br />
Leben möglichst selbstständig zu<br />
gestalten <strong>und</strong> die Alltagsanforderungen<br />
zu meistern. Die Regierung<br />
in Nordrhein-Westfalen hat im September<br />
mit einer breiten Offensive<br />
damit begonnen, Anregungen für<br />
eine verbesserte Lebensqualität von<br />
Senioren in ihren Wohnvierteln zu<br />
geben. <strong>FreeLounge</strong> sprach mit Ges<strong>und</strong>heitsministerin<br />
Barbara Steffens<br />
über das Thema.<br />
Nur so lässt sich dem Phänomen der Altersisolation<br />
entgegentreten. Was nützt es, wenn<br />
ich in der eigenen Wohnung sitze, aber über<br />
Wochen hinweg niemand da ist, mit dem ich<br />
kommunizieren könnte. Es geht darum, wie die<br />
Kommunen solche Begegnungsräume anbieten<br />
können, die nicht wie Cafés oder Restaurants<br />
an die Finanzkraft der Einzelnen geb<strong>und</strong>en sind.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Sie sprechen gerade die Finanzkraft<br />
an. Da könnte bei der einen oder anderen<br />
Kommune auch der Gedanke auftauchen: Das<br />
ist alles ganz schön, was die Ministerin plant<br />
<strong>und</strong> anregt, aber wir müssen es dann bezahlen.<br />
Wie wollen Sie die Kommunen in einer Zeit<br />
knapper Finanzen motivieren?<br />
Barbara Steffens: Das alles geht nur gemeinsam.<br />
Zunächst gibt es natürlich viele Dinge, die<br />
gar keine großen Kosten verursachen, sondern<br />
wo nur ein Umdenken notwendig ist. Ich möchte<br />
den Kommunen Beispiele <strong>und</strong> Modelle an<br />
die Hand geben, die wir bereits haben. Wege<br />
aufzeigen, wie man zum einen für die Menschen<br />
eine lebenswertere Stadt gestalten kann<br />
<strong>und</strong> wie man zum anderen Kosten sparen kann.<br />
Die Zunahme der Pfl egekosten im Alter ist eine<br />
große fi nanzielle Belastung für die Kommu-
nen. Wenn ich eine Quartiersstruktur habe, in<br />
der ich die Unterbringung in einer stationären<br />
Pfl egeeinrichtung längere Zeit noch vermeiden<br />
kann, dann spare ich als Kommune Kosten.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Das ist ein guter Gesichtspunkt.<br />
Der demografi sche Wandel wird ja schon seit<br />
vielen Jahren thematisiert. Vielfach hatte man<br />
jedoch eher den Eindruck, dass das etwas für<br />
die Statistiker ist. Da haben wir die Zahlen <strong>und</strong><br />
damit etwas zum Abheften. Ihr Ansatz erfordert<br />
da ein generelles Umdenken.<br />
Barbara Steffens: Was auf uns zukommt, ist<br />
keine Frage der reinen Statistik. Die Zahlen<br />
spiegeln ja nur die Entwicklung dessen wider,<br />
was die Lebensrealität ist. In meiner Heimatstadt<br />
Mülheim an der Ruhr ist der Anteil der<br />
Menschen mit Rollator im Straßenbild mindestens<br />
so hoch wie der der Menschen mit Kinderwagen.<br />
Das ist Lebensrealität. Und darauf<br />
müssen sich die Städte einstellen.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Reicht die neue Quartiersplanung<br />
denn dafür aus?<br />
Barbara Steffens: Alleine sicher nicht, viel<br />
mehr muss man in der gesamten kommunalen<br />
Struktur umdenken. Beispielsweise müssen<br />
Sportvereine umdenken, die heute stark auf<br />
junge Menschen zielen. Der Landessportb<strong>und</strong><br />
macht das bereits in hohem Maße. Jetzt sind die<br />
Vereine vor Ort gefragt. Wir brauchen mehr Angebote<br />
für die Zielgruppe Ü60. Sportangebote,<br />
die von dieser Gruppe genutzt werden können,<br />
verhindern Stürze oder andere Mobilitätseinschränkungen<br />
im Alter oder zögern sie lange<br />
hinaus. Auch hier sind die Kommunen gefragt,<br />
sich gemeinsam mit den Vereinen aufzustellen<br />
<strong>und</strong> mit Angeboten in die Alteneinrichtungen<br />
oder in die Begegnungsstätten hineinzugehen.<br />
Da muss man nicht die Sporthalle im Quartier<br />
haben. Es reicht auch der Aufenthaltsraum im<br />
Gemeindehaus oder der Veranstaltungsraum,<br />
der in der stationären Alteneinrichtung vorhanden<br />
ist.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Darüber hinaus wird es für die<br />
Zukunft wohl sicher so sein, dass man bei Neubaugebieten<br />
nicht nur Attraktivität für junge<br />
Familien schafft, sondern eben auch für Ältere.<br />
Barbara Steffens: Natürlich ist es wichtig für<br />
Kommunen, attraktiv für junge Familien zu sein.<br />
Auch hier ist ein Umdenken gefragt. Viele der<br />
neu entstehenden Quartiere sind nicht unbedingt<br />
barrierefrei. Das stört nicht, so lange man<br />
jung <strong>und</strong> beweglich ist. Aber auch diese jungen<br />
Menschen werden einmal älter. Das Nachrüsten<br />
<strong>und</strong> Umbauen ist deutlich teurer als ein barrierefreies<br />
Denken, Planen <strong>und</strong> Bauen von Anfang<br />
an. Das ist kostengünstiger <strong>und</strong> nachhaltiger.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Brauchen wir für das Umdenken<br />
<strong>und</strong> das neue Handeln auch neue Modelle, an<br />
denen wir die Wirksamkeit erproben können?<br />
Barbara Steffens: Weitere Modelle müssen<br />
nicht entwickelt werden. Man kann die Modelle<br />
<strong>und</strong> Erfahrungen, die wir in NRW haben, zusammentragen<br />
<strong>und</strong> nutzen. Diese Erfahrungen<br />
wurden oft in Projekten zwischen Alt <strong>und</strong> Jung<br />
gemacht. Wir müssen konkrete Handlungsempfehlungen<br />
geben <strong>und</strong> dann schauen, an<br />
welchen Stellen es hapert. Dort wollen wir den<br />
Kommunen Unterstützung durch Rahmenkonzeptionen<br />
geben. Wir wollen alle in den Stadtteilen<br />
mitnehmen <strong>und</strong> niemanden ausgrenzen.<br />
Die besten Expertinnen <strong>und</strong> Experten für das,<br />
was Menschen brauchen, um in ihrem eigenen<br />
Wohnumfeld auch mit Einschränkungen leben<br />
können, sind die Menschen, die da leben. Die<br />
müssen wir einbeziehen. So etwas kann man<br />
nicht vom Reißbrett aus verordnen. Und auch<br />
dieser Entwicklungsprozess ist wieder etwas,<br />
was für die Menschen Partizipation <strong>und</strong> Kommunikation<br />
bedeutet <strong>und</strong> was ja auch an sich<br />
wieder Nachbarschafts- <strong>und</strong> Quartierstrukturen<br />
schafft. So kommen wir voran mit der<br />
altengerechten Stadt.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Frau Steffens, vielen Dank für das<br />
Gespräch.<br />
Das Interview führte Ludwig Keißner<br />
Top Thema | 13
14 | Top Thema<br />
Freiraum für Jugendliche!<br />
Von der Beteiligung zum Selbermachen<br />
Stephan Willinger<br />
Stadtforscher im B<strong>und</strong>esinstitut<br />
für Bau-, Stadt- <strong>und</strong><br />
Raumforschung, beschäftigt<br />
sich mit innovativen Formen<br />
der Stadtentwicklung. Jugendprojekte<br />
sind für ihn besonders<br />
spannend, weil „am Umgang<br />
mit ihnen viele Denk- <strong>und</strong><br />
Arbeitsweisen unseres Planungsalltags<br />
deutlich werden<br />
– <strong>und</strong> im Erfolgsfall haben alle<br />
Beteiligten ein Strahlen im<br />
Gesicht …“.<br />
Bei der Planung familienfre<strong>und</strong>licher Städte<br />
werden heute möglichst viele soziale Gruppen<br />
berücksichtigt, vom Kleinkind bis zum 70-jährigen.<br />
Doch eine Gruppe entzieht sich konsequent<br />
allen Bemühungen der Stadtplaner: die<br />
Jugendlichen. Dabei ist keine andere Gruppe im<br />
städtischen Alltag so präsent: als Hauptnutzer<br />
des öffentlichen Raums beleben sie Zentrum<br />
<strong>und</strong> Quartiere durch auffälliges Verhalten,<br />
sportliche Aktivitäten <strong>und</strong> Musikkonsum.<br />
Doch in den Augen anderer Generationen <strong>und</strong><br />
in lokalen stadtpolitischen Diskursen werden<br />
sie schnell zu Störern abqualifi ziert, die das<br />
harmonische Bild <strong>und</strong> die Verhaltensroutinen<br />
des „Normalen“ irritieren. Auch die Stadt- <strong>und</strong><br />
Freiraumplanung sieht Jugendliche bislang<br />
mehr als Problemfall denn als Chance. Nur selten<br />
werden angemessene Beteiligungsformen<br />
gewählt. Und dies nicht nur weil Jugendliche<br />
schwer zu erreichen sind – mindestens genauso<br />
entscheidend ist, dass sie Raum anders nutzen<br />
als Er-wachsene: wilder <strong>und</strong> unberechenbarer,<br />
schneller <strong>und</strong> lauter, zur Begegnung <strong>und</strong><br />
als Rückzugsort. Im Unterschied zu Kindern,<br />
die sich auf abgrenzbaren Flächen noch kontrollieren<br />
lassen, ist ihr Aktionsraum die ganze<br />
Stadt. Dieser umfassende Anspruch ist es auch,<br />
der Konfl ikte heraufbeschwört. Es ist also nicht<br />
ganz einfach, Städte <strong>und</strong> Freiräume mit Jugendlichen<br />
zu gestalten.<br />
Chancen für Innenstädte,<br />
für Stadtumbau <strong>und</strong> Soziale Stadt<br />
Um jugendliche Aktivitäten nachhaltig in die<br />
Prozesse der Stadt- <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
einzubeziehen, wurde im Sommer 2009 das<br />
Forschungsfeld „Jugendliche im Stadt-quartier“<br />
im Rahmen des Experimentellen Wohnungs-<br />
<strong>und</strong> Städtebaus des B<strong>und</strong>es entwickelt. R<strong>und</strong><br />
40 Modellvorhaben im ganzen B<strong>und</strong>esgebiet<br />
haben seitdem verschiedene Aspekte der Mitwirkung<br />
Jugendlicher erprobt. Es ging darum,<br />
wie Jugendliche Anforderungen an ihre Stadtquartiere<br />
formulieren <strong>und</strong> aktiv an der Gestaltung<br />
ihres Stadtteils oder ihrer Stadt mitwirken<br />
können. Das Spektrum reichte von konkreten<br />
Maßnahmen über quartiersbezogene Projekte<br />
bis zu gesamtstädtischen Strategien. So betrachtet<br />
geht die Beteiligung Jugendlicher an<br />
Stadtentwicklung weit über die engen Beteiligungsformate<br />
für Bauleitplanung hinaus. Sie<br />
umfasst alle Formen des Mit-Denkens, Mit-Planens,<br />
Mit-Entscheidens <strong>und</strong> Mit-Machens von<br />
Stadt in Strategien <strong>und</strong> Projekten.<br />
Orte mit Bedeutung entwickeln<br />
Besonders erfolgreich ist die Mitwirkung Jugendlicher<br />
an der Gestaltung konkreter Orte.<br />
Dies zeigt etwa die zwischen Autobahnen <strong>und</strong><br />
Schienen gelegene U-Bahn-Haltestelle Eichbaum<br />
in Mülheim. Bislang sind Jugendliche die
Einzigen, die sich mit diesem Ort identifi zieren.<br />
Ihre Nutzung (Rumhängen, Sprayen) verschärft<br />
jedoch die Problematik des Ortes zusätzlich.<br />
Ziel des Projektes war es nun, gemeinsam mit<br />
den Jugendlichen vor Ort eine neue Vision für<br />
den Eichbaum zu erarbeiten. Dies geschah<br />
durch vielfältiges Ausprobieren, bei dem der<br />
verlassene Ort nach <strong>und</strong> nach wieder positiv ins<br />
Bewusstsein der gesamten Bevölkerung rückte.<br />
In Workshops entstand ein Jugend-Kiosk, im<br />
Sommer wurde der Ort als Open-Air-Kino, für<br />
Public Viewing <strong>und</strong> Parties genutzt, im Herbst<br />
wurde schließlich auf dem Bahnsteig eine<br />
große Box-Meisterschaft durchgeführt. Diese<br />
Umdeutung des Ortes eröffnet nicht nur für<br />
Jugendliche neue Möglichkeiten, sondern erzeugt<br />
neue Chancen für die Stadtgesellschaft<br />
insgesamt. Ein anderes Beispiel zeigt, dass es<br />
bei Stadtentwicklung mit Jugendlichen nicht<br />
immer um große Visionen gehen muss. So gelang<br />
es in einer Frankfurter U-Bahn-Haltestelle<br />
bereits durch ein Gespräch der Jugendlichen<br />
mit den Verkehrsbetrieben, das Eis zu brechen:<br />
eine Nutzungsvereinbarung <strong>und</strong> ein paar Meter<br />
Klebeband am Boden ermöglichen jetzt die regelmäßige<br />
Nutzung als Tanzbühne <strong>und</strong> machen<br />
die trostlose Haltstelle zu einem Kulturort. Zwei<br />
verschiedene Städte, zwei unterschiedliche<br />
Methoden, die aber beide zeigen, wie fruchtbar<br />
ein offenes Zugehen auf Jugendliche für Stadtentwicklung<br />
sein kann.<br />
Stadt selber machen:<br />
Jugendliches Engagement<br />
Auch zur Belebung von Innenstädten können<br />
Jugendliche viel beitragen: Plätze <strong>und</strong> Fußgängerzonen<br />
dienen ihnen zu Bewegung <strong>und</strong><br />
Sport, als Bühne ihrer Selbstdarstellung, vor<br />
allem aber als Treffpunkt. In einem Projekt in<br />
der nordhessischen Kleinstadt Spangenberg<br />
haben Jugendliche umfassende Ideen zur Umgestaltung<br />
der historischen Innenstadt entwickelt.<br />
Auf einem Jugendaktionstag im Rahmen<br />
der 700-Jahr-Feier der Stadt wurden dann die<br />
Freiraumpotenziale der Innenstadt identifi ziert.<br />
Doch es blieb nicht nur bei der Analyse: Leerstehende<br />
Flächen <strong>und</strong> Gebäude wurden einen<br />
Tag lang „probegenutzt“, ein ehemaliges Hotel<br />
wurde zum Kino. Und blieb es auch über den<br />
Tag hinaus: als von Jugendlichen getragenes<br />
Kulturzentrum ist es zu einer festen Einrichtung<br />
geworden.<br />
Am attraktivsten ist Mitwirkung für Jugendliche,<br />
wenn sie die unmittelbare <strong>und</strong> selbstorganisierte<br />
Umsetzung von Ideen <strong>und</strong> Nutzungen<br />
Eine U-Bahn-Haltestelle in Frankfurt am Main wird nur durch ein Gespräch mit den<br />
Verkehrsbetrieben <strong>und</strong> ein paar Meter Klebeband ganz legal zum Dancefl oor.<br />
Interventionen im Stadtraum waren das Ergebnis des Projektes "Downtown-Camping" in Dessau.<br />
„Es braucht Lotsen in der Verwaltung, die die Projektideen<br />
der Jugendlichen durch den Verwaltungsdschungel bringen<br />
<strong>und</strong> die Machbarkeit ermöglichen.“<br />
Jürgen Zimborski, Abteilungsleiter Soziale Lebenswelten, Stadt Ostfi ldern<br />
Links<br />
» Die Eichbaumboxer-Hymne<br />
auf youtube<br />
» Der Stadtsafari-Song auf<br />
prinzessinnengarten.net<br />
» www.jugendliche.stadtquartiere.de<br />
Top Thema | 15
Im Leipziger Bildhauerviertel haben Jugendliche Brachfl ächen <strong>und</strong> leerstehende Häuser umgestaltet.<br />
Bei der Stadtsafari 2.0 in Berlin Kreuzberg entwickelten Jugendliche Ideen<br />
für eine bessere Gestaltung ihrer Orte.<br />
16 | Top Thema<br />
„Wenn das die Jugend von heute ist, dann habe ich<br />
keine Angst um die Stadt von morgen!“<br />
Jan Abt, Jugend-Architektur-Stadt<br />
beinhaltet. Für die Umsetzung solcher kreativen<br />
Ideen brauchen Jugendliche nur wenige Mittel,<br />
diese aber sofort. Deshalb wurde im Rahmen<br />
des Forschungsfeldes unter dem Titel „Jugend<br />
macht Stadt“ das Modell eines Jugend-Aktionsfonds<br />
entwickelt, unter dessen Dach mittlerweile<br />
mehr als 100 Mikroprojekte möglich<br />
wurden. Jugendliche erhalten so die Verfügung<br />
über eigene Finanzmittel <strong>und</strong> können vielfältige<br />
Maßnahmen wie neue Gärten, Chillbereiche<br />
<strong>und</strong> BMX-Anlagen direkt umsetzen. Dabei zeigt<br />
sich, dass Jugendliche in hohem Maße bereit<br />
sind, Verantwortung für ihre Projektideen <strong>und</strong><br />
für die Stadt zu übernehmen. Oft wachsen sie<br />
über die ihnen zugetrauten Leistungen hinaus.<br />
Mit Projekten wie diesen verschiebt sich das<br />
planerische Selbstverständnis. Zielt herkömmliche<br />
Stadtplanung nach wie vor auf die Festschreibung<br />
eines fi nalen Entwicklungsstadiums,<br />
so ist für eine prozessorientierte Planung<br />
die aktive Gestaltung der Entwicklung selbst<br />
die zentrale Aufgabe. Die Projekte zeigen exemplarisch,<br />
welch vielseitige Möglichkeiten <strong>und</strong><br />
Lösungsansätze entstehen, wenn Stadtplanung<br />
(<strong>und</strong> Stadtgesellschaft) sich in solcher Weise<br />
öffnet <strong>und</strong> Jugendmitwirkung als Bereicherung<br />
<strong>und</strong> nicht als Bedrohung sieht.<br />
Stephan Willinger<br />
Die Publikation „Jugend macht Stadt“ kann<br />
bestellt werden bei stadtquartiere@bbr.b<strong>und</strong>.de.<br />
Weitere Informationen unter www.jugendliche.<br />
stadtquartiere.de
„Meine Botschaft ist: lasst uns einfach machen.“<br />
Lara, 13 Jahre, Mellowpark Berlin<br />
Zehn Schritte zu einer jugendorientierten Stadtplanung<br />
1. Sehen Sie Jugendliche als besonders engagierte Akteure der<br />
Stadtgesellschaft an. Begreifen Sie jugendliches Handeln in<br />
der Stadt als sinnvoll <strong>und</strong> produktiv.<br />
2. Akzeptieren Sie dieses Handeln als Mitwirkung an der Stadtentwicklung.<br />
Die Beteiligung Jugendlicher an Planungsverfahren<br />
ist nur ein Teilaspekt.<br />
3. Gehen Sie offen auf Jugendliche zu <strong>und</strong> zeigen ihnen Ihr<br />
Interesse <strong>und</strong> Ihren Respekt. Fragen Sie nach, warum sie<br />
bestimmte Räume nutzen <strong>und</strong> andere meiden.<br />
4. Gewöhnen Sie sich an den Gedanken, dass Stadt- <strong>und</strong> Freiraumplanung<br />
nicht nur in Jahrzehnten denken sollte – auch<br />
temporäre Nutzungen können Sie bei Ihren Zielen voranbringen.<br />
5. Unterstützen Sie jugendliche Raumaneignung in Ihrer täglichen<br />
Arbeit. Denken Sie nicht zuerst an Verbote, sondern an<br />
Chancen.<br />
6. Überlegen Sie nicht zu lange, ob Bewegung <strong>und</strong> Musik im<br />
öffentlichen Raum wirklich stören. Nutzen Sie jugendliche<br />
Aktivitäten lieber zur Belebung von Straßen, Plätzen, Brachfl<br />
ächen <strong>und</strong> Bildungsräumen.<br />
7. Tragen Sie zur Entschärfung von Konfl ikten bei, indem Sie<br />
Gespräche zwischen Jugendlichen <strong>und</strong> kritischen Institutionen<br />
vermitteln.<br />
8. Nehmen Sie selbst Jugendprojekte als Anlass, mit anderen<br />
Akteuren in Kontakt zu treten. Dies wird auch Ihren Alltag<br />
bereichern.<br />
9. Übertragen Sie Jugendlichen Verantwortung: für die Gestaltung<br />
ihrer Orte, für selbstorganisierte Events, für die tägliche<br />
Pfl ege <strong>und</strong> Unterhaltung. Ja, Jugendliche können sogar mit<br />
Geld umgehen!<br />
10. Seien Sie stolz auf die junge Generation <strong>und</strong> genießen Sie<br />
das Lob Ihrer Vorgesetzten <strong>und</strong> der Stadtpolitik, weil Sie so<br />
tolle Projekte machen.<br />
„Jede Organisationseinheit <strong>und</strong> jeder Mitarbeiter in der Stadtverwaltung ist<br />
verpfl ichtet, im Rahmen seiner originären Zuständigkeit zu prüfen, ob durch<br />
Verwaltungshandeln Interessen von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen berührt sind<br />
<strong>und</strong> wie diese gegebenenfalls weiter gefördert werden können.“<br />
Dienstanweisung über die Berücksichtigung der Interessen von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen bei der<br />
Erledigung von Verwaltungsaufgaben der Stadt Würselen<br />
Top Thema | 17
18 | Report
Dynamik + Wandel:<br />
Stadtsilhouetten<br />
Städtebau spielt heutzutage auch für das Stadtmarketing eine beachtliche<br />
Rolle. Vor allem wenn es um Gebäude geht, die als zeitgemäße Wahrzeichen<br />
die historischen Stadtsilhouetten verändern.<br />
Der skeptische Blick eines Besuchers verrät,<br />
dass etwas mit dem Exponat in der Ausstellung<br />
„Dynamik + Wandel. Die Entwicklung der<br />
Städte am Rhein 1910-<strong>2010</strong>+“ nicht stimmt.<br />
Kritische Besucher haben schon manchen Kurator<br />
auf einen Fehler hingewiesen. Aber unser<br />
Besucher ist verunsichert. Da er schon viele<br />
Jahrzehnte in Köln lebt, erkennt er auf dem<br />
vor ihm liegenden Foto das Kölner Rheinufer<br />
mit der markanten Hohenzollenerbrücke, die<br />
schmalen giebelständigen Häuser der Altstadt<br />
<strong>und</strong> das blaue Zeltdach des Musical Domes. Er<br />
kennt sich aus, aber etwas stimmt nicht. Unser<br />
Besucher ist ratlos, deshalb klappt er das Foto<br />
hoch, um das darunter liegende zu betrachten.<br />
Jetzt fällt es ihm wie Schuppen von den Augen:<br />
Es war tatsächlich der Blick auf das Kölner<br />
Altstadtufer, aber es fehlte der Dom mit seinen<br />
himmelwärts strebenden Türmen, der mächtige<br />
Vierungsturm von Groß Sankt Martin <strong>und</strong> der<br />
etwas gedrungenere Rathausturm. Diese drei<br />
Bauwerke prägen seit dem Mittelalter das Bild<br />
von Köln <strong>und</strong> haben sich unauslöschlich nicht<br />
nur in das Gedächtnis der Kölner eingeprägt,<br />
sondern auch vieler Fremder.<br />
Erkennungsmerkmale einer Stadt<br />
Es sind nicht nur markante Einzelgebäude,<br />
sondern auch eine spezifi sche Höhenentwicklung,<br />
die fest im kollektiven Gedächtnis verankert<br />
ist <strong>und</strong> zum unverwechselbaren Bild einer<br />
Stadt wird. Wie würden wir Paris erkennen<br />
ohne Eifelturm <strong>und</strong> Sacre Coeur, London ohne<br />
Big Ben <strong>und</strong> Saint Pauls Cathedral, Rom ohne<br />
Michelangelos mächtige Kuppel von Sankt Peter.<br />
Städte unterscheiden sich so von einander.<br />
Architekturen werden zu Wahrzeichen, zu individuellen<br />
Erkennungsmerkmalen einer Stadt<br />
<strong>und</strong> transportieren das Selbstverständnis <strong>und</strong><br />
Lebensgefühl der Metropolen.<br />
Bildhafte Architektur verändert das<br />
Image<br />
Rückten die monumentalen Bauwerke in vorhergehenden<br />
Jahrh<strong>und</strong>erten vor allem ihre<br />
Auftraggeber Erzbischöfe, Könige <strong>und</strong> Fürsten<br />
<strong>und</strong> die stolzen Rathaustürme die Bürgerschaft<br />
ins Rampenlicht, so dienen heute markante<br />
Bauwerke vor allem dem Stadtmarketing. Spätestens<br />
als im Oktober 1997 das Guggenheim<br />
Museum in der bis dahin kaum bekannten Hafenstadt<br />
Bilbao eröffnete, weiß man, dass auch<br />
heutzutage bildhafte Architektur das Image<br />
einer Stadt völlig verändern können. Die dem<br />
Niedergang geweihte Industriestadt wandelte<br />
sich über Nacht dank eines exzentrischen Baus<br />
des kanadischen Architekten Frank O’Gehry zu<br />
einer Kunstadresse <strong>und</strong> verhalf der Stadt zu<br />
einem wirtschaftlichen Aufschwung. Allein im<br />
ersten Jahr nach der Eröffnung kamen über eine<br />
Million Besucher in die nordspanische Stadt.<br />
„Wow-Architektur“<br />
Seitdem haben viele Städte versucht, den sogenannten<br />
„Bilbao Effekt“ nachzuahmen <strong>und</strong><br />
die Star-Architekten dieser Welt eingeladen,<br />
zeitgemäße Wahrzeichen in die gewachsenen<br />
Stadtprofi le einzupfl anzen. Der Architekturhistoriker<br />
Georg Frank spricht von „Ökonomie<br />
der Aufmerksamkeit“. Das betrifft nicht nur<br />
den Profi lierungswahn von Städten, die sich<br />
wie zurzeit Hamburg mit dem Bau der Elbphilharmonie<br />
in die Liga der zehn besten Konzertsäle<br />
der Welt katapultieren möchten, sondern<br />
auch Unternehmen, die mit ihren das eigene<br />
Image verkörpernden Bauten nicht nur Standortsignets<br />
schaffen, beispielsweise die gläserne<br />
Fabrik in Wolfsburg, sondern, wie es David<br />
Chipperfeld nennt, „Wow-Architektur“ für<br />
die jeweilige Stadt. So schuf das niederländische<br />
Büro UN Studio von Ben van Berkel <strong>und</strong><br />
Report | 19
Ausstellung <strong>und</strong> Katalog<br />
Ihr schnelles <strong>und</strong> unkontrolliertes Wachstum stellte viele deutsche Großstädte<br />
wie Köln, Düsseldorf oder Duisburg Anfang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts vor nie da<br />
gewesene Herausforderungen. Was sich im Siedlungsband zwischen Bonn <strong>und</strong><br />
Duisburg in den letzten 100 Jahren veränderte, war gr<strong>und</strong>legend <strong>und</strong> weist<br />
exemplarisch zahlreiche „universelle“ Entwicklungen auf. Die Ausstellung <strong>und</strong><br />
der Katalog „Dynamik <strong>und</strong> Wandel<br />
Die Entwicklung der Städte am Rhein 1910–<strong>2010</strong>+“ beleuchtet sowohl die<br />
konkrete Entwicklung am Rhein als auch allgemeine städtebauliche Fragestellungen.<br />
Vielschichtig veranschaulicht wird eine bis in die Gegenwart reichende<br />
dynamische Entwicklungsgeschichte der Wirtschafts- <strong>und</strong> Kulturader Rhein,<br />
die heute – im Angesicht des Klimawandels – vor neuen, ebenso schwierigen<br />
Herausforderungen steht.<br />
Die Ausstellung ist noch bis zum 3. März 2011 im Kölner RheinForum zu<br />
sehen.<br />
Zu der Ausstellung ist ein Katalog erschienen:<br />
Dynamik <strong>und</strong> Wandel. Die Entwicklung der Städte am Rhein 1910–<strong>2010</strong>+<br />
Herausgeber: M:AI – Museum für Architektur <strong>und</strong> Ingenieurkunst NRW e.V.<br />
Mit Beiträgen u.a. von: Gerd Albers, Friedrich von Borries, Martina Löw,<br />
Gerhard Matzig, Wolfgang Pehnt, Hanno Rauterberg, Wolfgang Sonne,<br />
Christoph Vitali.<br />
Berlin: Jovis Verlag <strong>2010</strong>, 38,00 Euro<br />
20 | Report<br />
Caroline Bos 2006 für Mercedes-Benz in Stuttgart<br />
ein neues Museum, <strong>und</strong> ein Jahr später<br />
eröffnete am Mittleren Ring in München die<br />
neue BMW-Welt nach einem Entwurf von Coop<br />
Himmelb(l)au aus Wien. Städte scheinen solche<br />
Besuchermagneten immer mehr zu brauchen,<br />
um ihre Zukunftsfähigkeit unter Beweis zu stellen.<br />
Dabei sind es nicht nur Kulturbauten, die<br />
das Stadtprofi l schärfen, sondern immer häufi<br />
ger auch Büro- <strong>und</strong> Wirtschaftsgebäude, die<br />
die Prosperität einer Stadt sichtbar nach außen<br />
tragen sollen. Jedes neue Hochhaus in Frankfurt<br />
festigt das Image der Bankenmetropole<br />
am Main, aber auch am Rhein verändern extrovertierte<br />
Bürobauten die historischen Stadtpanoramen.<br />
So wirbt das Reisemagazin Merian<br />
auf dem Cover seines Heftes über Düsseldorf<br />
mit den 1999 fertiggestellten „tanzenden“ Bürobauten<br />
von Frank O’Gehry im Düsseldorfer<br />
Medienhafen. Die plastischen Baukörper mit<br />
ihren unterschiedlichen Fassadenverkleidungen<br />
sind heute zum Synonym für den Strukturwandel<br />
des alten Zollhafens zum Medienhafen geworden.<br />
Charakterisierten bis vor einem Jahrzehnt<br />
noch die nach dem Krieg entstandenen<br />
Schrägseilbrücken über den Rhein <strong>und</strong> das<br />
Dreischeiben-Haus das Bild der modernen, aufstrebenden<br />
Landeshauptstadt, so sind es heute<br />
Bürobauten in einem ehemaligen Hafenareal.
Signature Buildings auch in Köln<br />
Auch in Köln haben der bis dahin unangefochten<br />
das Bild der Stadt beherrschende Dom mit<br />
seinem Kranz aus romanischen Kirchen Konkurrenz<br />
bekommen: es sind die drei Kranhäuser<br />
oder, wie die Kölner despektierlich sagen,<br />
„Hungerhaken“ im Kölner Rheinauhafen. Dabei<br />
handelt es sich um drei Büro- <strong>und</strong> Wohnhochhäuser,<br />
deren Gestalt El Lessitzkys Wolkenbügelhäusern<br />
entlehnt sind, die aber mit ihrem<br />
frei schwebenden, weit vorkragenden Obergeschossen<br />
sicher auch an die großen Verladekräne<br />
in diesem ehemaligen Hafenareal erinnern<br />
sollen. Das Hamburger Büro Bothe Richter Teherani<br />
hat mit diesen Hochhäusern, von denen<br />
das dritte gerade fertig gestellt wird, bereits<br />
jetzt ein neues Wahrzeichen für die Domstadt<br />
geschaffen. Diese neuen Signature Buildings<br />
stehen zum einen für den Strukturwandel ehemaliger<br />
Industriefl ächen in hochwertige Büro-<br />
<strong>und</strong> Wohnstandtorte <strong>und</strong> sie markieren in einer<br />
großen Geste die erneute Hinwendung der<br />
Stadt zum Rhein, die damit auch, allen Gefahren<br />
des Hochwassers zum Trotz, ein deutliches<br />
Zeichen setzt, mit Hochwasserschutzmaßnahmen<br />
das Problem im Griff zu halten. Die Kranhäuser<br />
erweitern das Stadtpanorama von Köln<br />
über die historisch fi xierte Ansicht der Altstadt<br />
hinaus. Der Dom hat Konkurrenz bekommen,<br />
aber auf Distanz.<br />
Wie viel Neues verträgt eine Stadt?<br />
Problematisch wird es, wenn die neuen Wahrzeichen<br />
den historischen Monumenten zu nahe<br />
rücken, gar in marktschreierische Konkurrenz<br />
zu ihnen treten. Das befürchtete vor allem die<br />
UNESCO, als man 2000 in Köln im Zuge der Planungen<br />
für den Ausbau des Deutzer Bahnhofs<br />
zu einem ICE-Knotenpunkt auf der anderen<br />
Rheinseite, der so genannten „schäl sik“, einen<br />
Kranz von Hochhäusern vorschlug. Gutachten<br />
<strong>und</strong> Gegengutachten brachten das Projekt am<br />
Ende zu Fall, da viele um die historische Stadtsilhouette<br />
fürchteten. Die elementare Frage,<br />
wie viel Neues eine Stadt ohne „Gesichtsverlust“<br />
verträgt, stellt sich insbesondere im Kontext<br />
herausragender Baudenkmale in prominenten<br />
Stadträumen. Dabei ist nicht nur die<br />
Quantität, sondern vor allem die Qualität der<br />
Neubauten von großer Bedeutung. Den Status<br />
echter Wahrzeichen haben in den vergangenen<br />
Jahrh<strong>und</strong>erten auch nur die Bauwerke erlangt,<br />
deren architektonische Gestaltung sich als über<br />
den jeweiligen Zeitgeist hinaus als herausragend<br />
erwiesen hat. Moderne Architekturen, die<br />
nur sich selbst huldigen <strong>und</strong> keine Rücksicht<br />
auf den stadträumlichen Kontext nehmen, bleiben<br />
„Spektakelarchitekturen“ – so der Architekturkritiker<br />
Gerhard Matzig - <strong>und</strong> schwächen<br />
das gesamte städtebauliche Ensemble. Orte, die<br />
einen besonderen Identifi kationswert besitzen<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig einem hohen Veränderungsdruck<br />
unterliegen, sind daher behutsam weiter<br />
zu entwickeln. So brauchen lebendige historische<br />
Städte eine Stadtplanung, die neben dem<br />
Weiterbau, der Transformation, auch die Erhaltung<br />
der Stadt berücksichtigt, vor allem aber<br />
für die Bürger einen lebendigen <strong>und</strong> vielfältigen<br />
Lebensort schafft.<br />
Städte planen, gestalten <strong>und</strong> für die Zukunft<br />
nachhaltig weiterzuentwickeln, basiert stets<br />
auf vorhandenen Strukturen, daher blickt die<br />
Ausstellung „Dynamik + Wandel. Die Entwicklung<br />
der Städte am Rhein. 1910-<strong>2010</strong>+“ auf<br />
100 Jahre Stadtentwicklung zurück, betrachtet<br />
aktuelle Planungen <strong>und</strong> fragt nach zukünftigen<br />
Herausforderungen.<br />
Ursula Kleefi sch-Jobst<br />
Ursula Kleefi sch-Jobst<br />
Ursula Kleefi sch-Jobst ist<br />
seit 2008 geschäftsführende<br />
Kuratorin am Museum für<br />
Architektur <strong>und</strong> Ingenieurkunst<br />
M:AI des Landes Nordrhein-<br />
Westfalen. Zuvor war sie nach<br />
freiberufl icher Tätigkeit als<br />
Architekturkritikerin am Deutschen<br />
Architekturmuseum,<br />
Frankfurt am Main, tätig.<br />
Report | 21
Neue kreative Orte in der Stadt<br />
In Berlin wurde der Urban Intervention Award erstmals verliehen.<br />
Zur Wahl standen über 60 Arbeiten aus ganz Europa.<br />
Library and Reading Park Torre Pacheco,<br />
Torre Pacheco (Murcia)/Spanien<br />
Das Statement der Jury: Das als Auftakt eines Stadtentwicklungsprozesses entwickelte<br />
Projekt ist eine gelungene Verschmelzung von Architektur <strong>und</strong> Landschaft<br />
<strong>und</strong> stellt für das zersiedelte Gebiet den neuen integrativen Mittelpunkt mit<br />
Landmark-Charakter dar. Die Anlage, zu der neben der Bibliothek <strong>und</strong> dem Park<br />
zahlreiche Sportanlagen <strong>und</strong> eine Schule gehören, überzeugt durch die Einheit<br />
von sozialen, kulturellen <strong>und</strong> gestalterischen Elementen.<br />
22 | Report<br />
Mit dem Urban Intervention Award Berlin lobte<br />
die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung<br />
Berlin im Sommer <strong>2010</strong> erstmalig einen neuen<br />
europaweiten Preis für Arbeiten aus, denen als<br />
Auswahlkriterien die städtebaulich <strong>und</strong> räumliche<br />
Herangehensweise, der soziokulturelle <strong>und</strong><br />
gesellschaftliche Kontext, die Gestaltungsaspekte,<br />
das Nutzungskonzept <strong>und</strong> die Zusammenarbeit<br />
mit Kooperationspartnern zugr<strong>und</strong>e<br />
liegen.<br />
Der Urban Intervention Award Berlin zeichnet<br />
neue kreative urbane Orte von hoher architektonischer<br />
Qualität aus, die vorbildhaft für innovative<br />
<strong>und</strong> interdisziplinäre Kooperationen<br />
unterschiedlicher Bereiche <strong>und</strong> Disziplinen, wie<br />
Kultur, Architektur, Initiativgruppen, Wirtschaft<br />
stehen <strong>und</strong> die Lebensräume nachhaltig verändern.<br />
Die eingereichten Projekte mussten innerhalb<br />
der letzten fünf Jahre entstanden sein. Das<br />
Gesamtmanagement übernahm Kristin Feireiss<br />
von Aedes Architekturforum.<br />
Junge innovative Büros aus Berlin, Deutschland<br />
<strong>und</strong> Europa reichten über 60 Arbeiten<br />
ein, aus denen eine Vorjury in zwei Kategorien<br />
je 13 Projekte auswählte. Im Anschluss legte<br />
eine internationale Jury die Nominierungen<br />
<strong>und</strong> Preisträger fest. Jurymitglieder waren Bart<br />
Lootsma, Professor für Architekturgeschichte<br />
<strong>und</strong> -theorie an der Universität Innsbruck, Regula<br />
Lüscher, Senatsbaudirektorin von Berlin,<br />
Enrique Sobejano, Architekt <strong>und</strong> Professor an<br />
der UdK Berlin <strong>und</strong> Hortensia Völkers, Vorstand<br />
<strong>und</strong> Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung<br />
des B<strong>und</strong>es.
Nominiert in der Kategorie „Built“<br />
A8ernA, Zaanstad, Koog aan de Zaan, Zaanstad/Niederlande, 2006<br />
Architekten: NL-Architects <strong>und</strong> Carve (design skatepark), Amsterdam<br />
Besiktas Fishmarket, Besiktas, Istanbul/Türkei, 2009<br />
Architekten: GAD & Gokhan Avcioglu, Istanbul<br />
Lesezeichen Salbke, Magdeburg/Deutschland, 2009<br />
Architekten: KARO mit Architektur + Netzwerk, Leipzig<br />
Zamet Centre, Rijeka/Kroatien, 2009<br />
Architekten: 3LHD architects, Zagreb<br />
Nominiert in der Kategorie „Temporary“<br />
Eichbaumoper, Mülheim – Deutschland, 2009<br />
Architekten: raumlaborberlin (Jan Liesegang, Matthias Rick)<br />
Jellyfi sh Theatre, London – Großbritannien, <strong>2010</strong><br />
Architekten: Köbberling/Kaltwasser, Berlin<br />
Pop Up – Public Construction Site, Stuttgart/Deutschland, 2008<br />
Architekten: Umschichten, Stuttgart<br />
Prosthesis Institutiona, Castellon/Spanien, 2005<br />
Architekten: Santiago Cirugeda, Sevilla<br />
Report | 23
Stadtküche<br />
Das Statement der Jury: Dieses<br />
Projekt ist ein überzeugendes,<br />
innovatives Beispiel für die<br />
kleinstmögliche Intervention<br />
im öffentlichen Raum im<br />
Verhältnis von Aufwand <strong>und</strong><br />
Wirkung, das die Architekten<br />
auf Eigeninitiative entworfen,<br />
realisiert <strong>und</strong> auch betrieben<br />
haben. Große Anerkennung<br />
fand der integrative Beitrag,<br />
den das Projekt zum Alltagsleben<br />
der Bewohner des Quartiers<br />
leistet sowie die hohe<br />
Ästhetik, Poetik <strong>und</strong> Konzeptionalität<br />
des Objekts selbst.<br />
24 | Report<br />
kochen<br />
würzen<br />
schneiden<br />
waschen<br />
1:25<br />
0 10 20 30 40 50 100 150<br />
200cm<br />
Fest installierte <strong>und</strong> temporäre Projekte<br />
In zwei Preiskategorien wurden je vier Nominierungen<br />
<strong>und</strong> ein Preisträger ausgewählt.<br />
Diese zwei Preiskategorien sind zum einen die<br />
Kategorie Built für gebaute, fest installierte<br />
Projekte <strong>und</strong> zum anderen die Kategorie Temporary.<br />
Hierzu zählen zeitlich begrenzte Projekte<br />
im städtischen Raum. Die Qualität der Einreichungen<br />
war beachtlich <strong>und</strong> zeigte, dass die<br />
Idee aufging, einen Preis zu schaffen, der weit<br />
über die Betrachtung von Architektur hinausgeht<br />
<strong>und</strong> auf herausragende Projekte hinweist,<br />
die Städte verändern.<br />
Multifunktionales Gemeindezentrum<br />
Den ersten Preis in der Kategorie Built erhielt<br />
das spanische Projekt „Library and Reading<br />
Park Torre Pacheco, Torre Pacheco (Murcia)/<br />
Spanien“ der Architekten Martin Lejarraga, Cartagena,<br />
das im Jahr 2007 fertiggestellt wurde.<br />
Auftraggeber war EXCMO, die Commune Torre<br />
Pacheco. In Reaktion auf die demografi schen,<br />
sozio-ökonomischen, multikulturellen <strong>und</strong> touristischen<br />
Wachstumsprozesse in Torre Pacheco<br />
sah sich die Verwaltung der Kleinstadt vor der<br />
Aufgabe, ein neues Modell für die Stadtplanung<br />
zu entwickeln. Den Anfang dieses Stadterneuerungsvorhabens<br />
bildet die Realisierung der<br />
Bibliothek. Bei diesem groß angelegten Projekt,<br />
das zur Verbesserung der Lebensqualität der<br />
Anwohner beitragen soll, geht es vor allem um<br />
Gemeinsinn <strong>und</strong> eine langfristige nachhaltige<br />
Strategie. Geringe Kosten, einfache Technologien,<br />
ein niedriger Energieverbrauch <strong>und</strong> niedrige<br />
Unterhaltskosten spielten bei der Planung eine<br />
ebenso wichtige Rolle. Zu dem Projekt gehören<br />
weiterhin außer einer Schule, eine Bushaltestelle<br />
sowie ein fü r die Öffentlichkeit zugänglicher<br />
Park. Das gesamte Projekt bildet durch die Integrierung<br />
von Konferenzräumen, Vortragssälen,<br />
eines Medienraumes <strong>und</strong> eines Kinderbereiches<br />
ein dynamisches, multifunktionales Gemeindezentrum.<br />
Zu den Außenanlagen zählen ein Park<br />
des Lesens, ein Wald, Sportbereiche, eine Kletterwand<br />
sowie ein Akustik-Park.<br />
Begegnungen durch eine mobile Stadt-<br />
+ 95,0 küche<br />
+ 77,0<br />
In der Kategorie Temporary wurde der erste<br />
Preis an die Stadtküche in Berlin-Neukölln<br />
vergeben, eine Initiative der Architekten Daniel<br />
Unterberg +- 0.0 <strong>und</strong> Isabell Weiland aus dem Jahr<br />
2009. Das Berliner Architektenduo lädt mit seiner<br />
Stadtkü che zur Umdeutung des städtischen<br />
Raums ein. Die Stadtkü che ist mobil – sie wird<br />
als Kiste auf einem Fahrradanhänger transportiert<br />
– <strong>und</strong> autark. Dabei bietet sie neben der<br />
nötigen Ausstattung zum Kochen einen langen<br />
Esstisch, an dem jeder Passant Platz nehmen<br />
darf. Durch die temporäre Installation wird die<br />
Stadtküche zum Interventionsraum, der als Ort<br />
der Kommunikation den öffentlichen Raum<br />
auf eigene Weise interpretiert <strong>und</strong> eine große<br />
soziokulturelle Wirkung entfaltet. Entstanden<br />
im Rahmen des Kulturfestes „48 St<strong>und</strong>en<br />
Neukölln“ <strong>und</strong> der Aktion „Karl-Marx-Straße“<br />
startete die Küche in einem der vielfältigsten<br />
Stadtteile Berlins mit Bewohnern aus über 160<br />
verschiedenen Nationen. In diesem kulturellen<br />
Gefü ge ist das soziale Gleichgewicht besonders<br />
wichtig. Mit der Offenheit fü r neue Gerichte<br />
eröffnet sich die Möglichkeit, Fremdes zu entdecken<br />
<strong>und</strong> gemeinsam Neues zu schaffen, indem<br />
Passanten, Nachbarn <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e eigene<br />
Zutaten <strong>und</strong> Rezepte mitbringen. Die häusliche<br />
Kü che gastiert auf der Straße <strong>und</strong> initiiert<br />
dort neue Gemeinschaften. Mit der Stadtküche<br />
wird privater auf nachbarschaftlichen, urbanen<br />
Raum ausgedehnt. Sie fördert somit den<br />
Gemeinsinn <strong>und</strong> ist auf alle erdenklichen Orte<br />
übertragbar.
Schippen, Pumpen, Mitreden<br />
Sportliche Freiraumentwicklung in Berlin<br />
Sport ist ein wichtiger Bestandteil urbanen<br />
Lebens <strong>und</strong> prägt den Alltag vieler Menschen.<br />
Eine Studie der Berliner Senatsverwaltung für<br />
Inneres <strong>und</strong> Sport aus dem Jahr 2007 belegt,<br />
dass fast 50 Prozent aller Sport- <strong>und</strong> Bewegungsaktivitäten<br />
auf Frei- <strong>und</strong> Verkehrsfl ächen<br />
stattfi nden. Im Stadtraum ist diese hohe Priorität<br />
der Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger selten ablesbar.<br />
Fast alle Sportfl ächen orientieren sich<br />
an den vereinsbetriebenen Ballsportarten oder<br />
dem Leistungssport. Die Mehrzahl sportlicher<br />
Aktivitäten wird allerdings inzwischen alleine<br />
oder in kleineren Gruppen, informell <strong>und</strong> meist<br />
ohne wettkampforientierte Leistungsabsicht<br />
ausgeübt. Für diesen Bedarf geeignete Räume<br />
zu entwickeln, ist ein Arbeitsschwerpunkt von<br />
complizen Planungsbüro. Orte <strong>und</strong> Sportarten,<br />
die jenseits der Interessensphären von Politik,<br />
Sportverbänden <strong>und</strong> Sponsoren liegen, kommen<br />
bei der Planung oft zu kurz <strong>und</strong> bleiben unter<br />
ihren Möglichkeiten. Genau dort untersuchen<br />
wir mit sportifi cation die Ansprüche an die urbane<br />
Umgebung. Wie wandeln sich die Möglichkeiten<br />
der Stadtnutzung mit dem Wandel<br />
unseres <strong>Freizeit</strong>verhaltes?<br />
Das Wriezener Freiraum Labor in Berlin-<br />
Friedrichshain<br />
Eine gute Gelegenheit, diesen Fragen nachzugehen,<br />
ergab sich im Wriezener Freiraum Labor<br />
in Berlin-Friedrichshain. Der außergewöhnliche<br />
„Park“ ist ein freigeräumter Güterbahnhof<br />
der bis 2008 trotz seiner zentralen Lage an der<br />
Warschauer Brücke über Jahre hinter einer hohen<br />
Mauer verschlossen blieb. 2007 wurde die<br />
Brache ein Modellvorhaben für Innovationen für<br />
familien- <strong>und</strong> altengerechte Stadtquartiere im<br />
B<strong>und</strong>es-Forschungsprogramm für Experimentellen<br />
Wohnungs- <strong>und</strong> Städtebau (ExWoSt).<br />
Gr<strong>und</strong>lage für die dreijährige Förderung durch<br />
den B<strong>und</strong> waren Nutzungs- <strong>und</strong> Gestaltungsideen,<br />
die Anwohner in Planungswerkstätten<br />
kooperativ erarbeitet hatten. Sport war dabei<br />
ein zentrales Anliegen. Zu den wichtigsten anderen<br />
Aktivitäten (Modulen) für die Entwicklung<br />
des Parks zählten: W-Lan, Fukuoka (Halbwilder<br />
Gemüseanbau), Schulunterricht <strong>und</strong> der<br />
Ausbau eines ehemaligen Lokschuppens zu<br />
einem Quartierstreff. Gemeinsame Jours Fixes<br />
<strong>und</strong> Planungsworkshops sichern den Austausch<br />
zwischen den unterschiedlichen Akteuren.<br />
In vielen wohnortnahen<br />
Brachfl ächen steckt ein riesiges<br />
Potential um Fahrrad-<br />
Fahrspaß in der Stadt zu<br />
erleben, nicht nur für Extremsportler.<br />
Report | 25
26 | Report<br />
Tore Dobberstein<br />
Seit 2003 ist Tore Dobberstein<br />
(Diplom-Kaufmann)<br />
bei complizen Planungsbüro<br />
verantwortlich für Kommunikation<br />
<strong>und</strong> Stadtentwicklung.<br />
Tore Dobberstein unterrichtet<br />
Moderation in Planungsprozessen<br />
am Institut für Europäische<br />
Urbanistik der Bauhaus-<br />
Universität Weimar.<br />
dobberstein@complizen.de<br />
Aus der Not die Tugend<br />
Neben der kooperativen Planung sorgen die<br />
ersten Veranstaltungen auf dem Gelände für<br />
Zulauf von Interessierten aus der Nachbarschaft,<br />
die sich an der Parkentwicklung beteiligen.<br />
Wichtigster Ansprechpartner im Bereich<br />
Sport wird ein kleiner BMX- <strong>und</strong> Mountainbike<br />
Verein, 52-Grad e.V., der auch die Interessen<br />
der nicht vereinsgeb<strong>und</strong>enen Radfahrer vertritt.<br />
Nach einigen Treffen steht fest: es gibt eine<br />
große Nachfrage nach Freifl ächen für BMX.<br />
Dennoch, das manchmal nur 20 Meter breite<br />
<strong>und</strong> sehr langgezogene Gelände eignet sich<br />
eigentlich nicht für eine ausgewachsene BMX-<br />
Bahn. Wie so oft wird auch hier aus der Not die<br />
Tugend. Es entsteht eine ganz besondere Strecke:<br />
Berlins erster „Pumptrack“.<br />
Ein Ort für unterschiedliche<br />
Anforderungen<br />
Die bis dato in Deutschland noch weitgehend<br />
unbekannten Pumptracks zeichnet sich durch<br />
abger<strong>und</strong>ete, rollende Hügel aus, die keinesfalls<br />
so steil aufsteigen wie die bis zu 3 Meter hohen<br />
„Dirts“ einer klassischen BMX-Strecke. Spaß<br />
macht vor allem das namensgebende „Pumpen“.<br />
Das beschreibt die Gewichtsverlagerung,<br />
mit der das Rad nach etwas Übung auf einem<br />
Pumptrack beschleunigt wird. Mit Geduld <strong>und</strong><br />
Schwerkraft lernen auch Neulinge auf der<br />
Lehmbahn, schnell ohne den Antritt der Kette<br />
vorwärts zu kommen. Profi s <strong>und</strong> Anfänger können<br />
an diesem einem Ort auf unterschiedlichen<br />
Leistungsniveaus Freude haben. Das sorgt unter<br />
anderem für eine höhere Streckenauslastung.<br />
Plötzlich können sich auch Vorschulkinder mit<br />
Laufrädern auf der Bahn tummeln, ohne erhöhtes<br />
Verletzungsrisiko gegenüber dem Fahren<br />
auf fl achen Asphalt. Fortgeschrittene Sportler<br />
nutzen die angrenzende Mauer für „Wall Rides“.<br />
Sie setzen so eine der Gestaltungsphilosophien<br />
des Wriezener Freiraum Labors um: bei der Gestaltung<br />
des Parks soll der baulichen Bestand<br />
des ehemaligen Verladebahnhofs nicht nur erhalten,<br />
sondern auch auf neue Art <strong>und</strong> Weise<br />
wieder genutzt werden. Heute ist der Pumptrack<br />
eine der beliebtesten <strong>und</strong> am stärksten<br />
nachgefragten Anlaufstellen auf dem Gelände.
Engagement für den Park<br />
Für die Radsportler im Wriezener Freiraum Labor<br />
ist die Pumptrack-Alternative existenziell:<br />
das Gelände ist im Besitz des Bezirkes <strong>und</strong> als<br />
öffentlicher Park deklariert. Steilere <strong>und</strong> höhere<br />
Hügel, bzw. Zäune zur Absperrung wären nicht<br />
durchsetzbar gewesen. Aber die Radler halten<br />
an dem Prinzip der fl achen Buckel fest <strong>und</strong><br />
sorgen zu dem dank ihrer hochfrequenten Anwesenheit<br />
mit für Sauberkeit im Park. Bei Veranstaltungen<br />
<strong>und</strong> bei generellen Fragen bringt<br />
sich die Gruppe engagiert mit ein. So entsteht,<br />
begünstigt durch die Rahmenbedingungen im<br />
ExWoSt-Programm, ein Vertrauensverhältnis<br />
zwischen dem Bezirksamt <strong>und</strong> den Sportlern,<br />
<strong>und</strong> sie bekommen grünes Licht, ihren Standort<br />
mit einem Vereinsbauwagen mit einer überdachten<br />
Sonnenterrasse auszubauen.<br />
Die zuvor gemiedenen BMXer <strong>und</strong> MTBer sind<br />
jetzt respektierte Partner bei der Quartiersentwicklung.<br />
Sie haben gezeigt: bei der Freifl ächengestaltung<br />
können sie nicht nur mitschippen<br />
sondern haben auch ein paar Worte<br />
mitzureden.<br />
Tore Dobberstein<br />
Sportifi cation – die Sportifi zierung der Stadt<br />
Die sportifi cation Idee von complizen Planungsbüro befasst sich mit der Frage,<br />
wie viel Spaß, Sport <strong>und</strong> Eigeninitiative Stadtplanung zulässt <strong>und</strong> wie viel<br />
Stadt <strong>und</strong> Architektur in neue Sportarten integriert werden kann. Der sportifi<br />
cation Gedanke wirbt für eine stärkere Integration von Sport <strong>und</strong> Stadt.<br />
Ziele sind die Verbesserung der Lebensqualität im Wohnumfeld, die Einbindung<br />
neuer Zielgruppen bei der Stadtplanung <strong>und</strong> die Umsetzung kooperativer<br />
Planungsstrategien.<br />
Die sportifi cation Events zeichnen sich durch ganz unterschiedliche Gestaltungsansätze<br />
aus. Respekt <strong>und</strong> Rücksicht vor den Interessen der Sportlerinnen<br />
<strong>und</strong> Sportlern haben höchste Priorität. Im Rahmen von sportifi cation sind ganz<br />
neue Varianten vorhandener Sportarten entwickelt worden. Dies geschieht aus<br />
dem Potential des Ortes gegebenenfalls auch ohne größere gestalterische Eingriffe.<br />
Ein Beispiel ist das Hochhaus-Frisbee-Rennen in Halle-Neustadt. Die<br />
fünf leer stehenden Hochhausscheiben im Abstand von ca. 80 Metern waren<br />
die Inspirationsquelle dafür, Frisbees von Dach zu Dach zu werfen. Normale<br />
Flugscheiben schaffen diese Entfernung allerdings nicht. So entstand die Frisbeestaffel.<br />
Links<br />
Sportmoderation: complizen Planungsbüro – Enjoy urban space!<br />
Die Kompetenzbereiche von complizen Planungsbüro umfassen<br />
Architektur, Kommunikation <strong>und</strong> Stadtentwicklung.<br />
» www.complizen.de<br />
Pumptrack, Bau <strong>und</strong> Betrieb<br />
» www.52grad.org<br />
Landschaftschaftsarchitektur: Ariane Röntz<br />
Gesamtkoordination ExWoSt: Ines Rudolph, TX-Architekten<br />
Report | 27
„Die Ära der zeitaufwendigen<br />
Suche ist bald vorbei.“<br />
Viel Herzblut <strong>und</strong> Energie<br />
verwenden Birgit Findeli<br />
<strong>und</strong> Bernd Junge darauf,<br />
mit ScapeScout ein allumfassendes<br />
Fachportal für die<br />
grüne Branche zu etablieren.<br />
Im Interview berichtet<br />
Birgit Findeli von den Zielen<br />
<strong>und</strong> dem Stand der Dinge.<br />
Birgit Findeli<br />
Birgit Findeli hat nach ihrem<br />
Studium der Landschaftsplanung<br />
von 2001 an im<br />
Grünfl ächenamt der Stadt<br />
Esslingen am Neckar gearbeitet.<br />
Zunächst in der Abteilung<br />
Grünfl ächenpfl ege <strong>und</strong><br />
–unterhaltung, dann in der<br />
Planungsabteilung. Seit 2009<br />
ist sie Geschäftsführerin der<br />
Scapescout GmbH.<br />
28 | Report<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Wie sind Sie auf die Idee gekommen,<br />
dass die Branche eine Datenbank wie ScapeScout<br />
braucht?<br />
Birgit Findeli: Bereits im Studium haben wir<br />
gemerkt, wie viel Zeit junge Planer in die Suche<br />
nach geeigneten Produkten investieren müssen,<br />
die alle jeweiligen Anforderungen erfüllen.<br />
Aber auch später im Beruf stellte sich die Suche<br />
nach Produkten als eine Schwierigkeit dar. In<br />
der Praxis sieht es so aus, dass Planer vielleicht<br />
das Angebot von nur drei oder vier Herstellern<br />
berücksichtigen, weil sie mit deren Produktordnern<br />
<strong>und</strong> dem Produktangebot relativ vertraut<br />
sind. Selbst dann frisst die Suche unendlich viel<br />
Zeit <strong>und</strong> sorgt für ein Chaos auf dem Schreibtisch.<br />
Diese Erfahrungen haben Bernd Junge<br />
<strong>und</strong> ich während unserer gemeinsamen Arbeit<br />
bei der Stadt Esslingen immer wieder gemacht.<br />
Wir fi ngen an zu überlegen, wie man den Prozess<br />
der Produktsuche besser gestalten könnte.<br />
Bernd Junge<br />
Bernd Junge ist Landschaftsarchitekt<br />
<strong>und</strong> seit 1999 in<br />
der Planungsabteilung des<br />
Grünfl ächenamtes der Stadt<br />
Esslingen am Neckar tätig.<br />
Seine Tätigkeitsschwerpunkte<br />
sind Objektplanung, Bürgerbeteiligung,<br />
konzeptionelles<br />
Arbeiten <strong>und</strong> der Aufbau von<br />
Netzwerken.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Die Geburtsst<strong>und</strong>e von ScapeScout?<br />
Birgit Findeli: Nein, so schnell ging das nicht.<br />
Zunächst haben wir sehr viel im Internet gesucht,<br />
denn wir konnten uns eigentlich nicht<br />
vorstellen, dass es nicht schon ein funktionales<br />
Werkzeug geben sollte. Im zweiten Schritt<br />
haben wir dann angefangen, eine Datenbank<br />
mit planungsrelevanten Suchkriterien zu konzipieren,<br />
die wirklich auf die tägliche Arbeit von<br />
Planern abgestimmt ist. Das hat einige Zeit in<br />
Anspruch genommen. Als wir soweit waren, haben<br />
wir erneut recherchiert. Die Idee ist doch<br />
eigentlich sehr naheliegend, aber noch immer<br />
fehlte ein solches Angebot. Da erst haben wir<br />
uns dann entschieden, ScapeScout auch tatsächlich<br />
auf den Markt zu bringen.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Aber es gibt doch verschiedene<br />
Datenbanken, gerade im Bausektor, die auch<br />
den Freiraumbereich mit abdecken sollen.<br />
Birgit Findeli: Dort fi nden Sie meist nur Adresslisten.<br />
Im besten Fall fi nden Sie Produktdarstellungen,<br />
oft nicht aktuell, denn gar nicht<br />
selten müssen die Hersteller für jede Aktualisierung<br />
zahlen. Aber vor allem fehlt die Suchmaschine,<br />
die dafür sorgt, dass man sehr schnell<br />
einen breiten Überblick vergleichbarer Produkte<br />
erhält. Im Moment sind schlechte Erfahrungen<br />
mit teuren Produktdatenbanken eines der<br />
größten Hemmnisse bei der Verbreitung von<br />
ScapeScout. Sehen Sie, bei uns kann ein Planer<br />
sehr spezielle Eingaben machen, zum Beispiel<br />
„Betonbelag, befahrbar mit 7,5 Tonnen, Farbe:<br />
rot“. Wenn er dann eine Übersicht über eine<br />
Vielzahl der verfügbaren Produkte erhält, dann<br />
spart er sich extrem viel Arbeit. Er kann K<strong>und</strong>en<br />
vor Ort seine Vorschläge zeigen, mit dem<br />
Computer oder dem Handy. Ist der K<strong>und</strong>e nicht<br />
einverstanden, lassen sich schnell Alternativen<br />
suchen. Suchergebnisse können gespeichert<br />
werden.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: An welchem Punkt stehen Sie<br />
aktuell? Können Planer heute schon mit ScapeScout<br />
arbeiten?
Das Internetportal ScapeScout<br />
unterstützt Planer bei der<br />
Produktsuche zur Garten- <strong>und</strong><br />
Freiraumausstattung sowie zum<br />
Thema Bauen <strong>und</strong> Planen im<br />
Außenraum. Mit ein paar Klicks<br />
lassen sich vergleichbare Produkte<br />
oder Firmen mit Referenzobjekten<br />
gegenüberstellen. Weil planungsrelevante<br />
Suchkriterien eingegeben<br />
werden können, bietet das<br />
Portal einen sehr hohen Service.<br />
Birgit Findeli: Gr<strong>und</strong>sätzlich schon, aber wir<br />
haben noch nicht die kritische Masse erreicht,<br />
um eine tatsächliche Vergleichbarkeit bieten zu<br />
können. Wir stehen am Anfang der Markteinführung.<br />
Die GaLaBau in Nürnberg hat uns viele<br />
interessante Kontakte gebracht, <strong>und</strong> wir merken,<br />
dass ScapeScout bekannter wird. Für uns<br />
ist es sehr wichtig, dieses Interesse jetzt umzusetzen,<br />
denn wir haben das Ziel, schon bald ein<br />
allumfassendes Fachportal bieten zu können,<br />
das eine effektive <strong>und</strong> vergleichende Produktsuche<br />
ermöglicht.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Wie sieht es denn ganz konkret<br />
aus, wenn ein Hersteller - bleiben wir bei dem<br />
Beispiel Betonsteine – seine Produkte bei ScapeScout<br />
einstellen möchte? Ist die Produktmenge<br />
einzelner Hersteller nicht viel zu groß?<br />
Birgit Findeli: Gr<strong>und</strong>sätzlich kann ein Hersteller<br />
durchaus alle Produkte über ScapeScout anbieten.<br />
Doch man kann die Produkte – wenn es<br />
zu umfangreich wird - auch strukturiert einstellen,<br />
zum Beispiel in Ketten, so dass verschiedene<br />
Farben oder ergänzende Produkte wie Randsteine<br />
auf einer Seite platziert sind. Auch kann<br />
es unter Umständen sinnvoll sein, auf absolute<br />
Standards nicht im Detail einzugehen. Letztlich<br />
sind die einzelnen Produkte mit den Hersteller<br />
verlinkt, so dass alle Anfragen der Nutzer direkt<br />
zum Hersteller gelangen.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Und die Kosten?<br />
Birgit Findeli: Die belaufen sich auf 100 Euro<br />
im Monat bei 50 eingestellten Produkten.<br />
Selbstverständlich werden die Einträge bei einer<br />
größeren Anzahl von Produkten entsprechend<br />
günstiger. Für den Anfang bieten wir aber auch<br />
Einsteigerpreise, denn es ist uns sehr wichtig,<br />
dass wir schon bald in den Sparten Bauprodukte,<br />
Freiraumausstattung <strong>und</strong> Vegetation eine<br />
Produktübersicht bieten können.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Wer pfl egt die Daten?<br />
Birgit Findeli: Wir halten es für wichtig, dass<br />
die Hersteller diesen Part selbst übernehmen.<br />
Jeder, der mit einem PC umgehen kann, ist in<br />
der Lage, die Produkte mit den Beschreibungen<br />
in die Datenbank zu stellen. Das ist wirklich<br />
ganz einfach. Neue Produkte, Änderungen<br />
der Preise <strong>und</strong> alle weiteren Informationen wie<br />
Hinweise auf Messen können so jederzeit eingespeist<br />
werden. Wir wollen keine Hindernisse<br />
in den Weg legen, denn die Qualität der Datenbank<br />
lebt ja davon, dass die Angaben immer<br />
aktuell sind.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Ich bin gespannt, wie sich ScapeScout<br />
entwickeln wird. Die Idee ist wirklich<br />
überzeugend.<br />
Birgit Findeli: Wir arbeiten sehr an dem Gelingen.<br />
Viel Zeit <strong>und</strong> Geld stecken in dem Projekt.<br />
2011 soll der Schritt geschafft werden, dass<br />
sich ScapeScout in der Branche richtig durchsetzt.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Viel Glück! Frau Findeli, herzlichen<br />
Dank für das Gespräch.<br />
Das Interview führte Dr. Anke Münster<br />
Gewinnen Sie eines<br />
von 25 Jahresabos bei<br />
ScapeScout<br />
Präsentieren Sie 50 Produkte<br />
<strong>und</strong> Ihr Firmenportrait kostenfrei<br />
bei ScapeScout!<br />
Die Gewinner erhalten ein<br />
kostenfreies Jahresabonnement<br />
mit einer Laufzeit bis<br />
zum 31.12.2011. Das Abonnement<br />
wird nicht automatisch<br />
verlängert. Es entstehen keine<br />
Zusatzkosten.<br />
Schicken Sie eine Email an<br />
info@scapescout.de mit dem<br />
Stichwort „<strong>FreeLounge</strong>“.<br />
Einsendeschluss ist der<br />
28.02.<strong>2010</strong><br />
Alle vollständigen Einsendungen mit Angabe von<br />
Stichwort, Namen <strong>und</strong> Adresse nehmen an der<br />
Verlosung teil. Privatpersonen oder Firmen, die<br />
keine Produkte für die „Grüne Branche“ herstellen<br />
oder Vertreiben können nicht an der Verlosung<br />
teilnehmen. Die Gewinner werden benachrichtigt.<br />
Die Barauszahlung des Gewinns ist nicht<br />
möglich. Mitarbeiter der Scapescout GmbH <strong>und</strong> der<br />
<strong>Freizeit</strong>&<strong>Spiel</strong> Verlagsgesellschaft mbH sowie deren<br />
Angehörige sind von der Teilnahme ausgeschlossen.<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Verlosung<br />
fi ndet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der<br />
Teilnehmer erklärt sein Einverständnis mit der Veröffentlichung<br />
seines Namens in der Freelounge im<br />
Gewinnfall. Mehrfache Einsendungen durch einen<br />
Teilnehmer oder durch Gewinnspiel-Agenten werden<br />
bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigt.<br />
Report | 29
Bewegung im<br />
öffentlichen Raum<br />
Gerade niederschwellige Angebote für ältere Menschen sind nötig.<br />
30 | Report<br />
Die Diskussion um Bewegungsangebote für<br />
Erwachsene <strong>und</strong> besonders ältere Menschen<br />
reißt nicht ab, dabei werden oftmals polarisierende<br />
Begriffe wie „Seniorenspielplatz“ oder<br />
„Generationenpark“ genutzt <strong>und</strong> dubiose Bilder<br />
bemüht, wie „Oma im Karussell“ oder der<br />
„tobende Rentner“. Die verärgerten oder irritierten<br />
Reaktionen darauf zeigen, dass hier die<br />
Wünsche <strong>und</strong> Bedürfnisse völlig verschiedener<br />
Zielgruppen vermengt werden. Denn bei sogenannten<br />
„Outdoorfi tness“-Anlagen stellt sich<br />
sofort die Frage, wie sportlich ein Angebot für<br />
Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sein<br />
darf. Sie überfordern diese häufi g, entsprechen<br />
nicht dem Nutzungsverhalten älterer Menschen<br />
<strong>und</strong> können diese gefährden.<br />
Bei den extrem niederschwelligen Angeboten<br />
wird Skepsis geäußert, ob sie für aktivere Menschen<br />
noch interessant sind. Zu Recht, denn es<br />
wird versucht an einem Platz alle Anforderungen<br />
zu erfüllen. Dagegen ist ein differenziertes<br />
Angebot nötig: es darf sich nicht nur auf jüngere<br />
Erwachsene mit sportlichen Ansprüchen<br />
konzentriert werden. Denn gerade für ältere<br />
Nutzer, die körperlich nicht mehr besonders fi t<br />
sind, werden attraktive Lösungen benötigt, die<br />
sich ernsthaft mit ihren Fähigkeiten <strong>und</strong> Wünschen<br />
auseinandersetzen.<br />
Ausgangslage demografi scher Wandel<br />
Bereits 2030 wird über ein Drittel aller Deutschen<br />
älter als 60 Jahre alt sein. Vor diesem<br />
Hintergr<strong>und</strong> macht es Sinn, Menschen dabei zu<br />
unterstützen so lange wie möglich beweglich<br />
<strong>und</strong> ges<strong>und</strong> zu bleiben. Entsprechende Angebote<br />
für eine alternde Gesellschaft sind nicht<br />
nur ges<strong>und</strong>heitspolitisch gewollt, sondern unabdingbar,<br />
damit möglichst viele Menschen in<br />
Zukunft ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> aktiv ihren Lebensabend in<br />
der eigenen häuslichen Umgebung verbringen<br />
können: Bewegung wird hier einen wichtigen<br />
Beitrag leisten. Selbst kleinste Übungen können<br />
viel bewirken, wenn sie regelmäßig durchgeführt<br />
werden. Der Stuttgarter Geriater <strong>und</strong> Experte<br />
für Sturzprävention, Dr. Clemens Becker,<br />
empfi ehlt zweimal pro Woche ein Kraft- <strong>und</strong><br />
Balancetraining.<br />
Unterschiedliche Ansätze<br />
schließen sich aus<br />
Heute werden Angebote im öffentlichen Raum<br />
geschaffen, die viele Generationen zu Aktivitäten<br />
animieren sollen. Dabei wird häufi g,<br />
vielleicht um eine möglichst große potenzielle<br />
Nutzergruppe darzustellen, ein übertriebenes,<br />
sehr aktives Bild des Alters bemüht: Menschen,<br />
die noch im hohen Alter an Fitnessgeräten im<br />
Outdoor-Bereich trainieren oder Geräte nutzen,<br />
die ein erhebliches Maß an Koordination<br />
<strong>und</strong> Sicherheit voraussetzen. Genau hier liegt<br />
das Problem: Gerade ältere Menschen, die sich<br />
wenig bewegen <strong>und</strong> als „nicht-sporterfahren“<br />
gelten, sind von solchen Angeboten oftmals<br />
überfordert oder sogar gefährdet. Zum Beispiel<br />
haben „Beinpendel“ mit schwingenden Stangen<br />
ein erhebliches Gefährdungspotenzial, da es<br />
keinen sicheren Stand gibt. Oftmals sind sich<br />
die älteren Nutzer dessen gar nicht bewusst.
Niederschwellige Angebote sind wichtig<br />
Viele der vorhandenen Angebote „Trimm-Dich“<br />
oder „Outdoorfi tness“ erreichen vor allem die<br />
sportlich orientierten Menschen. Dabei sollte<br />
aber gerade auch für die anderen die Möglichkeit<br />
geschaffen werden, sich auch im hohen Alter<br />
noch durch kleine Bewegungsübungen aktiv<br />
zu halten. Hier sind Lösungen gefragt, die mit<br />
kleinen leichten Übungen den Nutzer abholen<br />
<strong>und</strong> nicht durch eine defi zitorientierte Gestaltung<br />
stigmatisieren. Es muss berücksichtigt<br />
werden, dass sich viele Menschen aus dieser<br />
Zielgruppe nicht im öffentlichen Raum verausgaben<br />
wollen, <strong>und</strong> nicht Geräte nutzen wollen,<br />
die sie als „tobende Rentner“ zur Schau stellen.<br />
Moderate Anforderungen erhöhen die<br />
Akzeptanz<br />
Eine Untersuchung der FH Wiesbaden (Senioren<br />
<strong>und</strong> Freifl ächennutzung, FH Wiesbaden 2008)<br />
analysierte ein besonders von älteren Menschen<br />
häufi g genutztes Bewegungsangebot in<br />
Berlin. Als Gründe für die hohe Akzeptanz der<br />
Anlage werden die moderaten Anforderungen<br />
der Geräte <strong>und</strong> die nur partielle Beanspruchung<br />
des Körpers bei den Übungen genannt. Weitere<br />
wichtige Merkmale, so die Studie, sind die Abgrenzung<br />
zu Krafttraining <strong>und</strong> Kinderspielplätzen.<br />
Es muss also differenziert <strong>und</strong> für entsprechende<br />
Angebote ein Platz gef<strong>und</strong>en werden,<br />
der nicht auf dem Präsentierteller steht <strong>und</strong> mit<br />
den Interessen jüngerer Nutzer kollidiert.<br />
Nicht auf Defi zite reduzieren<br />
Bei niederschwelligen Angeboten ist es zudem<br />
wichtig, durch eine ansprechende Gestaltung<br />
attraktive Lösungen aufzuzeigen, die nicht nur<br />
auf Defi zite reduzieren <strong>und</strong> den Nutzer bloßstellen.<br />
Solche Angebote wurden zum Beispiel<br />
im Rahmen des ExWoSt Projektes „Innovationen<br />
für altengerechte Stadtquartiere“ entwickelt<br />
<strong>und</strong> unter dem Namen „Giro Vitale“ in<br />
öffentlichen Parks sowie auf Freifl ächen von<br />
Wohnanlagen <strong>und</strong> Altenheimen oder Rehaklinken<br />
<strong>und</strong> Krankenhäusern als Bewegungsprogramm<br />
eingesetzt.<br />
Um bei der Planung <strong>und</strong> Einrichtung entsprechender<br />
Anlagen Fehler zu vermeiden <strong>und</strong> eine<br />
hohe Nutzungsakzeptanz zu erreichen, empfi<br />
ehlt sich ein strukturierter Prozess. Mit Hilfe<br />
eines Leitfadens können Standortwahl, Konzeption<br />
<strong>und</strong> Auswahl der Geräte optimiert werden.<br />
Dazu gehören auch die Beratung zu zielgruppenspezifi<br />
schen Details <strong>und</strong> die frühzeitige<br />
Partizipation von Nutzern <strong>und</strong> Multiplikatoren.<br />
Denn ein entsprechendes Angebot kann schon<br />
am Namen „Seniorenspielplatz“ scheitern.<br />
Mathias Knigge<br />
Mathias Knigge<br />
Der Diplom-Ingenieur <strong>und</strong> Produktdesigner<br />
Mathias Knigge<br />
gründete 2004 »grauwert« als<br />
Beratungs- <strong>und</strong> Designbüro<br />
„für demografi efeste Produkte<br />
<strong>und</strong> Dienstleistungen“. Er<br />
unterstützt K<strong>und</strong>en bei der<br />
Entwicklung von Lösungen im<br />
Sinne des »Universal Design«,<br />
die für eine breite Zielgruppe<br />
nützlich sind. Mathias Knigge<br />
hat das Bewegungskonzept<br />
„Giro Vitale“ entworfen <strong>und</strong><br />
gemeinsam mit der Firma Michow<br />
<strong>und</strong> Sohn aus Hamburg<br />
entwickelt.<br />
» www.grauwert.info<br />
Report | 31
32 | Report<br />
U-Bahn<br />
mc donalds<br />
Möblierung öffentlicher<br />
Stadträume<br />
Das Bild der Städte <strong>und</strong> Gemeinden wird maßgeblich von Stadtmöblierung beeinfl usst.<br />
In einer Serie von drei Teilen gibt Thomas Volprecht einen Überblick: von der kritischen<br />
Bestandsaufnahme bis hin zu den Möglichkeiten, die auch das Stadtmarketing betreffen.<br />
U-Bahn Eingang Köln<br />
Viele Köche verderben den<br />
Brei. Gutes Beispiel für eine<br />
Möblierung ohne gesamt-<br />
räumliche Abstimmung.<br />
Vier Firmen, vier Produkte:<br />
1. JCDecaux<br />
Systemstadtmöblierung<br />
Werbefl ächen<br />
2. Verkehrsbetriebe Köln<br />
Bushaltestelle<br />
3. Deutsche Telekom<br />
öffentl. Fernsprecher<br />
4. Abfallwirtschaft Köln<br />
Abfallbehälter<br />
Grafi k 1<br />
info<br />
Ein Raum, viele Nutzer<br />
Die Möblierung <strong>und</strong> Orientierung auf öffentlichen<br />
Flächen wie Plätze, Parkanlagen <strong>und</strong><br />
Straßenräume gewinnt mit dem Thema Stadtmarketing,<br />
der Verdichtung <strong>und</strong> „Bewirtschaftung“<br />
von öffentlichen Stadträumen stark an<br />
Bedeutung. Unterschiedliche Anspruchsgruppen<br />
wie Stadt- <strong>und</strong> Verkehrsplaner, Stadtmarketing<br />
Organisationen, Wirtschafts- <strong>und</strong><br />
Bürgerinitiativen, sowie Architekten <strong>und</strong> Landschaftsarchitekten<br />
sind an der Entwicklung von<br />
öffentlichen Plätzen <strong>und</strong> Stadträumen direkt<br />
<strong>und</strong> indirekt beteiligt <strong>und</strong> versuchen Einfl üsse<br />
geltend zu machen. Dabei zeigt sich, dass alle<br />
Interessensgruppen unterschiedliche Einfl üsse<br />
(Grafi k 01+2) direkt <strong>und</strong> indirekt auf die Einrichtung<br />
<strong>und</strong> Nutzung von öffentlichem Raum<br />
nehmen. Wirtschaftliche Interessen stehen dabei<br />
immer häufi ger im Vordergr<strong>und</strong>.<br />
Die Stadt ein Produkt?<br />
Vor allem das Instrument des Stadtmarketings<br />
setzt sich zunehmend mit seiner Interessenspolitik<br />
nach einer „sauberen <strong>und</strong> sicheren“ Stadt<br />
durch. Dabei wirkt der Standortwettbewerb der<br />
Städte wie ein Beschleuniger dieser Entwicklung.<br />
Privatisierung <strong>und</strong> Kommerzialisierung<br />
der zentralen Orte sowie Ausgrenzung sozialer
Randgruppen sind Folgen <strong>und</strong><br />
Voraussetzungen für eine garantierte<br />
Wertschöpfung im<br />
Interesse der Wirtschaft. So<br />
zeigt sich in der Qualität der<br />
Möblierung von öffentlichen<br />
Stadträumen, welche Interessen<br />
sich letztlich durchgesetzt<br />
haben. Mit der Etablierung von<br />
Stadtmarketing als Teil der Stadtentwicklungsplanung<br />
wird ein neuer<br />
Leitbilder<br />
entwickeln<br />
Inszenierung<br />
Architektur<br />
Kunst im Raum<br />
Blickwinkel auf die Stadt geworfen. Dabei<br />
geriert die Stadt oft zur Person - zum Produkt,<br />
welches über Marketinginstrumente „verkaufsfre<strong>und</strong>lich“<br />
entwickelt werden soll.<br />
Das wird auch in der Wortwahl von Fachtermina<br />
deutlich. In Anlehnung an das klassische<br />
Marketing werden viele Begriffe 1:1 übertragen.<br />
Das erweckt den Eindruck, als ob sich<br />
komplexe Entwicklungsvorgänge in einer Stadt<br />
mit einfachen Mitteln gestalten ließe. Dazu ein<br />
paar interessante Wortsubstitutionen:<br />
Identität > Image<br />
Stadtentwicklung > urban branding<br />
Stadtteil > zielgruppengerechtes Wohnumfeld<br />
Kultur > Event<br />
Soziale Stadterneuerung > Image-Kampagne<br />
Möblierung als Mittel der<br />
Wiedererkennung?<br />
Die oben angerissene Entwicklung spiegelt<br />
sich auch wider in dem Versuch, über Gestaltungsrichtlinien<br />
<strong>und</strong> Kollektionsvorgaben bei<br />
der Wahl der Ausstattung, die Möblierung in<br />
Städten zu vereinheitlichen. Als gestalterisches<br />
Mittel – als Corporate Design des Stadtraumes<br />
– übernimmt die Möblierung damit eine andere,<br />
stark ästhetische Aufgabe der Wiedererkennung.<br />
Der Artikel geht der Frage nach, welche<br />
Rolle Freiraumplaner <strong>und</strong> Landschaftsarchitekten<br />
in diesem Prozess einnehmen könnten <strong>und</strong><br />
welche Instrumente sich in die tägliche Planungsarbeit<br />
integrieren lassen.<br />
„Stadt“ zeigen<br />
<strong>und</strong> vermarkten<br />
Identitätsbildung<br />
Repräsentation<br />
Präsentation<br />
Haltestellen<br />
Erinnern<br />
temporäre Nutzungen<br />
Denkmal<br />
Straßenraum<br />
Verkehrsführung<br />
ÖV/MIV/LV<br />
Beschilderung<br />
sozialer<br />
Treffpunkt<br />
Parkraum<br />
Kreieren statt langsamer Entwicklung von Gesellschaft<br />
Homogenisierung versus Vielfalt, eine Stadt eine Marke?<br />
Schöne neue Welt? Sozial hygienisch? Planbar?<br />
Öffentlicher Raum als Unterhaltungsort mit Programmwechsel?<br />
Gut verkauft ist die halbe soziale Miete!<br />
beleben<br />
bewirtschaften<br />
Einfl ussfaktoren<br />
auf die Möblierung<br />
von Stadträumen<br />
Orientierung<br />
Regulierung<br />
Information<br />
Leiten/Führen<br />
Leitsysteme<br />
Marktplatz <strong>und</strong> Bühne<br />
Events, Kultur,<br />
Kunst im Raum<br />
Tourismus<strong>und</strong><br />
Kulturinfo<br />
Dazu werden die wichtigsten Einfl ussfaktoren,<br />
Akteure <strong>und</strong> Teilnehmer analysiert, die an der<br />
Möblierung von öffentlichen Plätze <strong>und</strong> Stadträumen<br />
heute mitwirken. Betrachtet wird vor<br />
allem die urbane räumliche Realität jenseits von<br />
städtebaulich ambitionierten Wettbewerbsprojekten,<br />
gelungenen Park- <strong>und</strong> Siedlungsgestaltung<br />
interessiert. Aus dem Blickwinkel<br />
der Landschaftsarchitektur soll aufgezeigt<br />
werden, inwieweit Materialität, Funktion <strong>und</strong><br />
Raumbildung von Public Elements für unseren<br />
Entwurfsprozess relevant sind. Um das Thema<br />
beispielhaft einzugrenzen, sollen anhand von<br />
gewöhnlichen öffentlichen Plätzen <strong>und</strong> Straßenräumen<br />
der Stadt Köln wichtige Gr<strong>und</strong>sätze<br />
Entwickeln<br />
Verändern<br />
Stadtmarketing<br />
Stadtentwicklung<br />
Freiraumgestaltung<br />
Plätze <strong>und</strong> Parkanlagen<br />
Einkaufsfre<strong>und</strong>liche Stadt<br />
Standortmarketing<br />
Sicherheit/Sauberkeit<br />
Verkehrsplanung<br />
Freiraumplanung<br />
Bauvorhaben<br />
Wohnunsbau,<br />
Siedlung etc<br />
Grafi k 2 – Verschiedene Einfl ussfaktoren<br />
initiieren die Möblierung <strong>und</strong><br />
Ausstattung von öffentlichen Räumen.<br />
Quelle: Zusammengestellt aus: Aufwertung<br />
als Programm? Ansätze <strong>und</strong> Folgen<br />
integrierter Stadtteilentwicklung, Gottlieb<br />
Duttweiler Institut GDI, Rüschlikon Zürich,<br />
April 2002<br />
Report | 33
Grafi k 03 – Litfaßsäule<br />
Am 1. Juli 1854 erfand Ernst Litfaß die erste Annonciersäule. Die Säule<br />
wurde erstmals in Berlin aufgestellt, nachdem Herr Litfaß Reisen nach<br />
Paris <strong>und</strong> London gemacht hatte. Es war die Geburtsst<strong>und</strong>e der Außenwerbung<br />
in Deutschland. Ein typisches Beispiel für die schrittweise<br />
Eroberung des öffentlichen Raumes durch die Wirtschaft.<br />
Links<br />
www.planwirtschaft.ch<br />
www.wirtschaftsplan.ch<br />
34 | Report<br />
<strong>und</strong> Merkmale aufgezeigt werden, die bei der<br />
Möblierung eine wesentliche Rolle spielen. Anhand<br />
typischer Fehler werden Lösungsansätze<br />
gezeigt <strong>und</strong> Handlungsempfehlungen für freiraumgestalterische<br />
Entwurfsaufgaben formuliert.<br />
Historischer Hintergr<strong>und</strong><br />
Eine kurze Geschichte der Möblierung<br />
Das rasche Wachstum der Städte im einsetzenden<br />
Industriezeitalter des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts,<br />
die Schaffung von Stadtparks, Boulevards <strong>und</strong><br />
Plätzen sowie die Möglichkeiten der Massenproduktion<br />
legten den Gr<strong>und</strong>stein für die Möblierung<br />
von öffentlichen Räumen. Der Stadtbewohner<br />
war bis zur Automobilisierung in erster<br />
Linie Fußgänger <strong>und</strong> erlebte als solcher den<br />
öffentlichen Stadtraum.<br />
Der öffentliche Raum gewann im Zuge dieser<br />
Entwicklung eine neue Bedeutung: Die Weiterentwicklung<br />
zu Aufenthaltsräumen <strong>und</strong><br />
Flaniermeilen der städtischen, bürgerlichen<br />
Öffentlichkeit lösten die mit den Zeichen des<br />
Adels <strong>und</strong> der Aristokratie versehenen Räume<br />
ab. Die Geburtsst<strong>und</strong>e der Stadtmöblierung.<br />
Der Begriff Stadtmöblierung – so wie wir ihn<br />
auch heute noch verwenden – bezeichnet das<br />
gesamte Interieur des städtischen Freiraumes:<br />
> Sitzgelegenheiten <strong>und</strong> Bänke<br />
> Beleuchtungskörper <strong>und</strong> Straßenraumbeleuchtung<br />
> Geländer <strong>und</strong> Zäune, Abgrenzungen<br />
> Brunnen <strong>und</strong> Hydranten, Feuermelder,<br />
> Werbeträger , Tafeln <strong>und</strong> Litfaßsäulen<br />
> Leitsysteme, Verkehrsbeschilderung<br />
> Haltestellen <strong>und</strong> Wartehäuschen<br />
> Absperranlagen, Poller <strong>und</strong><br />
Schachtabdeckungen<br />
> Abstellanlagen für Fahrräder, Parkraum<br />
Vor allem die neu entstandene Gusstechnik<br />
Ende des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts bot auf einfache<br />
Weise die Möglichkeit, die Elemente der Stadtmöblierung<br />
in großer Stückzahl <strong>und</strong> in einer<br />
fast unübersehbaren Formenvielfalt anzubieten.<br />
Schritt für Schritt wurden die öffentlichen<br />
Räume möbliert <strong>und</strong> den neuen Bedingungen<br />
(Aufenthaltsqualitäten) <strong>und</strong> Funktionen ( z.B.<br />
Verkehrsraum ÖV) angepasst.<br />
Einen besonderen Platz im städtischen Interieur<br />
nimmt die Gruppe der zellenartigen Kleinkörper<br />
wie Wartehäuschen, Verkaufskioske, öffentliche<br />
Bedürfnisanstalten, Wetterhäuschen <strong>und</strong><br />
Vitrinen ein, die ebenfalls zum Teil in Serie erzeugt<br />
wurden. Neben der funktionalen Bestimmung<br />
der einzelnen Objekte bildeten sie durch<br />
ihre vielfältige Formgebung einen wichtigen<br />
Bestandteil des inneren Stadtbildes.<br />
Die verschiedenen Formen der Kleinarchitektur<br />
auf Straßen, Plätzen <strong>und</strong> in Parkanlagen waren<br />
zudem meist die ersten vollständig aus Gußeisen<br />
hergestellten Bauwerke. Dazu gehört auch<br />
die berühmte Litfaßsäule von 1854 (Grafi k 03).<br />
Stadtmöblierung heute<br />
Öffentliche, halböffentliche <strong>und</strong> private Räume,<br />
Verkehrströme, Menschenströme - die Stadt<br />
hat sich zu einem komplexen Raum- <strong>und</strong> Lebenssystem<br />
entwickelt. Die Möblierung stellt<br />
eine Art Bindeglied (siehe Grafi k 04) zwischen<br />
den unterschiedlichen Systemen dar <strong>und</strong> sollte<br />
drei wesentliche Aufgaben erfüllen:<br />
Orientierung<br />
Die Möblierung macht einen städtischen Raum<br />
lesbar, defi niert Handlungsräume für die unterschiedlichen<br />
Nutzer (Verkehr, Fußgänger,<br />
Gewerbe etc.) <strong>und</strong> schafft Abgrenzungen wenn<br />
Überschneidungen zu Interessenskonfl ikten<br />
führen. Die Möblierung formuliert Bewegungsrichtungen<br />
<strong>und</strong> informiert direkt über Leitsysteme<br />
oder indirekt über die Gestalt der Form<br />
von Elementen der Stadtmöblierung.
Funktion<br />
Das Maß aller Dinge ist der Mensch als „Bewohner<br />
<strong>und</strong> Besucher“ öffentlicher Stadträume.<br />
Eine Bank ist immer noch eine Bank <strong>und</strong><br />
sollte in erster Linie bequem sein. Da Menschen<br />
die Dinge lieben, die sie auch gerne benutzen,<br />
sollte sich das Design von Stadtmöbeln eher<br />
zeitlos <strong>und</strong> zurückhaltend präsentieren <strong>und</strong><br />
weniger zeitgeistig <strong>und</strong> geschmäcklerisch. Dass<br />
öffentliche Räume zunehmend wie Designershowrooms<br />
daherkommen, soll an dieser Stelle<br />
nicht weiter betrachtet werden.<br />
Sicherheit<br />
Sicherheit ist ein Aspekt, der in Städten immer<br />
mehr an Bedeutung gewinnt. Neben der<br />
städtischen Sicherheitsfunktion betrifft dies<br />
vor allem das Gefühl, sich in sozial sicheren<br />
öffentlichen Räumen aufzuhalten. Gut platzierte<br />
Elemente (z.B. Bänke, Haltestellen etc.)<br />
dem Ort angemessene Beleuchtung, direkte<br />
<strong>und</strong> indirekte Orientierung sowie der Zustand<br />
der städtebaulichen Umgebung <strong>und</strong> der Stadtmöbel<br />
haben einen erheblichen Einfl uss auf das<br />
Wohlbefi nden in öffentlichen Räumen. Dies<br />
greift besonders an Orten, die nur temporär belebt<br />
sind. Wie sensibel das Thema Sicherheit<br />
im öffentlichen Raum ist, zeigt vor allem der<br />
zunehmende Vandalismus. Dort wo „öffentliches<br />
Leben“ <strong>und</strong> damit soziale Kontrollmechanismen<br />
den Stadtraum verlassen, wird der Ort<br />
zum Freiwild sozialer Aggressionen <strong>und</strong> Vandalismusakte.<br />
Dass Städte heute in erster Linie auf Vandalismus<br />
mit Verschönerungsaktionen <strong>und</strong> vandalismusresistenten<br />
Möblierungen reagieren, zeigt<br />
jedoch, wie sehr die Möblierung als sozialer<br />
Katalysator überbewertet wird.<br />
Möbel von der Stange?<br />
Vom Stadtentwickler zum Stadtverwalter<br />
Aufgr<strong>und</strong> der komplexen Anforderungen, die<br />
Stadträume an die Möblierung stellen, gibt es<br />
heute eine Fülle von Anbietern <strong>und</strong> Spezialisten<br />
auf dem Markt. Zu den großen Komplettanbietern<br />
zählen Hersteller wie die Burri AG, Mabeg,<br />
Velopa, Wall AG oder das französische Unternehmen<br />
JCDecaux. Von Einzelelementen bis hin<br />
zu ganzen Stadtmobiliarkollektionen (Grafi k 05)<br />
wird Städten <strong>und</strong> Kommunen heute alles angeboten.<br />
Stadtmöblierung funktioniert heute aber<br />
auch wie „modisches Shoppen“, was gefällt,<br />
wird aus dem Katalog gekauft. Es fällt auf, dass<br />
sich die Möblierung zunehmend als eigene Ebene<br />
vom räumlichen Kontext entfernt. Die Stadt<br />
Straßenraum mit<br />
eingeschränkter Nutzung:<br />
Fußgängerzone<br />
Anzeige über<br />
Belagswechsel<br />
Richtung,<br />
Raumgrenze<br />
Übergänge<br />
Leben auf öffentlichem Gr<strong>und</strong><br />
Möblierung ermöglicht Aufenthalt<br />
Halböffentlicher Raun<br />
Aussengastronomie<br />
Öffentlicher Straßenraum<br />
Verkehrsströme/Teilnehmer<br />
Grafi k 04 – Möblierung/Kennzeichnung <strong>und</strong> Raumtypen im urbanen Räumen<br />
Grafi k 05 – Beispiel für eine Systemmöblierung mit verschiedenen Werbefl ächen<br />
Produktlinie „Campo“ der Firma Wall AG; Design: Staubach & Kuckertz<br />
Report | 35
+ > Einheitliche Möblierung kann als gestalterische Klammer funktionieren<br />
> Funktion der Möblierung wird durch den Betreiber sicher gestellt<br />
> Regelmäßige Reinigung <strong>und</strong> Wartung<br />
> Schnelle Instandsetzung bei Vandalismusschäden<br />
> Senkung der Unterhaltskosten für die Stadt<br />
-><br />
Stadt verliert z.T. die Hoheit über öffentliche Teilräume = Gestaltungsverlust<br />
> Einschränkung im freiraumgestalterischen Entwurf<br />
> Es wird nur da möbliert, wo Werbeeinnahmen zu erwarten sind<br />
> Gefahr der „2 Klassen Möblierung“ in sozial schwachen Stadtteilen<br />
> Soziale Funktionen vs. wirtschaftliche Notwendigkeit<br />
> Massive „Visuelle Verschmutzung“ durch Zunahme der Werbefl ächen<br />
> Ausgrenzung von Interessengruppen wie Quartiervereine etc.<br />
Vor- <strong>und</strong> Nachteile von externen Stadtmöblierern<br />
Thomas Volprecht<br />
Thomas Volprecht lebt <strong>und</strong><br />
arbeitet in Zürich <strong>und</strong> ist<br />
Geschäftsführer des LandschaftsarchitekturbürosPlanwirtschaft<br />
<strong>und</strong> der Unternehmensberatung<br />
Wirtschaftsplan.<br />
Nach seiner Lehre als Gärtner<br />
hat er Produktdesign in Krefeld<br />
studiert <strong>und</strong> 2006 das Studium<br />
der Landschaftsarchitektur in<br />
der Schweiz absolviert.<br />
Seine Arbeitsschwerpunkte<br />
liegen in den Bereichen Freiraumplanung,<br />
Stadtmarketing,<br />
Moderation von Planungsprozessen<br />
<strong>und</strong> der Freiraumgestaltung.<br />
36 | Report<br />
wird „eingerichtet“. Dabei nehmen die Themen<br />
Kosten, Unterhalt <strong>und</strong> Wartungsfre<strong>und</strong>lichkeit<br />
einen immer höheren Stellenwert ein.<br />
Da sich die Städte aber aufgr<strong>und</strong> von fi nanziellen<br />
Schwierigkeiten immer häufi ger vom<br />
Stadtentwickler zum Stadtverwalter entwickeln,<br />
greifen zunehmend privatwirtschaftliche<br />
Unternehmen in die Möblierung von öffentlichen<br />
Räumen ein. Besonders deutlich wird dies<br />
an der Vermarktung von städtischen Werbefl ächen.<br />
Diese ist heute zunehmend an Stadtmöbel<br />
wie Wartehallen, Haltestellen <strong>und</strong> Leitsysteme<br />
gekoppelt <strong>und</strong> hat sich zu einem riesigen<br />
Markt entwickelt. Das französische Unternehmen<br />
JCDecaux ist mit 1,7 Mrd. Euro Umsatz der<br />
weltweit grösste Hersteller <strong>und</strong> Vermarkter von<br />
Stadtmöblierungskonzepten.<br />
Ein weiterer Globalplayer der Stadtmöblierung<br />
ist das deutsche Unternehmen Wall AG. Die<br />
Idee, die beide Unternehmen mit grossem Erfolg<br />
vorantreiben, ist so einfach wie erschreckend.<br />
Die Unternehmen stellen den Städten die Möblierung<br />
(Haltestellen, Leitsysteme, WC-Häuser,<br />
Kioske, Bänke usw.) kostenlos zur Verfügung.<br />
Dafür darf dann das Unternehmen die Werbefl<br />
ächen exklusiv <strong>und</strong> kostenlos bewirtschaften.<br />
Nüchtern betrachtet ist dies ein sehr erfolgreiches<br />
<strong>und</strong> schlüssiges Konzept – kommt es doch<br />
vor allem den Städten entgegen, die sich aufgr<strong>und</strong><br />
der schlechten Haushaltslage als „Volks-<br />
vertreter“ zunehmend aus gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />
städtebaulichen Aufgaben (z.B. Abnahme sozialer<br />
Wohnungsbau, Privatisierung städtischer<br />
Kultureinrichtungen etc.) zurückziehen. Ein<br />
besonderes Problem stellt jedoch die gestalterische<br />
Monotonie dar, die mit der Etablierung<br />
<strong>und</strong> dem überregionalen Vertrieb von solchen<br />
„Kollektionen“ in den Städten Einzug hält.<br />
Dies führt dazu, dass regionale städtebauliche<br />
Eigenheiten wie Materialien oder Produktgeschichten<br />
einzelner Möbelstücke verloren gehen.<br />
Die Lesbarkeit des Ortes, das Besondere<br />
einer kulturellen Identität - all dies verschwindet.<br />
Unter solchen Bedingungen würde eine<br />
schweizer Landibank ein schnelles Ende fi nden.<br />
Da jedoch jede Medaille zwei Seiten hat, sollen<br />
hier die wichtigsten Vor- <strong>und</strong> Nachteile gegenübergestellt<br />
werden.<br />
Generell ist zu sagen, dass dieses Konzept<br />
durchaus seine Berechtigung hat <strong>und</strong> auch in<br />
einer Win-Win Situation für die Städte enden<br />
kann. Dennoch bin ich der Meinung, dass für<br />
den Erhalt <strong>und</strong> die Weiterentwicklung von öffentlichen<br />
<strong>und</strong> urbanen Räumen der rein wirtschaftliche<br />
Blick – wie er zurzeit auch gerne<br />
von Stadtmarketinggesellschaften entwickelt<br />
wird – zu kurz greift. Hier ist die Stadt gefordert,<br />
eigene Vorstellungen über Funktionen,<br />
Nutzung, Lebensqualität <strong>und</strong> Einrichtung von<br />
öffentlichen Räumen zu entwickeln <strong>und</strong> Stellung<br />
zu beziehen.<br />
Thomas Volprecht<br />
In einer Serie von drei Teilen stellt Thomas<br />
Volprecht sein Dossier „Möblierung öffentlicher<br />
Räume“ vor. Lesen Sie in der kommenden <strong>Ausgabe</strong><br />
die Kapitel „Öffentlicher Raum – Schnittstelle<br />
verschiedener Interessen?“ <strong>und</strong> „Entwicklung<br />
des Stadtmarketings“
Report | 37<br />
espas GmbH • Graf-Haeseler-Straße 7-9 • D - 34134 Kassel • Tel.: +49 (0)5 61 5 74 63 90 • Fax: +49 (0)5 61 5 74 63 99 • www@espas.de
38 | Gesellschaft
Online-Bürgerbeteiligung:<br />
Im Netz gefragt<br />
Bürgerversammlungen <strong>und</strong> Anhörungen, Beiräte <strong>und</strong> Planungswerkstätten –<br />
Instrumente wie diese setzen Politik <strong>und</strong> Verwaltung häufi g ein, wenn Bürgerinnen<br />
<strong>und</strong> Bürger an Entscheidungsprozessen teilnehmen. Im Zeitalter von<br />
Internet <strong>und</strong> neuen Medien etablieren sich jedoch immer mehr auch digitale<br />
Beteiligungsmodelle, insbesondere wenn es um die Gestaltung <strong>und</strong> Nutzung<br />
des öffentlichen Raums geht.<br />
eParticipation heißt der Sammelbegriff für<br />
unterschiedliche Formen, Bürger über neue<br />
Medien, vor allem das Internet, an politischer<br />
Meinungsbildung zu beteiligen. Ihr Vorteil: Die<br />
Informationen sind schnell <strong>und</strong> direkt verfügbar,<br />
der Austausch ist interaktiv. Online-Votings<br />
oder Online-Dialoge entsprechen den aktuellen<br />
Kommunikationsgewohnheiten. Auch wenn immer<br />
noch circa 30 Prozent aller B<strong>und</strong>esbürger,<br />
vor allem ältere <strong>und</strong> sozial Schwächere, keinen<br />
direkten Online-Zugang haben: So viele Menschen<br />
wie nie zuvor nutzen hierzulande das<br />
Internet, betreiben Kommunikation via E-Mail<br />
oder über soziale Netzwerke wie Facebook <strong>und</strong><br />
Twitter.<br />
eParticipation ist nicht nur wie geschaffen für<br />
die sogenannten Digital Natives, die junge Generation<br />
von Nutzern, die mit dem World Wide<br />
Web aufgewachsen ist: Auch die Gruppe der<br />
35-45-Jährigen ist – je nach Thema – in Online-Dialogen<br />
stark vertreten. eParticipation-<br />
Tools kommen darüber hinaus einem gr<strong>und</strong>legenden<br />
Bedürfnis vieler Menschen von heute<br />
entgegen: sich vorübergehend, aber mit Nachdruck<br />
für ein bestimmtes Anliegen politisch zu<br />
engagieren. Nicht dauerhaft in Parteien oder<br />
Organisationen, sondern nur zeitweilig <strong>und</strong> zu<br />
einem bestimmten Thema oder Projekt. Eines,<br />
das sie persönlich <strong>und</strong> vor Ort betrifft. Eines,<br />
zu dem sie selbst etwas beitragen können. So<br />
wird Online-Partizipation zunehmend populärer.<br />
<strong>FreeLounge</strong> stellt einige positive Beispiele<br />
mit geringen Eintrittshürden <strong>und</strong> hohem Aktivierungsgrad<br />
der Nutzer vor:<br />
direktzustuttgart21<br />
„Ich gebe zu, dass bei diesem Projekt, das seit<br />
15 Jahren geplant wird, die begleitende Kommunikation<br />
nicht gestimmt hat“, räumte Stefan<br />
Mappus, baden-württembergischer Ministerpräsident<br />
Anfang Oktober im ZDF ein. Gemeint<br />
war Stuttgart21. Massenproteste <strong>und</strong> Polizeieinsätze<br />
gegen die Demonstranten hatten das<br />
Großprojekt zum Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs<br />
zu einem Symbol für die Entfremdung<br />
von Politik <strong>und</strong> Gesellschaft gemacht. Dabei hat<br />
das Projekt die parlamentarischen Instanzen<br />
durchlaufen. Und doch: Als die ersten Bagger<br />
rollten, fühlten sich viele Menschen buchstäblich<br />
überfahren, nicht oder schlecht informiert,<br />
zu wenig bis gar nicht einbezogen, schlichtweg<br />
nicht gefragt.<br />
Seit 21. September nun ist www.direktzustuttgart21.de<br />
online. Die Internet-Plattform ist<br />
– neben den öffentlichen Schlichtungsgesprächen<br />
<strong>und</strong> einem eigens eingerichteten Twitter-<br />
Feed – ein zentraler Baustein der „Dialogagenda<br />
Stuttgart21“, die von den Projektpartnern<br />
aufgesetzt wurde. Das Ziel: den Dialog mit den<br />
Bürger zu versachlichen <strong>und</strong> möglichst allen<br />
Interessierten, Gegner wie Befürwortern, die<br />
Möglichkeit zu geben, sich an der Diskussion<br />
des Großprojektes zu beteiligen.<br />
Bei „direktzustuttgart21“funktioniert das so:<br />
Nutzer können eigene Beiträge formulieren,<br />
Fragen direkt an verantwortliche Personen des<br />
Projektes stellen <strong>und</strong> über die Fragen, die auf<br />
der Plattform veröffentlicht werden, abstimmen:<br />
Die Fragen mit der höchsten Zustim-<br />
Gesellschaft | 39
Links<br />
» www.frankfurt-gestalten.de<br />
» www.direktzu.de/stuttgart21<br />
» www.dresdner-debatte.de<br />
40 | Gesellschaft<br />
mung werden regelmäßig an die Adressaten<br />
weitergeleitet <strong>und</strong> müssen von diesen kurzfristig<br />
beantwortet werden. Um Missbrauch<br />
zu verhindern, werden alle Beiträge vor der<br />
Veröffentlichung von einem Moderationsteam<br />
gegengelesen <strong>und</strong> frei geschaltet. „Ziel einer<br />
direktzu-Plattform ist es, dass die Anliegen,<br />
die den Bürgern am wichtigsten sind, identifi -<br />
ziert <strong>und</strong> beantwortet werden “, erklärt Georg<br />
Kolb von der direktzu Gmbh, wo die Plattform<br />
entwickelt wurde. „Deshalb bündeln wir die<br />
Beiträge. Fragen, die inhaltsgleich mit bereits<br />
veröffentlichten oder gerade beantworteten<br />
sind, werden nicht veröffentlicht.“ Bereits nach<br />
wenigen Wochen konnte Kolb mit den Betreibern<br />
von „direktzuStuttgart21“eine positive<br />
Zwischenbilanz ziehen: Bis Anfang November<br />
<strong>2010</strong> wurden bereits knapp 2.400 Anliegen bearbeitet,<br />
insgesamt knapp 10.000 Bewertungen<br />
abgegeben <strong>und</strong> die Seiten r<strong>und</strong> 380.000mal<br />
aufgerufen.<br />
Frankfurt Gestalten<br />
„Wie wäre es, wenn sich Bürger direkt über<br />
das Internet vernetzen <strong>und</strong> Ideen zur Stadtgestaltung<br />
austauschen?“ Eines Tages, als er gerade<br />
an einer Ortsbeiratsitzung teilnahm, war<br />
Christian Kreutz diese Frage durch den Kopf<br />
geschossen. Inspiriert von Projekten wie Theyworkforyou.com<br />
oder Fixmystreet aus Großbritannien<br />
machte sich der Politologe daran, der<br />
Frage eine Antwort folgen zu lassen: Am 1.<br />
März <strong>2010</strong> startete er gemeinsam mit anderen<br />
privaten Machern das Portal www.frankfurtgestalten.de.<br />
Das Online-Projekt soll den Bürgerinnen <strong>und</strong><br />
Bürgern das Engagement in der Lokalpolitik<br />
Frankfurts erleichtern. Den Schlüssel dazu sieht<br />
Christian Kreutz in offenen Daten, d.h. öffentlichen<br />
Informationen, die für den Bürger bereitgestellt<br />
werden. Offene Daten sind willkommen:<br />
Zwei Drittel aller B<strong>und</strong>esbürger sprechen<br />
sich für eine regelmäßige Veröffentlichung<br />
amtlicher <strong>und</strong> nicht personenbezogener Daten<br />
durch die Behörden aus. Dies ist das Ergebnis<br />
der forsa-Studie „Open Date – Open Government<br />
Monitor <strong>2010</strong>“ für SAS Deutschland. So<br />
können die Nutzer der Webseite „Frankfurt gestalten“<br />
aktuelle Vorlagen der Ortsbeiräte per<br />
E-Mail beziehen – im Abo <strong>und</strong> spezifi sch nur<br />
für einzelne Straßen oder Stadtteile. Jede Vorlage,<br />
ob zu einer geplanten Begrünung oder der<br />
Erweiterung eines Radfahrweges, kann online<br />
kommentiert <strong>und</strong> diskutiert werden.<br />
„Frankfurt gestalten“ setzt auf eine rege Diskussionskultur<br />
im Netz <strong>und</strong> die direkte Möglichkeit,<br />
sich zu vernetzen, Ideen auszutauschen<br />
<strong>und</strong> darüber abzustimmen– vor allem<br />
innerhalb <strong>und</strong> mit der Nachbarschaft. „Wer immer<br />
schon mal einen <strong>Spiel</strong>platz haben wollte,<br />
fi ndet vielleicht zwei Häuser weiter jemanden<br />
mit ähnlichen Ideen.“ 26 konkrete Initiativen<br />
von Nachbarn für Nachbarn sind auf diesem<br />
Wege schon gestartet worden – von „Rettet<br />
den Friedberger Platz“ über die „Neugestaltung<br />
des Campus Bockenheim“ bis hin zum „Kulturkiosk<br />
am Museumsufer“.<br />
Die Stadt Frankfurt unterstützt das Projekt<br />
unter anderem mit aktuellen Einwohnerzahlen<br />
<strong>und</strong> mit Informationen aus der Parlis-Datenbank.<br />
Von „Frankfurt gestalten“ werden die<br />
Daten neu aufbereitet, mit Schlagworten versehen,<br />
georeferenziert <strong>und</strong> anschaulich in einer<br />
Karte im Überblick gezeigt.<br />
Nach dem regen Zuspruch der Seite wurde<br />
„Frankfurt gestalten“ Mitte September <strong>2010</strong><br />
bereits wesentlich erweitert: Für alle 42 Stadtteile<br />
sind seither auf eigenen Stadtteilseiten<br />
gefi lterte Informationen zugänglich - Anträge<br />
der Ortsbeiräte ebenso wie Meldungen der<br />
Polizei oder zum öffentlichen Nahverkehr, alle<br />
mit Link zur Originalquelle. Was gerade wo diskutiert<br />
wird, zeigt auch eine große Übersichtskarte<br />
des gesamten Stadtgebietes. Ein weiteres
Beispiel, wie man Informationen einfach <strong>und</strong><br />
bürgernah zugänglich machen kann. So lobt<br />
das Wochenmagazin DIE ZEIT „Frankfurt gestalten“<br />
als „eines der interessanten Projekte<br />
hierzulande“ für Open Data.<br />
Dresdner Debatte<br />
Was die Stadtplanung betrifft, war Dresden<br />
lange Zeit ein steiniges Pfl aster: Über Jahre<br />
konnte man sich nicht dazu einigen, wie das<br />
historische Herz der Barockstadt baulich weiter<br />
entwickelt werden kann. Seit Juni <strong>2010</strong> soll die<br />
„Dresdner Debatte“ nun neue Bewegung in die<br />
festgefahrene Diskussion bringen – mit modernen<br />
Ansätzen der Bürgerbeteiligung, genauer<br />
gesagt einer Verbindung von Online-Diskussion<br />
mit Vor-Ort-Präsenz <strong>und</strong> Veranstaltungen. zebralog,<br />
ein auf Dialogverfahren spezialisiertes<br />
Unternehmen, <strong>und</strong> die Agentur sally below<br />
cultural affairs, Experten für Kommunikation,<br />
haben den kombinierten Ansatz in enger Abstimmung<br />
mit der Stadtverwaltung speziell für<br />
Dresden entwickelt. Auftaktthema war der viel<br />
diskutierte Neumarkt.<br />
Herzstück der ersten „Dresdner Debatte“ war<br />
eine Online-Plattform, auf der sich die Bürger<br />
vier Wochen lang vom 8. Juni bis 8. Juli <strong>2010</strong><br />
informieren, aber auch eigene Gestaltungsideen<br />
für den Neumarkt einstellen konnten. „Am<br />
Ende hatten wir 20.000 Besucher auf www.<br />
dresdner-debatte.de <strong>und</strong> insgesamt 550 aktive<br />
Teilnehmer, die Ideen oder Kommentare veröffentlicht<br />
haben“, berichtet Daniela Riedel, Projektleiterin<br />
von zebralog, <strong>und</strong> fügt hinzu: „Im<br />
Vergleich zu anderen Verfahren ist sowohl die<br />
Beteiligung als auch die Qualität der Beiträge<br />
als sehr hoch einzustufen.“<br />
Flankiert wurde das Online-Forum von einer<br />
Info-Box, die auf dem Neumark platziert war.<br />
„Kein Briefkasten“, wie Sally Below von sally<br />
below cultural affairs ergänzt, „sondern ein Ort,<br />
an dem interessierte Bürger mit Mitarbeitern<br />
des Stadtplanungsamtes über das Thema diskutiert<br />
haben.“ Auch in der Info-Box konnten die<br />
Bürger ihre Ideen online eingeben. Zudem war<br />
die Info-Box Schauplatz einer Expertenr<strong>und</strong>e,<br />
die zur Mitte des Dialogs über das Instrument<br />
selbst <strong>und</strong> die bisherigen Ergebnisse diskutierte.<br />
Am Ende der Neumarkt-Debatte war deutlich:<br />
Die Dresdner wünschen, dass der Platz in Zukunft<br />
eine erste Adresse für besondere institutionelle<br />
Einrichtungen oder hochwertige<br />
temporäre Nutzungen wird. Hier sollen Veranstaltungen<br />
stattfi nden, die den Neumarkt<br />
– passend zum repräsentativen Charakter der<br />
Stadt - als vitale Mitte Dresdens erlebbar machen.<br />
Einsichten wie diese sind in die stadtinterne<br />
Abstimmung für das „Nutzungskonzept<br />
Innenstadt“ eingefl ossen – ein Gr<strong>und</strong>, warum es<br />
zu dem Instrument viele positive Rückmeldungen<br />
von Seiten der Bürger gegeben hat. „Sogar<br />
von gestandenen Neumarkt-Aktivisten“, freut<br />
sich Daniela Riedel. So soll die Diskussion um<br />
den Neumarkt auch nur der Auftakt für weitere<br />
Dresdner Debatten gewesen sein, die Stadt<br />
möchte den Dialog mit den Bürgern zu anderen<br />
Themen fortsetzen: Zwei weitere Diskussionsr<strong>und</strong>en<br />
sind bereits geplant.<br />
Jörg Kohnen-May<br />
Gesellschaft | 41
Georg Kolb<br />
Business Director bei direktzu<br />
GmbH, Berlin, ist Experte für<br />
Online-Kommunikation <strong>und</strong><br />
soziale Medien. <strong>FreeLounge</strong><br />
befragte ihn zu den Erfolgsfaktoren<br />
von Bürger-Online-<br />
Befragungen – <strong>und</strong> wo diese<br />
sinnvoll eingesetzt werden.<br />
42 | Gesellschaft<br />
„Mehr als nur die Wahl zwischen A <strong>und</strong> B“<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Worin liegt das besondere Potenzial<br />
von Online-Votings- <strong>und</strong> -Dialogen?<br />
Georg Kolb: Generell gilt: Wenn die Nutzer<br />
einfach nur entscheiden können A oder B, ja<br />
oder nein, wird das Potenzial von eParticipation<br />
bei weitem nicht genutzt. Viel produktiver ist<br />
es, die Bürger an der Gestaltung eines Projektes<br />
zu beteiligen, z.B. indem sie die Möglichkeit erhalten,<br />
eigene Ideen einzubringen. Oder wenn<br />
sie gewichten können: „Was interessiert mich<br />
am meisten, was weniger?“ Aus solchen Rankings<br />
kann die Politik relevante Strömungen<br />
ablesen <strong>und</strong> beobachten wie diese sich über<br />
einen bestimmten Zeitraum entwickeln, um am<br />
Ende einen Kompromiss zwischen konträren<br />
Positionen zu gestalten.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Wann machen besonders viele,<br />
wann eher nur wenige Bürger bei einer Online-<br />
Befragung mit?<br />
Georg Kolb: Das hängt davon ab, ob die Balance<br />
zwischen inhaltlicher Tiefe <strong>und</strong> einfachen<br />
Beteiligungsmöglichkeiten stimmt. Je komplexer<br />
die bereit gestellten Inhalte sind, desto<br />
geringer ist der Aktivierungsgrad der Bürger.<br />
Für Online-Beteiligungsplattformen muss man<br />
beachten, was der dänische Web-Experte Jakob<br />
Nielsen „Participation in equality“ genannt hat.<br />
Demnach kommt in der Regel die überwiegende<br />
Zahl der Beiträge von 1 % der Beteiligten, 9 %<br />
tragen gelegentlich etwas bei, 90 % schauen<br />
nur zu. Damit ein Online-Dialog aussagekräftig<br />
ist, müssen diese 90 % der Nutzer aktiviert<br />
werden – indem man zusätzlich zu den angebotenen<br />
Inhalten eine einfache Möglichkeit der<br />
Beteiligung schafft.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Was ist der Vorteil von eParticipation<br />
gegenüber „realen“ Beteiligungsmodellen?<br />
Georg Kolb: Beteiligung über das Internet ist –<br />
wie Online-Kommunikation generell – schnell<br />
<strong>und</strong> direkt. Zudem können Themen online umfassend<br />
<strong>und</strong> anschaulich visualisiert werden,<br />
zum Beispiel Bauvorhaben in 3D-Modellen. Ein<br />
weiterer Vorteil: Die Nutzer geben nicht nur<br />
eine Stimme ab, sondern können sich vernetzen,<br />
mit anderen Interessenten in Dialog treten<br />
<strong>und</strong> aus diesem Austausch heraus Positionen<br />
entwickeln oder schärfen.<br />
Das Interview führte Jörg Kohnen-May
„Child in the City <strong>2010</strong>“<br />
Die 5. Internationale Konferenz <strong>und</strong> Fachmesse,<br />
vom 27-29. Oktober <strong>2010</strong> in Florenz, zum<br />
Thema der kindgerechten Stadt wurde vom<br />
Europäischen Netzwerk „Childfriendly Cities“<br />
organisiert. Nach erfolgreichen Vorläufern in<br />
Brügge, London, Stuttgart <strong>und</strong> Rotterdam fand<br />
die Tagung zum ersten Mal in Südeuropa statt,<br />
in der Stadt, in der auch das „Innocenti Research<br />
Centre“ von UNICEF beheimatet ist. Es<br />
trafen sich r<strong>und</strong> 300 Vertreter aus den Ressorts<br />
Verwaltungen, Institutionen, Universitäten,<br />
Verbänden <strong>und</strong> Organisationen der Zivilgesellschaft.<br />
Die Konferenz war in vier Hauptthemen<br />
gegliedert: Das Recht zu <strong>Spiel</strong>en, das Recht auf<br />
Teilnahme, Kinderarmut <strong>und</strong> schließlich die Bewertung<br />
<strong>und</strong> das Monitoring für kinderfre<strong>und</strong>liche<br />
Städte.<br />
Ein interessanter Blick über die Grenzen<br />
Für das Deutsche Kinderhilfswerk, welches<br />
derzeit gemeinsam mit UNICEF an einem Konzept<br />
zur Auditierung <strong>und</strong> Zertifi zierung kinderfre<strong>und</strong>licher<br />
Kommunen in Deutschland arbeitet,<br />
waren die Erfolge <strong>und</strong> Herausforderungen<br />
aus anderen Ländern von besonderem Interesse.<br />
Familien- respektive Kinderfre<strong>und</strong>lichkeit wird<br />
von der Öffentlichkeit in Deutschland, seit geraumer<br />
Zeit hoch gehandelt. Gr<strong>und</strong> dafür sind<br />
sinkende Geburtenzahlen, Wanderungsbewegungen<br />
<strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>ene soziale Wandel.<br />
Dies trifft nicht nur die neuen B<strong>und</strong>esländer,<br />
die besonders unter diesen Veränderungen<br />
leiden. Besonders Kommunen erkennen in der<br />
Kinder- <strong>und</strong> Familienfre<strong>und</strong>lichkeit mittlerweile<br />
weiche Standortfaktoren, die sie zumindest zu<br />
einer Vielzahl von politischen Willensbek<strong>und</strong>ungen<br />
veranlassen.<br />
Aus den Berichten einer Vielzahl europäischer<br />
Staaten (der Schweiz, Spanien, Italien, Frankreich,<br />
Österreich, Luxemburg, Russland oder<br />
Kroatien), wurde deutlich, dass Partizipation<br />
<strong>und</strong> Monitoring, über externe Evaluation oder<br />
Selbstüberprüfung, konstitutiver Bestandteil<br />
von kinder- <strong>und</strong> jugendfre<strong>und</strong>licher Stadtentwicklung<br />
sind. Demgegenüber gibt es in<br />
Deutschland eine Aufmerksamkeit für Studien<br />
(vgl. PROGNOS-Studie oder die Empirica-<br />
Delasasse-Studie), welche sich ausschließlich<br />
statistischer Kennzahlen bedienen. Was Kinder-<br />
bzw. Familienfre<strong>und</strong>lichkeit ist, defi nieren<br />
Erwachsene dabei anhand relativ grober Kategorien,<br />
das subjektive Erleben wird in der Regel<br />
nicht erfasst. Orientiert man sich an einem<br />
Qualitätsbegriff, der Qualität als das Verhältnis<br />
zwischen subjektiven Erwartungen <strong>und</strong> der Erfüllung<br />
einer Dienstleistung defi niert, greift eine<br />
reine Auswertung statistischer Kennzahlen zu<br />
kurz. Die Robert Bosch Stiftung hat gemeinsam<br />
mit Stuttgarts Oberbürgermeister das Netzwerk<br />
„Cities for Children“ gegründet, um sich mit<br />
anderen europäischen Kommunen zum Thema<br />
Kinderfre<strong>und</strong>lichkeit auszutauschen. „Cities for<br />
Children“ will anhand guter Beispiele aus europäischen<br />
Kommunen die besten Projekte <strong>und</strong><br />
Strategien fi nden, wie Kindern <strong>und</strong> Familien das<br />
Leben in Städten erleichtert werden kann. Die<br />
Eindrücke <strong>und</strong> Konsequenzen<br />
der internationalen Konferenz<br />
zur kinderfre<strong>und</strong>lichen<br />
Stadtentwicklung.<br />
Die nächste Konferenz wird<br />
2012 in Zagreb stattfi nden.<br />
Weitere Informationen unter<br />
www.childfriendlycities.eu<br />
oder bei Holger Hofmann,<br />
Deutsches Kinderhilfswerk,<br />
hofmann@dkhw.de<br />
Gesellschaft | 43
44 | Gesellschaft<br />
Mitgliedschaft im Netzwerk sieht jedoch kein<br />
Monitoring-Verfahren oder eine direkte Beteiligung<br />
von Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen vor.<br />
Viele Bausteine müssen beachtet<br />
werden<br />
Auf der Konferenz war auch unbestritten, dass<br />
ein kinderrechtlicher Ansatz zu bevorzugen ist,<br />
der eine ganzheitliche Strategie nach Bausteinen<br />
verfolgt, wie sie vom UNICEF Innocenti<br />
Research Centre entwickelt wurde: Beteiligung<br />
von Kindern, kinderfre<strong>und</strong>liche Rahmengesetzgebung,<br />
eine stadtübergreifende Kinderrechtsstrategie,<br />
Interessenvertretung für Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendliche, Vorrang für das Kindeswohl,<br />
ein ausgewiesenes Budget für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche,<br />
einen regelmäßigen Zustandsbericht<br />
der kinderfre<strong>und</strong>lichen Stadt, Information<br />
über Kinderechte sowie die Unterstützung von<br />
nicht-staatlichen Institutionen für Kinder.<br />
Unterschiede im nationalen Vorgehen waren<br />
hinsichtlich der Vorgehensweise bzw. der<br />
Instrumente festzustellen. Während man in<br />
Frankreich auf ein breites Netzwerk Wert legt,<br />
das sich insbesondere auf eine klare Willensbek<strong>und</strong>ung<br />
der politischen Spitze bezieht, erfolgt<br />
in der Schweiz zunächst eine intensive<br />
Standortbestimmung der betreffenden Stadt<br />
oder Gemeinde anhand eines Fragebogens. Ein<br />
Verfahren in der österreichischen Steiermark<br />
setzt stark auf die Einbindung bürgerschaftlichen<br />
Engagements.<br />
Alle profi tieren<br />
Durch Beiträge von kommunalen Vertreterinnen<br />
<strong>und</strong> Vertretern auf der Konferenz, darunter<br />
Verwaltungsfachleute <strong>und</strong> Bürgermeister,<br />
wurde beeindruckend unterstrichen, dass von<br />
der kinderfre<strong>und</strong>lichen Entwicklung alle in der<br />
Stadt profi tieren. Durch die Umsetzung der<br />
Leitthemen entsteht ein attraktives Umfeld zur<br />
Schaffung neuer Arbeitsplätze <strong>und</strong> Gestaltung<br />
individueller Lebensräume. Die kinderfre<strong>und</strong>liche<br />
Stadt ist Voraussetzung einer nachhaltigen<br />
Demokratieentwicklung: Durch frühzeitige Teilhabemöglichkeiten<br />
erfahren junge Menschen<br />
das Gemeinwesen als gestaltbar <strong>und</strong> werden zu<br />
eigenem Engagement motiviert. Kinderfre<strong>und</strong>liche<br />
Städte schaffen eine national einheitliche,<br />
vernetzte Kinder- <strong>und</strong> Familienpolitik.<br />
Holger Hofmann<br />
stellvertretender B<strong>und</strong>esgeschäftsführer<br />
Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
Smart Green Teil 1<br />
Sportentwicklung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung –<br />
Eine sportwissenschaftliche Perspektive<br />
Defi niert man Ges<strong>und</strong>heitsförderung nach der<br />
Ottawa Charta, ergänzt durch die Jakarta Erklärung<br />
der WHO (WHO 1986, 1998), als „Prozess,<br />
der Menschen befähigt, die Kontrolle über die<br />
(Determinanten für die) Ges<strong>und</strong>heit zu erhöhen<br />
<strong>und</strong> (dadurch) ihre Ges<strong>und</strong>heit zu verbessern“,<br />
so wird „Empowerment“ damit zum Dreh- <strong>und</strong><br />
Angelpunkt aller Bereiche ges<strong>und</strong>heitsförderlichen<br />
Handelns. Zugleich wird hier die Mehrdimensionalität<br />
des Begriffs Empowerment<br />
deutlich, die seine Übersetzung ins Deutsche so<br />
schwierig macht: Zum einen geht es hier um<br />
„Befähigung“ im Sinne der Entwicklung individueller<br />
Kompetenzen <strong>und</strong> sozialen Handelns<br />
(ges<strong>und</strong>heitsförderliche Gemeinschaftsaktionen),<br />
aber es geht zum anderen auch um „Bemächtigung“,<br />
das heißt um die Kontrolle der<br />
Menschen über ihre Lebenswelten <strong>und</strong> über die<br />
Politik, die die Ges<strong>und</strong>heitsförderlichkeit ihres<br />
Lebens <strong>und</strong> ihrer Lebenswelten maßgeblich beeinfl<br />
usst (Rütten et al. 2008).<br />
Unter der Überschrift „Smart Green - Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
durch Landschaftsarchitektur“ hat der BDLA Hessen<br />
in Kooperation mit dem BDLA Baden-Württemberg <strong>und</strong><br />
der Landesinitiative Baukultur Hessen vor einigen Monaten<br />
eine interessante Tagung veranstaltet. Weil wir darin ein<br />
Zukunftsthema sehen, haben wir einige der Referenten für<br />
die <strong>FreeLounge</strong> um einen Gastbeitrag zu diesem Schwerpunkt<br />
gebeten. Verfolgen Sie auch in den kommenden<br />
<strong>Ausgabe</strong>n die Serie „Smart Green“. Wir danken dem BDLA<br />
Hessen für die Zusammenarbeit.<br />
Gesellschaft | 45
Prof. Dr. Alfred Rütten<br />
Prof. Dr. Alfred Rütten ist seit<br />
2001 Direktor des Instituts für<br />
Sportwissenschaft <strong>und</strong> Sport<br />
der Friedrich-Alexander-Universität<br />
Erlangen-Nürnberg.<br />
Der Ansatz der Integrierten<br />
Sportentwicklungsplanung<br />
(ISEP) wurde von ihm entwickelt<br />
<strong>und</strong> erstmals eingesetzt.<br />
Professor Rütten ist gegenwärtig<br />
Sprecher der Kommission<br />
“Sport <strong>und</strong> Raum” der<br />
Deutschen Vereinigung für<br />
Sportwissenschaft (dvs) <strong>und</strong><br />
Vorsitzender des dvs-Ad-hoc<br />
Ausschlusses für ein Memorandum<br />
zur kommunalen<br />
Sportentwicklungsplanung.<br />
Jana Ziemainz<br />
Jana Ziemainz ist als Dozentin<br />
<strong>und</strong> Referentin im Bereich<br />
Sport <strong>und</strong> Bewegung an der<br />
Universität Erlangen-Nürnberg<br />
sowie an Schulen <strong>und</strong> bei freien<br />
Bildungsträgern tätig. Sie<br />
schließt gerade ihre Doktorarbeit<br />
zum Thema Sportentwicklungsplanung<br />
(SEP) ab. Seit<br />
15 Jahren ist sie mit Prof.<br />
Rütten in allen Bereichen der<br />
SEP tätig <strong>und</strong> betreut Sportentwicklungsplanungen<br />
am<br />
Institut für Sportwissenschaft<br />
<strong>und</strong> Sport der Universität<br />
Erlangen-Nürnberg.<br />
46 | Gesellschaft<br />
Die Kommune wird zum Sportraum<br />
Der Sport spielt in der Ges<strong>und</strong>heitsförderung in<br />
den letzten Jahren eine zunehmend wichtigere<br />
Rolle. Diese Rolle begründet sich zum einen im<br />
wissenschaftlichen Nachweis der besonderen<br />
Bedeutung des Sports für die Ges<strong>und</strong>heit (WHO<br />
2006) <strong>und</strong> zum anderen in der Öffnung des<br />
Sportbegriffes für die ges<strong>und</strong>heitsförderliche<br />
Bewegung. Dabei hat der gesellschaftliche Differenzierungs-<br />
<strong>und</strong> Individualisierungsprozess<br />
im Bereich des Sports zu einer Pluralisierung<br />
<strong>und</strong> Dynamisierung der Formen der Sport- <strong>und</strong><br />
Bewegungskultur <strong>und</strong> zu einem nachhaltig<br />
veränderten, komplexeren Sportpanorama geführt.<br />
Zu beobachten ist eine Erweiterung des<br />
Sportartenspektrums, verb<strong>und</strong>en mit einer<br />
Ausweitung des individuellen Sporttreibens<br />
in den Themenfeldern Ausdauer, Fitness <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heit. Es gibt eine Vielfalt von Sinnorientierungen,<br />
die vom Leistungs- <strong>und</strong> Hochleistungssport<br />
über den Wettkampfsport im Verein<br />
bis zu Modellen des <strong>Freizeit</strong>-, Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong><br />
Fitnesssports reicht. Unterschiedlichste Alters-<br />
<strong>und</strong> Zielgruppen, die spezifi sche Angebote,<br />
Organisationsformen <strong>und</strong> Bewegungsräume<br />
benötigen, sind sportlich aktiv. Neben der Möglichkeit,<br />
Sport selbst organisiert durchzuführen,<br />
gibt es eine Vielfalt an Sportanbietern. Sportvereine,<br />
die in den meisten Kommunen - nach<br />
dem selbst organisierten Sport - die größte<br />
Zahl der Sportaktiven an sich binden, stehen in<br />
Konkurrenz zu kommerziellen, staatlichen <strong>und</strong><br />
anderen Sportanbietern. Sportliche Aktivitäten<br />
werden nicht nur in Sportanlagen wie Sportplätzen,<br />
Sporthallen oder Schwimmbädern<br />
ausgeübt, sondern zunehmend in Parks, in der<br />
freien Natur, auf Straßen oder Plätzen. Somit<br />
ist die gesamte Kommune als ein Sportraum zu<br />
sehen. (Rütten et al. 2006; vgl. Memorandum<br />
der Sportentwicklungsplanung )<br />
Was Integrierte Sportentwicklungsplanung<br />
leistet<br />
Ein Instrument zur Einfl ussnahme auf diese<br />
Determinanten von Ges<strong>und</strong>heit kann die<br />
kommunale Sportentwicklungsplanung sein.<br />
Sportentwicklungsplanung wird verstanden als<br />
„... ein zielgerichtetes methodisches Vorgehen,<br />
um die infrastrukturellen Rahmenbedingungen<br />
(Raum, Angebot <strong>und</strong> Organisation) für Sport<br />
<strong>und</strong> Bewegung in der Bevölkerung zu sichern.<br />
Sie umfasst die Schaffung notwendiger empirischer<br />
Gr<strong>und</strong>lagen, die Festlegung von Zielen,<br />
Prioritäten <strong>und</strong> Maßnahmen, die Abstimmung<br />
mit allen relevanten Interessengruppen sowie<br />
Aspekte der Qualitätssicherung <strong>und</strong> Evaluation“<br />
(Rütten et al. 2003, 8).<br />
In den letzten ca. 10 Jahren wurde deutlich,<br />
dass ein solches Verfahren, neben der „Objektivierung“<br />
der Bedarfsberechnung (nach<br />
Leitfaden des B<strong>und</strong>esinstitutes für Sportwissenschaft<br />
2000), auch die „subjektiven Bedarfe“<br />
der Sporttreibenden <strong>und</strong> Sportanbieter vor<br />
Ort berücksichtigen muss. Insbesondere sollte<br />
dieses Verfahren eine direkte Abstimmung mit<br />
den lokalen Sportorganisationen <strong>und</strong> anderer<br />
Experten beinhalten, so dass deren spezifi sche<br />
Wissensbestände <strong>und</strong> Interessenlagen in die<br />
Bedarfsfestlegung einfl ießen können. Als in<br />
diesem umfassenden Sinne adäquates Verfahren<br />
wird inzwischen sowohl in der Sportwissenschaft<br />
als auch in der kommunalen Praxis, der<br />
Ansatz der Integrierten Sportentwicklungsplanung<br />
(ISEP) angesehen.<br />
Integrierte Sportentwicklungsplanung basiert<br />
auf einer genauen Analyse der konkreten fachlichen<br />
<strong>und</strong> politischen Sportentwicklungsbedarfe<br />
in der kommunalen Praxis sowie der Vor- <strong>und</strong><br />
Nachteile, die die bisher in der Sportentwicklungsplanung<br />
in Deutschland eingesetzten<br />
Verfahren in dieser Hinsicht bieten. Darüber<br />
hinaus berücksichtigt Integrierte Sportentwicklungsplanung<br />
eine Reihe von Prämissen<br />
für einen zukunftsfähigen Planungsansatz (z. B.<br />
Prinzipien der Bürgerbeteiligung <strong>und</strong> der Nachhaltigkeit<br />
sowie die Anschlussfähigkeit an die<br />
Stadtentwicklung). Zusammengefasst geht die<br />
Integrierte Sportentwicklungsplanung von folgenden<br />
Kernüberlegungen aus:<br />
Ein f<strong>und</strong>iertes, von der Sportpolitik als<br />
auch von anderen Politikfeldern akzeptiertes<br />
Verfahren zur Bedarfsermittlung für die<br />
kommunale Sportentwicklung <strong>und</strong> Sportinfrastruktur<br />
ist vordringlich, um die erforderlichen<br />
Flächen <strong>und</strong> fi nanziellen Ressourcen<br />
für die Entwicklung dieses Bereichs zukünftig<br />
sicherzustellen <strong>und</strong> allen an der Sportentwicklung<br />
interessierten Akteuren <strong>und</strong><br />
Institutionen einen verlässlichen Planungsrahmen<br />
zu bieten.<br />
Darüber hinaus werden beim Ansatz der<br />
Integrierten Sportentwicklungsplanung die<br />
„subjektiven Bedarfe“, das heißt die Ideen<br />
<strong>und</strong> Wünsche zur Sportentwicklung seitens<br />
der maßgeblichen Akteure in den Kommunen,<br />
im Verfahren der Bedarfsfestlegung<br />
explizit behandelt <strong>und</strong> können so bei der<br />
konkreten Planung von Maßnahmen zur<br />
Sportentwicklung angemessen berücksichtigt<br />
werden.
Das Kernmodul der Kooperativen Planung<br />
ermöglicht zum einen eine umfassende<br />
Abstimmung aller Interessenvertreter vor<br />
Ort <strong>und</strong> schafft somit eine wichtige Voraussetzung<br />
für die Akzeptanz der Sportentwicklungsplanung.<br />
Zum anderen ist der<br />
kooperative Planungsprozess explizit auf die<br />
praktische Umsetzung angelegt: am Ende<br />
liegt ein konkreter Maßnahmenkatalog zur<br />
weiteren Sportentwicklung vor – mit festgelegten<br />
Verantwortlichkeiten, Zeit- <strong>und</strong><br />
Finanzierungsrahmen sowie Indikatoren für<br />
eine erfolgreiche Umsetzung.<br />
Integrierte Sportentwicklungsplanung bedeutet<br />
die Integration der Sportentwicklungsplanung<br />
mit Planungen in anderen<br />
Sektoren (z. B. <strong>Freizeit</strong>, Verkehr, Umwelt,<br />
Stadtentwicklung) <strong>und</strong> entspricht mit seiner<br />
Orientierung an einer Gesamtstrategie nachhaltiger<br />
Entwicklung, einer intersektoralen<br />
Ausrichtung, einer umfassenden Bürgerbeteiligung<br />
<strong>und</strong> einem intensiven Austausch<br />
von Bürgervereinigungen, Entscheidungsträgern<br />
<strong>und</strong> Experten.<br />
Die neue Form der Sportentwicklungsplanung<br />
eröffnet somit neue Chancen. Der Sport selbst<br />
wird durch die Integrierte Sportentwicklungsplanung<br />
sowohl für den Sport als auch für die<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung anschlussfähig für andere<br />
Fachdisziplinen <strong>und</strong> Politikressorts. Darüber<br />
wird eine engere Verzahnung von Sport- <strong>und</strong><br />
Stadtentwicklung möglich. Durch die verschiedenen<br />
Möglichkeiten der Öffnung der Beteiligungsprozesse<br />
werden neue Ressourcen für den<br />
Sport <strong>und</strong> durch den Sport erschlossen. Gerade<br />
in dieser Hinsicht ist die Integrierte Sportentwicklungsplanung<br />
mit zugleich ein wichtiger<br />
Ansatz der Ges<strong>und</strong>heitsförderung, da er die<br />
Kontrolle der Menschen über die „Bewegungsverhältnisse“<br />
erhöht <strong>und</strong> damit zugleich mehr<br />
ges<strong>und</strong>heitsförderliche Bewegungsmöglichkeiten<br />
schafft.<br />
Alfred Rütten <strong>und</strong> Jana Ziemainz<br />
Literatur:<br />
B<strong>und</strong>esinstitut für Sportwissenschaft<br />
(BISp) (2000). Leitfaden für die Sportentwicklungsplanung.<br />
Schorndorf:<br />
Hofmann-Verlag.<br />
Rütten, A., Schröder, J. & Ziemainz, H.<br />
(2003). Handbuch der kommunalen<br />
Sportentwicklungsplanung. Aachen:<br />
Meyer & Meyer Verlag.<br />
Rütten, A., Schröder, J. & Ziemainz, H.<br />
(2006). Sportstätten. In H. Haag & B.<br />
Strauss (Hrsg.) Themenfelder der Sportwissenschaft.<br />
Band VI (S. 361-376)<br />
Schorndorf: Hofmann.<br />
Rütten, A., Röger, U., Abu-Omar, K.,<br />
Frahsa, A. (2008). Empowerment von<br />
Frauen in sozial benachteiligten Lebenslagen:<br />
Das BIG-Projekt. Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
70: 742-747.<br />
WHO (1986) Ottawa Charter for<br />
Health Promotion. First International<br />
Conference on Health Promotion. Ottawa,<br />
21.November 1986. WHO/HPR/<br />
HEP/95.1.<br />
WHO (1998). Health promotion glossary.<br />
Geneva: WHO.<br />
WHO (2006). Physical activity and<br />
health in Europe. Evidence for Action.<br />
Copenhagen: WHO.<br />
Links<br />
» www.sportwissenschaft.de<br />
Gesellschaft | 47
Erfolgreiche Zwischennutzung<br />
von städtischen Freiräumen<br />
48 | Gesellschaft<br />
Eng umschlungen wogen sich die Paare rhythmisch zu dem leisen Hauch von<br />
Tangomusik. Dabei befanden sich die Tänzer nicht in den Straßen von Buenos<br />
Aires, sondern auf einer Brachfl äche in Dresden-Pieschen. Drei Monate lang<br />
in diesem Sommer wurde die provisorische Holzbühne zwischen der schnell<br />
wachsenden Pfl anzenwelt für kulturelle Aktivitäten genutzt. Angeboten wurden<br />
neben Tangoabenden <strong>und</strong> Yogast<strong>und</strong>en zahlreiche Kinderveranstaltungen.<br />
Durch eine Zwischennutzung einer Brachfl äche in der Stadt ist ein neuer temporärer<br />
Treffpunkt entstanden.<br />
Eine temporäre Nutzung von Brachfl ächen <strong>und</strong><br />
Baulücken trägt zur Interaktion <strong>und</strong> Integration<br />
der Stadtbewohner <strong>und</strong> ihrer Kinder in deren<br />
Stadtquartier bei. Zusätzlich werden soziale<br />
Kontakte geknüpft <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaften entwickelt.<br />
Die Nutzungsdauer von Brachfl ächen <strong>und</strong><br />
Baulücken in deutschen Städten beträgt im<br />
Durchschnitt zwischen drei Monaten <strong>und</strong> vier<br />
Jahren. Eine automatische Verlängerung der<br />
Nutzungszeit ist möglich. Eine aktive Aneignung<br />
von Brachfl ächen <strong>und</strong> Baulücken durch<br />
Bewohner <strong>und</strong> ihrer Kinder <strong>und</strong> die Möglichkeit<br />
zu einer befristeten Nutzungsfestsetzung wird<br />
nach § 9 <strong>und</strong> § 171 Baugesetzbuch erleichtert.<br />
Die Aufstellung eines Bebauungsplans wird für<br />
nicht kommerzielle Zwischennutzungen nicht<br />
benötigt.<br />
„Zwischennutzungen gewinnen dort an Bedeutung,<br />
wo mehr Flächen freigesetzt werden,<br />
als kurzfristig nachgenutzt werden können. In<br />
der Regel fi ndet kein Wechsel des Eigentümers<br />
statt, es gibt kaum Nutzungskonkurrenz <strong>und</strong><br />
das bestehende Planungsrecht bleibt erhalten.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Befristung bedingen Zwischennutzungen<br />
in der Regel nur geringe Investitionen“,<br />
formuliert die Mitinhaberin des Büros<br />
BPW baumgart+partner, Professorin Sabine<br />
Baumgart.<br />
Der Vorteil für den Gr<strong>und</strong>stückseigentümer<br />
liegt auf der Hand: Eine Zwischennutzung<br />
von Brachfl ächen <strong>und</strong> Baulücken reduziert die<br />
Unterhaltungskosten, die durch Vermüllung,
Vandalismus oder Verwahrlosung entstehen,<br />
denn die Nutzer übernehmen die Verantwortung<br />
für die Pfl egearbeiten. Die Einbeziehung<br />
der Brachfl äche in die Stadtentwicklung erhöht<br />
den späteren Nutz- <strong>und</strong> Vermarktungswert. Es<br />
entwickeln sich Flächen, die fl exibel benutzt<br />
werden können. Die Städte gewinnen an sozialer<br />
<strong>und</strong> ökologischer Lebensqualität <strong>und</strong> dabei<br />
wird eine neue anspruchsvolle Gestaltungsmöglichkeit<br />
für die Stadtquartiere in Bewegung<br />
gesetzt. Von experimenteller Architektur <strong>und</strong><br />
Landschaftskunst bis hin zu kulturellen Workshops<br />
<strong>und</strong> <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong> Erlebnisräume ist alles<br />
umsetzbar. Wenn es in einem Stadtviertel an<br />
Freiräumen mangelt, erfüllen kurzlebige <strong>und</strong><br />
fl exible Zwischennutzungen eine erstrebte sozialräumliche<br />
Entwicklung. Ein freiheitliches<br />
Handeln wird im Alltag integriert. Temporäre<br />
grüne Erholungsfl ächen können als „Bremser“<br />
für Stadtfl ucht, als „Anpassungsstrategie“ für<br />
die Folgen des Klimawandels, als Hoffnungsträger<br />
für Flächen, die man baulich nicht nutzen<br />
wird, fungieren. „Grün in der Stadt“ ist eine<br />
nachhaltige Entwicklung moderner ökologischer<br />
Stadterneuerung.<br />
Das Positive der schrumpfenden Städte in<br />
Deutschland ist der durch den Abriss von<br />
Wohnraum entstehende Lebensraum. Die alte<br />
Begründung, aus Platznot <strong>Spiel</strong>plätze <strong>und</strong> öffentliche<br />
Freiräume so knapp wie möglich zu<br />
planen, ist endgültig passé. Bei den Schrumpfungsprozessen<br />
der Städte in Deutschland in<br />
Form von Rückbau, Abriss <strong>und</strong> Sanierung der<br />
Restbestände entstehen Freifl ächen. Früher<br />
bezeichneten die Architekten <strong>und</strong> Stadtplanern<br />
diese Flächen als „weiße Flächen“. Früher<br />
galt es in der Praxis, diese „weiße Fläche“ zu<br />
bebauen. Freie, theoretische studentische Abschlussarbeiten<br />
bestanden darin, diese „weiße<br />
Flächen“ auszuk<strong>und</strong>schaften, zu analysieren<br />
<strong>und</strong> mit einem stimmigen Bauentwurf die Professoren<br />
mitzureißen. Die restlichen Freifl ächen<br />
liefen defi nitorisch unter den gesetzlich vorgeschriebenen<br />
Abstandsfl ächen.<br />
Stadtquartiere mit einer schwierigen Entwicklung<br />
können durch Umnutzung von Brachfl ächen<br />
in bürgergestaltete Flächen aufwertet<br />
werden <strong>und</strong> an Qualität gewinnen. „In der<br />
Übergangsphase von ‚nicht mehr‘ zu ‚noch<br />
nicht‘ erweist sich eine temporäre Nutzung als<br />
kluge Strategie in Transformationsprozessen.<br />
Zwischennutzungen von Abrissfl ächen bereiten<br />
den Standort, aber auch die Eigentümer <strong>und</strong><br />
Bewohner auf die neue Situation vor, wenn<br />
eine nichtbauliche Nachnutzung die wahrscheinliche<br />
Entwicklungsperspektive ist. Gerade<br />
nach einem Abbruch ist ein neuer Aufbruch mit<br />
neuen Qualitäten möglich“, ist die Auffassung<br />
von Dr. Manfred Fuhrich vom B<strong>und</strong>esamt für<br />
Bauwesen <strong>und</strong> Raumordnung in Bonn.<br />
„City gardens“, „green city movement gardens“,<br />
„school gardens“ sind nur einige Begriffe für die<br />
bürgerliche Eroberung von städtischen Brachfl<br />
ächen <strong>und</strong> Baulücken in den Vereinigten Staaten.<br />
Während im Weißen Haus in Washington<br />
Michelle Obama zusammen mit Kindern letztes<br />
Jahr die ersten Gemüsebeete anpfl anzte, sind<br />
die Kinder <strong>und</strong> Erwachsenen der Suburbs der<br />
Autostadt Detroit seit den siebziger Jahren mit<br />
der Kultivierung von Nutzgärten beschäftigt.<br />
Wo früher Einfamilienhäuser mit Garagen standen,<br />
wachsen jetzt Tomaten, Maiskolben, Äpfel<br />
<strong>und</strong> diverse Gemüsesorten. Von dem ehemals<br />
bewohnten, äußeren Ring von Detroit existieren<br />
nur noch die asphaltierten Straßen, die<br />
Lampen <strong>und</strong> die Gehwege. Jeder Zeit könnten<br />
die Parzellen wieder mit Häusern <strong>und</strong> Garagen<br />
bestückt werden. Auf diesen Freifl ächen, die<br />
von der Stadt kostenlos den Bürgern <strong>und</strong> ihren<br />
Kindern zur Verfügung gestellt wurden, sind gepfl<br />
egte Nutzgärten entstanden. Jedes Jahr werden<br />
Gerätschaften <strong>und</strong> Samen von Gärtnereien<br />
gespendet. Feststeht, dass, solange ein neuer<br />
Investor nicht mit Plänen für ein Shoppingzentrum<br />
kommt <strong>und</strong> keine neuen Häuser gebaut<br />
werden, die Bürger diese Flächen bewirtschaften<br />
dürfen. Die Kriminalität ist über die Jahre<br />
stetig zurückgegangen. Dort, wo früher an jedem<br />
Block <strong>und</strong> jede Nacht Schiessereien statt-<br />
Gesellschaft | 49
50 | Gesellschaft<br />
fanden, wo Drogenabhängige sich ihren letzten<br />
Schuss gegeben haben, <strong>und</strong> wo die Arbeitslosen<br />
ihre Kinder hungrig zu Bett gebracht haben, ist<br />
ein „community garden“ entstanden. Jeder hilft<br />
mit <strong>und</strong> die Früchte der Arbeit werden von jedem<br />
gegessen. Drogen- <strong>und</strong> Alkoholabhängige<br />
helfen in ihren lichten Momenten mit <strong>und</strong> für<br />
einige St<strong>und</strong>en am Tag verjagen sie die Nagetiere<br />
oder gießen die Pfl anzen. Anteilig erhalten<br />
auch sie Produkte aus der Ernte. Mit der fast<br />
vierzigjährigen Zwischennutzung ist ein wegweisendes<br />
Beteiligungsprojekt entstanden, das<br />
die Menschen jeden Tag aufs Neue mit Hoffnung<br />
erfüllt.<br />
„Community gardens“ in New York sind durch<br />
eine pragmatische Zwischennutzung in den<br />
letzten drei Jahren entstanden. Bedürftige<br />
Bürger <strong>und</strong> ihre Kinder bauen mitten in der<br />
Stadt Gemüse <strong>und</strong> Obst an <strong>und</strong> die Überschüsse<br />
werden an Suppenküchen weiter gegeben.<br />
Nachhaltige Nachbarschaftsnetzwerke <strong>und</strong><br />
eine ökologische Stadtentwicklung sind weitere<br />
Resultate dieses bürgerlichen Engagements.<br />
Die grünen Stadtinseln führen zudem zu einer<br />
Aufwertung der Stadtteile <strong>und</strong> zu einer gesteigerten<br />
Nachfrage nach Wohnraum. In Deutschland<br />
werden die „Tafelgärten“ in Gardelegen,<br />
Klötze <strong>und</strong> Salzwedel von den fl eißigen Händen<br />
der Arbeitslosengeld- II-Empfänger bewirtschaftet.<br />
Die Pfl anzen stammen aus Spenden<br />
von Gartenbaubetrieben in Sachsen-Anhalt.<br />
Die unkomplizierte Zusammenarbeit zwischen<br />
den „Stadtbauern“ <strong>und</strong> den Tafeln deckt die<br />
Nachfrage von Bedürftigen nach frischem Gemüse<br />
<strong>und</strong> Obst für ihre Kinder ab. Auch in Addis<br />
Abeba <strong>und</strong> in Buenos Aires tragen gärtnerische<br />
Aneignungsinitiativen von Brachfl ächen <strong>und</strong><br />
Baulücken zu einer Entwicklung stabiler öffentlicher<br />
Sozialräume bei.<br />
In Ludwigshafen haben sich die Bürger <strong>und</strong> ihre<br />
Kinder öffentliche Freiräume angeeignet. Ihre<br />
umgesetzten Ideen resultieren in kleinteiligen,<br />
durcheinander gewürfelten, grünen Oasen, die<br />
nichts mit dem vorherigen, leblosen Zustand<br />
gemeinsam haben. In Leipzig <strong>und</strong> Selb packen<br />
die Bürger mit Leidenschaft an <strong>und</strong> gestalten<br />
gemeinschaftlich „Bürgergärten“ mit Nutz- <strong>und</strong><br />
Zierpfl anzen. Die Innenhofgärten abgerissener<br />
Dessauer Wohnblöcke werden mit weiteren<br />
Anpfl anzungen zu städtischen Freiräumen erweitert.<br />
Sowohl in Cottbus, Jena <strong>und</strong> Berlin-<br />
Marzahn entstehen in Form von Aneignungsprojekten<br />
Schulgärten, bürgerliche Gärten,<br />
Mietergärten <strong>und</strong> Nachbarschaftsgärten. Die<br />
Gr<strong>und</strong>stückseigentümer tauschen ihre Baulücken<br />
gegen eine aktive <strong>und</strong> regenerierende<br />
Nutzung ein. Jugendliche in Berlin-Prenzlauer<br />
Berg wandelten eine Brachfl äche in acht Kiezgärten<br />
um. Eine Wiederbelebung des ehemaligen<br />
Schulgartens in Magdeburg wurde durch<br />
die Beteiligung von Kindern mit Behinderungen<br />
<strong>und</strong> deren Schuldirektor ermöglicht. Im Stadtteil<br />
Chemnitz-Sonnenberg haben sich die Kinder an<br />
der Neugestaltung des öffentlichen Freiraums<br />
beteiligt. Mit einem Blick auf die Problemsituationen<br />
vor Ort haben die Kinder nicht nur Flächen<br />
für sich, sondern sich zusätzliche Flächen<br />
für unterschiedliche Generationen gewünscht.<br />
In Bremen sind <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong> Bewegungsfl ächen<br />
für Kinder durch eine Umwandlung von Brachfl<br />
ächen in Wiesen gewonnen worden.
Leise beobachten die Kinder mit ihren Lehrern<br />
einen Vogel beim Nestbau in „ihrem Wald“ –<br />
der Industriewald Rheinelbe in Gelsenkirchen<br />
Ückendorf. Ein außerschulischer Erlebnisraum<br />
für Kinder hat sich durch eine neue Funktionszuweisung<br />
der ehemaligen Brachfl äche der<br />
Zeche Rheinelbe entwickelt. Es ist ein gelungenes<br />
Beispiel, wie Schulkinder spielerisch an<br />
Themen wie ökologische Zusammenhänge <strong>und</strong><br />
Umweltschutz herangeführt werden. Der Landesbetrieb<br />
Wald <strong>und</strong> Holz Nordrhein-Westfalen<br />
<strong>und</strong> die Forststation Rheinelbe in Gelsenkirchen<br />
haben eine praxisorientierte Lernmöglichkeit,<br />
die die Bewegungs- <strong>und</strong> Entdeckungsbedürfnisse<br />
der Kinder befriedigt, geschaffen. Der<br />
Wald ist für die Bevölkerung <strong>und</strong> deren Kinder<br />
geöffnet worden <strong>und</strong> wird entweder auf eigene<br />
Faust, bei geführten Spaziergängen oder<br />
im Rahmen des Schulunterrichts erk<strong>und</strong>et. Ein<br />
weiteres Beispiel für „city woodlands“ ist die<br />
urbane Mischwaldlandschaft für die Bewohner<br />
in Halle-Silberhöhe. Durch eine temporäre<br />
Zwischennutzung von Brachfl ächen mit einer<br />
großfl ächigen Aufforstung, einer Pfl anzung einer<br />
Wildobstwiese, Kurzumtriebsplantagen mit<br />
Balsampappeln <strong>und</strong> der Aussaat einer Wildblumenwiese<br />
wurde ein Naherholungsgebiet für<br />
die angrenzenden Stadtquartiere geschaffen.<br />
Auf dem Internationalen Gartengelände am<br />
Funkturm in Gießen verwandelte sich ein altes<br />
amerikanisches Kasernengelände durch Bürger-<br />
<strong>und</strong> Kinderbeteiligung in ein Paradies. Auf<br />
einem Hektar Fläche zwischen Mehrfamilienhäusern<br />
beteiligen sich Bürger <strong>und</strong> ihre Kinder<br />
aus 20 Nationen. Die Kinder haben die Pfl anzen<br />
selbst ausgesucht <strong>und</strong> die Verantwortung <strong>und</strong><br />
Pfl ege übernommen. Diese Arbeit beinhaltet<br />
jeden Freitag einen kontinuierlichen Einsatz<br />
<strong>und</strong> alle anfallenden Arbeiten werden je nach<br />
jahreszeitlichem Rhythmus durchgeführt – vom<br />
Anbau der Nutzpfl anzen bis zum Jäten <strong>und</strong> Bewässern,<br />
vom Einsäen bis zum Ernten <strong>und</strong> Einmachen.<br />
Diese demokratische Bürgerbewegung<br />
auf stadtplanerischer Ebene verläuft unaufhaltsam<br />
auch durch die deutschen Städte. Die<br />
Bereitschaft, sich an der Gestaltung der Wohnumwelt<br />
zu beteiligen, <strong>und</strong> die wahrgenommene<br />
Handlungsfreiheit, sich Brachfl ächen <strong>und</strong><br />
Baulücken anzueignen, führen zu einzigartigen<br />
Stadträumen.<br />
Die Werte unserer Gesellschaft prägen die Planung<br />
unserer Städte – <strong>und</strong> umgekehrt prägt<br />
das Stadtbild unser gesellschaftliches Beisam-<br />
mensein. Bei der Freigabe von Brachfl ächen zur<br />
Umwandlung in einen öffentlichen Freiraum<br />
werden die schlummernden Potentiale der<br />
Wohnumwelt geweckt, eine gesellschaftliche<br />
Entwicklung in Gang gesetzt <strong>und</strong> der Beteiligungswunsch<br />
der Bewohner <strong>und</strong> ihrer Kinder<br />
erfüllt. Kinder, die in den Beteiligungsprozess<br />
einer stadtplanerischen Gestaltung ihrer<br />
Wohnwelt einbezogen werden, partizipieren<br />
an der Gesellschaft, identifi zieren sich mit ihrem<br />
„Platz“ <strong>und</strong> ihrer Wohnumwelt. Stolz, dass<br />
ihre Vorschläge umgesetzt worden sind, übernehmen<br />
sie die Verantwortung für ihre Stadt.<br />
Denn sie haben auf spielerischen Wegen erfahren,<br />
wie sie sich aktiv <strong>und</strong> demokratisch in die<br />
Gesellschaft einbringen können. Kinder können<br />
sich beteiligen <strong>und</strong> sie sind auch bereit, später<br />
die bürgerliche Gesellschaft mitzugestalten.<br />
Ein erlerntes, lebendiges <strong>und</strong> tolerantes Miteinander<br />
verhindert eine soziale Ausgrenzung.<br />
Zudem erhält das städtische Gefüge durch diese<br />
Metamorphose eine nachhaltige, lebendige<br />
Sozialstruktur, in der alles realisierbar ist. Der<br />
Zwischennutzung von Brachfl ächen <strong>und</strong> Baulücken<br />
muss ein größerer Stellenwert bei der Planung<br />
von menschen- <strong>und</strong> kostenfre<strong>und</strong>lichen<br />
Städten eingeräumt werden.<br />
Eine Stadt <strong>und</strong> eine Gesellschaft können nicht<br />
durch Passivität entstehen. Die Stadtbewohner<br />
<strong>und</strong> ihre Kinder brauchen dringend Befürworter<br />
der Zwischennutzung von Brachfl ächen <strong>und</strong><br />
Baulücken. Zukunftsorientierte Städte, aber<br />
auch mutige Privateigentümer müssen fl exible,<br />
städtische Erfahrungsräume für alle Altersgruppen<br />
schaffen <strong>und</strong> neue Impulse <strong>und</strong> Akzente im<br />
Stadtraum herbeiführen.<br />
Ruth Esther Gilmore<br />
Ruth Esther Gilmore<br />
Die Autorin verfasst zurzeit<br />
bei Prof. Dr. Barbara Zibell<br />
an der Fakultät Architektur<br />
<strong>und</strong> Landschaft an der Leibniz<br />
Universität Hannover <strong>und</strong> bei<br />
Prof. Dr. Jens Dangschat an der<br />
TU Wien ihre Dissertation über<br />
Innovative Wege einer kinderfre<strong>und</strong>lichen<br />
Stadtplanung in<br />
deutschen Städten.<br />
Gesellschaft | 51
Marktmonitor<br />
Nehmen Sie Platz !<br />
Produkte, mit denen eine Kommune ihre Feiräume aufmöbeln kann, werden immer vielfältiger. Je<br />
nach Konzept sind sie dezent mit edlen Werkstoffen wie Echtholz <strong>und</strong> Edelstahl oder quietschbunt<br />
aus Kunststoffen oder Kompositmaterialien. Immer im Blickpunkt ist die Nachhaltigkeit. Ludwig<br />
Keißner hat einige Ideen der Hersteller zusammengetragen.<br />
52 | Marktmonitor<br />
Tisch „mensa“<br />
Wenn jemand so formvollendet zu Tisch bittet, kann<br />
man einfach nicht widerstehen. Der Tisch mensa im<br />
Format: 2200 x 900 x 760 mm ist aus Edelstahl mit<br />
Granitaufl age gefertigt <strong>und</strong> bringt sogar seine eigene<br />
<strong>Spiel</strong>fl äche in Form eines Schachbretteinlegers<br />
mit. Das Oval als Gr<strong>und</strong>element der Serie gibt dem<br />
Tisch einen kommunikativen Charakter. Die Form ist<br />
perfekt abgestimmt auf die geschwungenen Bänke<br />
„placidus3“ <strong>und</strong> ebenfalls gewohnt perfekt in der<br />
Verarbeitung. Ein r<strong>und</strong>um schönes Ensemble, an<br />
dem man gerne Platz nimmt.<br />
» www.stilum.de<br />
Mehrgenerationenbank<br />
Die Vivanti Mehrgenerationenbank gewährt durch ihre ergonomisch geformte<br />
Rückenlehne, Armlehnen <strong>und</strong> Fußstütze mehr Komfort beim Sitzen<br />
<strong>und</strong> macht das Aufstehen einfacher. Durch die Möglichkeit, den eigenen<br />
Rollator in die vorgesehene Aussparung abzustellen, entsteht ein Sitzplatz<br />
mit Rückenstütze. Auch die hohe<br />
Ausführung ohne Rückenlehne<br />
macht etwas her. Halb stehend<br />
halb sitzend lädt sie zum Verweilen.<br />
Die Serie aus Stühlen <strong>und</strong><br />
Bänken in verschiedenen Größen<br />
kombiniert unbehandeltes Hartholz<br />
mit FSC Siegel für nachhaltige<br />
Forstwirtschaft <strong>und</strong> verzinktem<br />
pulverbeschichtetem Stahl in RAL<br />
7021 Schwarzgrau.<br />
» www.velopa.de
HorseShoe<br />
Die HorseShoe Bänke sind eigensinnig. Die niedrigen Bänke sind aus abger<strong>und</strong>eten Cumaro-Holzlatten (FSC-zertifi ziert) konstruiert, die auf<br />
einem Gestell aus Edelstahl (Klasse 316) befestigt sind. Diese Materialkombination ist sehr edel <strong>und</strong> trotzt allen jahreszeitlichen Witterungseinfl<br />
üssen. Die tiefbraune Holzfarbe zeigt verschiedene Nuancen. Durch die erhöhte Sitzfl äche in der Form eines Hufeisens ergibt sich ein<br />
überraschend angenehmer Sitzkomfort. Auch mit integriertem Pfl anzkübel <strong>und</strong> in breiter Ausführung für beidseitiges Sitzen erhältlich.<br />
» www.streetlife.nl<br />
Gutes Team: Holz <strong>und</strong> Stahl<br />
Geradliniges Design <strong>und</strong> schlichte Schönheit, das sind die äußeren Merkmale der Stadtmöbelserie<br />
Linares der Westeifelwerke, die das hauseigene Designteam für 2011 entwickelt hat. Ein Beispiel<br />
aus der umfangreichen Baureihe: die Hockerbank mit passendem Tisch. Die Sitzaufl age bzw. die<br />
Tischplatte sowie die Seitenverkleidungen bestehen aus FSC-zertifi ziertem Hartholz. Die seitlichen<br />
Stahlrahmen aus Winkelstahl sind als Schweißkonstruktion ausgeführt <strong>und</strong> pulverbeschichtet in<br />
WEW-graphit. Füße mit Bohrungen ermöglichen die ortsfesten Montage.<br />
» www.freiraumausstattung.de<br />
Blikvanger<br />
Der Blikvanger – Dosenfänger - aus<br />
rostfreiem Edelstahl mit Fangnetz<br />
appelliert an den menschlichen<br />
<strong>Spiel</strong>trieb <strong>und</strong> sorgt gleichzeitig<br />
für weniger Abfall im öffentlichen<br />
Freiraum. Man kann sogar im Vorüberfahren<br />
vom Fahrrad aus Dosen<br />
oder anderen Abfall auf sportliche<br />
Weise entsorgen. Und wenn etwas<br />
daneben geht, bleibt es zumindest<br />
ganz in der Nähe. Eine weitere gute<br />
Idee des niederländischen Herstellers<br />
<strong>und</strong> ein Blickfang zudem.<br />
» www.ijslander.com<br />
Marktmonitor | 53
Würfel „cubus“ <strong>und</strong> Kugel „globus“<br />
Kubus <strong>und</strong> Kugel sind zwei perfekte Raumformen, die man einfach<br />
nicht verbessern kann. Es sei denn, man gibt ihnen einen zusätzlichen<br />
praktischen Nutzen. Als Inbegriff der Standfestigkeit oder als<br />
Symbol des wankelmütigen Glücks kennen wir den Würfel. Stilum<br />
interpretiert ihn neu. Ob einzeln oder in Gruppen, ob als Sitz- oder<br />
als Balancierobjekt – cubus im Format 400 x 400 x 400 mm ist sehr<br />
vielseitig. Das liegt schon in seiner geometrischen Natur.<br />
Kommunikativ<br />
Stahlrohre <strong>und</strong> Drahtgitter bilden die Gr<strong>und</strong>lage der fl otten Sitzgruppe<br />
aus der Enano-Serie. Es gibt die Komponenten als Stehhilfe,<br />
als gerader Sitz <strong>und</strong> als Tisch mit Fußabstellring. Die Tischfl äche ist<br />
mit Rilsan beschichtet. Durch die Sitzvarianten ermöglicht die Enano-Sitzgruppe<br />
entspanntes Stehen oder lockeres Sitzen in erhöhter<br />
Position mit der Möglichkeit, die Füße auf einem Ring abzustellen.<br />
Ein attraktiver Meeting-Point auf kleinster Fläche. Bodenkontakt<br />
hält die Serie durch Montage mit verlängerten Füßen zum Einbetonieren<br />
oder mit Bodenronden zum Verdübeln auf F<strong>und</strong>amenten.<br />
» www.erlau.com<br />
54 | Marktmonitor<br />
Seine Kollegin globus im Durchmesser von 500 mm gilt uns durch<br />
ihre Kugelgestalt als Symbol der Mobilität. An ihrer Form kann<br />
niemand anecken. Und da sie wie der cubus aus Recycling- oder<br />
EPDM-Kautschuk gefertigt ist, lässt sie sich auch bequem besitzen.<br />
Für beide Objekte ist optional ein Bodenanker erhältlich.<br />
» www.stilum.de<br />
<strong>Spiel</strong>wiese<br />
Immer warm <strong>und</strong> trotzdem cool – das sind die Eigenschaften, mit<br />
denen die KWS-Stadtmöbel selbst im Winter punkten können. Der<br />
als Kunstfelsenspezialist bekannte Hersteller überträgt jetzt seinen<br />
Gr<strong>und</strong>satz, Kunststoffe kreativ einzusetzen <strong>und</strong> perfekt zu verarbeiten<br />
auf eine neue Produktlinie. Ein frei modellier- <strong>und</strong> designbaren<br />
Gr<strong>und</strong>körper wird mittels Hotspray mit Polyurea, einem modifi zierten<br />
Polyurethan, nahtlos <strong>und</strong> dauerhaft beschichtet. So entstehen<br />
enorm robuste <strong>und</strong> ansprechende Produkte. Der Slogan „Soft and<br />
hard for in and out“ umschreibt die Einsatzbreite dieser neuen Art<br />
kommunikativer Gestaltungselemente.<br />
» www.kws.at
Italienisches Design<br />
aus Österreich<br />
Gegründet wurde miramondo 1999 durch<br />
Wolfgang Hints <strong>und</strong> seine Frau Garmyn Hints<br />
Famira. Wolfgang Hints ist Industrie Designer<br />
<strong>und</strong> seine Frau hat Volkswirtschaft studiert.<br />
Design <strong>und</strong> Geschäftssinn - eine sehr praktische<br />
Verbindung für ein Unternehmen, das<br />
Stadtmöbel anbietet. Wolfgang Hints, geboren<br />
1964 in Hannover, studierte Industriedesign in<br />
Essen <strong>und</strong> Florenz. Seit 1990 lebt er in Wien,<br />
wo er zunächst in verschiedenen Designbüros<br />
tätig war. Parallel dazu arbeitete er auch als<br />
Lehrbeauftragter an der Akademie der bildenden<br />
Künste Wien <strong>und</strong> später als Assistent an<br />
der Universität für angewandte Kunst Wien bei<br />
Matteo Thun, Paolo Piva <strong>und</strong> Enzo Mari.<br />
Seit 1995 hat Wolfgang Hints sein eigenes<br />
Designbüro„thesevenhints“. Im Mittelpunkt:<br />
Gegenstände fürs Wohnen - neben Möbeln<br />
etwa Gläser <strong>und</strong> Stoffe. Für das Team ist das<br />
eigentliche Entwerfen nur ein Schritt in einem<br />
komplexen Prozess. Ihm sind die Dinge hinter<br />
den Dingen ebenso wichtig, beispielsweise die<br />
Form follows space – das ist ein Gr<strong>und</strong>gedanke der miramondo Public<br />
Design GmbH, der auch bei dem neuen Sortiment Hot Spot im<br />
Mittelpunkt stand. Die Sitzelemente sehen aus wie Barhocker <strong>und</strong><br />
ermöglichen ein hohes Sitzen oder ein im Stehen Anlehnen. Man<br />
befi ndet sich im Sitzen auf gleicher Augenhöhe mit den stehenden<br />
<strong>und</strong> gehenden Personen des Umfeldes. Das ist viel angenehmer <strong>und</strong><br />
kommunikativer. <strong>FreeLounge</strong> hat sich angesehen, wer hinter dieser<br />
Idee steckt.<br />
Portrait | 55
56 | Portrait<br />
Wolfgang Hints , Garmyn Hints Famira<br />
Wolfgang Hints, geb. 1964 in Hannover, studierte Industriedesign<br />
in Essen <strong>und</strong> Florenz, gründete 1995 das Designbüro „thesevenhints“<br />
<strong>und</strong> 1999 gemeinsam mit seiner Frau, miramondo. Die<br />
1965 in Vorarlberg geborene Volkswirtin ist Geschäftsführerin des<br />
Unternehmens.<br />
produktionstechnischen Bedingungen oder die<br />
Firmengeschichte seines Auftraggebers. Das<br />
Designbüro hat für Firmen wie Koziol, Alessi,<br />
Gr<strong>und</strong>mann, Alfi <strong>und</strong> Wittmann gearbeitet.<br />
Es besteht heute noch, arbeitet aber fast ausschließlich<br />
für miramondo. Im Bereich Design<br />
sind also alle Projekte mit „Bordmitteln“ lösbar.<br />
Warum miramondo?<br />
Wie kommt man eigentlich als Industrie Designer<br />
dazu, eine Firma wie miramondo zu<br />
gründen? Wolfgang Hints: „Bei der Arbeit als<br />
Industrie Designer habe ich es immer schade<br />
gef<strong>und</strong>en, das Produkt nach Abschluss der Entwicklungsarbeiten<br />
aus den Händen geben zu<br />
müssen. Man hat keinen Einfl uss mehr darauf,<br />
was mit ihm geschieht. Bei miramondo arbeiten<br />
wir an allen Details von den Rohstoffen bis zur<br />
Art der Verpackung, von der ersten Ideenskizze<br />
bis zum Marketingkonzept. Die Vielfalt der Themen<br />
<strong>und</strong> die Komplexität der Aufgabenstellungen<br />
sind super spannend.“<br />
Möbel für den öffentlichen Raum sind einerseits<br />
Produkte, die kaum wahrgenommen werden.<br />
Andererseits sind sie immer wieder ein Gr<strong>und</strong><br />
für Emotionen, wenn sie fehlen, nicht richtig<br />
funktionieren, wieder einmal vandalisiert wurden<br />
oder ganz einfach nicht gefallen. Das mit<br />
dem gefallen ist dabei ein ganz eigenes Thema.<br />
Die Frage wird immer sein: Will ich polarisieren<br />
oder integrieren? Schließlich ist der öffentliche<br />
Raum ein Schmelztiegel, in dem verschiedenste<br />
Geschmäcker, Bedürfnisse, Prägungen, Kulturen<br />
etc. von Menschen aufeinander treffen <strong>und</strong> in<br />
einem urbanen Leben ineinander verschmelzen.<br />
Die Architektur <strong>und</strong> die Form eines Platzes sind<br />
nur die Partitur, das Leben ist die Musik. Manche<br />
Plätze sind so angelegt, dass sich Menschen<br />
schnell über sie hinweg bewegen – Knotenpunkte<br />
oder Kreuzungen auf den Wegen von<br />
A nach B. Parks <strong>und</strong> urbane Grünfl ächen sind<br />
Ruhezonen – Oasen, in denen die Zeit anders<br />
vergeht – time out von der Dynamik der Straßen<br />
<strong>und</strong> Plätze. Bei der Entwicklung der Möbel<br />
kann thesevenhints nicht von einer bestimmten<br />
Zielgruppe ausgehen.<br />
100% pure product<br />
Mit seinen Produkten möchte miramondo eine<br />
hochwertige, vielseitige <strong>und</strong> kostenbewusste<br />
Alternative bei der Einrichtung des öffentlichen<br />
Raums anbieten. Ein markantes, bewusst<br />
reduziertes Sortiment bestehend aus Produkten<br />
in schlichter, auf das Wesentliche reduzierter<br />
Form bildet den Kern der Design-Philosophie<br />
- 100% pure product. Selbstverständlich legt
der Hersteller größten Wert auf die Qualität der<br />
Materialien <strong>und</strong> deren Verarbeitung. Durch eine<br />
schlanke Betriebsstruktur <strong>und</strong> einen direkten<br />
Vertrieb können die Produkte zu einem außergewöhnlich<br />
guten Preis angeboten werden.<br />
Miramondo verwendet Holz, Laminate, Stahl,<br />
Edelstahl <strong>und</strong> Faserbeton für seine Produkte<br />
– je nachdem welches Material oder welche<br />
Kombination die jeweiligen Anforderungen<br />
am besten erfüllt. Design <strong>und</strong> optimale Fertigungsweisen<br />
bestimmen ebenfalls, auf welches<br />
Material man setzt. Der Dreiklang aus Design,<br />
Material <strong>und</strong> Produktionsprozess macht die<br />
Qualitäten des Möbels aus. So ergibt sich eine<br />
große Langlebigkeit <strong>und</strong> Stabilität, bei gleichzeitig<br />
gutem Äußeren <strong>und</strong> hoher Wertigkeit.<br />
Nimmt man den Kostenfaktor hinzu, bestätigt<br />
sich der anfängliche Eindruck eines schlanken<br />
Unternehmens. Die Ergebnisse zeigen auch<br />
deutlich den Unterschied zwischen schlank <strong>und</strong><br />
mager. Das miramondo Programm ist bewusst<br />
reduziert, erfüllt aber alle Anforderungen an die<br />
Vielfalt des urbanen Umfelds.<br />
„Die Formen des Lebens in einer Stadt sind in<br />
der Tat extrem vielfältig“, so der 46-jährige<br />
Firmeninhaber, „das sollte bei der Entwicklung<br />
von Möbeln für diesen Lebensraum berücksichtigt<br />
werden. Was spielt sich auf urbanen Plätzen<br />
ab <strong>und</strong> wie könnte ein Möbel für diese Plätze<br />
aussehen? Dabei kommt es nicht so sehr auf<br />
die Form im ästhetischen Sinn an. Sondern es<br />
geht vorab um Fragen wie z.B.: Wie viele Leute<br />
sind dort, wie bewegen sie sich, verweilt man<br />
<strong>und</strong> wenn ja wie lang usw. Das sind Fragen, die<br />
zur Bestimmung der Typologie eines Möbels<br />
wichtig sind. Braucht es eine Rückenlehne; ist<br />
es lang oder kurz; steht es allein oder in Gruppen;<br />
aus welchem Material besteht es? Auf diese<br />
Vielfalt an Fragen einzugehen, ist eines von<br />
vielen spannenden Themen für Miramondo.“<br />
Ein Beispiel ist die bereits erwähnte Serie Hot<br />
Spot. Ein idealer Platz dafür wäre ein Schulhof.<br />
In den Pausen oder vor <strong>und</strong> nach dem Unterricht<br />
treffen sich die Schüler auf die Schnelle.<br />
Man tauscht sich kurz aus, verabredet sich für<br />
den Nachmittag <strong>und</strong> weiter geht’s. Das Meiste<br />
geschieht im Stehen. Niedrig auf einer Parkbank<br />
zu sitzen, würde nicht zur Dynamik des<br />
Ortes passen. thesevenhints hat daher zu den<br />
Elementen für hohes Sitzen oder ein im Stehen<br />
Anlehnen auch Tische entworfen, die die Idee<br />
eines Meeting Points unterstreichen. Um das<br />
Sortiment abzur<strong>und</strong>en gibt es natürlich auch<br />
niedrige Hocker <strong>und</strong> Tische <strong>und</strong> die Sitzfl ächen<br />
der Hocker lassen sich auch als einzelne Sitzfl ächen<br />
auf Mauern montieren.<br />
„Es ist leicht, etwas Schönes zu machen, das am Ende<br />
viel kostet. Schwieriger ist es, nach sehr eng gesetzten<br />
Preisvorgaben zu arbeiten. Ein schlanker Betrieb <strong>und</strong><br />
intelligente Produkte sind dafür eine gute Basis.“<br />
Wolfgang Hints, Inhaber miramondo Public Design GmbH, Bad Vöslau, Österreich<br />
Links<br />
» www.miramondo.com<br />
Portrait | 57
58 | Portrait<br />
Langlebigkeit auch im Design<br />
Bei miramondo lässt man sich Zeit in der Produktentwicklung.<br />
Wenn ein neues Produkt in<br />
den Katalog aufgenommen wird, ist auch eine<br />
bestimmte Produktionsmenge festgelegt worden.<br />
Wichtig ist dabei der Systemgedanke. So<br />
werden in den einzelnen Produktserien Varianten<br />
in verschiedenen Farben, Dimensionen<br />
<strong>und</strong> Montagearten angeboten. Insofern gibt<br />
es schon eine gewisse Vielfalt. Individuelle Änderungswünsche<br />
können jedoch nicht berücksichtigt<br />
werden. Stattdessen ergibt sich für den<br />
K<strong>und</strong>en ein klarer Preisvorteil. Defi nierte Mengen<br />
zu fertigen, macht eine optimierte Preisgestaltung<br />
erst möglich.<br />
Qualität zum besten Preis zu liefern, ist eines<br />
der Gr<strong>und</strong>anliegen von miramondo. Dabei spielt<br />
auch der Gedanke der Nachhaltigkeit eine große<br />
Rolle. Der K<strong>und</strong>e kann sicher sein, dass er<br />
auch nach vielen Jahren schnell <strong>und</strong> günstig<br />
Ersatzteile bekommt. Selbst wenn Konstruktion,<br />
Material <strong>und</strong> Verarbeitung auf Langlebigkeit<br />
ausgelegt sind, ist dieser Service ein Thema.<br />
Bereits beim Design wird daher berücksichtigt,<br />
dass einzelne Elemente nachträglich ausgetauscht<br />
werden können. Gerade bei Produkten<br />
für den öffentlichen Raum kommt es durch<br />
starke bestimmungsgemäße Beanspruchung<br />
<strong>und</strong> auch durch Vandalismus immer wieder<br />
einmal zu Schäden. Daher ist die kostengünstige<br />
<strong>und</strong> schnelle Verfügbarkeit von Ersatzteilen<br />
von hoher Bedeutung. Und schließlich hat das<br />
Produktdesign eine Gültigkeit abseits schnelllebiger<br />
Trends. Fazit: Ein schlankes Unternehmen<br />
kann den Produkten <strong>und</strong> seinen Käufern durchaus<br />
gut tun.<br />
Ludwig Keißner
Best Practice<br />
Auf den nächsten Seiten zeigen wir Ihnen<br />
besonders gelungene Beispiele<br />
Report | 59
60 | Best Practice<br />
Plätze <strong>und</strong> Straßen im Umfeld UN-Campus / WCCB Bonn<br />
Das Konzept zur Gestaltung der öffentlichen Räume entwickelt das Gebiet des ehemaligen<br />
Regierungsviertels Bonn zu einem hochwertigen Campus mit eigener Identität. Nach Außen soll<br />
eine wiedererkennbare „Adresse“ gebildet werden. Die verschiedenen baulichen Strukturen wie<br />
der ehemalige Plenarsaal des deutschen B<strong>und</strong>estages, das ehemalige B<strong>und</strong>eshaus als neuer Sitz<br />
des Sekretariats der Klimarahmenkonvention sowie der Neubau des WCCB werden durch eine<br />
prägnante Gestaltung des öffentlichen Raumes verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> in Wert gesetzt. Dabei baut die<br />
Neugestaltung auf den vorhandenen landschaftlichen, architektonischen <strong>und</strong> geschichtlichen<br />
Qualitäten des Ortes auf. Der Entwurf begreift das Umfeld des UN-Campus als eine Sequenz<br />
von Plätzen, Promenaden <strong>und</strong> Straßenräumen, die das ehemalige Regierungsviertel neu mit<br />
dem Rhein <strong>und</strong> der Bonner Museumsmeile vernetzen. Die vorhandene 3-reihige Heussallee wird<br />
durch die Neuordnung des Verkehrs zur großzügigen Flaniermeile <strong>und</strong> zum repräsentativen<br />
grünen Empfangsraum des UN-Campus‘.
Wettbewerb: 2008<br />
1. Preis: scape Landschaftsarchitekten, Düsseldorf<br />
(federführend)<br />
Lindschulte <strong>und</strong> Kloppe Ingenieure, Düsseldorf<br />
Burghardt Wand Lichtplanung, Hamburg<br />
Bauherr: Stadt Bonn<br />
Realisierung 1. BA: 2009 – <strong>2010</strong><br />
Fläche Gesamtgebiet: 7,5 ha<br />
Fläche 1. BA: 2,5 ha<br />
Ausführende Firmen 1. BA: STRABAG AG, Forster Gartenbau, Bonn<br />
Design Stadtmöbel: scape Landschaftsarchitekten<br />
Lieferanten Stadtmöbel: LIF Freiraumobjekte, Meppen (Bänke,<br />
Buswartehallen); Thieme, Münster (Infostelen)<br />
Best Practice | 61
62 | Best Practice<br />
KONZEPT - PAUSE der Arnoldus Gr<strong>und</strong>schule Gilching<br />
Der Pausenhof aus den 70er Jahren – ausschließlich eintönig grau gepflastert - sollte unter<br />
Berücksichtigung einer Mehrfachnutzung saniert <strong>und</strong> erweitert werden. Vormittags dient er<br />
nun als Pausenhof der Gr<strong>und</strong>schüler, mittags/nachmittags steht er der Mittagsbetreuung zur<br />
Verfügung <strong>und</strong> ab 16 Uhr ist der Pausenhof öffentlicher <strong>Spiel</strong>platz.<br />
Das Konzept bestand zum einen in der Sanierung <strong>und</strong> Stärkung des Bestandes – Sicherheit<br />
schaffen, Unfallgefahren beseitigen, Aufwertung des Bestandes (Vegetation / Baumgürtel,<br />
Zugänge), sowie die Neugestaltung in Teilbereichen – Vielfältigkeit fördern.<br />
So genannte PAUSE-INSELN dienen den verschiedenen Bedürfnissen der Kinder - Ruhe-Insel,<br />
Aussichts-Insel, <strong>Spiel</strong>-Insel, Info-Wald-Insel. Dabei spielt die Einteilung der Fläche in Ruhe-,<br />
<strong>Spiel</strong>-, <strong>und</strong> Bewegungsräume eine große Rolle um Konflikte zu vermeiden. Frisch grüne Gleditschien<br />
(Gleditsia triacanthos ‚Inermis‘) sorgen für lichte Schattenplätze.<br />
Gerade das neu angelegte Minispielfeld erfreut sich größter Beliebtheit. Es kann multifunktional<br />
genutzt werden. Fußball, Basketball, Volleyball, Hockey, Bewegungskünste sogar für den<br />
Schulsport ist es einsetzbar. Die schall-absorbierende Einfriedung beugt Konflikten mit dem<br />
umliegenden Wohnumfeld vor.
Gesamtfl äche:<br />
5.000 m²<br />
Planung <strong>und</strong> Bau:<br />
2008-<strong>2010</strong><br />
Bausumme:<br />
380.000 Euro brutto<br />
Planung:<br />
FREIRAUM PLAN<br />
landschaftsarchitektur<br />
Hersteller<br />
Multifunktionsspielfeld:<br />
Proludic GmbH<br />
Ausführung<br />
Landschaftsbau:<br />
Die Gartenzwerge<br />
Garten&Landschaftsbau GmbH<br />
Best Practice | 63
64 | Best Practice<br />
Bodengestaltung Sieg Carré, Siegen<br />
Mit dem modernen Geschäfts- <strong>und</strong> Dienstleistungszentrum aus Glas <strong>und</strong> Stahl entstand ein<br />
neuer Anziehungspunkt in der City im südwestfälischen Siegen, das dem Besucher bereits<br />
vom Bahnhofsvorplatz aus ins Auge fällt. Passend zur Architektur des Sieg Carré wurde ein<br />
optisch ansprechendes Pflaster gesucht, das nicht nur den Außenbereich in Szene setzt,<br />
sondern auch belastbar <strong>und</strong> leicht zu reinigen ist. Es kamen drei Steinstärken zum Einsatz:<br />
Im reinen Fußgängerbereich reichte die normale Pflasterdicke von 8 cm vollkommen aus,<br />
während auf den befahrenen Arealen die 12 cm dicke Version für Stabilität <strong>und</strong> Sicherheit<br />
sorgt. Zusätzlichen Schutz vor dem Verschieben der Steine bieten r<strong>und</strong> um das Pflaster<br />
verdeckt angeordnete Verb<strong>und</strong>nocken, die bei der Verlegung kraftschlüssig ineinander greifen<br />
<strong>und</strong> damit einen stabilen Flächenverb<strong>und</strong> gewährleisten. Ein Verschieben der Steine durch die<br />
Rangiermanöver der Lieferfahrzeuge ist somit nahezu ausgeschlossen. Darüber hinaus sorgen<br />
die Nocken für einen gleichmäßigen Fugenverlauf.
Objekt: Sieg Carré, Siegen<br />
Bauherr: Sparkasse Siegen<br />
Morleystraße, 57080 Siegen<br />
Planung: Thomas Laufenburg<br />
Torwiesenweg, 57234 Wilnsdorf<br />
Ausführung: Firma Otto Quast GmbH & Co. KG<br />
57076 Siegen<br />
Material: MultiTec 20/20 cm, 40/20 cm, 60/40 cm<br />
Stärken: 8, 10 <strong>und</strong> 12 cm<br />
Farbe: Granit, geschliffen <strong>und</strong> gestrahlt<br />
Lieferant: KANN GmbH Baustoffwerke<br />
56170 Bendorf<br />
Best Practice | 65
66 | <strong>Spiel</strong>raum
Kinderfre<strong>und</strong>liche<br />
Stadtgestaltung<br />
Lernen von der Praxis für die Praxis – das war die Idee einer<br />
sehr gut besuchten Tagung in Berlin, zu der das Deutsche<br />
Kinderhilfswerk eingeladen hatte.<br />
Kinder wissen wie ihre Stadt aussehen müsste,<br />
damit sie dort besser leben könnten. Mit unterschiedlichen<br />
Anregungen <strong>und</strong> Möglichkeiten für<br />
<strong>Spiel</strong> <strong>und</strong> Bewegung sowie sicheren Verkehrswegen.<br />
Nur werden sie selten gefragt. Vielleicht<br />
dürfen sie bei der Planung eines <strong>Spiel</strong>platzes<br />
mitwirken, wenn sie das Glück haben, dass in<br />
ihrem Viertel überhaupt ein <strong>Spiel</strong>platz erneuert<br />
wird. Mehr passiert selten. Dass die Zusammenarbeit<br />
mit Kindern auch ganz anders aussehen<br />
kann, hat die Tagung „Kinderfre<strong>und</strong>liche Stadtplanung“<br />
im Roten Rathaus in Berlin im Oktober<br />
eindrucksvoll gezeigt. Drei Jahre lang hat das<br />
Deutsche Kinderhilfswerk Kommunen begleitet,<br />
die ihre Stadt stärker an den Bedürfnissen von<br />
Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen ausrichten. Das Ziel<br />
des vom B<strong>und</strong>esjugendministerium geförderten<br />
Programms bestand darin, Kommunen dabei zu<br />
unterstützen, städtebauliche Strukturen zu erhalten<br />
<strong>und</strong> zu schaffen, in denen <strong>Spiel</strong>en möglich<br />
ist, die zum Gestalten <strong>und</strong> Erleben einladen<br />
sowie Gefahrlosigkeit <strong>und</strong> Zugänglichkeit gewährleisten.<br />
Zwölf Modellkommunen konnten<br />
nun in Berlin ihre Erfahrungen <strong>und</strong> Ergebnisse<br />
vorstellen. Immer waren Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
sehr direkt in die Planung <strong>und</strong> Realisation<br />
der Maßnahmen eingeb<strong>und</strong>en.<br />
„Städte, Gemeinden <strong>und</strong> Landkreise werden umso<br />
zukunftstauglicher sein, je besser es ihnen gelingt,<br />
Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen beste Start- <strong>und</strong><br />
Entwicklungschancen zu bieten.“<br />
Dr. Heide-Rose Brückner,<br />
B<strong>und</strong>esgeschäftsführerin des Deutschen Kinderhilfswerks<br />
Viele gute Ideen <strong>und</strong> messbare Erfolge<br />
<strong>Spiel</strong>leitplanung ist eines der zentralen Instrumente<br />
der beteiligten Kommunen, um gemeinsam<br />
mit allen Akteuren in der Stadt die<br />
Lebensbedingungen der Kinder zu verbessern.<br />
Die Vorgehensweise ist strukturiert <strong>und</strong> mittlerweile<br />
schon bewährt: Kinder werden befragt,<br />
der Bedarf analysiert, Landkarten mit wichtigen<br />
Wegen <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong>orten erstellt, Verbesserungsvorschläge<br />
gesammelt <strong>und</strong> in einen Maßnahmenplan<br />
übersetzt. Die individuelle Situation<br />
vor Ort <strong>und</strong> die jeweilige Zielsetzung führt dann<br />
aber selbstverständlich zu unterschiedlichen<br />
Schwerpunkten in der Umsetzung. Ein zentrales<br />
Anliegen ist die Schaffung unterschiedlicher<br />
<strong>Spiel</strong>räume, darunter <strong>Spiel</strong>- oder Bolzplätze,<br />
naturnahe <strong>Spiel</strong>plätze oder auch Freifl ächen<br />
mit Wiesen <strong>und</strong> Bäumen, auf denen Kinder mit<br />
<strong>und</strong> von der Natur lernen <strong>und</strong> spielen können.<br />
Es wird großer Wert auf eine gute Vernetzung<br />
dieser <strong>Spiel</strong>orte durch sichere Verkehrswege<br />
gelegt, damit Kinder ihre Ziele gut erreichen<br />
können. Viele einzelne Schritte auf dem Weg zu<br />
einer kinderfre<strong>und</strong>lichen Stadt wurden in den<br />
Modellkommunen so absolviert.<br />
Vom „Verschlechterungsverbot“ bis hin<br />
zum Generationenvertrag<br />
Soweit lassen sich die Ergebnisse der Kommunen<br />
zusammenfassen. Verschiedene gute Ideen fi elen<br />
ergänzend dazu auf: So gibt es in Dortm<strong>und</strong><br />
ein sogenanntes „Verschlechterungsverbot“.<br />
Alle Planungsvorhaben in der Stadt werden darauf<br />
geprüft, ob sich für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
daraus Nachteile ergeben könnten. So etwas<br />
kennt man vielleicht im Naturschutz von der<br />
Bewahrung von Lebensräumen für Feldhamster.<br />
Über die Interessen von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
wird so bislang sehr selten nachgedacht.<br />
<strong>Spiel</strong>raum | 67
Fachtag - World Cafe Tischdecken Fachtag - Ankommen<br />
68 | <strong>Spiel</strong>raum<br />
Um vor Ort die Möglichkeiten <strong>und</strong> den Raum<br />
für Gespräche mit Kindern <strong>und</strong> Anwohnern zu<br />
führen, hat die Stadt Rietberg gemeinsam mit<br />
Jugendlichen ein Planungsmobil ausgestattet.<br />
Das Mobil bietet logistische Unterstützung in<br />
der Phase der Kommunikation. Interessant ist<br />
auch eine Idee aus Karlsruhe: Dort wurde die<br />
<strong>Spiel</strong>leitplanung als Pilotprojekt in das B<strong>und</strong>-<br />
Länder-Programm Soziale Stadt eingebettet.<br />
So standen erheblich mehr fi nanzielle Mittel<br />
zur Verfügung. Bei den Werkstattgesprächen in<br />
der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow hat sich<br />
herauskristallisiert, wie nah die Wünsche <strong>und</strong><br />
Vorstellungen von Jung <strong>und</strong> Alt beieinander<br />
lagen. Es wurde ein Generationenvertrag erarbeitet,<br />
der jetzt bei allen weiteren<br />
Schritten berücksichtigt wird.<br />
Oft ein Gewinn für<br />
ältere Menschen<br />
Vielfach war auf der<br />
Tagung zu hören, dass<br />
eine kinderfre<strong>und</strong>liche<br />
Gemeinde immer<br />
zugleich auch seniorenfre<strong>und</strong>lich<br />
ist. Das<br />
leuchtet ein: Sichere<br />
Verkehrswege mit mehr<br />
Beleuchtung <strong>und</strong> Überwegen<br />
oder Plätze im Zentrum<br />
mit einer hohen Aufenthaltsqualität<br />
machen eine<br />
Stadt für alle Menschen, aber<br />
besonders auch für Senioren<br />
lebenswerter.<br />
Ein Forum für den Austausch<br />
Neben der Darstellung der Projekte, die in den<br />
Modellkommunen realisiert wurden, lag ein besonderer<br />
Schwerpunkt der Veranstaltung auf<br />
dem Erfahrungsaustausch, dem Gespräch über<br />
die Erfolgsfaktoren auf der einen <strong>und</strong> die Stolpersteine<br />
auf der anderen Seite. Viele positive<br />
Effekte wirken langfristig in die Entwicklung<br />
von Quartieren oder Kommunen. Die Beispiele<br />
zeigen, dass man von einem sehr effektiven<br />
Mitteleinsatz sprechen kann. Weil die Maßnahmen<br />
tatsächlich auf den Bedarf abgestimmt<br />
sind, lassen sich Fehlinvestitionen vermeiden.<br />
Durch die Beteiligung verändert sich die Haltung<br />
der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen gegenüber<br />
ihrer Stadt <strong>und</strong> dem Wert der Freiraumgestaltung,<br />
denn es entwickelt sich Verantwortung.<br />
Und wie bereits am Beispiel von Blankenfelde-<br />
Mahlow angesprochen ist kinderfre<strong>und</strong>liche<br />
„Es muss das Ziel sein, die<br />
Verdichtung der Erfahrungen <strong>und</strong><br />
den interkommunalen Dialog<br />
weiterzuführen, um kinderfre<strong>und</strong>liche<br />
Stadtgestaltung fest zu<br />
etablieren. Deshalb möchten wir eine<br />
Plattform für einen kontinuierlichen<br />
Austausch ins Leben rufen.“<br />
Peter Apel, Planungsbüro Stadtkinder <strong>und</strong> Mitglied im<br />
Planungsteam der Tagung
Stadtgestaltung letztendlich eine menschenfre<strong>und</strong>liche<br />
Stadtgestaltung, von der weit mehr<br />
Bevölkerungsgruppen profi tieren als „nur“ Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendliche. Das sind ganz wesentliche<br />
Punkte.<br />
Stolpersteine<br />
Es hat sich gezeigt, dass verschiedene Schwierigkeiten<br />
bei der Etablierung einer kinderfre<strong>und</strong>lichen<br />
Stadtgestaltung in der momentanen<br />
Phase „typisch“ sind. Um mit solchen<br />
Prozessen in einer Stadt beginnen zu können,<br />
braucht man einen „Motor“, der sich mit aller<br />
Kraft für eine kinderfre<strong>und</strong>liche Stadtgestaltung<br />
stark macht. Das Konzept steht <strong>und</strong> fällt<br />
mit engagierten Personen, die sich dafür einsetzen<br />
<strong>und</strong> die Organisation in die Hand nehmen.<br />
Je höher in der Hierarchie desto besser.<br />
Ist der politische Wille nicht da, wird auch<br />
nichts passieren. Schwierigkeiten bereitet vielfach<br />
auch die notwendige Verzahnung innerhalb<br />
der Stadtverwaltung. Zum Beispiel kann es<br />
notwendig sein, dass Maßnahmen des Hochwasserschutzes,<br />
zum Beispiel der Rückbau von<br />
Uferbegradigungen, mit der Schaffung neuer<br />
<strong>Spiel</strong>orte an Bächen synchronisiert werden<br />
muss. Dass die Verkehrsplanung mit ins Boot<br />
genommen werden muss, ist eigentlich eine<br />
Selbstverständlichkeit, aber innerhalb der Verwaltung<br />
nicht immer ohne Reibungsverluste zu<br />
bewerkstelligen.<br />
Kein Fazit, sondern ein Auftakt<br />
Dieser erste, breit angelegte Erfahrungsaustausch<br />
im Bereich der kinderfre<strong>und</strong>lichen Stadtgestaltung<br />
war eine Standortbestimmung: Was<br />
ist heute bereits möglich, welche Ziele müssen<br />
ins Auge gefasst werden <strong>und</strong> wie kann man von<br />
den Erfahrungen anderer lernen? Eine interessante<br />
Diskussion hat in Berlin begonnen. Dirk<br />
Schelhorn <strong>und</strong> Peter Apel, die mit dem Kinderhilfswerk<br />
die Veranstaltung organisiert haben,<br />
plädieren ganz klar dafür, dass diese Veranstaltung<br />
nicht als Fazit oder Eintagsfl iege betrachtet<br />
werden darf. Vielmehr gilt es aus ihrer Sicht<br />
eine Plattform für alle Aspekte r<strong>und</strong> um dieses<br />
Thema zu schaffen, das nach <strong>und</strong> nach auch<br />
stärker in den Fokus der Stadtentwickler rückt.<br />
Dr. Anke Münster<br />
„Stadtentwicklung <strong>und</strong> Fragen zur Gestaltung öffentlicher Räume<br />
kann nur zu Gunsten von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen nachhaltig<br />
etabliert werden, wenn es gelingt verbindliche Qualitäten fachlich<br />
<strong>und</strong> politisch zu verankern.“<br />
Dirk Schelhorn, Landschaftsarchitekt <strong>und</strong> Mitglied im Planungsteam der Tagung<br />
Freiräume für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche.<br />
Gutachten im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes<br />
„Für ein kindergerechtes Deutschland 2005 - <strong>2010</strong>“<br />
Mit welchen Instrumenten können Städte <strong>und</strong> Gemeinden kinder- <strong>und</strong> jugendgerechte<br />
Freiräume schaffen? Anhand ausgewählter Beispiele gibt die<br />
neue Publikation Werkstatt: Praxis Heft 70 interessante Anregungen, wie sich<br />
Städte oft mit überschaubarem Aufwand für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche zum<br />
Positiven verändern können. Die Empfehlungen richten sich an Stadtplaner<br />
<strong>und</strong> Freiraumgestalter. Doch die Entwicklung kinder- <strong>und</strong> jugendgerechter<br />
Städte ist nicht allein von der Stadt- <strong>und</strong> Freiraumplanung abhängig. Es wird<br />
deutlich, dass dies eine Gemeinschaftsaufgabe, die viele Akteure von Jugend-<br />
<strong>und</strong> Sportämtern angefangen bis hin zur Verkehrsplanung an einen<br />
Tisch bringen muss.<br />
Die Publikation ist ein Gutachten, das vom B<strong>und</strong>esministerium für Verkehr,<br />
Bau <strong>und</strong> Stadtentwicklung in Auftrag gegeben worden wurde. Die Bearbeitung<br />
erfolgte durch Peter Apel, Dagmar Brüggemann, Dirk Schelhorn, Anja Röding<br />
<strong>und</strong> Jacqueline Modes, wissenschaftlich begleitet durch das B<strong>und</strong>esinstitut für<br />
Bau-, Stadt- <strong>und</strong> Raumforschung (BBSR) im B<strong>und</strong>esamt für Bauwesen <strong>und</strong><br />
Raumordnung (BBR)<br />
Kostenfrei zu beziehen bei: silvia.wicharz@bbr.b<strong>und</strong>.de, Stichwort: Werkstatt:<br />
Praxis 70 sowie im Download unter: http://www.bbsr.b<strong>und</strong>.de<br />
<strong>Spiel</strong>raum | 69
Wiesbaden macht Zukunft<br />
Finanzen – kaum <strong>Spiel</strong>raum?<br />
Die letzte Umfrage des BFG – B<strong>und</strong>esverband<br />
für Freiraum-Gestaltung – hat gezeigt, dass<br />
fast ein Drittel der befragten Kommunen <strong>2010</strong><br />
keinen einzigen Euro in den Austausch <strong>und</strong> die<br />
Erneuerung von <strong>Spiel</strong>geräten oder in die Neugestaltung<br />
von <strong>Spiel</strong>plätzen investieren konnte.<br />
So verlieren die vorhandenen <strong>Spiel</strong>plätze ihren<br />
<strong>Spiel</strong>wert <strong>und</strong> damit auch den Wert, den sie als<br />
lebendiger Treffpunkt in einem Stadtteil bieten.<br />
Zudem haben sich auch die<br />
Anforderungen an <strong>Spiel</strong>-<br />
„Der <strong>Spiel</strong>platz Schulberg wird einzigartig“ plätze in den letzten Jahrzehnten<br />
geändert. Ein Sa-<br />
Scha-Platz mit Sandkasten<br />
<strong>und</strong> Schaukel erfreut nur<br />
eine kleine Gruppe der Jüngsten. Heute braucht<br />
es weit mehr, um Kinder <strong>und</strong> Jugendliche nach<br />
draußen zum <strong>Spiel</strong>en zu bewegen. Und <strong>Spiel</strong>en<br />
ist anerkannt ein wichtiger Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung.<br />
Glücklicherweise gibt es auch Kommunen, die<br />
mit einem guten Konzept, einer längerfristig<br />
angelegten Planung <strong>und</strong> vernünftigen Etats den<br />
<strong>Spiel</strong>raum in den Städten zumindest erhalten<br />
oder sogar verbessern. Ein hervorragendes Beispiel<br />
ist die Landeshauptstadt Wiesbaden. Hier<br />
hat sich die Dezernentin für Kultur, Umwelt,<br />
Grünfl ächen, Forst <strong>und</strong> Hochbau Rita Thies<br />
zum Ziel gesetzt, dass alte, aber stark frequentierte<br />
<strong>Spiel</strong>plätze im Innenstadtbereich neu<br />
gestaltet werden. Aufgr<strong>und</strong> dieser politischen<br />
Vorgabe wurden bereits einige <strong>Spiel</strong>bereiche<br />
neu- oder umgestaltet wie z.B. der <strong>Spiel</strong>bereich<br />
Rita Thies, Umwelt- <strong>und</strong> Kulturdezernentin der Stadt Wiesbaden<br />
70 | <strong>Spiel</strong>raum<br />
an der Leichtweißhöhle oder die <strong>Spiel</strong>plätze<br />
im Schlosspark Biebrich <strong>und</strong> in der Parkanlage<br />
Warmer Damm. Weitere Umbauten sind bereits<br />
in der Planung <strong>und</strong> warten auf ihre Umsetzung.<br />
Dazu zählen unter anderem die Umgestaltung<br />
des zentralen <strong>und</strong> stark frequentierten <strong>Spiel</strong>bereiches<br />
am Kranzplatz oder die Neugestaltung<br />
des <strong>Spiel</strong>platzes an der Hofwiese zu einem Ort<br />
für alle Generationen.<br />
Vom Wunsch zur Wirklichkeit<br />
Die ganze Arbeit beruht auf einem ambitionierten<br />
<strong>und</strong> tragfähigen <strong>Spiel</strong>raumkonzept. Gr<strong>und</strong>gedanke<br />
war es, hinzuschauen <strong>und</strong> zu fragen:<br />
Was wird gebraucht <strong>und</strong> wo? Welche Nutzergruppen<br />
gibt es? Was ist mit der Nachhaltigkeit,<br />
was mit dem Erhaltenswerten im Umfeld?<br />
Wie binde ich die Bürger ein? Wie sehen die Koordination<br />
der Akteure <strong>und</strong> der Ausgleich ihrer<br />
unterschiedlichen Interessen aus? Wie gestalte<br />
ich die Finanzierung? Viele Aufgaben, die im<br />
Vorfeld der Planung gestellt <strong>und</strong> beantwortet<br />
werden müssen. Manchem wird die Vorgehensweise<br />
mit Einbeziehung auch externer Fachleute<br />
etwas umständlich <strong>und</strong> kostenträchtig<br />
erscheinen. Im Ergebnis zeigt sie sich als ein gutes<br />
Beispiel, wie man späteren Problemen <strong>und</strong><br />
Unzufriedenheiten gleich im Ansatz vorbeugen<br />
kann. Es ist eben besser, etwas gleich richtig zu<br />
machen, als später zu begründen, weshalb man<br />
es falsch gemacht hat. Erst die Erkenntnisse, die<br />
aus den Antworten gezogen werden konnten,<br />
ergaben die Gr<strong>und</strong>lagen für weiteres Handeln.
Einzig, nicht artig<br />
Einzigartig: der <strong>Spiel</strong>platz auf dem Schulberg.<br />
Hier wird der Neubau mit Abriss- <strong>und</strong> Erdarbeiten<br />
vorbereitet. Rita Thies hatte einen offenen<br />
freiraumplanerischen Realisierungswettbewerb<br />
für Landschaftsarchitekten in Zusammenarbeit<br />
mit Künstlern ausgeschrieben. Gegenstand<br />
des Wettbewerbes war die Erarbeitung eines<br />
Gesamtkonzeptes für die Neugestaltung eines<br />
künstlerisch gestalteten <strong>Spiel</strong>platzes unter dem<br />
Thema „Weltkulturen“ einschließlich des historisch<br />
geprägten Umfeldes.<br />
Der Aufgabenschwerpunkt lag in der Ausarbeitung<br />
einer innovativen Entwurfsidee für den<br />
Kinderspielplatz mit dem Hauptaugenmerk auf<br />
einer künstlerischen Gestaltung. Dabei waren<br />
die Bedürfnisse von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
sowie die Aufenthaltsbedürfnisse von Erwachsenen<br />
einzubeziehen. In einem Ideenteil sollte<br />
ein Gestaltungskonzept für das Umfeld des<br />
<strong>Spiel</strong>platzes ausgearbeitet werden. Das Wettbewerbsmanagement<br />
lag in den Händen des<br />
renommierten Büros scheuvens + wachten aus<br />
Berlin. Seine Aufgaben umfassten die Koordination<br />
des Wettbewerbsverfahrens, Abstimmung<br />
mit der Architektenkammer, Vorprüfung<br />
der Wettbewerbsarbeiten, Koordination weiterer<br />
Vorprüfer sowie Organisation <strong>und</strong> Begleitung<br />
des Preisgerichts.<br />
Hier ist Kunst im <strong>Spiel</strong><br />
Das Preisgericht vergab insgesamt 5 Preise. Es<br />
wählte in seiner Sitzung am 1. Juli 2009 unter<br />
26 eingereichten Arbeiten den Entwurf des<br />
Büros Annabau aus Berlin zur Realisierung<br />
aus. Das Preisgericht wertete positiv, dass der<br />
Entwurf sich durch eine unverwechselbare<br />
Großstruktur auszeichnet, die durch ihre städtebaulich<br />
räumliche Qualität wie auch durch<br />
die hohe <strong>Spiel</strong>qualität überzeugt. Das interaktive<br />
Konzept des Loops würde nicht nur für<br />
das unmittelbare Umfeld eine Attraktion darstellen,<br />
sondern auch für einen umfassenderen<br />
Stadtbereich anziehend wirken. Das Konzept<br />
überzeugte das Preisgericht durch seine hohe<br />
Nutzungsqualität sowie seinen künstlerischkulturellen<br />
Anspruch.<br />
Jetzt lässt Rita Thies den Siegerentwurf durch<br />
das Amt für Grünfl ächen, Landwirtschaft <strong>und</strong><br />
Forsten realisieren. „Es entsteht eine am höchsten<br />
Punkt drei Meter hohe <strong>Spiel</strong>skulptur, ein<br />
Loop, der den Platz großzügig umspannen wird.<br />
Er wird aus Stahl <strong>und</strong> Kletternetzen bestehen,<br />
in die unter anderem Trampoline, Seillianen,<br />
eine Reifenschaukel, ein Seiltunnel <strong>und</strong> eine<br />
Rutschmembran eingeb<strong>und</strong>en sind. Im Inneren<br />
der <strong>Spiel</strong>skulptur wird eine modellierte <strong>Spiel</strong>landschaft<br />
realisiert. Sie besteht aus Hügeln<br />
unterschiedlicher Größe, die von Sand umgeben<br />
sind“, erläutert Thies.<br />
„Die Besucherinnen <strong>und</strong> Besucher der <strong>Spiel</strong>landschaft<br />
können die <strong>Spiel</strong>hügel durch An-<br />
<strong>und</strong> Überbauen verändern oder sich beim Hinüberklettern<br />
<strong>und</strong> Rennen austoben. Pünktlich<br />
zur nächsten Freiluftsaison sollen Skulptur <strong>und</strong><br />
<strong>Spiel</strong>landschaft für die Eroberung durch Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendliche bereitstehen. Die umgebende<br />
Parklandschaft wird ebenfalls überarbeitet, um<br />
diese Idylle inmitten der Stadt wieder zu einem<br />
attraktiven Aufenthaltsort zu machen. Im Frühjahr<br />
wollen wir dann auch das Römertor sanieren,<br />
um Wiesbadener <strong>und</strong> Touristen über das<br />
Denkmal zu einem der attraktivsten verborgenen<br />
Plätze unserer Stadt zu führen. Neben <strong>Spiel</strong><br />
<strong>und</strong> Erholung verspricht ab dem nächsten Jahr<br />
zusätzlich ein um eine große Ausstellungshalle<br />
erweitertes Kunsthaus mit attraktiven Ausstellungen<br />
<strong>und</strong> der Artothek interessante Entdeckungen“,<br />
so die Dezernentin.<br />
Ludwig Keißner<br />
Vom historischen Römertor (oben) führt<br />
der Weg hinauf auf den Schulberg, wo<br />
der neue <strong>Spiel</strong>platz entstehen soll.<br />
<strong>Spiel</strong>raum | 71
Beispiel Valladoloid, Spanien: Richter <strong>Spiel</strong>geräte erhielt den Auftrag für einen <strong>Spiel</strong>platz<br />
mit künstlich angelegtem See, Hängebrücke <strong>und</strong> Seilfähre.<br />
Exportschlager<br />
<strong>Spiel</strong>platz<br />
Ob faszinierend große <strong>Spiel</strong>anlagen auf beachteten neuen<br />
Freiräumen oder kleine, aber feine designorientierte <strong>Spiel</strong>plätze:<br />
immer häufi ger sieht man im Ausland <strong>Spiel</strong>plätze<br />
„made in Germany“.<br />
72 | <strong>Spiel</strong>raum<br />
„Viele tolle <strong>Spiel</strong>plätze werden im Moment von<br />
deutschen Firmen gebaut.“ Eigentlich war das<br />
in dem Gespräch mit einem Landschaftsplaner<br />
aus der Schweiz nur ein kleiner Nebensatz, aber<br />
er ist hängengeblieben. Vor allem weil uns das<br />
bei unserer Arbeit an dem Heft „Blick über die<br />
Grenzen“ auch schon aufgefallen war. Ein Zufall?<br />
Wir haben einige deutsche <strong>Spiel</strong>platzhersteller<br />
angesprochen <strong>und</strong> nach dem Auslandsgeschäft<br />
gefragt. Denn wir möchten wissen, ob<br />
der Eindruck stimmt, dass die Qualität <strong>und</strong> der<br />
<strong>Spiel</strong>wert europa- <strong>und</strong> weltweit immer höher<br />
geschätzt werden.<br />
Große <strong>Spiel</strong>areale<br />
Die in Frasdorf ansässige Richter <strong>Spiel</strong>geräte<br />
GmbH hat einige international sehr beachtete,<br />
fantasieanregende <strong>Spiel</strong>areale ausgestattet,<br />
darunter die <strong>Spiel</strong>plätze auf der Promenade<br />
„Salon de Pinos“ in Madrid, die durch die Verlegung<br />
der Ringautobahn in Tunnel angelegt<br />
werden konnte. Julian Richter jun. sieht in solchen<br />
Projekten einen besonderen Reiz: „Wir<br />
haben in Madrid, aber auch in New York <strong>und</strong><br />
in England <strong>Spiel</strong>plätze in einer Größe gebaut,<br />
die man so zur Zeit in Deutschland nicht planen<br />
kann. Wir freuen uns über diese Möglichkeit,<br />
aber fi nden das zugleich schade. So etwas<br />
würden wir auch sehr gerne in Deutschland realisieren,<br />
denn man kann auf solchen Arealen<br />
<strong>Spiel</strong>anlagen mit einem ganz besonderen <strong>Spiel</strong>wert<br />
schaffen.“ Ein kleiner Wermutstropfen,<br />
doch für das Unternehmen entwickeln solche<br />
internationalen Projekte einen Leuchtturm-
charakter, der die Nachfrage in dem jeweiligen<br />
Land messbar steigen lässt. Richter exportiert<br />
besonders stark in die Beneluxländer, Spanien<br />
<strong>und</strong> England. Das britische Finanzierungsmodell<br />
über einen fest defi nierten Gewinnanteil<br />
bei der staatlichen Lotterie war ein Motor für<br />
eine sehr positive Entwicklung der <strong>Spiel</strong>plätze<br />
dort, die auch für Richter spürbar war. Neben<br />
diesen starken Märkten hat das Unternehmen<br />
mittlerweile Projekte in nahezu allen europäischen<br />
Ländern realisiert. Auch Amerika beginnt,<br />
sich zu einem Markt zu entwickeln. Insgesamt<br />
gesehen liegt der Exportanteil bei der Richter<br />
<strong>Spiel</strong>geräte GmbH bei 60 Prozent, Tendenz steigend.<br />
Über die Nachbarländer hinaus<br />
Bei Kinderland Emsland <strong>Spiel</strong>geräte zeigt sich<br />
momentan deutlich, dass die Nachfrage aus<br />
dem Ausland steigt <strong>und</strong> sich gleichzeitig die<br />
Märkte erweitern. Während zuvor der Export<br />
vor allem in direkte Nachbarländer erfolgte,<br />
gibt es heute bereits Geschäftsbeziehungen zu<br />
Partnern in Ländern wie Israel <strong>und</strong> sogar Singapur<br />
sowie Südkorea. Teils sind es spezielle<br />
Segmente, die das besondere Interesse fi nden.<br />
Nach Israel liefert Kinderland Emsland <strong>Spiel</strong>geräte<br />
zum Beispiel besonders viele Geräte für<br />
Menschen mit Behinderung. Deutlich intensiviert<br />
hat sich auch der Export in osteuropäische<br />
Staaten, wenn zum Beispiel eine hochwertige<br />
Ausstattung bestimmter Wohnareale geplant<br />
wird. Ein wichtiges Geschäftsfeld ist bei Kinderland<br />
Emsland <strong>Spiel</strong>geräte zudem die Ausstattung<br />
internationaler <strong>Freizeit</strong>parks: „Wir erleben<br />
ganz stark einen Trend, dass für <strong>Freizeit</strong>parks<br />
Sonderanfertigungen in einer exklusiven Qualität<br />
gewünscht werden. Auch in Ländern, die<br />
traditionell stark auf Geräte aus Kunststoff<br />
fokussiert waren, wird das Interesse an Holzspielgeräten<br />
<strong>und</strong> einzelnen Bereichen mit einer<br />
naturnahen Gestaltung erkennbar.“ Geschäftsführer<br />
Mario Hampel sieht sich dabei im Kontakt<br />
mit Parkbetreibern aus Ländern, die starke<br />
Sonneneinstrahlung haben, nicht selten mit<br />
Bedenken gegen das Material Holz konfrontiert.<br />
„Riesige Erfahrungswerte gibt es tatsächlich<br />
noch nicht. Wir können aber mit der besonderen<br />
Qualität von Robinienholz <strong>und</strong> speziellen<br />
Techniken in der Verarbeitung argumentieren,<br />
die für Langlebigkeit sorgen.“ Der Norden ist<br />
bei den Exportländern deshalb jedoch stärker<br />
vertreten als der Süden. Auch bei Kinderland<br />
Emsland <strong>Spiel</strong>geräte steigt die Exportquote. Im<br />
Moment macht das Auslandsgeschäft r<strong>und</strong> 30<br />
Prozent aus.<br />
Bei Kinderland Emsland <strong>Spiel</strong>geräte steigt die Nachfrage aus dem Ausland, sowohl bei<br />
<strong>Spiel</strong>plätzen als auch bei <strong>Freizeit</strong>parks.<br />
<strong>Spiel</strong>raum | 73
74 | <strong>Spiel</strong>raum<br />
Attraktive Materialkombination<br />
Nicht nur Holzspielgeräte aus Deutschland<br />
werden immer stärker nachgefragt. Besonders<br />
exportorientiert zeigt sich auch das<br />
Unternehmen stilum, das <strong>Spiel</strong>geräte in der<br />
Materialkombination Edelstahl <strong>und</strong> Gummi<br />
anbietet. Gerade darin sieht Geschäftsführer<br />
Mike Arnold einen zentralen Gr<strong>und</strong><br />
für den Exporterfolg. R<strong>und</strong> 75 Prozent der<br />
Aufträge stammen aus den 18 europäischen<br />
Distributionen. Von Beginn an konnte stilum<br />
über das Vertriebsnetz des Schwesterunternehmens<br />
Conradi+ Kaiser international<br />
agieren. Ausschlaggebend war dabei das<br />
Produktportfolio: „Stahlspielgeräte in Serie,<br />
mit einer durchgängigen Designaussage<br />
waren damals <strong>und</strong> sind auch heute noch<br />
in einem derart umfangreichen Sortiment<br />
selten, so dass die Partner im Ausland unsere<br />
<strong>Spiel</strong>geräte <strong>und</strong> Stadtmöblierung gerne<br />
als Ergänzung ihres bestehenden Angebots<br />
aufgenommen haben“, erklärt Mike Arnold.<br />
Neben dem Design überzeugt die Langlebigkeit<br />
der durch die form- <strong>und</strong> farbenfrohen<br />
Gummielemente fre<strong>und</strong>lich gestalteten<br />
<strong>Spiel</strong>geräte. Sie eignen sich auch für <strong>Spiel</strong>plätze<br />
oder <strong>Spiel</strong>punkte in Lagen am Meer<br />
oder in vandalismusanfälligen Bereichen in<br />
Ballungszentren. Eine langjährig erfolgreiche<br />
Zusammenarbeit gibt es zum Beispiel<br />
mit Boer in den Niederlanden, Fuchs in der<br />
Schweiz oder Holzhof in Italien. Ganz am<br />
Anfang steht dagegen die Kooperation mit<br />
Distributoren in Japan <strong>und</strong> Libyen. Um weitere<br />
Impulse für die Entwicklung von stilum<br />
zu setzen, wird es schon in Januar eine Vielzahl<br />
neuer Designelemente geben, die das<br />
stilum-Programm vervollständigen.
Kukuk engagiert sich über den Verein Kukukkultur für den Bau<br />
von <strong>Spiel</strong>plätzen in Krisenregionen.<br />
Sonderanfertigungen für spezielle Orte<br />
Auch wenn es um <strong>Spiel</strong>skulpturen geht, sind die<br />
Ideen deutscher <strong>Spiel</strong>platzbauer gefragt. Hersteller<br />
wie Kukuk aus Stuttgart oder auch Kellner<br />
<strong>Spiel</strong> aus Tabarz sind in den letzten Jahren<br />
durch sehr individuelle <strong>Spiel</strong>plätze aufgefallen.<br />
Ein Beispiel dafür ist die im Sommer installierte<br />
<strong>Spiel</strong>skulptur „Treibholz“, die Hans-Georg Kellner<br />
für den Außenbereich des von dem Architektenbüro<br />
Moro & Moro gebauten Bäderzentrums<br />
„Lido Locarno“ gebaut hat. Auch Kukuk<br />
arbeitet viel in der Schweiz, besonders schön ist<br />
zum Beispiel der <strong>Spiel</strong>raum in Maloja. Darüber<br />
hinaus setzen sich Bernhard Hanel, Robin Wagner<br />
<strong>und</strong> Thomas Weber über den Verein Kukukkultur<br />
für eine ganz andere Art von „Export“<br />
ein: Seit acht Jahren realisiert der Verein in<br />
Krisengebieten wie Libanon oder Temeswar mit<br />
deutschen <strong>und</strong> einheimischen Kindern <strong>Spiel</strong>räume,<br />
um Kindern im Alltag dort ein Stück<br />
Unbeschwertheit zu geben.<br />
Dr. Anke Münster<br />
Hans Georg Kellner baut viele seiner <strong>Spiel</strong>skulpturen im Ausland,<br />
zum Beispiel „Treibholz“ am Ufer des Lago Maggiore.<br />
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76 | Stadt & Kunst
Platz nehmen<br />
„Sie können noch ein Momentchen Platz nehmen.“ Diesen Hinweis kennt<br />
man von Arztbesuchen, wobei der Begriff Momentchen als sehr dehnbar erlebt<br />
wird. Platz nehmen kann man auch als Zeichen des zivilen Ungehorsams<br />
im Rahmen einer Sitzblockade. Oder eben bei einer durchaus erwünschten<br />
Eroberung des öffentlichen Raums. <strong>FreeLounge</strong> hat ein Beispiel dafür in<br />
Frankfurt entdeckt.<br />
Playing the City 2<br />
„Plötzlich bist Du mittendrin – 23 Kunstaktionen<br />
in 20 Tagen“. Das war das Motto eines<br />
Ausstellungsprojekts in Frankfurt, in dessen<br />
Zentrum die kontrovers geführten Diskussionen<br />
über den öffentlichen Raum <strong>und</strong> den „participatory<br />
turn“ innerhalb der zeitgenössischen Kunst<br />
standen. Die teils eigens für das Projekt konzipierten<br />
kollaborativen <strong>und</strong> partizipatorischen<br />
Arbeiten bildeten das Programm. So erschloss<br />
Playing the City 2 den öffentlichen Raum als einen<br />
kollektiven, freien <strong>und</strong> gestaltbaren Raum.<br />
Das Projekt stellte Fragen nach seinen Grenzen<br />
<strong>und</strong> nach der Einbezogenheit seiner Bewohner.<br />
Die ortsspezifi schen Aktionen bewegten sich in<br />
einem zeitlich limitierten Rahmen, in dem sie<br />
hergestellt <strong>und</strong> erfahren werden konnten.<br />
Bereits mit dem Projekt Playing the City im Vorjahr<br />
konnte die SCHIRN KUNSTHALLE FRANK-<br />
FURT, eines der renommiertesten Ausstellungshäuser<br />
Deutschlands, einen Erfolg verzeichnen.<br />
Vom 8. bis 26. September <strong>2010</strong> folgte Playing<br />
the City 2 mit einer großen Bandbreite künstlerischer<br />
Aktivitäten im öffentlichen Raum. Täglich<br />
neue Aktionen in der Frankfurter Innenstadt<br />
involvierten auf unterschiedlichste Weise die<br />
Stadt <strong>und</strong> ihre Bewohner - von Performances<br />
über Installationen bis zu „Guerillaaktionen“.<br />
Gemeinsamkeiten der Aktionen liegen darin,<br />
dass Produktion <strong>und</strong> Rezeption eng miteinander<br />
verb<strong>und</strong>en oder nahezu identisch sind. Viele<br />
der für Playing the City 2 entworfenen Arbeiten<br />
– ob Aktionen, die eine zufällige Konfrontation<br />
auf der Straße herbeiführen, oder Skulpturen,<br />
die zur Verwendung einladen – konnten erst<br />
durch die Beteiligung der Öffentlichkeit realisiert<br />
werden. Mindestens aber waren sie darauf<br />
ausgerichtet, eine Konfrontation <strong>und</strong> ein Gespräch<br />
mit dem – teils zufälligen – Publikum<br />
herzustellen <strong>und</strong> den öffentlichen Raum in ein<br />
<strong>Spiel</strong>feld mit gemeinschaftlich erprobten Regeln<br />
zu verwandeln. Ist der öffentliche Raum<br />
tatsächlich als Ort unterschiedlicher Meinungen<br />
<strong>und</strong> Stimmen wahrnehmbar? Woraus besteht<br />
die öffentliche Meinung? Was versteht<br />
man unter öffentlichem Raum? Das sind einige<br />
der Fragen, die das Projekt Playing the City 2<br />
aufwarf.<br />
Besetzt Frankfurt!<br />
Ausgangspunkt der Aktion „Platz nehmen“ ist<br />
die Idee, den Menschen in der Stadt die Möglichkeit<br />
zu geben, ihre Umgebung aus einem<br />
anderen Blickwinkel zu erleben, Besitz vom öffentlichen<br />
Raum zu ergreifen <strong>und</strong> ihn mit zu<br />
gestalten. Die Offenbacher Agentur Cosalux,<br />
die auf multimediale Designlösungen spezialisiert<br />
ist, gestaltete faltbare Hocker <strong>und</strong> produzierte<br />
sie in einer nummerierten Aufl age.<br />
Am 8. September startete die friedliche Besetzung,<br />
nachdem die Mitarbeiter von Cosalux die<br />
ersten der Hocker am Mainufer/Schöne Aussicht<br />
platziert hatten. Wer auf einem der begehrenswerten<br />
orangefarbenen Hocker sitzen<br />
oder einen von ihnen besitzen wollte, bewegte<br />
sich in den folgenden Tagen in Richtung Senckenberg<br />
Anlage, wo die faltbaren Sitzmöglichkeiten<br />
auf dem Mittelstreifen bzw. Grünstreifen<br />
standen. Alternativ fanden sich Objekte der<br />
Besitzergreifung auch an der Hauptwache auf<br />
der B Ebene <strong>und</strong> an der Taunusanlage zwischen<br />
der Kaiserstraße <strong>und</strong> der Alten Oper. Neugierig<br />
nahmen die Besucher Platz an Stellen, wo es<br />
sonst nicht möglich ist, entdeckten die Sitze als<br />
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78 | Stadt & Kunst<br />
Ruhe- <strong>und</strong> Beobachtungsplatz, Mini-Kommunikationszentrum<br />
oder als <strong>Spiel</strong>gerät für Kinder.<br />
Meist standen die Hocker nicht lange, denn<br />
sie durften auch mitgenommen werden. Mancher<br />
versuchte sich als Transportkünstler <strong>und</strong><br />
probierte aus, wie viele Exemplare eine Person<br />
nach Hause tragen konnte.<br />
Nehmen <strong>und</strong> Geben<br />
Nicht nur nehmen war angesagt. In einer Aktion<br />
von Swetlana Gerner konnten Bürger der<br />
Stadt Frankfurt etwas zurückgeben. Passanten<br />
waren aufgerufen in ein Stadtwappen aus Holz<br />
Gegenstände hinein zu legen <strong>und</strong> damit auf<br />
etwas ganz Individuelles zu verzichten. Während<br />
der Aktion füllte sich das Wappen mit den<br />
unterschiedlichsten Gegenständen – u.a. von<br />
einer 5-Euro-Note über ein Kissen, den Kopf<br />
einer Schaufensterpuppe, einen Kugelschreiber<br />
<strong>und</strong> eine Sonnenbrille bis hin zu hin zu zwei<br />
Steinen, die ein Polizeibeamter vorbeibrachte.<br />
Sie waren bei einer Straftat benutzt worden<br />
<strong>und</strong> nun von der Staatsanwaltschaft freigege-<br />
ben. So wurde die Wappenauslage zu einem eigentümlichen<br />
Altar für Opfer der Bürgerschaft.<br />
Etwas von sich geben konnten Passanten auch<br />
bei der Aktion „WAS SAGST DU JETZT?“ der<br />
Künstler Glegg & Guttmann, die an ihrer Open<br />
Debate Station auf kleinem Raum die Infrastruktur<br />
für Diskussionen <strong>und</strong> Debatten bereitstellte:<br />
Dazu gehörten neben einem Tisch auf<br />
einem Podest zwei Mikrofone sowie zwei Hocker.<br />
Neben spontan geführten Debatten werden<br />
dialogische Streitgespräche organisiert, in<br />
denen aktuelle Themen diskutiert werden. Die<br />
beiden Künstler beziehen sich mit dieser Arbeit<br />
sowohl auf die Tradition der Auslegung des<br />
Talmud als auch auf die Geschichte der Frankfurter<br />
Schule <strong>und</strong> schaffen die Möglichkeit für<br />
einen strukturierten Meinungsaustausch.<br />
Hinter dem Spiegel<br />
Ging es an der Open Debate Station um Öffentlichkeit,<br />
kreierte Christoph von Löw mit “Spy<br />
View” ein wenig Privatsphäre im öffentlichen<br />
Raum. Drei begehbare Kuben mit spiegelnder<br />
Oberfl äche waren auf der Zeil, am Domplatz<br />
<strong>und</strong> an der Hauptwache aufgestellt. Die nach<br />
außen spiegelnde Oberfl äche verwehrte einen<br />
Blick in das Innere, ermöglichte jedoch von<br />
innen eine Beobachtung der außen liegenden<br />
Umwelt. Betrat ein Passant den Kubus, war<br />
er somit als Beobachter der Außenwelt zwar<br />
anwesend, bleibt jedoch im Verborgenen. Das<br />
öffentliche Leben wurde durch jeden Kubus gestört<br />
<strong>und</strong> durch eine minimale Grenze von einer<br />
Privatsphäre getrennt, die ihrerseits die Grenze<br />
zur Öffentlichkeit nur simulierte.<br />
Die sind nur vier Beispiele, wie die Schirn<br />
Kunsthalle einmal mehr mit urbanen Aktionen<br />
Bürger spielerisch in den öffentlichen Raum<br />
einbezogen hat. Bleibt zu hoffen, dass es auch<br />
Playing the City 3 geben wird.<br />
Ludwig Keißner
Puccini mit Ghettoblaster<br />
2004 ist das Geburtsjahr von Oper Dynamo<br />
West, Geburtsort: ein Sofa in der Berliner B<strong>und</strong>esallee.<br />
„Unser Studium an der Universität der<br />
Künste ging zu Ende“, erzählt Janina Janke, die<br />
bei der Gründung dabei war, <strong>und</strong> schmunzelt:<br />
„Wir wollten uns nicht aus den Augen verlieren.“<br />
Zusammen mit sechs Kommilitoninnen<br />
<strong>und</strong> Kommilitonen beschloss die damalige<br />
Dramaturgie-Studentin, fortan gemeinsam<br />
Musiktheater zu machen. Ideen für die ersten<br />
Projekte entwickelten sich schnell, die Themen<br />
fanden die Opernliebhaber auf der Straße: R<strong>und</strong><br />
um die Uni standen die Zeichen auf Wandel. Die<br />
Künstler- <strong>und</strong> Kulturszene Berlins zog es vom<br />
alten Westen immer mehr nach Mitte, in das<br />
ehemalige Ostberlin. „Der Westen war in den<br />
Schlaf gefallen“, erinnert sich Janina Benduski,<br />
die zwei Jahre später zu der Gruppe dazu stieß.<br />
„Es gab viele Leerstellen, viele Räume, die es<br />
zu entdecken galt.“ Büros verwaisten, Theater<br />
wurden geschlossen, Plätze blieben unbebaut.<br />
Auffallendstes Zeichen für die Veränderung:<br />
der Bahnhof Zoo. Über Jahrzehnte stand er für<br />
den Glanz <strong>und</strong> das Elend von Westberlin. Mit<br />
der Fertigstellung des neuen Lehrter Bahnhof<br />
im Mai 2006 wurde der Bahnhof Zoo zum Regionalbahnhof<br />
degradiert, die Fernzüge rollten<br />
fortan vorbei. Vorbei auch am 100 m langen<br />
Restaurant „Terrassen im Zoo“ auf der ersten<br />
Etage des Bahnhofs.<br />
Realität oder <strong>Spiel</strong>? Fiktion oder Doku?<br />
An diesem „verlassenen“ Ort startete die Studenten-Initiative,<br />
jetzt: Oper Dynamo West<br />
2006 seine erste Produktion: „EIN_FÜHRUNG“.<br />
Von asiatischen Hostessen geleitet, bewegten<br />
sich die Zuschauer auf einem Stadtspaziergang<br />
vom Restaurant Terrassen am Zoo über den Kurfürstendamm<br />
bis hin zur B<strong>und</strong>esallee, eine zwei<br />
Kilometer lange Strecke vorbei an sieben Stationen<br />
– darunter der Supermarkt Ullrich in den<br />
S-Bahnbögen. Hier berichtete eine Kassiererin<br />
über ihren Arbeitsalltag, ihre Erfahrungen mit<br />
den K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ihre Träume. An der Synagoge<br />
erzählte ein Polizist, wie er seinen Job nach 25<br />
Berufsjahren im Objektschutz erlebt <strong>und</strong> wie er<br />
sich vor den Provokationen der Passanten zu<br />
schützen weiß. Auch an den anderen Stationen,<br />
etwa dem Swissôtel oder einem Hochzeitsladen,<br />
kam es zu interessanten Begegnungen:<br />
Oper – ein abendfüllendes<br />
Format für ein elitäres Publikum<br />
in plüschigen Sesseln?<br />
Nicht so für Oper Dynamo<br />
West aus Berlin. Seit 2006<br />
bespielt die Initiative den<br />
öffentlichen Raum mit Musiktheater.<br />
Mit den aufgeführten<br />
Stücken verändert<br />
sich auch der Blick auf die<br />
<strong>Spiel</strong>stätten.<br />
Stadt & Kunst | 79
Auf inszeniertem Stadtspaziergang: EIN_FÜHRUNG (2006)<br />
Oper Dynamo West<br />
2006 gegründet, hat die<br />
Initiative seither 20 Musiktheater-Produktionen<br />
realisiert,<br />
vorwiegend im städtischen<br />
Raum. Seine Stücke entwickelt<br />
Oper Dynamo West aus dem<br />
räumlichen Kontext heraus<br />
bzw. für einen speziellen Aufführungsort.<br />
Das Team zählt<br />
zurzeit 10 feste Mitglieder für<br />
Produktion, Regie, Bühnenbild,<br />
Mediengestaltung, Musik, <strong>und</strong><br />
PR. Bei den Projekten arbeitet<br />
Oper Dynamo West mit freien<br />
Ensembles <strong>und</strong> Schauspielern<br />
zusammen.<br />
80 | Stadt & Kunst<br />
Zwar trafen die Zuschauer immer auf Schauspielerinnen<br />
<strong>und</strong> Schauspieler, aber was immer<br />
die in ihrer Rolle als Doorman oder Verkäuferin<br />
auch sagten, es war authentisch. Für die Texte<br />
hatte Oper Dynamo West Interviews r<strong>und</strong> um<br />
den Bahnhof Zoo geführt, Menschen befragt,<br />
die typisch waren für die Gegend. Der Ort, seine<br />
Menschen <strong>und</strong> seine Geschichten haben den Inhalt<br />
<strong>und</strong> die Dramaturgie von „EIN_FÜHRUNG“<br />
bestimmt – wie seither bei nahezu allen Stücken<br />
von Oper Dynamo West. Als während der<br />
Aufführung Passanten vorbeieilten, K<strong>und</strong>en den<br />
Einkaufswagen füllten oder Hotelgäste ankamen<br />
oder abreisten, wusste man als Zuschauer<br />
nicht: Ist das die Realität oder Teil des <strong>Spiel</strong>s?<br />
Ist das Fiktion oder Dokumentation? In EIN_<br />
FÜHRUNG hat Oper Dynamo West die Stadt<br />
zur Kulisse gemacht, die Aufführung in den urbanen<br />
Kontext gesetzt. Kunst traf auf Alltag:<br />
An einer Station von EIN_FÜHRUNG sang eine<br />
Opernsängerin eine Puccini-Arie, die Musik kam<br />
aus einem Ghettoblaster, beleuchtet wurde sie<br />
nur von einer Straßenlaterne. Szenen wie diese<br />
verfehlen die intendierte Wirkung nicht: „Wer<br />
das hört <strong>und</strong> sieht, nimmt den gewohnten Ort<br />
anders wahr – im Moment der Aufführung <strong>und</strong><br />
darüber hinaus“, beschreibt Janina Benduski<br />
den positiven Effekt. Dabei geht es Oper Dynamo<br />
West generell nicht darum, Kritik an einer<br />
Situation vor Ort zu üben oder gar alternative<br />
Nutzungskonzepte zu propagieren. Ästhetisches<br />
Interesse an einem Ort statt politischem<br />
Gestaltungswillen: Die Projekte sollen das Publikum<br />
vor allem sensibilisieren <strong>und</strong> neue Sichtweisen<br />
auf eine vertraute Umgebung eröffnen.<br />
Das Publikum ist offen für diesen Ansatz. „Zu<br />
uns kommen klassische Operngänger <strong>und</strong> Arbeiter,<br />
Leute, die man auf Vernissagen trifft,<br />
<strong>und</strong> solche, die dort leben, wo wir spielen“,<br />
skizziert Janina Benduski das breite Spektrum<br />
der Besucher. Nicht nur die Zuschauer bringen<br />
viel Offenheit mit, auch die jeweiligen<br />
Hausherren, private Eigentümer ebenso wie<br />
öffentliche Verwaltungen. „Wenn sicherheitstechnische<br />
<strong>und</strong> praktische Fragen geklärt sind,<br />
wird aus der anfänglichen Skepsis schnell volle<br />
Unterstützung.“<br />
Korea in der Tauentzienstraße<br />
Meist sind es die Orte <strong>und</strong> die Menschen dort,<br />
die Oper Dynamo West zu ihren Geschichten<br />
<strong>und</strong> Stücken inspirieren. Manchmal legen die<br />
Künstler aber auch eine Geschichte in einen<br />
Raum hinein. Inspiriert von dem koreanischen<br />
Märchen „Von dem Mädchen, das die Fische<br />
versorgte“ erforschte die Künstlergruppe mit<br />
der Geräuschoper „Hotel Korea“ das Berliner<br />
EUROPA CENTER in der Tauentzienstraße, direkt<br />
gegenüber der Ruine der Kaiser-Wilhelm-<br />
Gedächtniskirche. Kreuz <strong>und</strong> quer durch das<br />
ganze Hochhaus führte die Inszenierung die<br />
Besucher. In fünf Räumen erzählte Oper Dynamo<br />
West mit Tanz-, Musik- <strong>und</strong> Objekttheater,<br />
Video- <strong>und</strong> Klanginstallationen die Geschichte<br />
eines Liebespaares <strong>und</strong> ihres Geisterkarpfens<br />
<strong>und</strong> von Eun-jin aus Korea. Die Geräusche, die<br />
Eun-jin in ihrem koreanischen Alltag zuvor aufgenommen<br />
<strong>und</strong> nach Berlin geschickt hatte,<br />
untermalten die eindringlichen Szenen. Zum<br />
Schluss sang die echte Eun-jin in der Panorama-Bar<br />
des Hochhauses, direkt unterhalb des<br />
sich drehenden Mercedes-Sterns, ein koreanisches<br />
Liebeslied.<br />
Rappen für den Kiez<br />
Oper Dynamo West - der Name ist zwar Programm.<br />
Es muss aber eben nicht immer Oper,<br />
manchmal darf es auch zum Beispiel HipHop<br />
sein. So bei „Stürmt den Pallast“, einem Projekt,<br />
das seine Keimzelle im FROBEN27 hatte, einem<br />
Jugendladen im Berliner Stadtteil Schöneberg.<br />
Jugendliche aus den unterschiedlichsten Ländern<br />
kommen im FROBEN 27 zusammen: Deutsche,<br />
Türken, Iraner, Iraker, Albaner, Bosnier.<br />
Einige dieser Jugendlichen hat Oper Dynamo<br />
West durch ihr Viertel begleitet: ins Solarium, in<br />
die <strong>Spiel</strong>hölle, die Dönerbude <strong>und</strong> den Boxclub;<br />
hat sie beobachtet, wie sie beim Frisör oder auf<br />
dem Fußballplatz herumhängen. Im Tonstudio<br />
hat Oper Dynamo West zusammen mit ihnen
einen HipHop-Song über ihre Erfahrungen produziert<br />
- ein R<strong>und</strong>umschlag durch den „Kiez“,<br />
über das Leben auf der Straße <strong>und</strong> die Prostitution<br />
vor der Haustür. Von Schöneberg 30, dem<br />
Bezirk <strong>und</strong> seinen Menschen handelte auch<br />
der Videoclip, der aus dem Projekt mit den Jugendlichen<br />
hervorgegangen ist. In einem Berliner<br />
Kino fand Ende Januar <strong>2010</strong> das Screening<br />
statt. Im Publikum: Deutsche, Türken, Iraner,<br />
Iraker, Albaner, Bosnier - aus Schöneberg 30<br />
<strong>und</strong> aus anderen Stadtteilen, Erwachsene <strong>und</strong><br />
Jugendliche, quer durch die sozialen Schichten.<br />
Identität stiften, die vertraute Umgebung mit<br />
anderen Augen sehen <strong>und</strong> bewusst machen –<br />
dieses Konzept funktioniert in Berlin hervorragend.<br />
Für die meisten Produktionen, die Oper<br />
Dynamo West seit 2006 auf die Bühne gebracht<br />
hat, fungierte denn auch Berlin als Kulisse. Die<br />
Stadt ist schließlich prädestiniert für die Interventionen<br />
von Oper Dynamo West. Eine Stadt<br />
ohne echtes Zentrum, aber mit vielen Herzen.<br />
Eine Stadt im ständigen Wandel: von der kaiserlichen<br />
Garnisonsstadt zum intellektuellen<br />
Zentrum der 20er Jahre, von der Insel im sozialistischen<br />
Osten zur blühenden Künstleroase in<br />
der Mitte Europas, eine Hauptstadt, „arm, aber<br />
sexy“. Und doch realisiert Oper Dynamo West<br />
auch Projekte außerhalb Berlins, in anderen<br />
Städten <strong>und</strong> sogar im ländlichen Raum, zum<br />
Beispiel die zehntägige Performance-Werkstatt<br />
„Der Findling“ in Seoul (2008) oder „Kunst-<br />
Axt“ (<strong>2010</strong>) in Mainz.<br />
Musikalische Stadtentwicklung<br />
Zwei bis drei Projekte pro Jahr stehen eigentlich<br />
auf dem Plan von Oper Dynamo West – eigentlich,<br />
denn <strong>2010</strong> waren es bereits fünf. Die<br />
Nachfrage ist groß. „Bisher sind wir mit unseren<br />
Ideen immer auf die Eigentümer von Gebäuden<br />
oder die zuständigen Behörden zugegangen,<br />
mittlerweile werden wir auch angefragt“, erzählt<br />
Janina Benduski nicht ohne Stolz über<br />
die positive Resonanz. Doch Oper Dynamo West<br />
steigert nicht nur die Nachfrage in eigener Sache:<br />
Wenn das Ensemble seine Stücke aufgeführt<br />
<strong>und</strong> die städtische Bühne wieder verlassen<br />
hat, folgen oft andere Kulturveranstalter<br />
<strong>und</strong> wollen die Räume bespielen. So werden<br />
Un-Orte zu Kultur-Orten. Oper? Das ist dann<br />
Stadtentwicklung mit ungewöhnlichen Mitteln.<br />
Jörg Kohnen-May<br />
Far East in West Berlin: Geräuschoper HOTEL KOREA (2007) im Europa Center<br />
Buchtipp: „Oper Dynamo West –<br />
Die Stadt als Bühne“<br />
Hrsg. Janina Janke. Erschienen <strong>2010</strong>.<br />
144 Seiten, 177 farbige Abb.<br />
ISBN 978-3-7757-2625-2<br />
29,80 Euro<br />
Stadt & Kunst | 81
82 | Stadt & Kunst<br />
Eindrücke vom Weißen Weg
Die Fotografi n Anja Schlamann hat sich den<br />
zur EuRegionale 2008 entstandenen Weißen<br />
Weg durch den Pferdelandpark als Motiv genommen.<br />
Der 30 Kilometer lange Weg zieht<br />
sich durch die vielgestaltige Landschaft von<br />
Aachen über Herzogenrath nach Kerkrade <strong>und</strong><br />
bildet als Band die Struktur <strong>und</strong> das Gerüst des<br />
Parks. Er gibt die Richtung an <strong>und</strong> sammelt dabei<br />
die Orte <strong>und</strong> Bauwerke ein, die zwar schon<br />
immer als Glanzpunkte in der Landschaft vorhanden<br />
waren, aber früher nicht in Verbindung<br />
standen: Hofgüter, Mühlen <strong>und</strong> Baudenkmäler.<br />
An mehreren Stellen inszenieren Stationen die<br />
besonderen Qualitäten der Landschaft <strong>und</strong> machen<br />
sie erlebbar. Der „Weiße Weg“ ändert sein<br />
Aussehen in den einzelnen Wegabschnitten, je<br />
nachdem, durch welche Landschaft er gerade<br />
führt. Er entsteht nicht nur durch eine bloße<br />
Beschilderung der Feldwege, sondern durch<br />
eine immer wieder auftauchende Spur. Die mit<br />
weißen Materialien <strong>und</strong> weiß blühenden Pfl anzen<br />
gestaltete Wegelinie bildet das Rückgrat<br />
des Pferdelandparks <strong>und</strong> hält so den Park als<br />
Bild zusammen.<br />
Stadt & Kunst | 83
Where in this World<br />
Could I Go?<br />
Group-Show: Zakia el Abodi,<br />
Robert Estermann, Linda Nadji,<br />
Ranil Beyer, Ming-Ming Yin<br />
Ausstellung vom<br />
3.12.<strong>2010</strong> – 22.1.2011<br />
» www.von-cirne.de<br />
84 | Stadt & Kunst<br />
Anja Schlamann<br />
Über die Fotos vom Lesezeichen Salbke<br />
in Magdeburg, abgebildet in der <strong>Ausgabe</strong><br />
1/<strong>2010</strong>, sind wir auf das Werk von Anja<br />
Schlamann aufmerksam geworden. Neben<br />
ihrer künstlerischen Arbeit beschäftigt sich<br />
die Architektur-Fotografi n in verschiedenen<br />
Serien - oft auch im Auftrag von Kommunen<br />
- mit dem öffentlichen Raum, der Bebauung<br />
<strong>und</strong> vor allem mit den Menschen darin. Anja<br />
Schlamann war zunächst als Architektin an<br />
der Fachhochschule in Dessau tätig. Seit<br />
2001 hat sie ihren Schwerpunkt komplett<br />
auf Architekturfotografi e gerichtet. Neben<br />
angewandter Arbeit nimmt sie regelmäßig<br />
an Ausstellungen teil <strong>und</strong> zeigt Werkgruppen<br />
in Einzelausstellungen. Außerdem hat sie<br />
Lehraufträge für Architektur-Fotografi e an<br />
verschiedenen Fachhochschulen.<br />
Neben den Fotografi en vom Weißen Weg haben<br />
wir weitere Beiträge mit Bildern von Anja<br />
Schlamann illustriert: S. 6, S.43/44.<br />
„Immis“ aus Klettband, Holz <strong>und</strong> Stoff<br />
Die beiden Latten links <strong>und</strong> rechts stehen noch nicht sicher genug. Ming-Ming Yin zieht die<br />
Klettbänder straffer, die das Holz halten. Dann spannt sie sorgsam eine schmale Querlatte<br />
zwischen die beiden senkrechten Hölzer <strong>und</strong> lässt in deren Mitte einen mit Wasser befüllten<br />
Plastikbeutel herab. Der schaukelt jetzt leise über dem viereckigen Kübel wie hochgezogenes<br />
Brunnenwasser. Ein poetisches, leicht aus dem Gleichgewicht zu bringendes Konstrukt.<br />
Behutsam geht die Kunst von Ming-Ming Yin auf den Ort ein, an dem sie entsteht – aber wie reagieren<br />
die Menschen an diesem Ort auf ihre Kunst? Es ist Montagmorgen zwischen neun <strong>und</strong> zehn<br />
Uhr an diesem 29. November <strong>2010</strong>, das Belgische Viertel in Köln füllt sich mit Menschen auf dem<br />
Weg zur Arbeit. Neugierig bis ungläubig beobachten sie Ming-Ming Yin, ihre Aktion durchbricht<br />
die morgendliche Routine.<br />
Fakt ist: Die zurückhaltenden <strong>und</strong> gleichzeitig farbenfrohen Arbeiten der taiwanesischen Künstlerin<br />
sind „Immis“, wie die Kölner Zugezogene gern nennen. Niemand hat die zerbrechlichen Objekte<br />
aus Holz, Klettband <strong>und</strong> Stoff eingeladen, sich hier niederzulassen, in dem Blumenkübel in der<br />
Maastrichter Straße oder in einem Rabatt immegrüner Pfl anzen vor der Kirche St. Michael. Dürfen<br />
sie bleiben?<br />
Experiment mit offenem Ausgang<br />
„Die Kunst macht ein soziales Experiment“, sagt Jörg Kohnen-May. Der Galerist <strong>und</strong> Kommunikationsexperte<br />
hatte die Idee zu dieser unangemeldeten Aktion im öffentlichen Raum. „Wird sie als<br />
Kunst wahrgenommen <strong>und</strong> respektiert, wenn sie ihren angestammten Ort verlässt?“ Mit „angestammten<br />
Ort“ meint Kohnen-May die Räume seiner Galerie von cirne in der nahen Lütticher Straße.<br />
Sechs Arbeiten hat die Künstlerin außerhalb der Galerie installiert, eine siebte Arbeit wird sie<br />
einige Tage später im „Schutzraum“ Galerie realisieren - als Teil der Gruppenschau „Where in this<br />
World Could I Go?“ Auch die Ausstellung fragt nach dem „richtigen“ Platz der Kunst in dieser sich<br />
immer schneller drehenden Welt. Sollen Künstlerinnen <strong>und</strong> Künstler sich in ihrer Kunst anpassen,<br />
an häufi g wechselnde Aufenthaltsorte, an neue Heimaten? Die Arbeiten Ming-Ming Yins fügen sich<br />
ein <strong>und</strong> bleiben doch ganz bei sich selbst. Auf Fotografi en werden sie in der Ausstellung zu sehen<br />
sein. Ganz gleich also, was mit den realen Objekten geschieht – sie werden Spuren hinterlassen.
(re)designing nature<br />
Die Ausstellung „(re)designing nature“ präsentiert<br />
über 30 internationale Projekte der<br />
Naturgestaltung in bildender Kunst <strong>und</strong> Landschaftsarchitektur.<br />
Im Fokus stehen dabei zukunftsweisende<br />
Gestaltungskonzepte von Natur<br />
im urbanen Raum. „Ich möchte behaupten,<br />
dass Design einer der Begriffe ist, die das Wort<br />
‚Revolution’ ersetzt haben! Wenn man sagt,<br />
dass alles designt <strong>und</strong> redesignt werden muss<br />
(einschließlich der Natur), dann ist etwas impliziert<br />
wie: weder wird es revolutioniert noch<br />
modernisiert werden,“ konstatierte der französische<br />
Soziologe <strong>und</strong> Philosoph Bruno Latour in<br />
einem Vortrag im Herbst 2008. Er traf damit einen<br />
ganz wesentlichen Kern des Zeitgeistes <strong>und</strong><br />
der heutigen Bedeutung des Wortes Design.<br />
Im Zentrum vieler Arbeiten:<br />
der urbane Raum<br />
Die Ausstellung stellt neben künstlerischen<br />
Installationen, die ganz allgemein unseren<br />
Umgang mit der Natur refl ektieren, drei zentrale<br />
Strategien vor, welche zeitgenössische<br />
Landschaftsarchitekten <strong>und</strong> Künstler bei der<br />
Gestaltung von Natur verfolgen. Zu ihnen gehört<br />
zunächst eine ökologische Sicherung <strong>und</strong><br />
nachhaltige Umnutzung von postindustriellen<br />
Gebieten sowie die Neugestaltung städtischer<br />
Problemzonen <strong>und</strong> stark belasteter Verkehrsadern.<br />
Dabei werden verseuchte Gebiete renaturiert<br />
sowie urbane <strong>und</strong> landschaftliche Strukturen<br />
miteinander verwoben bzw. (natürliche)<br />
Umwelt <strong>und</strong> Infrastruktur zu einem ökologischen<br />
System verschmolzen. Ein weiterer Ansatz<br />
zeitgenössischer Landschaftsarchitekten<br />
<strong>und</strong> Künstler scheint unter anderem darin zu<br />
bestehen Rahmenbedingungen, Geräte <strong>und</strong> ar-<br />
chitektonisches Equipment für landwirtschaftliche<br />
<strong>und</strong> partizipatorisch ausgerichtete Projekte<br />
im urbanen Raum bereit zu stellen. Und<br />
schließlich lassen sich als Drittes parasitäre <strong>und</strong><br />
symbiotische Strategien im gegenwärtigen Naturdesign<br />
ausmachen.<br />
Neue Berührungspunkte zwischen Kunst<br />
<strong>und</strong> Landschaftsarchitektur<br />
Künstler <strong>und</strong> Landschaftsarchitekten entwerfen<br />
Gärten <strong>und</strong> technoide Pfl anzenhybride, die<br />
sich an Orte einnisten, an denen sie eigentlich<br />
nicht offi ziell erwünscht oder zumindest ungewohnt<br />
sind. Sie befallen beispielsweise marode,<br />
ungenutzte sowie vernachlässigte Stellen des<br />
urbanen Systems <strong>und</strong> verändern es auf unterschwellige<br />
Art <strong>und</strong> Weise. Der Fokus auf diese<br />
drei Handlungsweisen <strong>und</strong> Strategien macht<br />
deutlich, dass in Landschaftsarchitektur <strong>und</strong><br />
Kunst zum Teil vergleichbare konzeptionelle<br />
<strong>und</strong> formale Ansätzen des Naturdesigns existieren<br />
<strong>und</strong> erklärt die interdisziplinäre Ausrichtung<br />
von „(re)designing nature“. Mit ihrem<br />
spartenübergreifendem Konzept reagiert<br />
die Ausstellung außerdem auf das Phänomen,<br />
dass Kooperationen zwischen bildenden Künstlern<br />
<strong>und</strong> Landschaftsarchitekten keine Seltenheit<br />
mehr sind. Und trägt damit nicht zuletzt<br />
der Entwicklung Rechnung, dass sich gerade<br />
jüngere Landschaftsarchitekten heute wieder<br />
stärker einem künstlerischen Anspruch verpfl<br />
ichtet sehen <strong>und</strong> die zeitgenössische Kunst<br />
auf der anderen Seite immer häufi ger Aufgaben<br />
übernimmt, die traditioneller Weise eher in den<br />
Bereich der Landschaftsarchitekten, der Architekten<br />
oder auch Stadtplaner fallen.<br />
Das Künstlerhaus in<br />
Wien zeigt aktuelle<br />
Positionen der Naturgestaltung<br />
in Kunst<br />
<strong>und</strong> Landschaftsarchitektur.<br />
(re)designing nature<br />
Die Ausstellung wurde von<br />
Susanne Witzgall, Florian<br />
Matzner <strong>und</strong> Iris Meder kuratiert.<br />
26. 11. <strong>2010</strong> - 23. 1. 2011<br />
Künstlerhaus k/haus, Wien<br />
Zu der Ausstellung ist ein<br />
Katalog erschienen:<br />
(re)designing nature<br />
Hrsg. Witzgall, Matzner, Meder<br />
<strong>und</strong> Kunsthaus Wien<br />
Ostfi ldern: Hatje Cantz Verlag<br />
<strong>2010</strong><br />
Stadt & Kunst | 85
Entdecke deine Stadt<br />
86 | Buchtipps<br />
Junge Stadterforscher müssen lernen, genau hinzuschauen, hinzuhören,<br />
ja sogar „hinzufühlen“, wenn sie sich im Stadtdschungel zurechtfi<br />
nden möchten. „Entdecke deine Stadt“ von Anke M. Leitzgen mit<br />
Fotos von Lisa Rienermann liefert ideenreiche <strong>und</strong> sachk<strong>und</strong>ige Anregungen.<br />
Immer mehr Kinder wachsen heute in Städten auf. Doch wer sie deshalb bedauern möchte,<br />
etwa weil sie auf Straßen <strong>und</strong> öffentlichen Plätzen spielen müssen, der hat noch nie<br />
eine Stadtsafari gemacht. Denn gerade Städte lassen sich als abwechslungsreiche <strong>und</strong><br />
spannende Orte erleben <strong>und</strong> werden, richtig genutzt, sogar zu einem einzigen, riesigen<br />
<strong>Spiel</strong>platz. Man muss nur wissen, wie! Genau das verrät<br />
nun Anke M. Leitzgen in „Entdecke deine<br />
Stadt“, ihrem außergewöhnlich ideenreichen,<br />
sachk<strong>und</strong>igen <strong>und</strong> neugierig machenden<br />
Buch. Die besonders schöne Gestaltung mit<br />
vielen Fotos hat Lisa Rienermann<br />
übernommen.<br />
„Was macht eine Stadt lebenswert?<br />
Wie komme ich sicher ans<br />
Ziel? Wo ist Platz für <strong>Spiel</strong> <strong>und</strong><br />
Sport? Wie erobert sich Natur<br />
die Stadt zurück? Was macht mich<br />
zum Stadtexperten? Warum ist eigentlich fast überall<br />
Kunst?“ Diese Fragen unterteilen das Buch in sechs<br />
Kapitel. Vorangestellt ist eine Art Schule der Sinne.<br />
Denn, so die These der Autorin, wer sich im Stadtdschungel<br />
zurechtfi nden möchte, braucht erst einmal<br />
Sensoren, um diesen überhaupt in all seinen Facetten<br />
wahrzunehmen. Ein junger Stadterforscher<br />
muss lernen, genau hinzuschauen, hinzuhören, ja<br />
sogar „hinzufühlen“. Und dazu gibt es gleich zu<br />
Beginn viele schöne Anregungen. Etwa die, besondere<br />
Gebäude, Türen <strong>und</strong> Tore zu entdecken,<br />
interessant gestaltete Hausnummern zu fi nden,<br />
unterschiedliche Bodenbeläge zu ertasten <strong>und</strong> diese auch einmal abzupausen.<br />
Mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen, bedeutet wirklich zu sehen <strong>und</strong> zu<br />
verstehen, was um einen herum geschieht, <strong>und</strong> was man selbst gestalten kann.<br />
Zum Beispiel Gärten. „Zu grün gibt's nicht“, schreibt die Autorin <strong>und</strong> erläutert ausführlich<br />
wie Landschaftsarchitekten, Guerilla-Gärtner oder kleine Landwirtschafts-Kollektive die<br />
Stadt mit ihren Pfl anzungen bereichern. Ein Beispiel von vielen sind etwa die Prinzessinnengärten<br />
in Berlin. Ihre Erfi nder züchten Obst <strong>und</strong> Gemüse direkt in der Stadt in sogenannten<br />
Container-Gärten, die sie auf einer Brache betreiben <strong>und</strong> jederzeit umziehen<br />
können. Und das bedeutet nicht nur Frisches direkt vor der Haustür zu ernten, sondern tut<br />
auch der Nachbarschaft gut, denn hier treffen Menschen zusammen. Warum nicht solch
tolle Projekte nachahmen? Zum Anfang genügen<br />
vielleicht schon ein paar Samenbomben.<br />
Wie sie sich selber rollen lassen, wird natürlich<br />
verraten. Ebenso wie die Idee, es den Streetart-<br />
Künstlern nachzutun. Nicht mit Spraydosen,<br />
aber gegen ein paar Bilder mit abwaschbarem<br />
Kleber angebracht hat keiner etwas einzuwenden.<br />
Der Effekt ist enorm <strong>und</strong> verändert das<br />
Stadtbild mehr als man denkt.<br />
„Entdecke deine Stadt“ ist ein w<strong>und</strong>erbares<br />
Buch, es regt die Fantasie an, macht Lust, die<br />
gebaute Umwelt zu erleben <strong>und</strong> sprüht vor Ideen<br />
<strong>und</strong> Anleitungen, diese auch umzusetzen. Es<br />
kombiniert das Wissen eines Sachbuches mit<br />
den Anregungen eines Mitmachbuchs, bietet<br />
Interviews mit Experten ebenso wie mit Kindern<br />
<strong>und</strong> behandelt viele relevanten Themen für das<br />
Leben in der Stadt. Eine tolle Mischung!<br />
Besprochen von Eva Hepper,<br />
Veröffentlichung mit fre<strong>und</strong>licher Genehmigung von DRadio.de<br />
Entdecke deine Stadt -<br />
Stadtsafari für Kinder<br />
Herausgeber: Anke M. Leitzgen <strong>und</strong><br />
Lisa Rienermann<br />
Beltz Verlag, Weinheim <strong>2010</strong><br />
153 Seiten, 14,95 Euro<br />
Soccer Courts <strong>2010</strong>/11<br />
Das Special „Soccer<br />
Courts“ ist ein Ratgeber<br />
r<strong>und</strong> um alle Themen, die<br />
Fußball-Kleinspielfelder,<br />
ob in der Halle, in Außenbereichen<br />
oder als Event-<br />
Attraktion betreffen. Das<br />
Special informiert über<br />
die Komponenten wie den<br />
Kunstrasen, die Banden,<br />
Tore <strong>und</strong> Netze, die Beleuchtung<br />
<strong>und</strong> Tribünen.<br />
Darüber hinaus präsentiert<br />
das Special wertvolle<br />
Experten-Tipps für die<br />
Planung <strong>und</strong> den Betrieb<br />
von Soccer-Hallen.<br />
Im Anhang fi ndet der Interessent Hersteller <strong>und</strong> Dienstleister der<br />
Branche mit ihren Kontaktdaten.<br />
Als PDF kostenfrei herunterladen unter www.stadionwelt.de<br />
Buchtipps | 87
Geglückter Start<br />
Der öffentliche Raum wird zur Bühne für das soziale Leben in den Städten. Um<br />
interessante Angebote für alle Bevölkerungsgruppen bieten zu können, setzt der<br />
B<strong>und</strong>esverband für Freiraum-Gestaltung (BFG) auf Information <strong>und</strong> auf eine<br />
Vernetzung aller beteiligten Partner aus Planung <strong>und</strong> Politik. Durch Projekte,<br />
Veranstaltungen <strong>und</strong> nicht zuletzt durch intensive Kontaktarbeit sind <strong>2010</strong><br />
wichtige Schritte gelungen.<br />
88 | Verband<br />
Verbänden eilt der Ruf voraus, als schwere <strong>und</strong><br />
unbewegliche Tanker in den jeweiligen Gewässern<br />
unterwegs zu sein. Der B<strong>und</strong>esverband für<br />
Freiraum-Gestaltung hat in <strong>2010</strong> viel dafür<br />
getan, ganz anders zu sein <strong>und</strong> so auch wahrgenommen<br />
zu werden. Als wichtige Türöffner<br />
haben sich die jährlichen BFG-Umfragen erwiesen,<br />
die einen neuen Blick auf Hintergründe <strong>und</strong><br />
Missstände, aber auch auf die Chancen eröffnen,<br />
die Kommunen nutzen, um die geforderten<br />
Angebote im Freiraum einzurichten. Denn der<br />
öffentliche Raum gelangt zunehmend Bedeutung<br />
als der Ort, der zu einem neuen kulturellen<br />
Miteinander einlädt <strong>und</strong> auch eine stark heterogene<br />
Bevölkerung zusammenführen kann.<br />
Das Thema <strong>Spiel</strong>en im öffentlichen Raum stand<br />
im Fokus der ersten beiden Umfragen, denn<br />
der BFG übernimmt ganz klar eine Position als<br />
„Anwalt“ für die Interessen von Kindern <strong>und</strong><br />
Jugendlichen im öffentlichen Raum. 2009 ging<br />
es um die Gründe, die den Bau von <strong>Spiel</strong>- oder<br />
Bolzplätzen verhindern. Neben fehlenden fi -<br />
nanziellen Mitteln war es vor allem das Thema<br />
„Kinderlärm“, das sich als der Schuh erwies, der<br />
vielen Kommunen erheblich drückt. <strong>2010</strong> folgte<br />
die Umfrage über das tatsächliche Budget, das<br />
Kommunen für den Unterhalt <strong>und</strong> den Neubau<br />
von <strong>Spiel</strong>plätzen zur Verfügung steht. Beide<br />
Umfragen haben dafür gesorgt, dass der BFG<br />
als tatkräftige Institution Bekanntheit erlangt<br />
<strong>und</strong> mit stichhaltigen Argumenten in Gespräche<br />
auch auf politischer Ebene einsteigen kann.<br />
Zusammenarbeit mit<br />
„Stern“ <strong>und</strong> „Report“<br />
Die Umfragen wurden vom BFG für eine breite<br />
Öffentlichkeitsarbeit in Richtung der Fach- <strong>und</strong><br />
Publikumsmedien genutzt. Das Ergebnis: Sowohl<br />
der Stern als auch das Fernsehmagazin<br />
Report aus Mainz arbeiteten mit dem BFG zusammen,<br />
um Informationen für Beiträge über<br />
eingeschränkte Nutzungen oder gar Schließungen<br />
von <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong> Bolzplätzen sowie gerichtliche<br />
Klagen aufgr<strong>und</strong> von Kinderlärm auf<br />
<strong>Spiel</strong>plätzen zu sammeln. Für Report führte der<br />
Verband sogar eine eigene Kurzumfrage durch.<br />
Insgesamt ließ sich erkennen, dass die Themen<br />
der BFG-Umfragen eine stärkere Medienpräsenz<br />
bekamen; Kinderlärm auf <strong>Spiel</strong>plätzen<br />
wurde kurz nach der Veröffentlichung selbst in<br />
den Tagesthemen angesprochen.<br />
Im Gespräch auf Messen<br />
Der BFG hat verschiedene Messen genutzt, um<br />
die Idee eines zentralen Ansprechpartners, einer<br />
weitreichenden Vernetzung <strong>und</strong> der Lobbyarbeit<br />
für alle Themen der Freiraum-Gestaltung<br />
vorzustellen. Mit eigenen Ständen war der BFG<br />
auf der freispiel Berlin sowie auf der GalaBau<br />
in Nürnberg vertreten. Als Highlight erwies sich<br />
auf der freispiel Berlin im Februar das dreitägige<br />
Veranstaltungsprogramm, das der BFG gemeinsam<br />
mit dem Deutschen Kinderhilfswerk<br />
organisiert hatte.<br />
Neue Aufgaben für 2011<br />
Der Austausch mit den verschiedenen Interessengruppen<br />
<strong>und</strong> nicht zuletzt mit den Kommunen<br />
hat gezeigt, dass der BFG mit seiner<br />
Ausrichtung Themen der Zeit <strong>und</strong> auch den<br />
Nerv der Zeit trifft. Benno Schäfer, erster Vorsitzender<br />
des BFG: „Die Zentren der Städte <strong>und</strong><br />
Gemeinden müssen attraktiver werden oder<br />
zumindest ihre Attraktivität behalten. Dies zu<br />
erreichen ist eine der ganz wesentlichen Aufgaben<br />
für die Zukunft, die stark im Zeichen des<br />
demografi schen Wandels steht. Der Gestaltung<br />
des öffentlichen Raums für ein Miteinander<br />
aller Generationen <strong>und</strong> Kulturen kommt da-
Durch Kontaktarbeit <strong>und</strong> Information hat der BFG<br />
verschiedene Themen - den kommunalen Freiraum<br />
betreffend - in die Öffentlichkeit gebracht.<br />
bei eine Schlüsselfunktion zu. Gemeinsame<br />
Projekte können zu einem neuen Wir-Gefühl<br />
in den Städten führen. Deshalb wird der BFG<br />
daran arbeiten, bei Entscheidern <strong>und</strong> Planern<br />
ein Bewusstsein zu entwickeln, wie alle Bevölkerungsgruppen<br />
vom Kleinkind bis hin zu den<br />
Senioren durch Angebote eingeb<strong>und</strong>en werden<br />
können, um Leben in die Städte zu bringen.“<br />
Längst schon haben beim BFG die Vorbereitungen<br />
für das Jahr 2011 begonnen. Mit mehr<br />
Mitgliedern <strong>und</strong> einem erweiterten Jahresprogramm<br />
soll die „Taktzahl“ der Veranstaltungen<br />
<strong>und</strong> Projekte weiter nach oben gefahren werden.<br />
Derzeit erarbeitet der Anwalt <strong>und</strong> zweite<br />
Vorsitzende des Verbands, Dr. Michael Winkelmüller,<br />
eine Bestandsaufnahme dazu, welche<br />
Aufgaben <strong>und</strong> Möglichkeiten Kommunen bei<br />
der Freiraum-Gestaltung innerhalb der gesetzlichen<br />
Richtlinien wahrnehmen können <strong>und</strong><br />
müssen. Im Zentrum steht die Frage: Ist die<br />
Anzahl der <strong>Spiel</strong>plätze auf kommunaler Ebene<br />
durch das Verkehrssicherungsgesetz geregelt?<br />
Die Ergebnisse werden ein weiterer Schritt<br />
sein, um die Akteure im Bereich der Freiraum-<br />
Gestaltung zu unterstützen <strong>und</strong> Kommunen in<br />
ihrer Arbeit juristisch abzusichern. Selbstverständlich<br />
wird die BFG-Umfrage 2011 folgen,<br />
die dann auf der Fachmesse FSB in Köln im Oktober<br />
vorgestellt werden wird. Also: volle Fahrt<br />
voraus – denn ein „Verbands-Tanker“ will der<br />
BFG nicht werden.<br />
Dr. Anke Münster<br />
Sehr gut kam das Veranstaltungsprogramm an, das der BFG gemeinsam mit dem Deutschen<br />
Kinderhilfswerk auf der freispiel <strong>2010</strong> organisiert hatte.<br />
„Der BFG hat <strong>2010</strong> gezeigt, dass er es als<br />
echter Interessenverband in sehr kurzer Zeit<br />
geschafft hat, wichtige kommunale Themen<br />
im Bereich der Freiraumgestaltung in die<br />
Öffentlichkeit zu rücken <strong>und</strong> im besten Sinne<br />
des Wortes Lobbyarbeit zu leisten.“<br />
Benno Schäfer, 1. Vorsitzender<br />
des B<strong>und</strong>esverbandes für Freiraum-Gestaltung<br />
Großes Interesse an der BFG-Umfrage <strong>2010</strong><br />
Dass die fi nanzielle Situation der Kommunen mehr als nur angespannt ist,<br />
weiß jeder. Wie sich das aber ganz konkret auf die Situation von Kindern in<br />
Städten <strong>und</strong> Gemeinden auswirkt, konnte man bislang nur ahnen. Die auf<br />
der GalaBau in Nürnberg vorgestellte BFG-Umfrage <strong>2010</strong> hat dies messbar<br />
gemacht. Entsprechend groß war das Interesse in der Branche. Die Studie<br />
wurde in den großen Fachzeitschriften vorgestellt. Kommunen fragten ebenso<br />
beim BFG nach wie Hochschulen <strong>und</strong> die Hersteller von <strong>Spiel</strong>geräten. Im<br />
WDR war zuletzt zu hören, dass in Gütersloh ein <strong>Spiel</strong>platz abgebaut <strong>und</strong> als<br />
Bauland verkauft werden soll. In Hagen stehen 30 bis 40 <strong>Spiel</strong>plätze auf der<br />
Streichliste. Wer die Zahl von 2914 Euro pro <strong>Spiel</strong>platz für sowohl für den<br />
Unterhalt als auch für Neuanschaffungen von Geräten kennt, die vom BFG<br />
deutschlandweit als Durchschnitt ermittelt wurde, der w<strong>und</strong>ert sich nicht über<br />
solche Entwicklungen. Der BFG wird die Ergebnisse der Umfrage weiter nutzen,<br />
um auf politischen Ebenen die Forderung nach einer kinderfre<strong>und</strong>lichen<br />
Stadtgestaltung zu manifestieren.<br />
Verband | 89
Zum 12. Symposium zur<br />
<strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong> Freiraumplanung<br />
trafen sich am<br />
13. <strong>und</strong> 14. Oktober<br />
<strong>2010</strong> über 200 Interessierte<br />
in Vorarlberg,<br />
Österreich. Im Zentrum<br />
des Programms <strong>und</strong> der<br />
Diskussionen standen<br />
aktuelle internationale<br />
Planungsphilosophien.<br />
Andreas Kupfer<br />
Andreas Kupfer ist Obmann<br />
des IFAU <strong>und</strong> verantwortlich<br />
für die Symposiumsreihe. Er<br />
hat Raumplanung studiert ist<br />
unter anderem auch Gründer<br />
der KinderUniSteyr.<br />
90 | Verband<br />
<strong>Spiel</strong>en verbindet –<br />
Über Grenzen hinweg!<br />
Seit 1996 veranstaltet das in Steyr, Oberösterreich<br />
beheimatete Bildungsinstitut IFAU-Institut<br />
für Angewandte Umweltbildung jährlich ein<br />
Fachsymposium zur <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong> Freiraumplanung.<br />
Die Standorte wechseln von Jahr zu Jahr,<br />
2008 wurde im Wiener Rathaus getagt, 2009<br />
gab es eine Einladung der Europäischen Kulturhauptstadt<br />
Linz. Ausgangspunkt der Tagungsreihe<br />
war Mitte der 90er Jahre das Aufkommen<br />
der „naturnahen <strong>Spiel</strong>platzgestaltung“. Mittlerweile<br />
hat sich das Themenspektrum erweitert,<br />
der Anspruch, die Bedürfnisse <strong>und</strong> Anliegen der<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen bei der Programmerstellung<br />
in den Mittelpunkt zu stellen, ist geblieben.<br />
Der Veranstaltungsort Dornbirn <strong>und</strong> das B<strong>und</strong>esland<br />
Vorarlberg wurden <strong>2010</strong> ganz bewusst<br />
ausgewählt. Hat sich Österreichs westlichstes<br />
B<strong>und</strong>esland 2009 per Gesetz verpfl ichtet, in allen<br />
Gemeinden eine <strong>Spiel</strong>- <strong>und</strong> Freiraumoffensive<br />
zu starten. Diese b<strong>und</strong>eslandweite Initiative<br />
hat mittlerweile Vorbildcharakter <strong>und</strong> kann<br />
bereits nach einigen Monaten auf beachtliche<br />
Erfolge verweisen. Maßgeblich verantwortlich<br />
dafür ist „Kinder in die Mitte“, eine Initiative des<br />
Landes Vorarlberg unter der Schirmherrschaft<br />
von Landeshauptmann Herbert Sausgruber. Ziel<br />
des engagierten Projektes ist, Vorarlberg zum<br />
kinder-, jugend- <strong>und</strong> familienfre<strong>und</strong>lichsten<br />
B<strong>und</strong>esland zu machen. Daraus ist das Projekt<br />
„Kindergerechte Lebensräume“ entstanden,<br />
dass Gemeinden kompetent berät <strong>und</strong> breite<br />
Unterstützung bei der Planung <strong>und</strong> Schaffung<br />
neuer <strong>Spiel</strong>räume gibt. Strategischer Auftrag<br />
ist es eine kinderfre<strong>und</strong>liche Gesellschaft zu<br />
schaffen <strong>und</strong> den Kindern Bewegung <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong><br />
im Freiraum verstärkt zu ermöglichen. Dabei<br />
werden die <strong>Spiel</strong>raumkonzepte von Gemeinden<br />
mit bis zu 70 Prozent gefördert. Besonderer<br />
Wert wird bei der Erarbeitung der Konzepte<br />
auf den partizipativen Ansatz, Barrierefreiheit<br />
<strong>und</strong> naturnahe Gestaltung gelegt. Seit dem Inkrafttreten<br />
des <strong>Spiel</strong>raumgesetzes arbeiten 30<br />
Gemeinden an der Erstellung eines <strong>Spiel</strong>raumkonzeptes,<br />
wobei zwei Konzepte bereits fertig<br />
gestellt sind.
SPIELELEMENT WASSER<br />
Im Zentrum des Symposiums stand das „<strong>Spiel</strong>element“<br />
Wasser. Wasser trennt, ist Grenze <strong>und</strong><br />
verbindet. Es ist das sinnlichste <strong>und</strong> reizvollste<br />
<strong>Spiel</strong>element. Bäche, Flüsse, Seen <strong>und</strong> Meere,<br />
sind Naturerfahrungsräume, die mit ihrer<br />
Tierwelt, Steinen, Sand <strong>und</strong> Schlamm ideale<br />
Forschungs - <strong>und</strong> Erfahrungsräume sind. Von<br />
Planern wurden in Dornbirn realisierte <strong>und</strong> in<br />
Umsetzung befi ndliche Projekte vorgestellt.<br />
Gerhard Navara präsentierte mit dem „Wasserspielplatz<br />
Wien“ den größten <strong>und</strong> bekanntesten<br />
seiner Art in Österreich. Herbert Dreiseitl<br />
gab einen Überblick über seine internationale<br />
Tätigkeit, vor allem im Kontext mit der „Wiederbelebung“<br />
urbaner Wasserlandschaften<br />
in Süd-Ost-Asien. Bernhard Hanel <strong>und</strong> Robin<br />
Wagner von KUKUK beeindruckten mit Wasserexperimenten<br />
<strong>und</strong> öffneten einen Blick in ihre<br />
innovative, künstlerische Praxis der Freiraumgestaltung.<br />
Der Nachmittag war den praxisorientierten<br />
Workshops gewidmet. Der Schweizer <strong>Spiel</strong>träumer<br />
Toni Anderfuhren <strong>und</strong> Günther Weiskopf<br />
verwandelten (mit den Teilnehmern) mit Hilfe<br />
einer großen Menge an Schwemmholz aus dem<br />
Bodensee <strong>und</strong> einem Bagger die Flusslandschaft<br />
der Dornbirner Ache in eine temporäre<br />
Kunstlandschaft. Auf die Bedeutung von Abenteuerspielplätzen<br />
in Städten wies Ernst Muhr<br />
von FRATZ Graz hin, das Erfolgsprojekt „Mehrfachnutzungen<br />
in Wien“ wurde von Jutta Kleedorfer<br />
vorgestellt.<br />
Dass auch die Anbindung von Freiräumen eine<br />
wesentliche Rolle spielt, wurde in den Vorträgen<br />
am zweiten Tagungstag in den Fokus der<br />
Diskussion gestellt. Die Fachbereiche der Verkehrsplanung<br />
<strong>und</strong> Architektur nehmen noch<br />
immer zu wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse<br />
von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen. Dass es auch<br />
anders geht, zeigten interdisziplinäre Planungsansätze<br />
aus der Schweiz, Deutschland<br />
<strong>und</strong> Österreich. Juliane Krause von plan&rat<br />
berichtete über Ansätze einer integrativen Verkehrsplanung,<br />
Eva Lingg von der FHS St. Gallen<br />
stellte ein Projekt über „Bewegungsfre<strong>und</strong>liche<br />
Siedlungsräume“ vor <strong>und</strong> Architekt Ramesh<br />
Kumar Biswas ging mit seinem Vortrag auf die<br />
sozialen Fragen im Städte- <strong>und</strong> Wohnbau ein.<br />
Den Abschluss bildete ein Vortrag von Herbert<br />
Dreiseitl zum Tagungsthema. Sein Resümee:<br />
Grenzen braucht es, damit Dinge sichtbar werden.<br />
Grenzen sind beim Wasser entscheidend.<br />
Das <strong>Spiel</strong>en mit Grenzen <strong>und</strong> die Überwindung<br />
von Grenzen schafft neue Räume des Lernens.<br />
Andreas Kupfer<br />
Links<br />
IFAU – Institut für Angewandte<br />
Umweltbildung<br />
» www.ifau.at<br />
Land Vorarlberg,<br />
Kindergerechte Lebensräume<br />
» www.vorarlberg.at<br />
(Kinder in die Mitte)<br />
Verband | 91
92 | Materialk<strong>und</strong>e<br />
Materialk<strong>und</strong>e<br />
Wir informieren Sie über neueste Materialen,<br />
Einbaumöglichkeiten <strong>und</strong> normative Änderungen
Mehr Farben <strong>und</strong> Formen<br />
Fallschutzbeläge aus Gummigranulat bieten nicht nur Schutz<br />
vor Sturzverletzungen, sondern auch immer mehr attraktive Gestaltungsoptionen<br />
für Außenbereiche.<br />
Seit nahezu vier Jahrzehnten werden Fallschutzbeläge<br />
aus Gummigranulat auf <strong>Spiel</strong>-<br />
<strong>und</strong> Nutzfl ächen verlegt. Es handelt sich somit<br />
um ein erfolgreich umgesetztes Kreislaufwirtschaftssystem<br />
mit langer Tradition. Insbesondere<br />
im Laufe der letzten zehn Jahre wurde das<br />
Angebot der Fallschutzbeläge den unterschiedlichen<br />
Anforderungen angepasst. Dazu zählen<br />
technische Verbesserungen ebenso wie die gestalterische<br />
Aufwertung zu einem vollwertigen<br />
Bodenbelag für den Außenbereich. Heute gibt<br />
es eine große Auswahl an Gestaltungsmöglichkeiten<br />
für zahlreiche Einsatzbereiche. Dabei<br />
kommen in den verschiedenen Ländern unterschiedliche<br />
Arten von Fallschutzbelägen aus<br />
Gummigranulat zum Einsatz. Ein wesentlicher<br />
Gr<strong>und</strong> dafür sind unterschiedliche Klimazonen:<br />
In Nordeuropa werden andere Fallschutzarten<br />
bevorzugt als vergleichsweise in südeuropäischen<br />
Ländern. Hinzu kommen länderspezifi -<br />
sche Vorlieben für bestimmte Varianten dieses<br />
Fallschutzes. Fallschutzbeläge mit großformatigen<br />
PU-Schaumplatten im Untergr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
Kunstrasenüberzug gibt es beispielsweise nur<br />
in Holland. In anderen Ländern schenkt man<br />
dieser Bodenart kein Vertrauen. Frankreich dagegen<br />
kennt nahezu keine Fallschutzplatten –<br />
hier werden seit vielen Jahren ausschließlich<br />
Ortseinbauten bevorzugt.<br />
Die richtige Auswahl treffen<br />
Für Planer von Freifl ächen <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong>zonen<br />
kommt es bei der Wahl des passenden Fallschutzbelags<br />
darauf an, die Anforderungen<br />
im Detail zu prüfen. Denn es gibt gravierende<br />
Unterschiede im Bezug auf die Fallschutzeigenschaften<br />
<strong>und</strong> die Beständigkeit beziehungsweise<br />
Verschleißfestigkeit. Die Beanspruchung<br />
unter einem Schaukelbrett oder auf einer stark<br />
frequentierten Schulspielfl äche ist eine andere<br />
als im Außenbereich eines Kindergartens. Ballspielfl<br />
ächen unter einem Basketballkorb oder<br />
vor einem Fußballtor müssen anders ausge-<br />
stattet werden als rutschsichere Zuwege. Zunächst<br />
ist es natürlich wichtig, die Fallwerte<br />
zu berücksichtigen. Je dünner ein Belag desto<br />
eher korrespondiert eine hohe Rohdichte mit<br />
beständigen Fallwerten. Höhere Fallanforderungen<br />
erfordern in der Regel einen dickeren<br />
Belag mit einer entsprechend gesteigerten<br />
Absorptionsfähigkeit. Hierfür werden unter<br />
anderem diverse Fallschutzplatten mit einer<br />
verschleißfesten Oberschicht <strong>und</strong> absortionsfähiger<br />
Drainage angeboten. Dies kann durch ein<br />
Zwei-Schicht-Produkt mit unterschiedlichen<br />
Körnungen erreicht werden. Mittlerweile gibt<br />
es darüber hinaus Fliesunterlagen mit Kunststoffgewirr,<br />
die eine gute Absorption zwischen<br />
Belag <strong>und</strong> Untergr<strong>und</strong> darstellen. Die Vorgaben<br />
für die Dimensionierung des Fallschutzes sind<br />
in der europäische Norm DIN EN 1177 geregelt,<br />
die es zu beachten gilt. Wichtig ist aber zudem,<br />
einen besonderen Fokus auf die Beständigkeit<br />
der Böden zu legen. Diese Anforderung wird<br />
sehr häufi g vergessen. Kritische Punkte sind<br />
die Flächen vor Karussellen, unter Schaukeln<br />
oder ähnliche dynamischen <strong>Spiel</strong>geräten. Denn<br />
selbst der beste Fallschutz bringt nichts, wenn<br />
sich die Verschleißschicht kurzfristig aufl öst.<br />
Entsprechend beständige Produkte zeichnen<br />
sich durch einen höheren Bindemittelanteil<br />
oder eine höhere Rohdichte aus.<br />
Ortseinbauten fordern<br />
besondere Qualität<br />
Sollen Hügel realisiert werden oder zum Beispiel<br />
durch wellenförmige Farbspiele Akzente<br />
auf einem <strong>Spiel</strong>platz oder Schulhof gesetzt<br />
werden, kann der Fallschutz beziehungsweise<br />
die Bodengestaltung durch Ortseinbauten umgesetzt<br />
werden. Hierbei ist unbedingt auf die<br />
Qualität <strong>und</strong> die Erfahrung der Anbieter zu achten,<br />
denn für diese fugenlosen Beläge gilt ganz<br />
besonders: Qualität hat ihren Preis. Oder anders<br />
formuliert: ein billiger Ortseinbau ist selten gut.<br />
Die Nutzschicht wird bei diesem Bodenbelag<br />
Verband | 93
Beim Ortseinbau wird die Nutzschicht in halbfl üssigem Zustand auf eine zuvor installierte Basisschicht<br />
gebracht – hier auf einem <strong>Spiel</strong>platz in Amiens (Frankreich).<br />
Klaus Kaiser<br />
Klaus Kaiser ist seit 1993<br />
geschäftsführender Gesellschafter<br />
der Conradi+Kaiser<br />
GmbH mit Sitz im rheinlandpfälzischen<br />
Kleinmaischeid<br />
<strong>und</strong> spezialisiert auf die Herstellung<br />
von innovativen Bodensystemen<br />
aus Gummigranulat.<br />
Das während dieser Zeit<br />
sowie in langjähriger Arbeit in<br />
zahlreichen Ausschüssen <strong>und</strong><br />
Verbänden erworbene Wissen<br />
im Bereich Fallschutz <strong>und</strong><br />
Elastik-Bodensysteme stellt er<br />
in diesem Artikel vor. Derzeit<br />
ist Klaus Kaiser beratendes<br />
Vorstandsmitglied im B<strong>und</strong>esverband<br />
für Freiraumgestaltung<br />
e.V. (BFG) <strong>und</strong> Mitglied<br />
im Wirtschaftssenat.<br />
» www.conradi-kaiser.de<br />
94 | Materialk<strong>und</strong>e<br />
in halbfl üssigem Zustand auf eine zuvor installierte<br />
Basisschicht aufgebracht. Man fi ndet<br />
gerade in Ländern wie Frankreich, vor allem im<br />
Süden, kaum einen <strong>Spiel</strong>platz ohne Ortseinbau,<br />
aber auch kaum einen mit nicht mindestens<br />
15 Flicken auf 50 Quadratmetern. Die Tücke<br />
ist, dass es keiner hohen Investition bedarf, um<br />
diese Beläge einzubauen. Wenn es allerdings<br />
gut gemacht <strong>und</strong> haltbar sein soll, sind nicht<br />
nur die richtigen Einbaumaterialien notwendig,<br />
sondern darüber hinaus viel Erfahrung bei der<br />
Realisation.<br />
Neue Gestaltungsoptionen<br />
bei Formteilen<br />
Viele Jahre lang sind Fallschutzplatten vor allem<br />
in ihrer Funktionalität weiterentwickelt<br />
worden. Das Design spielte eine untergeordnete<br />
Rolle. Weil sich dieser Bodenbelag jedoch<br />
von einer technischen Lösung auch zu einem<br />
Gestaltungselement entwickelt hat, ist das<br />
Spektrum der Möglichkeiten immer weiter<br />
gewachsen. Verschiedene Pfl astersysteme bereichern<br />
das Angebot formschlüssiger Beläge.<br />
Für <strong>Spiel</strong>areale gibt es zum Beispiel auch Fallschutzplatten<br />
in der Form von Puzzleteilen in<br />
vielen Farben. Derzeit läuft die Entwicklung,<br />
um Formteile anbieten zu können, mit denen<br />
zum Beispiel auch Ornamente oder Motive realisiert<br />
werden können. Breiter ist das Angebot<br />
auch durch die deutlich erweiterte Farbpalette<br />
geworden, die heute zur Verfügung steht. Wie<br />
auch im Ortseinbau wird auch bei Formteilen<br />
heute in der Oberschicht das bekannte EPDM-<br />
Rasengitterplatten aus sortenreinem Gummigranulat<br />
mit 50 Prozent Rasenanteil lassen sich unabhängig von<br />
der Witterung <strong>und</strong> Jahreszeit nutzen.<br />
Granulat eingesetzt, so dass mittlerweile eine<br />
Vielzahl an beständigen Farben von neonorange<br />
bis violett erhältlich ist. Diese können auch zusammen<br />
mit sogenannten Polygras-Elementen<br />
verlegt werden, bei denen in der Nutzschicht<br />
Kunstrasen eingearbeitet ist. Ergänzt wird das<br />
Angebot durch mehr <strong>und</strong> mehr Zusatzprofi le<br />
im gleichen Material, mit denen Abgrenzungen<br />
<strong>und</strong> Einfassungen vorgenommen werden können.<br />
Hinzu kommen Gestaltungselemente wie<br />
Sitzwürfel, die auch einen zusätzlichen <strong>Spiel</strong>wert<br />
für Kinder bieten.<br />
Lösungen für spezielle Fragestellungen<br />
Da sich die Anforderungen an den Fallschutz<br />
kontinuierlich weiterentwickeln, kommen auch<br />
auf Herstellerseite immer neue Lösungen hinzu.<br />
Seit Inkrafttreten der neuen europäischen<br />
Norm, ist zum Beispiel auch unter Wipptieren<br />
an <strong>Spiel</strong>punkten in Innenstädten ein Fallschutz<br />
gefordert. Speziell dafür wurden passende Lösungen<br />
entwickelt, die den Vorgaben der Norm<br />
entsprechen. Eine andere Speziallösung sind<br />
Rasengitterplatten, die mit einem Anteil von<br />
ungefähr 50 Prozent Rasen dauerhaft einen<br />
natürlichen Fallschutz darstellen <strong>und</strong> zudem<br />
entsprechend der Norm die Lösung für den Fallschutz<br />
an Hangrutschen sind. Für die Planung<br />
von <strong>Spiel</strong>plätzen ist zudem ein wichtiger Faktor,<br />
dass Fallschutzbeläge aus Gummigranulat<br />
mit Fahrrädern, aber vor allem bei integrativen<br />
Einrichtungen <strong>und</strong> für behindertengerecht ausgestattete<br />
<strong>Spiel</strong>räume auch mit Rollstuhl befahrbar<br />
sind.
Klassischerweise werden Beläge aus Gummigranulat<br />
als Fallschutz eingesetzt. Die fortgeschrittene Technik<br />
erlaubt es, die Beläge auch gestalterisch einzusetzen.<br />
Im Bild ein farbiger Polygras-Belag.<br />
Zukunftsperspektiven<br />
Nach Einführung der neuen Din-Normen gab<br />
es zunächst einige Fragestellungen, die für<br />
Unsicherheiten sowohl bei den Herstellern<br />
als vor allem auch bei den Verantwortlichen<br />
in den Kommunen gesorgt haben. Einiges hat<br />
sich geklärt. Doch ein Problem stellt sich nach<br />
wie vor: Im Hinblick auf die Folge- oder Vergleichsprüfungen,<br />
die derzeit häufi g freiwillig<br />
durchgeführt werden, ist wichtig zu wissen,<br />
dass die DIN EN 1177 derzeit durch die Kalibrierungsvorgabe<br />
deutliche Fehleraddition <strong>und</strong><br />
somit Messunterschiede zulässt. Deshalb kann<br />
ein- <strong>und</strong> derselbe Fallschutz in unterschiedlichen<br />
Tests andere Fallwerte generieren. Das ist<br />
problematisch <strong>und</strong> sollte deshalb sehr kurzfristig<br />
korrigiert werden.<br />
Insgesamt lässt sich feststellen, dass Fallschutzbeläge<br />
aus Gummigranulat ihren Wert für die<br />
Freiraumgestaltung signifi kant verbessert haben.<br />
Heute ist ein Fallschutzbelag viel mehr<br />
als nur ein um gegebenenfalls zehn Prozent<br />
abweichender, absorptionsfähiger Untergr<strong>und</strong>.<br />
Er ist strapazierfähig, belastbar, maßbeständig,<br />
befahrbar, fl exibel in der Gestaltung, kreativ,<br />
wetterunabhängig, Folgekosten minimierend<br />
<strong>und</strong> vieles mehr. Wenn es nur um Beschleunigungswerte<br />
ginge, wäre Sand die beste Alternative.<br />
Die Vielzahl der Einsatzbereiche wird<br />
immer breiter: aber in erster Linie werden die<br />
Allro<strong>und</strong>-Böden durch die starke Orientierung<br />
der Menschen in den öffentlichen Freiraum einen<br />
immer höheren Stellenwert für Planer <strong>und</strong><br />
Gestalter bekommen.<br />
Klaus Kaiser<br />
Erstveröffentlichung in Garten+Landschaft,<br />
<strong>Ausgabe</strong> 10/<strong>2010</strong>, Callwey-Verlag, München<br />
Mittlerweile sind fast alle Formen <strong>und</strong> Farben aus<br />
Gummigranulat denkbar. Pfl astersteinsysteme stehen<br />
ebenso zur Verfügung wie Begrenzungsysteme.<br />
GRONARD bietet b<strong>und</strong>esweit die größte Auswahl an<br />
ADFC-empfohlenen Modellen! Zum Beispiel:<br />
3 TYP KAPPA ® Fahrradparker tief / tief zum Einbetonieren,<br />
ADFC geprüft<br />
MODERNE LÖSUNGEN IN STAHL.<br />
Fahrradparker Überdachungen Stadtmobiliar<br />
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GRONARD . München . T. 089. 670 10 15 . www.gronard.de<br />
Materialk<strong>und</strong>e | 95
Perfekte Fahrradparker oder<br />
ein schönes Stadtbild?<br />
Wem fällt da nicht sofort der Gestaltungsleitsatz FFF (form follows<br />
function ) von Louis Sullivan 1896 ein? Hat dieser Satz heute überhaupt<br />
noch Gültigkeit?<br />
Hartnäckig hält sich das Vorurteil, dass funktionale Fahrradparker<br />
nicht gut aussehen. Dabei gibt es einige gute Lösungen, die Design<br />
<strong>und</strong> Nutzen in Einklang bringen.<br />
Abb. 1: Armes Vorderrad! Im Hintergr<strong>und</strong><br />
das ADFC-empfohlene Modell<br />
Kappa, von dem aber wegen der Optik<br />
nur die niedrigen Bügel als Stadtmobiliar<br />
vorgesehen werden sollten (Hersteller<br />
Gronard <strong>und</strong> Rasti)<br />
Abb. 2: Nur schön! Omega-Fahrradparker,<br />
Hersteller Orion<br />
96 | Materialk<strong>und</strong>e<br />
Immer die Radfahrer: Wenn sie fahren, halten<br />
sie die Verkehrsregeln nicht ein; wenn sie ihr<br />
Gefährt parken, verschandeln sie das Stadtbild.<br />
Über die erste Behauptung soll hier nicht gesprochen<br />
werden. Aber Kommunen haben mittlerweile<br />
gute Möglichkeiten, die widersprüchlich<br />
erscheinenden Anforderungen zu erfüllen<br />
<strong>und</strong> so möglichst wenige Probleme mit dem<br />
Fahrradparken zu haben.<br />
Es ist bekannt, dass Radler nicht gern zu Fuß<br />
gehen <strong>und</strong> deshalb das Fahrrad ganz nah am<br />
Ziel abstellen wollen. Die Anlehnmöglichkeiten<br />
an Mauern oder Zäunen reichen dann in der<br />
Regel nicht aus, um viele Fahrräder platzsparend<br />
<strong>und</strong> sicher unterzubringen. Einfachständer<br />
sind zwar sehr platzsparend, aber nicht nutzerfre<strong>und</strong>lich,<br />
weil es nicht garantiert ist, ob das<br />
Fahrrad am Ende der Abstellphase noch fahrbereit<br />
oder überhaupt noch vorhanden ist. Häufi g<br />
sind die Konstruktionsmaße in Vertikalrichtung<br />
zu klein, so dass das Vorderrad leicht in eine<br />
gefährliche Kippung kommen kann. (Abb. 1)<br />
Wenig durchdachtes Design<br />
Auch der bekannte „Spiralständer“ bietet zu<br />
wenig Halt, so dass die Vorderräder leicht<br />
Schaden nehmen können. Oftmals ist der Abstand<br />
zwischen den Windungen der Spirale so<br />
knapp bemessen, dass Fahrräder mit breiteren<br />
Reifen oder gar Ballonreifen hier gar nicht geparkt<br />
werden können. Wenn der Spiralständer<br />
nicht zum Fahrradparken aufgestellt wäre,<br />
könnte man sich damit trösten, dass er wenigstens<br />
schön aussieht. Aber für die Nutzer ist das<br />
„Kunstwerk“ eher trostlos. (Abb. 2)<br />
Gute Fahrradparker sind so konstruiert, dass sie<br />
dem Fahrrad eine stabile Vertikal- oder Anlehnstellung<br />
geben. Außerdem ist stets ein Wegrollschutz<br />
gefragt <strong>und</strong> eine wirklich einfache<br />
Möglichkeit für das Anschließen des Fahrradrahmens<br />
mit kurzem Schloss. Beim Modell Indico<br />
ist die Synthese von Funktion <strong>und</strong> Form<br />
ziemlich gut gelungen, jedoch werden häufi g<br />
die Frontleuchten der eingestellten Fahrräder<br />
nach oben gebogen. (Abb. 3)<br />
Eine einfache Ansperrmöglichkeit ist mit sogenannten<br />
Anlehnbügeln zu schaffen, die vielerorts<br />
(zu unrecht!) als die perfekten Fahrradparker<br />
angesehen werden. Diese Bügel haben<br />
in der Regel keine Einrichtung, durch die das<br />
Wegrollen eines eingestellten Fahrrades verhindert<br />
würde. Für eine defi nierte Position des<br />
Vorderrades <strong>und</strong> damit des ganzen Fahrrades<br />
sorgen solche Anlehnbügel nicht. Deshalb sehen<br />
Anlagen mit Anlehnbügeln oft dann am<br />
besten aus, wenn sie leer sind. Das gilt auch für<br />
die z.B. in Köln sehr verbreiteten „Haarnadeln“,<br />
bei denen ein leidlich stabiler Stand nur durch<br />
Benutzung des am Fahrrad angebrachten Ständers<br />
zu erreichen ist.<br />
Gefüllt vermitteln sie häufi g einen eher chaotischen<br />
Eindruck. Wenn Fahrräder von beiden<br />
Seiten angelehnt werden, besteht durch den
Abb. 3: Ziemlich gut gelungen! Indico-Fahrradparker, Hersteller ABES Abb. 4: Anlehnbügel im Einsatz. Weniger schöner Eindruck!<br />
engen Kontakt zwischen den Fahrrädern auch<br />
die Gefahr der Beschädigung, zum Beispiel von<br />
Bowdenzügen oder Lampenkabeln. Anlehnbügel<br />
nutzen die verfügbaren Flächen nicht<br />
perfekt aus <strong>und</strong> haben in der Regel wegen der<br />
vielen notwendigen F<strong>und</strong>amente erhöhte Montagekosten.<br />
(Abb. 4)<br />
Anforderungen an optimale Systeme<br />
Der Fahrradparker soll dem Fahrrad einen stabilen<br />
Stand geben, so dass kein Umkippen, kein<br />
Vor- oder Zurückrollen auftreten kann. Rahmen<br />
<strong>und</strong> ein Laufrad sollen mit kurzem Schloss <strong>und</strong><br />
ohne Bücken anschließbar sein. Bei höhenversetzter<br />
Einstellung der Vorderräder braucht<br />
man mindestens 45 cm zwischen den Abstellplätzen,<br />
besser sind 50 cm. Wenn man wegen<br />
des Stadtbildes auf die hohe Einstellung der<br />
Vorderräder verzichten möchte, ist 60 cm Abstand<br />
mindestens erforderlich, ideal sind 70<br />
cm. Die Maße 45 cm <strong>und</strong> 60 cm kommen bei<br />
Anlagen mit in der Regel sehr langer Parkzeit<br />
in Betracht. Fahrradparker, die alle wichtigen<br />
Eigenschaften in sich vereinen, haben meist<br />
eine Empfehlung des Allgemeinen Deutschen<br />
Fahrrad-Clubs (ADFC). Um gute Eigenschaften<br />
von Fahrradparkern mit den Notwendigkeiten<br />
der Stadtgestaltung in Einklang zu bringen, hat<br />
man verschiedene Möglichkeiten.<br />
Aufgeräumtes Stadtbild durch<br />
einheitliche Höhe<br />
Es ist empfehlenswert, in optisch sensiblen Bereichen<br />
nur Fahrradparker zu verwenden, die<br />
alle die gleiche Höhe haben. Das lässt sich auf<br />
verschiedene Art <strong>und</strong> Weise realisieren. Zum<br />
Beispiel können Parker mit nur tiefer Fahrradeinstellung<br />
verwendet werden. Das macht die<br />
Stadt München, die weit über 10.000 Stellplätze<br />
mit dem Typ L15 tief vom Hersteller Langer<br />
geschaffen hat (Abb. 5). Wenn man eine Reihe<br />
von tiefen Fahrradparkern aus der üblichen Einstellrichtung<br />
90 Grad beispielsweise nur um 30<br />
Abb. 5: L15 in München, alle tiefe Radeinstellung, ADFC-empfohlen,<br />
Hersteller Langer<br />
Grad dreht, kann man die Fahrräder sogar dichter<br />
als mit 60 cm Abstand aufstellen, ohne dass<br />
sich die Lenker berühren können. Schließlich<br />
gibt es auch Fahrradparker für eine Hoch/Tief-<br />
Stellung der Vorderräder, bei denen aber alle<br />
Bügel die gleiche Höhe <strong>und</strong> damit eine ruhigere<br />
Optik haben, zum Beispiel das Modell Felix von<br />
Gronard (Abb. 6).<br />
Zusatznutzen: Stadtmobiliar<br />
Sinnvoll ist in vielen Fällen auch, auf die Verbindung<br />
verschiedener Funktionalitäten zu<br />
achten <strong>und</strong> Fahrradparker einzusetzen, die<br />
einen Zusatznutzen als Stadtmobiliar haben.<br />
Zum Beispiel können Poller, die eine Durchfahrt<br />
von Autos verhindern, so ergänzt sein, dass an<br />
ihnen ein oder zwei Fahrräder abgestellt <strong>und</strong><br />
gesichert werden können. Ein Beispiel dafür ist<br />
das Modell Lambda von Rasti (Abb. 7).<br />
Wenn vier einfache Poller zum Schutz eines<br />
Baumes aufgestellt werden, schützen diese<br />
zwar den Baum vor den Kfz, nützen den Radlern<br />
aber nichts. Ein Schutzbügel rings um den<br />
Baum kann beides besser (Abb. 8).<br />
Abb. 6: Felix, Radeinstellung hoch/<br />
tief, alle Bügel haben gleiche Höhe,<br />
ADFC-empfohlen, Hersteller Gronard<br />
<strong>und</strong> Rasti<br />
Materialk<strong>und</strong>e | 97
Abb. 7: Lambda, Poller mit Zusatznutzen, ADFC-empfohlen, Hersteller Rasti<br />
Abb. 9: Arreta vor ALDI-Süd, ADFC-empfohlen, hier in Edelstahl, Hersteller Gronard<br />
98 | Materialk<strong>und</strong>e<br />
Rasti GmbH, An der Mühle 21 · D-49733 Haren<br />
FreeCall 0800 / 200 50 11 · FreeFax 0800 / 200 50 12<br />
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Unsere Besten!<br />
Bequeme <strong>und</strong> sichere Fahrradparker.<br />
Jedes der über 100 Modelle von Rasti erfüllt höchste<br />
Anforderungen hinsichtlich Funktionalität, Design,<br />
Sicherheit <strong>und</strong> Komfort. Vier Fahrradparkern<br />
hat der Allgemeine Deutsche Fahrradclub sogar das<br />
Gütesiegel „Empfohlene adfc-Qualität“ verliehen.<br />
Hartwig Hammerschmidt<br />
Ansprechpartner für Fahrrad-Abstellanlagen,<br />
ADFC-Landesverband Bayern. Hartwig Hammerschmidt<br />
befasst sich seit fast 20 Jahren<br />
mit der Konstruktion von nutzerfre<strong>und</strong>lichen<br />
Fahrradparkern, die von drei Herstellern gefertigt<br />
werden<br />
» www.adfc.de<br />
Mitglied im<br />
Förderkreis<br />
Abb. 8: Vier Poller schützen einen Baum<br />
An einer am Straßenrand sowieso notwendigen<br />
Absperrung mit der Normhöhe 90 cm kann man<br />
vom Gehweg her alle ca. 2 m ein Fahrrad anlehnen<br />
<strong>und</strong> sichern. Einen größeren Zusatznutzen<br />
erhält man bei vorhandenem Platz, wenn man<br />
alle 70 cm in diese Absperrung Fahrradparker<br />
einbaut. Das Modell Arreta von Gronard ist so<br />
konstruiert <strong>und</strong> wird deshalb von etlichen Städten<br />
eingesetzt. Es ist vom ADFC empfohlen. Ein<br />
großer Discounter bietet seinen K<strong>und</strong>en diesen<br />
Parker bei inzwischen mehr als 40 Filialen an:<br />
Dort geht es nicht um die Absperrfunktion, sondern<br />
um die Installation eines formschönen <strong>und</strong><br />
k<strong>und</strong>enfre<strong>und</strong>lichen Fahrradparkers (Abb. 9).<br />
Alle ADFC-empfohlenen Fahrradparker fi ndet<br />
man in www.adfc.de/abstellanlagen <strong>und</strong> in<br />
www.adfc-bayern.de/abstellanlagen.htm , hier<br />
incl. ausführlicher Hinweise zur Planung von<br />
Abstellanlagen.<br />
Ausblick auf Städtebau <strong>und</strong> Architektur<br />
Stadtumbau ist der Schlüsselbegriff für die Herausforderungen<br />
der Zukunft. Mit den damit<br />
einhergehenden Umstrukturierungen nimmt<br />
das Radfahren zunehmend an Umfang <strong>und</strong><br />
Bedeutung zu. Somit sind alle mit Design, Architektur<br />
<strong>und</strong> Städtebau befassten Fachleute<br />
aufgefordert, sich mehr dem Thema ‚Wann, wo<br />
<strong>und</strong> wie parke ich mein Fahrrad’ zu beschäftigen<br />
<strong>und</strong> vielleicht stärker als bisher wieder<br />
Form <strong>und</strong> Funktion als zwei Seiten der gleichen<br />
Medaille zu beachten. Dies gelingt allerdings<br />
nur im interdisziplinären Diskurs, zu dem dieser<br />
Artikel einen Anstoß <strong>und</strong> Beitrag leisten will.<br />
Hartwig Hammerschmidt<br />
Ostap Ogrodnik
Unbehindert mobil<br />
Barrierefreiheit im öffentlichen Raum<br />
2002 wurde mit dem Gesetz zur Gleichstellung<br />
behinderter Menschen (BGG) der Auftrag gesetzlich<br />
festgeschrieben, „...öffentliche Wege,<br />
Plätze <strong>und</strong> Straßen sowie öffentlich zugängliche<br />
Verkehrsanlagen <strong>und</strong> Beförderungsmittel<br />
im öffentlichen Personenverkehr ... barrierefrei<br />
zu gestalten. Ähnliches formulierten in<br />
den Folgejahren die entsprechenden Gesetze<br />
der Länder. Doch was bedeutet Barrierefreiheit<br />
konkret? Die für den öffentlichen Raum<br />
einschlägigen Regelwerke enthielten zwar<br />
Vorgaben, aber wenig konkrete Lösungen. So<br />
begannen einige Kommunen <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esländer<br />
eigene Konzepte zu entwickeln. Insbesondere<br />
Orientierungssysteme für Sehbehinderte <strong>und</strong><br />
Blinde können aber nur funktionieren, wenn sie<br />
gelernt <strong>und</strong> verstanden worden sind <strong>und</strong> setzen<br />
daher eine Einheitlichkeit voraus. Inzwischen<br />
liegt hier ein neuer Normentwurf vor.<br />
Bordhöhe an der Querungsstelle:<br />
Null oder 3 cm?<br />
Die gefährlichste Situation für Fußgänger ist<br />
die Fahrbahnquerung. Bisher werden standardmäßig<br />
die Borde auf 3 cm abgesenkt, um den<br />
Übergang auf die Fahrbahn <strong>und</strong> vor allem von<br />
der Fahrbahn wieder auf den Gehweg zu erleichtern.<br />
Dies ist für Fußgänger komfortabel,<br />
für Menschen, die auf Rollstuhl oder Rollator<br />
angewiesen sind, aber unbedingt Voraussetzung,<br />
um überhaupt die Fahrbahn queren zu<br />
können. Blinde <strong>und</strong> Sehbehinderte benötigen<br />
dagegen den Höhenversatz am Bord, um die<br />
Fahrbahn zu erkennen oder mit dem Stock ertasten<br />
zu können. Die 3 cm Bordhöhe sind ein<br />
klassischer Kompromiss. (Abb.2)<br />
Mit Blick auf die Menschen mit Rollstuhl oder<br />
Rollator senken viele Kommunen den Bord inzwischen<br />
tiefer ab, auf 2 oder gar 1 cm. Für<br />
Blinde, die sich mit dem Stock orientieren, sind<br />
3 cm aber ein absolutes Mindestmaß. Soll die<br />
Kompromisslösung für beide beteiligten Seiten<br />
einigermaßen funktionieren, muss die Bordhöhe<br />
von 3 cm also präzise eingehalten werden. In<br />
der Praxis <strong>und</strong> auf Dauer ist dies jedoch kaum<br />
zu realisieren. Eine Lösung ist, für sehbehinderte<br />
<strong>und</strong> blinde Menschen separierte Querungsbereiche<br />
anzubieten, zu denen sie mit Bodenindikatoren<br />
geführt werden <strong>und</strong> die ihnen mehr<br />
als den Mindestbord von 3 cm bieten. Daneben<br />
kann dann der Bord auf Fahrbahnhöhe abgesenkt<br />
werden. (Abb.3)<br />
Um die Absenkung zu vereinfachen, wurde vom<br />
Amt für Straßen- <strong>und</strong> Verkehrswesen Kassel<br />
ein besonderer Formstein, der Kasseler Rollbord,<br />
entwickelt. Durch den Rampenstein kann<br />
die Gehwegabsenkung geringer ausfallen, der<br />
Bord lässt sich – auch mit Hilfe eines speziellen<br />
Übergangssteins – auf kurzer Distanz wieder<br />
auf eine leicht ertastbare Höhe verziehen <strong>und</strong><br />
die Wasserführung in der Rinne wird ebenfalls<br />
einfacher. Die Absenkung sollte in jedem Fall<br />
durch Bodenindikatoren gesichert werden.<br />
(Abb.4)<br />
Abb. 2: Auch ein abgesenkter Bord ist<br />
oft schwer zu überwinden.<br />
Abb. 3: Querungsstelle in Fulda mit<br />
differenzierter Bordhöhe. Die Nullabsenkung<br />
ist mit einem Sperrfeld für<br />
Blinde abgesichert, ein Richtungsfeld<br />
zeigt am schrägen Bord die Querungsrichtung<br />
an.<br />
Abb. 4: Querungsstelle in Stadtallendorf<br />
mit differenzierter Bordhöhe. Nullabsenkung<br />
mit Rollbord <strong>und</strong> Sperrfeld zur<br />
Absicherung für Blinde<br />
Abb. 5: Anzeige einer breiten Bordabsenkung<br />
mit einem Richtungsfeld in<br />
Querungsrichtung in Frankfurt<br />
Materialk<strong>und</strong>e | 99
Abb. 6: Querungsstelle in Offenbach mit Nullabsenkung.<br />
Auffi ndestreifen leiten Blinde zum<br />
Ampelmast. Ein dunkler Begleitstreifen sorgt für<br />
optischen Kontrast.<br />
Rippenplatten Noppenplatten<br />
Tabelle 1: Rippenplatten<br />
Tabelle 2: Die Kanten der Rippen dürfen ausger<strong>und</strong>et werden. Durch die Defi nition einer Messebene<br />
1 mm unter der Oberkante bzw. dem Scheitelpunkt werden Messfehler durch Profi lr<strong>und</strong>ungen<br />
berücksichtigt.<br />
100 | Materialk<strong>und</strong>e<br />
Maße im Gebäude/<br />
Innenbereich<br />
im Außenbereich<br />
a Abstand der Scheitelpunkte benachbarter Rippen 25 bis 60 30 bis 50<br />
b Rippenbreite (an der Messebene) 5 bis 10 5 bis 15a c Abstand der Rippen (in Messebene) 20 bis 50 25 bis 35b h Rippenhöhe (Basis bis Oberkante)<br />
abei Sperrfeldern erforderlich 5 mm bis 10 mm<br />
bbei Sperrfeldern erforderlich 30 mm bis 40 mm<br />
3 bis 4 4 bis 5<br />
Maße im Gebäude/<br />
Innenbereich<br />
im Außenbereich<br />
a<br />
orthogonaler Abstand der Mittelpunkte benachbarter<br />
Noppen<br />
40 bis 60 50 bis 75<br />
b Noppenbreite bzw. Durchmesser (in Messebene) 15 bis 20 20 bis 30<br />
c<br />
Orthogonaler Abstand der Noppen (in Messebene)<br />
Abb. 7: Busbahnhof Mörfelden in Bau. Dunkle<br />
Begleitstreifen sorgen für optischen Kontrast am<br />
Leitstreifen entlang der Bahnsteigkante. Noppen<br />
warnen rechts vor der Treppe.<br />
25 bis 40 25 bis 50<br />
d<br />
diagonaler Abstand der Mittelpunkte benachbarter<br />
Noppen<br />
28 bis 42 35 bis 53<br />
h Noppenhöhe (Basis bis Oberkante) 3 bis 4 4 bis 5c cDie Noppenhöhe muss bei Kugelkalotten im<br />
Außenbereich mindestens 4,5 mm betragen<br />
Abb. 8: Haltestelle Auestadion in Kassel. Hier<br />
wurden dunkle Bodenindikatoren eingesetzt,<br />
um einen optischen Kontrast zu gewährleisten.<br />
Bodenindikatoren führen Blinde zum Ampelmast<br />
<strong>und</strong> Bord neben der separaten Nullabsenkung.<br />
Eine Alternative ist die Bordabsenkung über die<br />
gesamte Breite der Querungsstelle <strong>und</strong> ihre Absicherung<br />
durch Bodenindikatoren. Dies ist die<br />
international eher übliche Lösung, z.B. in Frankreich<br />
oder Österreich. Eine Untersuchung der<br />
Hessischen Straßen- <strong>und</strong> Verkehrsverwaltung<br />
bestätigte die Funktionsfähigkeit beider Lösungen.<br />
Der Deutsche Blinden- <strong>und</strong> Sehbehindertenverband<br />
lehnt eine Bordabsenkung unter 3<br />
cm aber gr<strong>und</strong>sätzlich ab, wenn sie breiter als<br />
1 m ist, auch wenn sie durch Bodenindikatoren<br />
abgeschirmt wird. Die Diskussion ist derzeit<br />
noch im Gange. (Abb.5)<br />
Bodenindikatoren<br />
An Querungsstellen mit Nullabsenkung dienen<br />
Bodenindikatoren nicht nur der Orientierung,<br />
sondern sind unmittelbar sicherheitsrelevant.<br />
Deshalb muss ihre Anordnung stimmen, ihre<br />
Struktur muss gut ertastbar sein <strong>und</strong> sich deutlich<br />
vom Umgebungsbelag unterscheiden. Die<br />
Rillenplatten nach alter Norm genügen diesen<br />
Anforderungen nicht, die Rillen sind zu eng <strong>und</strong><br />
mit den üblichen Stockspitzen nicht erkennbar.<br />
Die Untergrenze der Rillenbreite liegt im neuen<br />
Normentwurf nicht von ungefähr oberhalb der<br />
alten Maximalbreite. Für Noppenplatten gab<br />
es bisher noch gar keine Vorgaben, sie werden<br />
aber zunehmend eingesetzt. Noppen lassen sich<br />
auch mit den Füßen ertasten <strong>und</strong> sind deshalb<br />
besonders geeignet für Warnhinweise.<br />
Auch die besten Bodenindikatoren sind aber<br />
nur ertastbar, wenn sie vom Umgebungsbelag<br />
unterscheidbar sind. Natursteinpfl aster oder<br />
auch Betonsteine mit Fase sind ungeeignet, ein<br />
glatter Begleitstreifen kann aber für genügend<br />
optischen <strong>und</strong> taktilen Kontrast sorgen. (Abb.6)
Bodenindikatoren müssen richtig gelesen werden<br />
können. Die Zuordnung der Bedeutungen<br />
ergibt sich z.T. aus der Struktur, beruht aber<br />
zu einem erheblichen Teil auf Vereinbarung.<br />
Diese Vereinbarungen können aber durchaus<br />
unterschiedlich sein. Eine Vereinheitlichung<br />
ist deshalb dringend, insbesondere müssen sicherheitsrelevante<br />
Fehlinterpretationen ausgeschlossen<br />
werden. Rippen sind eine gerichtete<br />
Struktur, sie werden international einheitlich<br />
genutzt, um zu leiten, in Deutschland auch um<br />
die Gehrichtung anzuzeigen, z. B. an einer Querungsstelle.<br />
Das wird in Österreich aber schon<br />
anders angezeigt, da werden die Rippen quer<br />
angeordnet. Noppen sind richtungslos, sie werden<br />
eingesetzt, um Aufmerksamkeit zu erregen.<br />
Das kann eine Verzweigung sein, aber auch<br />
eine Warnung vor Treppen, Hindernissen oder<br />
Gefährdungen. (Abb. 7,8)<br />
Zu Zielen am Straßenrand führen Auffi ndestreifen<br />
quer über den ganzen Gehweg. Bei Auffi ndestreifen<br />
wird der Einsatz von Noppen <strong>und</strong><br />
Rippen sehr unterschiedlich gehandhabt. Der<br />
DIN-Entwurf sieht für Querungsstellen Noppen<br />
vor, für Haltestellen <strong>und</strong> andere Ziele Rippen,<br />
die in Gehrichtung, also parallel zum Bord, verlegt<br />
sind.<br />
Auch die Einstiegsstelle selbst in Bus oder Bahn<br />
wird unterschiedlich markiert. Der DIN-Entwurf<br />
<strong>und</strong> ähnlich der hessische Leitfaden sieht hier<br />
Rippenplatten parallel zum Bord vor. In Nordrheinwestfalen<br />
werden stattdessen Noppen<br />
vorgeschlagen, in einigen Städten wie z.B. Essen<br />
aber auch Rippen eingebaut, die quer zum<br />
Bord liegen. Und hier wird es gefährlich: In den<br />
meisten Städten zeigen Rippen, die auf den<br />
Bord zulaufen, die Querungsrichtung an. Und<br />
auch die Noppen am Bord könnten in Hessen<br />
als Querungsstelle interpretiert werden, weil<br />
hier am Ende des Auffi ndestreifens nicht immer<br />
ein Richtungsfeld angeordnet ist, wenn der<br />
Bord dazu rechtwinklig verläuft. (Abb.9,10)<br />
Gerade bei der Anordnung der Bodenindikatoren<br />
an Halte- <strong>und</strong> Querungsstellen wäre eine<br />
einheitliche Regelung dringlich. Die Übergänge<br />
über die Fahrbahn oder in ein anderes Verkehrsmittel<br />
sind für Blinde die schwierigsten<br />
Aufgaben, die sich im Verkehr stellen, gerade<br />
hier können Missverständnisse schnell gefährlich<br />
werden.<br />
Radwege <strong>und</strong> shared space<br />
Gehbehinderte, Menschen mit Rollstuhl <strong>und</strong><br />
Rollator brauchen Wege ohne Schwellen, Stufen<br />
<strong>und</strong> Hindernisse. Für sie ist shared space,<br />
die niveaugleiche Verkehrsfl äche für alle, das<br />
ideale Verkehrskonzept. Blinde Menschen aber<br />
brauchen Sicherheit <strong>und</strong> Orientierung. Wenn<br />
der Bord fehlt, müssen ihnen andere Hilfen<br />
geboten werden, Bodenindikatoren können<br />
nützlich sein, aber diese Planung setzt sehr viel<br />
Fingerspitzengefühl voraus. Im Hinblick auf die<br />
Barrierefreiheit ist shared space jedenfalls mit<br />
viel Vorsicht zu betrachten. Auf Gehwegniveau<br />
geführte Radwege sind auch eine Art shared<br />
space, zumindest wenn Rad <strong>und</strong> Gehweg nur<br />
optisch unterschieden sind. Rollstuhlfahrern<br />
kann das helfen, sie können die Absenkung<br />
des Radwegs nutzen, um auf die Fahrbahn zu<br />
gelangen. Aber Blinde können über diese Absenkung<br />
auf die Fahrbahn geraten, ohne es zu<br />
merken. Deshalb muss die Trennung zwischen<br />
Geh- <strong>und</strong> Radweg auch taktil ertastbar sein,<br />
z.B. durch einen Pfl asterstreifen oder einen besonderen<br />
Trennstein. (Abb.12)<br />
Fazit<br />
Der barrierefreie Verkehrsraum ist eine langfristige<br />
Aufgabe, die planerisches konzeptionelles<br />
Denken erfordert. Barrierefreiheit erfordert eine<br />
sorgfältige Abwägung divergierender Interessen<br />
<strong>und</strong> eine detaillierte Planung. Erfahrungen<br />
bei der Bauausführung zeigen, dass auch hier<br />
noch viele Fehler gemacht werden können: Borde<br />
werden nicht in der richtigen Höhe gesetzt,<br />
Bodenindikatoren gedreht, Entwässerung nicht<br />
gewährleistet oder Schachtdeckel nicht beachtet.<br />
Die Liste ließe sich fortsetzen. Der Weg<br />
zu einem barrierefreien öffentlichen Raum ist<br />
noch lang.<br />
Bernhard Kohaupt<br />
Bernhard Kohaupt<br />
Abb. 9: Bushaltestelle in Essen. Ein<br />
Leitsystem führt zum Einstiegsfeld mit<br />
Rippen, die zum Bord weisen<br />
Abb. 10: Haltestelle in Fulda mit<br />
Auffi ndestreifen <strong>und</strong> Einstiegsfeld. Alle<br />
Rippen verlaufen parallel zum Bord.<br />
Der Bereich um die Bodenindikatoren<br />
wurde zur Verbesserung des optischen<br />
<strong>und</strong> taktilen Kontrastes mit dunklen<br />
Betonplatten versehen.<br />
Bernhard Kohaupt studierte Architektur <strong>und</strong><br />
Stadtbau an der TU Hannover <strong>und</strong> Berlin <strong>und</strong><br />
schloss das Studium 1971 mit dem Diplom<br />
ab. Nach Tätigkeiten im Institut Wohnen <strong>und</strong><br />
Umwelt Darmstadt sowie für Architekturbüros,<br />
Kommunalverwaltung <strong>und</strong> Industrie<br />
arbeitete er in der Hessischen Straßen- <strong>und</strong><br />
Verkehrsverwaltung. Hier war er Leiter der<br />
Arbeitsgruppe Barrierefreier Verkehrsraum.<br />
Bernhard Kohaupt ist Mitglied des Normausschusses NA 063-06-04 AA sowie<br />
Mitverfasser mehrerer Publikationen der Hessischen Straßen- <strong>und</strong> Verkehrsverwaltung<br />
<strong>und</strong> engagiert sich in der Mitarbeit an verschiedenen Regelwerken.<br />
Materialk<strong>und</strong>e | 101
102 | Advertorial<br />
Advertorial<br />
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aus den Unternehmen
Firma Ziegler<br />
<strong>Spiel</strong>plätze von A bis Z<br />
Geschichten aus Robinienholz<br />
Wie nehmen Kinderträume Form an? Ganz einfach<br />
- Man nehme etwas Robinienholz, entferne<br />
den Splint <strong>und</strong> baue einen Robinienholz-<br />
<strong>Spiel</strong>platz, der mit liebevoll gestalteten Details<br />
jedes Kinderherz erwärmt. - So spielend einfach<br />
dies auch klingen mag – hinter jeder Konstruktion<br />
der Firma Ziegler <strong>Spiel</strong>plätze von A bis<br />
Z steckt jede Menge Fingerspitzengefühl. Hier<br />
sorgen zahlreiche motivierte Mitarbeiter wie<br />
Produktdesigner, Holzbildhauer oder Konstrukteure<br />
mit höchstem Engagement, Kompetenz<br />
<strong>und</strong> Erfahrung täglich für die detaillierte Gestaltung<br />
kreativer <strong>und</strong> innovativer splintfreier<br />
Robinienholz-<strong>Spiel</strong>platzgeräte.<br />
Dabei legt der Betrieb auf die Erfüllung zweier<br />
selbst gestellter Anforderungen ganz besonderen<br />
Wert: Zum einen auf die Erhaltung der<br />
natürlichen Form des Robinien-Kern-Holzes<br />
(entfernter Splint) <strong>und</strong> somit auf naturnahe<br />
Gesamt-Konstruktionen, zum anderen auf die<br />
detaillierte Umsetzung spezieller K<strong>und</strong>enwünsche.<br />
Einzigartige <strong>und</strong> individuelle Projekte, die<br />
manchmal auch eine Geschichte erzählen, sind<br />
die schönsten <strong>und</strong> größten Herausforderungen.<br />
Eine Kindertagesstätte beispielsweise bedankte<br />
sich auf spezielle Weise bei der örtlichen Feuerwehr,<br />
die sie jahrelang mit kleinen Spenden<br />
unterstützte. Die große Robinienholzfeuerwehr,<br />
die den Kindern dort seit Mitte November große<br />
Freude bereitet, ist ein individuelles, aus einer<br />
besonderen Geschichte heraus entstandenes<br />
Projekt, das für alle Beteiligten zu einer Herzensangelegenheit<br />
wurde. Die Firma Ziegler<br />
<strong>Spiel</strong>plätze von A bis Z realisiert Themenspielplätze,<br />
auch mit kulturellen <strong>und</strong> historischen<br />
Hintergründen: eine alte Bockwindmühle aus<br />
dem 15. Jahrh<strong>und</strong>ert, die durch einen Sturm<br />
zerstört <strong>und</strong> dank Sponsoren wieder aufgebaut<br />
werden konnte, erinnert an das Projekt „Wind<br />
in der Mühle“, das nun zum unverwechselbaren<br />
Markenzeichen des Örtchens Krosigk in Petersberg<br />
geworden ist.<br />
Natürlich – <strong>und</strong> dies im wahrsten Sinne des<br />
Wortes – bleibt die Firma Ziegler am Puls der<br />
Zeit. Wasserspielanlagen, Kletterwände, barrierefreie<br />
Konstruktionen oder Energiespielgeräte<br />
wie der „Photovoltaik“ spiegeln neben individuellen<br />
Projekten die Vielfalt der Produkte wider.<br />
Dank bester Qualität, sicheren Konstruktionen,<br />
höchstem <strong>Spiel</strong>wert, Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit <strong>und</strong><br />
Natürlichkeit konnte sich die Firma mittlerweile<br />
europaweit einen Namen machen. Demnächst<br />
werden vermehrt auch Generationen- <strong>und</strong> Seniorenspielplätze<br />
in den Herstellungsplan aufgenommen.<br />
Alle Geräte werden nach Richtlinie der DIN<br />
EN1176-Verordnung gefertigt. Bei Farbgestaltungen<br />
kommen nur unbedenkliche speichel-<br />
<strong>und</strong> schweißechte Lasuren zum Einsatz.<br />
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Tivoli | 105
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<strong>Spiel</strong>raumplanung geht.<br />
Einzigartiges Design, erstklassige Qualität, exzellenter Service,<br />
kompetente Beratung <strong>und</strong> Know-how zeichnen uns aus.<br />
<strong>Spiel</strong>platzgeräte in Kiefer, chromfrei druckimprägniert oder farbig,<br />
nach dem OBRA-Farbkonzept oder in Lärche natur.<br />
<strong>Spiel</strong>platzgeräte, Skateboardanlagen, Klettergeräte,<br />
Multisportanlagen, Schwimmbadgeräte, Fitnessgeräte<br />
Individuelle <strong>Spiel</strong>platzanlagen, <strong>Spiel</strong>geräte <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong>skulpturen aus<br />
Robinie <strong>und</strong> Lärche<br />
Montage-, Wartungs- <strong>und</strong> Reparaturarbeiten<br />
Einrichtungsbausätze zum Wohnen, Turnen, <strong>Spiel</strong>en <strong>und</strong> Gestalten<br />
von Kindergärten <strong>und</strong> Therapiebereichen<br />
Seit 1993 planen <strong>und</strong> entwickeln wir erfolgreich Markenwelten<br />
– vom Erlebnispfad bis zum kompletten <strong>Freizeit</strong>park. Von der<br />
Konzeption bis zur schlüsselfertigen Übergabe ist jedes Projekt<br />
auf die Ziele unserer K<strong>und</strong>en abgestimmt <strong>und</strong> deshalb einmalig.<br />
Gerne erstellen wir für Sie ein einzigartiges Konzept.<br />
Akustik <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong><br />
Wasser <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong><br />
Kind <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong><br />
Bewegung durch Klettern<br />
Älter werden<br />
graubner<br />
<strong>Spiel</strong>stationen zur Entfaltung der Sinne<br />
Schaukelgelenke, Basketballkörbe, Sandkräne, Wippenlager, Einzelpunkt<br />
Schwingbeschläge, Seilbahnen mit Zubehör, Schaukelsitze<br />
<strong>und</strong> Rutschbahnen, viele mit Zertifi katen vom TÜV Produkt Service.<br />
Als Unternehmen mit großem Exportanteil sind wir bestrebt, fl exibel<br />
<strong>und</strong> schnell zu sein. Auch Sonderkonstruktionen sind möglich.
SPIEL- UND SPORTGERÄTE, PUBLIC DESIGN<br />
stilum GmbH<br />
Gewerbegebiet Larsheck<br />
D-56271 Kleinmaischeid<br />
info@stilum.de<br />
www.stilum.de<br />
Tel. +49 (0) 2689 92790-0<br />
Fax +49 (0) 2689 92790-29<br />
SPOGG Sport-Güter GmbH<br />
<strong>Spiel</strong>platzgeräte<br />
smb Seilspielgeräte GmbH Berlin<br />
in Hoppegarten<br />
Seilfabrik Ullmann<br />
Handelsniederlassung Bremen GmbH<br />
<strong>Spiel</strong>geräte<br />
ZIMMER.OBST GmbH<br />
Individuelle <strong>Spiel</strong>raumgestaltung<br />
STADTMOBILIAR; PUBLIC DESIGN<br />
GRONARD<br />
metallbau & stadtmobiliar gmbh<br />
Ansprechpartner: Hr. Lothar Gronard<br />
RASTI GmbH<br />
Außen- <strong>und</strong> Stadtmobiliar<br />
Kontaktperson: Hr. Klaus Bergmann<br />
An der Mühle 21 · D-49733 Haren<br />
Schulstraße 27<br />
D-35614 Aßlar-Berghausen<br />
spogg@hally-gally-spielplatzgeraete.de<br />
www.hally-gally-spielplatzgeraete.de<br />
Tel. +49 (0) 6443 811262<br />
Fax +49 (0) 6443 811269<br />
Handwerkerstraße 7<br />
D-15366 Hoppegarten<br />
info@smb-seilspielgeraete.de<br />
www.smb-seilspielgeraete.de<br />
Tel. +49 (0) 3342 302015<br />
Fax +49 (0) 3342 302016<br />
Am Rönnebecker Hain 1<br />
D-28777 Bremen<br />
info@seilfabrik-ullmann.de<br />
www.seilfabrik-ullmann.de<br />
Tel. +49 (0) 421 69038-8<br />
Fax +49 (0) 421 69038-75<br />
Am Winkel 9<br />
D-15528 Spreenhagen<br />
spielraum@zimmerobst.de<br />
www.zimmerobst.de<br />
www.spielraumgestaltung.de<br />
Tel. +49 (0) 33633 69 89-0<br />
Fax. +49 (0) 33633 69 89-29<br />
Bayerwaldstraße 23<br />
81737 München<br />
info@gronard.de<br />
www.gronard.de<br />
Tel. 089 6701015<br />
Fax 089 6376171<br />
info@rasti.eu<br />
www.rasti.eu<br />
www.der-fahrradparker.de<br />
www.die-muelltonne.de<br />
www.die-parkbank.de<br />
www.bambu-online.de<br />
www.bigpublic.eu<br />
Tel.: 0 800 / 200 50 11 (gebührenfrei)<br />
Fax: 0 800 / 200 50 12 (gebührenfrei)<br />
<strong>Spiel</strong>platzgeräte zum Drehen, Wippen <strong>und</strong> Klettern<br />
Trampoline<br />
Vogelnestschaukel<br />
Herstellung von Seilspiel- <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong>platzgeräten:<br />
– Raumnetze – Sport- <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong>geräte<br />
– Flächennetze – Bolzplatztore „citytor –das Original“<br />
– Netztunnel – Seil-Zusatzelemente für <strong>Spiel</strong>geräte<br />
– Trampolin – Ballfang-Seilnetzzäune<br />
– Karussells<br />
– Seilbrücken<br />
– SIPA-Seilsitze<br />
<strong>Spiel</strong>platzgeräte <strong>und</strong> Public Design-Produkte<br />
Innovative <strong>Spiel</strong>platzgeräte <strong>und</strong> Public Design-Produkte<br />
aus Stahl <strong>und</strong> Edelstahl<br />
– eigenständiges <strong>und</strong> durchgängiges Design<br />
– hochwertig verarbeitet<br />
– wartungsarm <strong>und</strong> langlebig<br />
– kostengünstig in Preis <strong>und</strong> Unterhalt<br />
Fallschutzsysteme nach EN 1177<br />
Drehbare Klettertürme, Kletternetze, Kletterpyramiden,<br />
Nestschaukeln, Seilbrücken, Sonderanfertigungen,<br />
aus USACORD Long-life unzerschneidbar<br />
- Spezialist für individuelle Planung von <strong>Spiel</strong>anlagen<br />
- kompetente Beratung<br />
- Herstellung in eigener Werkstatt<br />
- Montage durch eigenes Fachpersonal<br />
- Geprüfte Sicherheit nach EN 1176/77<br />
Mit 60 Jahren Erfahrung beraten, planen, fertigen <strong>und</strong> montieren wir<br />
Ihre Lösung aus einer Hand:<br />
• Fahrradparker<br />
• (Fahrrad)-Überdachungen<br />
• Wartehallen<br />
• Carports<br />
• Mülleinhausungen<br />
• Stadtmobiliar<br />
Außen- <strong>und</strong> Stadtmobiliar aus Edelstahl, Kunststoff, Stahl, Holz,<br />
optional mit FSC-Zertifi kat, Bambu. Prämiertes Design von mmcité.<br />
• Überdachungen <strong>und</strong> Wartehallen<br />
• Fahrradständer <strong>und</strong> Anlehnbügel, Fahrradgaragen<br />
• Pfosten <strong>und</strong> Absperrungen<br />
• Parkbänke, Sitzlandschaften, Bänke <strong>und</strong> Tische<br />
• Abfallbehälter <strong>und</strong> Ascher<br />
• Fahnenmasten<br />
• Schaukästen <strong>und</strong> Werbeanlagen<br />
• Ausstattungen für Friedhöfe, Pfl anzgefäße<br />
Tivoli | 107
ZULIEFERER<br />
Seilerei Prutz GmbH<br />
ONLINE-INFORMATIONEN<br />
SONSTIGE<br />
108 | Tivoli<br />
Seilspielgeräte für Kinderspielplätze<br />
Netze für Industrie, Sport <strong>und</strong> <strong>Freizeit</strong><br />
Drahtseile, Seilerwaren<br />
VERBÄNDE<br />
B<strong>und</strong>esverband für<br />
Freiraumgestaltung e.V.<br />
Gestaltung<br />
Gesellschaft<br />
Recht<br />
Finanzierung<br />
B<strong>und</strong>esverband für Freiraum-Gestaltung e.V.<br />
Einrichtung einer Plattform für den Austausch<br />
mit Planern, rechtlichen Beratern, öffentlichen<br />
Institutionen, Finanzexperten <strong>und</strong> der Industrie<br />
Verband Deutscher Hallenspielplätze<br />
Fachliche, wirtschaftliche & politische<br />
Interessenvertretung für Betreiber,<br />
Gerätehersteller <strong>und</strong> Dienstleister der Branche<br />
ScapeScout GmbH<br />
Internetportal für die grüne Branche<br />
Arbeitsinstrument für Planer, Architekten, Baufi rmen<br />
Redeker Sellner Dahs<br />
Rechtsanwälte<br />
Moderne Dienstleistung. Umfassende Expertise.<br />
Spezialisierung.<br />
Und Erfahrung seit 1929.<br />
johnen-druck GmbH & Co. KG<br />
Wittenberger Straße 89<br />
D-06905 Bad Schmiedeberg<br />
info@seilerei-prutz.de<br />
www.seilerei-prutz.de<br />
Tel. +49 (0) 34925 70392<br />
Fax +49 (0) 34925 70155<br />
Gewerbegebiet Larsheck<br />
D-56271 Kleinmaischeid<br />
info@bv-freiraumgestaltung.de<br />
www.bv-freiraumgestaltung.de<br />
Tel. +49 (0) 2689 9591-37<br />
Fax +49 (0) 2689 9591-38<br />
Geschäftsführerin: Maike Söltl<br />
Sandtorkai 74<br />
D-20457 Hamburg<br />
kontakt@my-vdh.de<br />
Tel. +49 (0) 40 822232-33<br />
Fax +49 (0) 40 822232-39<br />
Geschäftsführer: Ubbo Voss<br />
Mobil: +49 (0) 160 94712821<br />
Karlstraße 13<br />
D-73773 Aichwald<br />
info@scapescout.de.de<br />
www.scapescout.de<br />
Tel. +49 (0) 711 3151712<br />
Hauptsitz:<br />
Mozartstraße 4–10<br />
D - 53115 Bonn<br />
bonn@redeker.de<br />
www.redeker.de<br />
Tel.: +49 (0) 228 72625-0<br />
Fax: +49 (0) 228 72625-99<br />
Bornwiese<br />
D-54470 Bernkastel-Kues<br />
info@johnen-gruppe.de<br />
www.johnen-gruppe.de<br />
Tel. +49 (0) 6531 509-0<br />
Fax. +49 (0) 6531 509-49<br />
Seilspielgeräte:<br />
Netze, Brücken, Schaukelkörbe, Hängematten, Klettertaue,<br />
Sonderanfertigungen <strong>und</strong> Seilerwaren nach K<strong>und</strong>enwunsch<br />
Beleuchtung der Situation in den Kommunen zum Beispiel durch<br />
Umfragen<br />
Veranstaltung von Fachseminaren <strong>und</strong> Kooperationen mit Fachmessen<br />
Darstellung der kommunalen Interessen bei politischen Entscheidungsgremien<br />
Für Planer <strong>und</strong> die Industrie bietet der BFG ein interessantes<br />
Forum, um sich nah an den entscheidenden Themen der kommunalen<br />
Freiraumplanung bewegen zu können.<br />
Der VDH versteht sich als Serviceunternehmen für seine Mitglieder,<br />
vertritt ihre Interessen, schafft ihnen Wettbewerbsvorteile <strong>und</strong><br />
macht sich stark für deren wirtschaftlichen Erfolg.<br />
Hierzu gehören im Einzelnen:<br />
– Information & Erfahrungsaustausch durch regelmäßige Treffen,<br />
Newsletter, Homepage, Workshops, Tagungen, Messen<br />
– Einkaufsvorteile durch Rahmenverträge mit Herstellern,<br />
Lieferanten, Dienstleistern, Versicherern, u.v.m<br />
– Beratung, Schulung, Marktanalysen<br />
– Interessenvertretung bei Politik, Berufsgenossenschaften, GEMA,<br />
TÜV, GEZ, u.v.m. – Medien- & Öffentlichkeitsarbeit<br />
– Qualitätssiegel & Klassifi zierung – u.v.m.<br />
Das Portal von Planern für Planer.<br />
Die zeitgemäße Produkt- <strong>und</strong> Firmenpräsentation!<br />
• effi ziente Recherche<br />
• Innovative Produkte<br />
• Kompetente Firmen<br />
• Direkter Kontakt<br />
• Kreativer Fachaustausch<br />
• Laufende Datenaktualisierung<br />
• Kostenfreier Zugang<br />
Full-Service in Berlin | Bonn | Brüssel | Leipzig | London.<br />
Mit etwa 80 Rechtsanwälten bieten wir unseren Mandanten<br />
kompetente, praxisnahe Unterstützung. Komplexe Projekte<br />
betreuen wir mit interdisziplinären Teams <strong>und</strong> beraten mit<br />
fachübergreifendem Spezialwissen.<br />
Vertrauen zwischen Anwalt <strong>und</strong> Mandant steht bei uns an<br />
erster Stelle.<br />
Bogenoffsetdruckerei mit Vorstufe, Veredelungstechniken,<br />
Weiterverarbeitung <strong>und</strong> Lettershop.<br />
Herstellung <strong>und</strong> Distribution von Drucksachen wie Flyern,<br />
Broschüren, Katalogen, Magazinen, Zeitschriften, Postern, etc.
27. bis 28. Januar 2011<br />
7. Wirtschaftswoche Jahrestagung<br />
„Neustart Kommune“ in Berlin<br />
Kontakt: EUROFORUM Deutschland SE<br />
Sonja Meyer<br />
Postfach 11 12 34 · 40512 Düsseldorf<br />
Tel.: 0211 9686-3539<br />
sonja.meyer@euroforum.com<br />
www.neustart-kommune.de<br />
16. bis 17. Februar 2011<br />
KOMCOM NORD<br />
Die Fachmesse für den Public-Sektor<br />
Messe Hannover<br />
KOMCOM Messe GmbH · Tel.: 0681 95427-0<br />
komcom@komcom.de · www.komcom.de<br />
10. bis 11. März 2011<br />
<strong>Spiel</strong>markt Remscheid<br />
Markt – Fachforum – Bildungsfest<br />
Kontakt: Akademie Remscheid<br />
Fachbereich <strong>Spiel</strong>pädagogik<br />
Küppelstein 34 · 42857 Remscheid<br />
Tel.: 02191 794-0<br />
www.akademieremscheid.de<br />
www.spielmarkt.de<br />
12. bis 13. April 2011<br />
public 11 Zukunft Kommune<br />
Fachmesse für Stadtplanung<br />
<strong>und</strong> öffentliche Raumgestaltung<br />
Messe Düsseldorf<br />
public Messe GmbH · Tel.: 0621 70019-0<br />
info@public10.de · www.public10.de<br />
Herausgeber:<br />
freizeit&spiel Verlagsgesellschaft<br />
Gewerbegebiet Larsheck, 56271 Kleinmaischeid<br />
Telefon: +49 (0) 2689 9591-37<br />
Telefax: +49 (0) 2689 9591-38<br />
www.free-lounge.de | www.free-lounge.com<br />
Erscheinungsweise:<br />
vierteljährlich<br />
Chefredaktion:<br />
Dr. Anke Münster (V.i.S.d.P.)<br />
E-Mail: chefredaktion@free-lounge.de<br />
E-Mail: info@free-lounge.de<br />
Anzeigenleitung:<br />
TÜV Media GmbH<br />
Gudrun Karafi ol-Schober<br />
E-Mail: gudrun.karafi ol@de.tuv.com<br />
z. Zt. gilt die Anzeigenpreisliste vom Oktober <strong>2010</strong><br />
DTP, Bildredaktion: Maike Söltl (verantwortlich)<br />
Redaktion: Lutz Keißner, Jörg Kohnen-May<br />
Titelfoto: Cosalux, Schirn Kunsthalle<br />
Gerichtstand: Montabaur<br />
Druckaufl age: 5.000 Exemplare international<br />
Druck: Johnen Druck GmbH,Bernkastel-Kues<br />
Jahresabonnement: (4 <strong>Ausgabe</strong>n)<br />
Euro 30,– (inkl. Porto)<br />
15. April bis 15. Oktober 2011<br />
B<strong>und</strong>esgartenschau Koblenz<br />
Kontakt:<br />
B<strong>und</strong>esgartenschau Koblenz 2011 GmbH<br />
Kastorpfaffenstraße 21 · 56068 Koblenz<br />
Tel. 0261 / 70 - 2011<br />
www.buga2011.de<br />
21. April bis 9. Oktober 2011<br />
Landesgartenschau Norderstedt<br />
Kontakt: Landesgartenschau<br />
Norderstedt 2011 gGmbH<br />
Emanuel-Geibel-Str. 1-3 · 22844 Norderstedt<br />
Tel.: 040 3259930-0<br />
info@landesgartenschau-norderstedt.de<br />
www.landesgartenschau-norderstedt.de<br />
18. bis 19. Mai 2011<br />
public space germany 2011<br />
Fachmesse für öffentliche Raumgestaltung<br />
Messe Essen<br />
Kontakt: ExpoProof<br />
Kaiserswerther Straße 115 · 40880 Ratingen<br />
Tel.: 0621 70019-0<br />
www.publicspacegermany.de<br />
18. bis 25. Juni 2011<br />
Festival der<br />
Stadtraum-Inszenierung<br />
Kontakt: Darmstädter Architektursommer e.V.<br />
Herdweg 74 · 64285 Darmstadt<br />
Tel.: 06151- 546623<br />
www.darmstaedter-architektursommer.de<br />
Copyright:<br />
freizeit&spiel Verlagsgesellschaft mbH. Nachdruck,<br />
auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung<br />
des Verlages. Terminveröffentlichungen<br />
kostenlos, aber ohne Gewähr. Keine Haftung bei<br />
unverlangt eingesandten Manuskripten. Namentlich<br />
gekennzeichnete Berichte <strong>und</strong> Artikel geben<br />
nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.<br />
Quellennachweise:<br />
Editorial: Annette Kisling (S. 3, Mitte); Schirn<br />
Kunsthalle Frankfurt/Bernd Kammerer (S. 3 unten)<br />
Inhalt: Estudio Lejarraga (S. 4, 5)<br />
Top Thema: Anja Schlamann (S. 6), Nusser GmbH<br />
(S. 8), IreneLohaus PeterCarl Landschaftsarchitektur<br />
(S. 9), Stadt Arnsberg (S. 10), Uni Siegen<br />
(S. 11), fotolia.de (S. 12), Anschläge (S. 14 oben),<br />
BBSR (S. 15), BBSR (S. 16 oben), planzwei (S. 16<br />
unten), M. Clausen (S. 17)<br />
Report: Christian Westphalen (S. 18), RWTH<br />
Aachen University, Institut <strong>und</strong> Lehrstuhl für Städtebau<br />
<strong>und</strong> Landesplanung, Fotomontage: Anja von<br />
Büttner (S. 20 oben, unten), Estudio Lejarraga (S.<br />
22 oben), Paisajes Espanoles (S. 22 unten), Jesus<br />
Granada (S. 23), Nicole Erbe (S. 24), Tore Dobberstein<br />
(S. 25, S. 27 rechts), Sebastian Schieck (S.<br />
26), Alice Hallynck (S. 27 links), www.scapescout.<br />
de (S. 29), www.grauwert.info (S. 30/31), Thomas<br />
Volprecht (S. 32 – 36), Wall AG (S. 35)<br />
Gesellschaft: Zebralog/Sally Below Cultural Affairs<br />
(S. 38, S.41), direktzu.de/stuttgart21 (S. 40),<br />
frankfurt-gestalten.de (S. 42), Anja Schlamann (S.<br />
43, 44 Mitte), DKHW (S. 44 oben), Institut für Sport<br />
<strong>und</strong> Sportwissenschaften der Friedr.-Alexander_<br />
universität Erlangen-Nürnberg (Smart Green) (S. 45<br />
– 47), Ruth Esther Gilmore (S. 48 – 51)<br />
27. bis 29. Juni 2011<br />
From Urban Landscapes<br />
to Alpine Gardens<br />
IFLA World Congress<br />
Kontakt: Hayal Oezkan<br />
info@ifl a<strong>2010</strong>.com<br />
www.ifl a2011.com<br />
26. bis 28. Oktober 2011<br />
FSB<br />
Freiraum – Sport – Bäder<br />
Messe Köln<br />
Kontakt: Koelnmesse GmbH<br />
Messeplatz 1 · 50679 Köln<br />
Bettina Frias · Tel.: 0221 821-2268<br />
b.frias@koelnmesse.de · www.fsb-cologne.de<br />
VORSCHAU<br />
Top Thema:<br />
Miteinander mehr<br />
erreichen<br />
Ideelle <strong>und</strong> fi nanzielle Partnerschaften<br />
zur Gestaltung urbaner Räume <strong>und</strong><br />
<strong>Spiel</strong>räume<br />
Außerdem stellen wir vor:<br />
Bodenbeläge für Außenbereiche,<br />
Public Design,<br />
Lärm- <strong>und</strong> Sichtschutzelemente,<br />
außergewöhnliche <strong>Spiel</strong>areale<br />
Herstellerportrait: miramondo GmbH (S. 55 – 58)<br />
Best Practice: Stiftung Grüne Stadt, Peter Menke<br />
(S. 59), Fotoatelier2, Köln; Rainer Sachse, (S. 60, 61)<br />
Pläne, Perspektiven: scape Landschaftsarchitekten (S.<br />
61), Martin Karl, FREIRAUM PLAN (S. 62, 63), KANN,<br />
Bendorf (S. 64, 65)<br />
<strong>Spiel</strong>raum: Maike Söltl (S. 66 ), DKHW (S. 68 ), Stadt<br />
Rietberg (S. 69), Stadt Wiesbaden (S. 70 – 71), Richter<br />
<strong>Spiel</strong>geräte (S. 72, 75 unten), Kinderland Emsland (S.<br />
73), stilum Public Design (S. 74), KuKuK (S. 75 oben<br />
links), Kellner (S. 75 oben rechts)<br />
Kunst: Cosalux (S. 76), Schirn Kunsthalle Frankfurt/<br />
Bernd Kammerer (S. 78), Benjamin Krieg (S. 79, S.<br />
80, 81 unten); Oper Dynamo West (S. 81 oben), Anja<br />
Schlamann (S. 82 – 84), Anastasia Malkhazova (S.<br />
84 unten links), West 8 urban design & landscape architecture,<br />
Rotterdam / Mrio architectos (S. 85 oben),<br />
Regula Dettwiler (S. 85)<br />
Verband: Shutterstock.com (S.89 oben links), Messe<br />
Berlin (S. 89 oben rechts), IFAU (S. 90, 91)<br />
Materialk<strong>und</strong>e: Conradi+Kaiser (S. 92, 93 oben<br />
rechts, S. 95 oben rechts), Pro Urba (S. 94 oben<br />
links), Boer Speltoestellen (S. 95 oben links), Christian<br />
Hummer (S. 96 oben), Lothar Gronard (S. 96 unten),<br />
Hartwig Hammerschmidt (S. 97 oben, unten; S. 98<br />
unten), Steffen Oberländer (S. 97 mitte), Paul Bickelbacher<br />
(S. 98 oben rechts), Klaus Bergmann (S. 98<br />
oben links) Holger Heinrich, ASV Marburg (S. 99, Abb.<br />
4), Bernhard Kohaupt (S. 99-101)<br />
Entdeckt! (S. 110): The Dilly Lama (Sky Bridge),<br />
Willem-Jan Beeren (Alanus Hochschule)<br />
termine 2011<br />
Inhalt | 109
Entdeckt!<br />
Kunstvolles Maschenwerk<br />
Er ist beliebter abendlicher Treffpunkt junger Leute<br />
<strong>und</strong> in der warmen Jahreszeit bis in die frühen<br />
Morgenst<strong>und</strong>en belebt: der Brüsseler Platz in Köln.<br />
Vom 24. September bis zum 1. Oktober <strong>2010</strong> erhielt<br />
er eine ganz neue Qualität. Mit mehr als 3000<br />
Metern Wäscheleinen <strong>und</strong> Knüpftechnik verwandelten<br />
Studierende des Fachbereichs Architektur<br />
der Alanus-Hochschule den Brüsseler Platz in eine<br />
begehbare Installation mit einem neuen Raumerlebnis.<br />
Die Aktion unter der Leitung der Architekturdozenten<br />
Benedikt Stahl, Ulrike Platz <strong>und</strong> Willem-Jan<br />
Beeren war von Anfang an dialogisch <strong>und</strong> kommunikativ<br />
angelegt: Anwohner <strong>und</strong> Passanten<br />
mischten sich unter die Arbeitenden <strong>und</strong> legten<br />
selber mit Hand an. Viele Gespräche „spannen“<br />
sich anknüpfend an das Gesehene <strong>und</strong> Erlebte<br />
zwischen den Besuchern <strong>und</strong> Akteuren. Die Einfachheit<br />
der Konstruktion, die chaotisch aussehende<br />
<strong>und</strong> doch einheitlich erlebte Gestaltung<br />
sowie die ständig wachsende Skulptur fanden bei<br />
den Besuchern jeden Alters viel Zuspruch.<br />
» www.alanus.edu.<br />
Atemberaubende Ausblicke bietet die Sky Bridge auf Langkawi,<br />
einer Insel vor der Nordwestküste von Malaysia. Die Hängebrücke<br />
auf dem Mount Mat Cincang spannt sich in 687 m Höhe über dem<br />
Meeresspiegel in einem kühnen Bogen 125 Meter weit über eine tiefe Schlucht. Nur ein<br />
einziger hoher Stahlmast trägt die Konstruktion. Ein Spaziergang über Langkawi Sky Bridge gerät<br />
regelmäßig zu einem adrenalintreibenden Abenteuer mit Blick über die üppige Vegetation des<br />
Regenwaldes <strong>und</strong> die vielen kleinen Inseln in der Andamanensee. Bei gutem Wetter<br />
ist selbst das malaysische <strong>und</strong> thailändische Festland zu sehen.<br />
Bei tiefhängenden Wolken oder Nebel ist<br />
die gegenüberliegende Plattform nicht<br />
sichtbar <strong>und</strong> die Brücke scheint tatsächlich<br />
geradewegs in den Himmel zu führen.<br />
Himmlische Perspektiven<br />
110 | Vermischtes
Living Industries<br />
Sicherheit ist selbstverständlich –<br />
Entwicklung ist Fortschritt<br />
Conradi+Kaiser GmbH<br />
Gewerbegebiet Larsheck | 56271 Kleinmaischeid<br />
Tel. 02689 9580-0 | Fax 02689 9580-50<br />
info@conradi-kaiser.de | www.conradi-kaiser.de
stilum GmbH<br />
Gewerbegebiet Larsheck · 56271 Kleinmaischeid<br />
Tel. 02689 92790-0 · Fax 02689 92790-29<br />
www.stilum.de · info@stilum.de<br />
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