FreeLounge, Ausgabe 4/2010 - Freizeit und Spiel
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Dynamik + Wandel:<br />
Stadtsilhouetten<br />
Städtebau spielt heutzutage auch für das Stadtmarketing eine beachtliche<br />
Rolle. Vor allem wenn es um Gebäude geht, die als zeitgemäße Wahrzeichen<br />
die historischen Stadtsilhouetten verändern.<br />
Der skeptische Blick eines Besuchers verrät,<br />
dass etwas mit dem Exponat in der Ausstellung<br />
„Dynamik + Wandel. Die Entwicklung der<br />
Städte am Rhein 1910-<strong>2010</strong>+“ nicht stimmt.<br />
Kritische Besucher haben schon manchen Kurator<br />
auf einen Fehler hingewiesen. Aber unser<br />
Besucher ist verunsichert. Da er schon viele<br />
Jahrzehnte in Köln lebt, erkennt er auf dem<br />
vor ihm liegenden Foto das Kölner Rheinufer<br />
mit der markanten Hohenzollenerbrücke, die<br />
schmalen giebelständigen Häuser der Altstadt<br />
<strong>und</strong> das blaue Zeltdach des Musical Domes. Er<br />
kennt sich aus, aber etwas stimmt nicht. Unser<br />
Besucher ist ratlos, deshalb klappt er das Foto<br />
hoch, um das darunter liegende zu betrachten.<br />
Jetzt fällt es ihm wie Schuppen von den Augen:<br />
Es war tatsächlich der Blick auf das Kölner<br />
Altstadtufer, aber es fehlte der Dom mit seinen<br />
himmelwärts strebenden Türmen, der mächtige<br />
Vierungsturm von Groß Sankt Martin <strong>und</strong> der<br />
etwas gedrungenere Rathausturm. Diese drei<br />
Bauwerke prägen seit dem Mittelalter das Bild<br />
von Köln <strong>und</strong> haben sich unauslöschlich nicht<br />
nur in das Gedächtnis der Kölner eingeprägt,<br />
sondern auch vieler Fremder.<br />
Erkennungsmerkmale einer Stadt<br />
Es sind nicht nur markante Einzelgebäude,<br />
sondern auch eine spezifi sche Höhenentwicklung,<br />
die fest im kollektiven Gedächtnis verankert<br />
ist <strong>und</strong> zum unverwechselbaren Bild einer<br />
Stadt wird. Wie würden wir Paris erkennen<br />
ohne Eifelturm <strong>und</strong> Sacre Coeur, London ohne<br />
Big Ben <strong>und</strong> Saint Pauls Cathedral, Rom ohne<br />
Michelangelos mächtige Kuppel von Sankt Peter.<br />
Städte unterscheiden sich so von einander.<br />
Architekturen werden zu Wahrzeichen, zu individuellen<br />
Erkennungsmerkmalen einer Stadt<br />
<strong>und</strong> transportieren das Selbstverständnis <strong>und</strong><br />
Lebensgefühl der Metropolen.<br />
Bildhafte Architektur verändert das<br />
Image<br />
Rückten die monumentalen Bauwerke in vorhergehenden<br />
Jahrh<strong>und</strong>erten vor allem ihre<br />
Auftraggeber Erzbischöfe, Könige <strong>und</strong> Fürsten<br />
<strong>und</strong> die stolzen Rathaustürme die Bürgerschaft<br />
ins Rampenlicht, so dienen heute markante<br />
Bauwerke vor allem dem Stadtmarketing. Spätestens<br />
als im Oktober 1997 das Guggenheim<br />
Museum in der bis dahin kaum bekannten Hafenstadt<br />
Bilbao eröffnete, weiß man, dass auch<br />
heutzutage bildhafte Architektur das Image<br />
einer Stadt völlig verändern können. Die dem<br />
Niedergang geweihte Industriestadt wandelte<br />
sich über Nacht dank eines exzentrischen Baus<br />
des kanadischen Architekten Frank O’Gehry zu<br />
einer Kunstadresse <strong>und</strong> verhalf der Stadt zu<br />
einem wirtschaftlichen Aufschwung. Allein im<br />
ersten Jahr nach der Eröffnung kamen über eine<br />
Million Besucher in die nordspanische Stadt.<br />
„Wow-Architektur“<br />
Seitdem haben viele Städte versucht, den sogenannten<br />
„Bilbao Effekt“ nachzuahmen <strong>und</strong><br />
die Star-Architekten dieser Welt eingeladen,<br />
zeitgemäße Wahrzeichen in die gewachsenen<br />
Stadtprofi le einzupfl anzen. Der Architekturhistoriker<br />
Georg Frank spricht von „Ökonomie<br />
der Aufmerksamkeit“. Das betrifft nicht nur<br />
den Profi lierungswahn von Städten, die sich<br />
wie zurzeit Hamburg mit dem Bau der Elbphilharmonie<br />
in die Liga der zehn besten Konzertsäle<br />
der Welt katapultieren möchten, sondern<br />
auch Unternehmen, die mit ihren das eigene<br />
Image verkörpernden Bauten nicht nur Standortsignets<br />
schaffen, beispielsweise die gläserne<br />
Fabrik in Wolfsburg, sondern, wie es David<br />
Chipperfeld nennt, „Wow-Architektur“ für<br />
die jeweilige Stadt. So schuf das niederländische<br />
Büro UN Studio von Ben van Berkel <strong>und</strong><br />
Report | 19