Volltext [pdf] - Hannah-Arendt-Institut Dresden
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dem Jahr 1991 besitzt trotz der zahlreichen Ansätze und Bemühungen<br />
noch immer Gültigkeit. Eine umfassende und systematische Untersuchung<br />
des Kriegsgefangenenlagersystems, abgesehen davon, daß auch für<br />
zahlreiche Lager bislang keine fundierten Detailstudien vorgelegt wurden,<br />
ist noch immer ein Desiderat der Geschichtswissenschaft. 129<br />
2.2. Die sowjetische Geschichtswissenschaft 1945-1985 und die<br />
Kriegsgefangenen<br />
2.2.1. Die Stalin-Ära – Tabuthema Kriegsgefangenschaft<br />
Während der ersten Nachkriegsjahre, zu Lebzeiten Stalins, wurde generell<br />
nur wenig über den Krieg geschrieben und publiziert. 130 Sowjetischen<br />
Historikern waren kaum Quellen zugänglich. Grundlage aller Arbeiten<br />
über den Krieg war ein Werk, in dem wichtige Reden und<br />
Tagesbefehle Stalins aus der Kriegszeit publiziert worden waren. 131 Alles,<br />
was ein negatives Licht auf die sowjetische Führung, d. h. auf Stalin<br />
hätte werfen können, durfte in den Darstellungen nicht erwähnt werden.<br />
Die Desaster des Jahres 1941 wurden in die strategische Brillanz der<br />
Führung umgedeutet, die es mit ihrer Defensivtaktik verstanden hatte,<br />
den Aggressor in die Tiefe des russischen Raumes zu locken (Aktive Verteidigung).<br />
Wichtiger noch war die Formel der »Strategischen Gegenoffensive«,<br />
die besagte, daß alle defensiven Aktionen plangemäß die Gegenoffensive<br />
vorbereitet hatten. 132 Weitere Tabuthemen der<br />
sowjetischen Historiographie jener Zeit, neben den Fehlern der Führung,<br />
waren<br />
129 Schwarz S. 92.<br />
130 Vgl. Bonwetsch: Der »Große Vaterländische Krieg« S. 168. Zur sowjetischen<br />
Kriegshistoriographie der vierziger und fünfziger Jahre vgl. allgemein Telpuchowski:<br />
Die sowjetische Geschichte; Armstrong: Recent Soviet Publications;<br />
Erickson: The Soviet Union at War; Gallagher: The Soviet History. Als sowjetische<br />
Übersicht vgl. Karasev: Kratkij obzor literatury.<br />
131 Über den Großen Vaterländischen Krieg. Außerdem standen ihnen, bis zu Stalins<br />
Tod, hauptsächlich noch folgende Quelleneditionen zur Verfügung: Mitteilungen<br />
des sowjetischen Informationsbüros; Außenpolitik der UdSSR in der Periode<br />
des Großen Vaterländischen Krieges. Drastisch schildert Nolte: Der<br />
deutsche Überfall S. 99 die Situation: »Anders als in Deutschland gab es keinen<br />
publizierten Bestand an Quellen.«<br />
132 Siehe hierzu Erickson: The Soviet Union at War S. 249 sowie Gallagher: The<br />
Soviet History S. 11.<br />
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