FreeLounge, Ausgabe 4/2010 - Freizeit und Spiel
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nen. Wenn ich eine Quartiersstruktur habe, in<br />
der ich die Unterbringung in einer stationären<br />
Pfl egeeinrichtung längere Zeit noch vermeiden<br />
kann, dann spare ich als Kommune Kosten.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Das ist ein guter Gesichtspunkt.<br />
Der demografi sche Wandel wird ja schon seit<br />
vielen Jahren thematisiert. Vielfach hatte man<br />
jedoch eher den Eindruck, dass das etwas für<br />
die Statistiker ist. Da haben wir die Zahlen <strong>und</strong><br />
damit etwas zum Abheften. Ihr Ansatz erfordert<br />
da ein generelles Umdenken.<br />
Barbara Steffens: Was auf uns zukommt, ist<br />
keine Frage der reinen Statistik. Die Zahlen<br />
spiegeln ja nur die Entwicklung dessen wider,<br />
was die Lebensrealität ist. In meiner Heimatstadt<br />
Mülheim an der Ruhr ist der Anteil der<br />
Menschen mit Rollator im Straßenbild mindestens<br />
so hoch wie der der Menschen mit Kinderwagen.<br />
Das ist Lebensrealität. Und darauf<br />
müssen sich die Städte einstellen.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Reicht die neue Quartiersplanung<br />
denn dafür aus?<br />
Barbara Steffens: Alleine sicher nicht, viel<br />
mehr muss man in der gesamten kommunalen<br />
Struktur umdenken. Beispielsweise müssen<br />
Sportvereine umdenken, die heute stark auf<br />
junge Menschen zielen. Der Landessportb<strong>und</strong><br />
macht das bereits in hohem Maße. Jetzt sind die<br />
Vereine vor Ort gefragt. Wir brauchen mehr Angebote<br />
für die Zielgruppe Ü60. Sportangebote,<br />
die von dieser Gruppe genutzt werden können,<br />
verhindern Stürze oder andere Mobilitätseinschränkungen<br />
im Alter oder zögern sie lange<br />
hinaus. Auch hier sind die Kommunen gefragt,<br />
sich gemeinsam mit den Vereinen aufzustellen<br />
<strong>und</strong> mit Angeboten in die Alteneinrichtungen<br />
oder in die Begegnungsstätten hineinzugehen.<br />
Da muss man nicht die Sporthalle im Quartier<br />
haben. Es reicht auch der Aufenthaltsraum im<br />
Gemeindehaus oder der Veranstaltungsraum,<br />
der in der stationären Alteneinrichtung vorhanden<br />
ist.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Darüber hinaus wird es für die<br />
Zukunft wohl sicher so sein, dass man bei Neubaugebieten<br />
nicht nur Attraktivität für junge<br />
Familien schafft, sondern eben auch für Ältere.<br />
Barbara Steffens: Natürlich ist es wichtig für<br />
Kommunen, attraktiv für junge Familien zu sein.<br />
Auch hier ist ein Umdenken gefragt. Viele der<br />
neu entstehenden Quartiere sind nicht unbedingt<br />
barrierefrei. Das stört nicht, so lange man<br />
jung <strong>und</strong> beweglich ist. Aber auch diese jungen<br />
Menschen werden einmal älter. Das Nachrüsten<br />
<strong>und</strong> Umbauen ist deutlich teurer als ein barrierefreies<br />
Denken, Planen <strong>und</strong> Bauen von Anfang<br />
an. Das ist kostengünstiger <strong>und</strong> nachhaltiger.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Brauchen wir für das Umdenken<br />
<strong>und</strong> das neue Handeln auch neue Modelle, an<br />
denen wir die Wirksamkeit erproben können?<br />
Barbara Steffens: Weitere Modelle müssen<br />
nicht entwickelt werden. Man kann die Modelle<br />
<strong>und</strong> Erfahrungen, die wir in NRW haben, zusammentragen<br />
<strong>und</strong> nutzen. Diese Erfahrungen<br />
wurden oft in Projekten zwischen Alt <strong>und</strong> Jung<br />
gemacht. Wir müssen konkrete Handlungsempfehlungen<br />
geben <strong>und</strong> dann schauen, an<br />
welchen Stellen es hapert. Dort wollen wir den<br />
Kommunen Unterstützung durch Rahmenkonzeptionen<br />
geben. Wir wollen alle in den Stadtteilen<br />
mitnehmen <strong>und</strong> niemanden ausgrenzen.<br />
Die besten Expertinnen <strong>und</strong> Experten für das,<br />
was Menschen brauchen, um in ihrem eigenen<br />
Wohnumfeld auch mit Einschränkungen leben<br />
können, sind die Menschen, die da leben. Die<br />
müssen wir einbeziehen. So etwas kann man<br />
nicht vom Reißbrett aus verordnen. Und auch<br />
dieser Entwicklungsprozess ist wieder etwas,<br />
was für die Menschen Partizipation <strong>und</strong> Kommunikation<br />
bedeutet <strong>und</strong> was ja auch an sich<br />
wieder Nachbarschafts- <strong>und</strong> Quartierstrukturen<br />
schafft. So kommen wir voran mit der<br />
altengerechten Stadt.<br />
<strong>FreeLounge</strong>: Frau Steffens, vielen Dank für das<br />
Gespräch.<br />
Das Interview führte Ludwig Keißner<br />
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