Heft 2, Jahrgang 141 - Canisianum
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händen hat er gearbeitet, mit menschlichem<br />
Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen<br />
hat er gehandelt, mit einem menschlichen<br />
Herzen geliebt.“ Gott hat sich im Sohn den<br />
Menschen gleich gemacht. Daher bekommt alles<br />
menschliche Handeln, so es versucht, sich IHM<br />
anzugleichen, sich an IHM auszurichten, die<br />
Farbe, den Glanz Gottes in Christus. Die Herz-<br />
Jesu-Verehrung wird so, nach den Worten von<br />
Papst Pius XII. (Haurietis aquas, Nr. 84) „die wirksamste<br />
Schule der Liebe Gottes“.<br />
Von hier aus noch einen Blick auf einen<br />
Gedanken, der mit der Herz-Jesu-Verehrung<br />
immer verbunden war: den Gedanken der<br />
Sühne. Das Zentrale in der Herz-Jesu-Verehrung<br />
ist die Feier der Liebe Gottes, die in Jesus Fleisch<br />
annimmt und sich hingibt in den Tod für das<br />
Leben der Welt. Alle Menschen, die sich in dieses<br />
Geheimnis versenkt haben, fühlten sich<br />
gedrängt, seine sich hingebende Liebe nachzuahmen,<br />
liebend beim Herrn, aber auch bei den<br />
leidenden Menschen auszuharren. Anknüpfend<br />
bei der Frage der Exerzitien (GÜ 53): „Was kann<br />
ich für Christus tun?“, fragt auch die Kirche heute<br />
angesichts der Sünde und des Leids in der Welt:<br />
was kann / soll ich für Christus tun? Sie sucht<br />
eine Antwort der Liebe auf erfahrene Liebe. In der<br />
Betrachtung zur Erlangung der Liebe sagt<br />
Ignatius, man solle die Liebe mehr in die Taten als<br />
in die Worte legen, und die Liebe besteht im<br />
Teilen dessen, was man empfangen hat (GÜ<br />
230). Wir können also sagen, wenn bei der<br />
Betrachtung der Liebe Christi in einem Menschen<br />
der Gedanke erwacht, die erfahrene Liebe des<br />
Herrn weiterzuschenken, wenn ich von Christus<br />
und seiner Liebe betroffen und von Mitleid<br />
bewegt bin, dann hat mich seine Liebe erreicht.<br />
Ohne die Gnade der Liebe aus dem Herzen<br />
Jesu, unseres Retters, sind wir zu dieser<br />
Verehrung nicht fähig. Der Sühnegedanke kann<br />
sich uns neu erschließen aus der Frage: was soll<br />
ich für Christus tun? Und der Sehnsucht, am<br />
Werk der Erlösung mitzuwirken und mich ihm zu<br />
weihen.<br />
Eine Kultur des Herzens Jesu ist somit – kurz<br />
gesagt – eine Kultur der Dankbarkeit, der<br />
Bereitschaft zur Hingabe und Solidarität, des<br />
Lebens.<br />
Wir erkennen immer besser, „dass das edelste<br />
Ziel nicht zu erreichen, die gerechteste Sache<br />
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150-JAHR-JUBILÄUM DES NIKOLAIHAUSES / COLLEGIUM CANISIANUM<br />
nicht zu verfechten, der großherzigste Dienst<br />
nicht zu leisten ist, es sei denn als Antwort auf die<br />
Liebe Christi. Wir weihen uns der Liebe dieses<br />
Herzens. Weil es sich für uns hingegeben hat,<br />
geben wir uns liebend hin an den Dienst für sein<br />
Reich. (Kolvenbach, Das „munus suavissimum“<br />
Vortrag in Pary-le-Monial, 1989, GT 17, 25).<br />
Anregung zum Gebet:<br />
1. Herr, lehre mich das Vertrauen. Hören wir hinein<br />
in uns selbst und nehmen wir die zahlreichen<br />
kleinen und großen Ängste um uns selbst wahr,<br />
unser häufiges Kreisen um uns selbst, und weiten<br />
wir den Blick und das Herz hin zur Weite und<br />
Tiefe des Herrn und seiner Anliegen und seines<br />
Betens.<br />
2. Lehrer der Vollkommenheit (Zartfühligkeit). Die<br />
Heiligen, so auch Claude de la Colombiére, hatten<br />
ein feines Gespür für Sünde und<br />
Unvollkommenheit. Wie ist das bei mir? Ich habe<br />
in der geistlichen Begleitung auch junger<br />
Menschen oft gestaunt über ihre Reife und<br />
Feinheit des Gewissensurteils. Es gibt ein Bild,<br />
das oft in der Geschichte der Spiritualität auftaucht:<br />
Es ist der Vogel auf der Leimrute (Evagius<br />
Ponticus, Augustinus, Johannes vom Kreuz): ein<br />
Vogel, der auf einer Leimrute klebt, kann nicht<br />
fliegen. Und wenn es auch nur ein Federchen ist,<br />
mit dem er klebt, oder auch nur ein Glied seines<br />
Füßchens, er kann nicht aufsteigen. Was sind die<br />
Dinge, an denen ich klebe und die mich hindern,<br />
Jesus wirklich näher zu kommen? Ist es mein feiner<br />
Ehrgeiz, meine Empfindlichkeit, oder ein<br />
gewisses Kreisen um mich selbst?<br />
3. Gott in allem, alles in Gott: Nimm hin Herr und<br />
empfange meine ganze Freiheit, meinen<br />
Verstand und meinen ganzen Willen… Kannst<br />
Du dieses Gebet schon sprechen?<br />
4. Kultur nach dem Herzen Jesu. Welche<br />
Haltungen, die ich am Herrn und seinem Herzen<br />
betrachte, möchte ich für meinen Charakter<br />
annehmen, an welchen Haltungen möchte ich<br />
erkannt werden und hineinwirken in meine kleine<br />
Welt und auf andere Menschen?<br />
Möge der Geist von Claude La Colombiére, den<br />
sich Gott für das „munus suavissimum“ auser-