Anhang Masterarbeit - BSCW
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wählen kann, was er nehmen kann. Er gehört nicht zu denen, die dann irgendwann noch eine<br />
Anschlusslösung brauchen, sondern er ist jetzt schon selbstständig dran, bewirbt sich, und,<br />
und, und. Also ich bin sicher, er sendet dort die Botschaft aus, ich will eine Lehrstelle und er<br />
wird sie haben, er wird sie finden.<br />
I: Wir haben uns einfach Gedanken über den mageren Lehrstellenmarkt gemacht, und dass auch<br />
einer wie E. trotz guter Einstellung halt kaum Chancen hat, eine Lehrstelle zu finden. Wir hören<br />
immer wieder die Horrorszenarien, dass die einen 100 Bewerbungen schreiben und finden<br />
nichts.<br />
P: Schaut aber mal diese 100 Bewerbungen an, ich kenn die auch. In meinem ersten LIFT-Projekt<br />
hatte ich einen Schüler mit 80 Bewerbungen und 79 Absagen. Die letzte Bewerbung war dann<br />
noch irgendwie eine Vitamin-B-Geschichte, aber dann schaust du mal genauer hin. Der war so<br />
was von desinteressiert, das tönt zwar nach viel Arbeit, aber das waren einfach die Inserate, die<br />
ihm Mami hingelegt hat und er am Abend jeweils noch rasch die Adresse auf dem<br />
Bewerbungsschreiben geändert hat. Er wusste nicht was das für ein Betrieb war, es war so eine<br />
Flucht in Aktion hinein. Sich selber mit dem Gefühl überrumpeln, ich habe ja etwas gemacht.<br />
Hat er aber nicht, es hatte dort nämlich einige in dieser Klasse, die sich sehr bewusst mit vier,<br />
fünf Firmen auseinandergesetzt haben und dort drei Zusagen erhielten. Wisst ihr, es gilt zu<br />
differenzieren, was ist wirklich Arbeit ist und was Schönreden.<br />
I: Dann kopierst du einfach 80 Mal die gleiche Bewerbung...<br />
P: Ja, das bringt nichts, ist sinnlos.<br />
I: So kann man als Lehrer auch besser bestärken in dem was ein Schüler macht, in der<br />
Gewissheit, dass ein Schüler etwas findet, wenn er sich Mühe gibt. Die Qualität der Bewerbung<br />
ist sehr entscheidend.<br />
P: Da ist die Qualität der Bewerbung, des Auftretens, wie sitzt er im Stuhl, lässt er die Jacke an,<br />
zieht er sie aus, hat er möglicherweise noch den Stöpsel im Ohr. Weil jeder Betrieb, der einen<br />
C-Schüler einstellt, weiss, dass er fachliche Schwächen hat, kann dieser nur mit seinem<br />
Auftreten gewinnen. Er stellt so einen Schüler nicht ein, weil er fachlich stark ist, sonst würde er<br />
einen B- oder A-Schüler nehmen. Aber das heisst, der Schüler muss mit anderen Kompetenzen<br />
brillieren und Schüler wie E. oder viele andere, die wir haben, die machen das einfach. Die sind<br />
so dran, die kommen in einen Prozess hinein, wo sie sich nach vorne schaffen.<br />
L: Das ist eben das, was ich so bewundere an dem ganzen Projekt. Diese Qualitäten so<br />
einschätzen zu können, kann ich gar nicht. Ich habe ja diese Verbindung nicht dazu, also ich<br />
kann schon sehen, wo jemand gut ist, aber ich kann nicht sagen, was braucht der jetzt genau,<br />
da drin musst du ihn jetzt bestärken. Das sehe ich so nebenbei. Das ist etwas ganz wertvolles.<br />
P: Ja, das hat wahrscheinlich auch ein wenig mit dem Abstand zu tun. Ich sehe die einmal in der<br />
Woche, ich kann mir Zeit nehmen, zu denken, was die jetzt brauchen. Und wenn du diese<br />
Schüler jeden Tag hast, ist es extrem schwer dort Distanz zu gewinnen, in die Metaebene zu<br />
gehen und zu fragen, was brauchen sie genau.<br />
L: Ja, und als Lehrer rutschst du immer wieder in das Muster, du siehst alles was sie überhaupt<br />
nicht können. Also du stärkst natürlich auch, aber du kaust dann halt auch immer wieder das<br />
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