Volltext [pdf] - Hannah-Arendt-Institut Dresden
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zu tragen hatte. Bei zwei weiteren Gelegenheiten wies er auf die »Bestialitäten«<br />
und die »Gewalttaten« hin, die von den »hitlerschen Schurken«<br />
an den Kriegsgefangenen verübt worden seien. 138 In diesem Zusammenhang<br />
muß allerdings beachtet werden, daß Stalin die Kriegsgefangenen<br />
in seinen Reden unter den Begebenheiten des Krieges erwähnte und<br />
sie ihm so zur Darstellung der Verbrechen des Feindes dienten. Damit<br />
sollte eine Stärkung der eigenen Widerstandskraft erreicht werden.<br />
Die Kriegsgefangenenthematik gehörte zu den problematischen Bereichen<br />
der Kriegsgeschichte, die tabuisiert worden waren. An die Schwierigkeiten<br />
der Beschäftigung mit diesem Thema und die Gründe für die<br />
Tabuisierung erinnerte sich 1991 der sowjetische Historiker Brodskij:<br />
»Bis zum Tod Stalins … war eine wissenschaftliche Erforschung dieses<br />
Problems mit einem strengen Tabu belegt, weil, wie bekannt ist, die ‘Repatrianten’,<br />
die die nazistische Zwangsarbeit überlebt haben, in der Sowjetunion<br />
der damaligen Jahre den allerheftigsten Repressalien unterworfen<br />
wurden. Im Jahre 1947, im Zusammenhang mit meinem ersten<br />
Versuch, etwas zu diesem Thema zu publizieren, wurde mir seitens der<br />
‘kompetenten Organe’ erklärt, daß ‘man nichts darüber publizieren soll,<br />
es sind Provokationen von der Gestapo’.« 139<br />
Ein Jahr zuvor hatte ein Literat eine ähnliche Erfahrung gemacht. Stepan<br />
Zlobin durfte seinen Roman »Die Vermißten«, in dem er die Ehre<br />
der in Gefangenschaft geratenen Rotarmisten wiederherstellen wollte,<br />
nicht veröffentlichen. Zu Stalins Lebzeiten konnte dieses Werk nicht der<br />
Öffentlichkeit vorgelegt werden. 140<br />
Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht verwunderlich, daß für die<br />
Zeit bis zu Stalins Tod nur eine Studie ermittelt werden konnte, die sich<br />
mit den sowjetischen Kriegsgefangenen beschäftigt. 1949 legte der georgische<br />
Historiker Kočiašvilli seine Dissertation vor, in der er das Schicksal<br />
und den Widerstandskampf georgischer Kriegsgefangener auf der hol-<br />
138 Stalin: Über den Großen Vaterländischen Krieg S. 19 (Ansprache zum 24. Jahrestag),<br />
61 (Befehl Nr. 130) und 83-84 (Ansprache zum 25. Jahrestag der Oktoberrevolution<br />
in der Festsitzung des Moskauer Sowjets der Deputierten der<br />
Werktätigen am 6.11.1942).<br />
139 »Offensichtliche Provokateure«? S. 18.<br />
140 Vgl. Kasack S. 15. Zlobin war von 1941-1945 in Kriegsgefangenschaft. Zlobin<br />
war Mitglied der Widerstandsbewegung im Stalag 304 H Zeithain.<br />
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