Heft 2, Jahrgang 141 - Canisianum
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dem einen Doppelgebot der Liebe zusammengefasst<br />
sind. Die Argumentationen gegen<br />
Selbstmord sind im KKK und bei K.-H.<br />
Peschke auf der Basis des Liebesgebots<br />
(Eigen-, Nächsten-, Gottesliebe.) aufgebaut.<br />
Im dritten Kapitel beschreibe ich die<br />
Untersuchungen zum Thema „Suizid“, die von<br />
der Psychiatrie und der Soziologie gemacht<br />
wurden, und erläutere auch die Strategien<br />
(Hilfe in der Seelsorge, Religion und<br />
Verantwortung) gegen Suizid. Von diesem<br />
Kapitel an will ich vom Begriff „Selbstmord“<br />
Abstand nehmen und stattdessen den Begriff<br />
„Suizid“ verwenden. In seinem Buch<br />
„Christliche Ethik“ lenkt K.-H. Peschke unsere<br />
Aufmerksamkeit auf die Humanwissenschaften.<br />
Er stellt die Meinungen von Psychologen<br />
im Allgemeinen 2 vor, ohne konkret auf<br />
diese einzugehen. Für mich ist in diesem<br />
ersten Punkt des dritten Kapitels wichtig, die<br />
konkreten Wissenschaftler zu nennen, um die<br />
Problematik der Suizidfrage spürbar zu<br />
machen. Erwin Ringel wird als Psychiatrische<br />
Autorität des Suizids vorgestellt. In seiner<br />
Untersuchung des Suizids hat E. Ringel im<br />
Jahr 1953 den Begriff „präsuizidale[s]<br />
Syndrom“ geprägt. 3 Das präsuizidale Syndrom<br />
wurde 1949 aufgrund von Untersuchungen<br />
an 745 Personen mit Selbstmordversuchen<br />
entdeckt. Bei der Beschreibung<br />
des Syndroms werde ich mich auf E. Ringels<br />
Buch „Der Selbstmord“ 4 konzentrieren. Das<br />
präsuizidale Syndrom geht beinahe jeder suizidalen<br />
Handlung voraus und stellt somit ein<br />
äußerst wichtiges diagnostisches Hilfsmittel<br />
dar. Um das Syndrom zu erklären, bezeichnen<br />
wir seine entscheidenden Elemente als:<br />
Einengung, gehemmte und gegen die eigene<br />
Person gerichtete Aggression sowie Suizidfantasien.<br />
Diese drei Elemente beeinflussen einander im<br />
Sinne einer Verstärkung und führen zur<br />
Suizidhandlung, sofern nicht interveniert wird.<br />
Begleitende psychische Störungen wie<br />
Neurose und Schizophrenie werden in den<br />
Blick auf die Entwicklung des präsuizidalen<br />
Syndroms einbezogen.<br />
In der Psychiatrie wird der Suizid als Endpunkt<br />
einer krankhaften Entwicklung gesehen und in<br />
der Soziologie erkennt man im Suizid eine<br />
56<br />
DIPLOMARBEITEN UND DISSERTATIONEN (ABSTRACTS)<br />
soziale Tatsache, die durch soziale Bedingungen<br />
erklärt werden muss. 1897 erschien<br />
das Buch eines sehr bekannten französischen<br />
Soziologen über den Selbstmord: Emile<br />
Durkheim hat sich als einer der ersten Soziologen<br />
mit dem Problem beschäftigt.<br />
Durkheim erkennt im Suizid eine soziale<br />
Tatsache, die durch soziale Bedingungen<br />
erklärt werden muss. Er sah die Abhängigkeit<br />
des Selbstmords vom sozialen Umfeld als<br />
erwiesen. E. Durkheim erkennt drei Grundtypen<br />
des Suizids, die er anhand sozialer<br />
Kriterien definiert: 1. Der Egoistische Suizid ist<br />
eine Trennung des Individuums von der<br />
Gesellschaft, was einen übertriebenen Ich-<br />
Kult bewirkt. 5 2. Der Altruistische Suizid ist<br />
eine Selbstopferung für das Kollektiv. Das<br />
Individuum wertet die Gesellschaft höher als<br />
das eigene Leben. Es handelt sich um die zu<br />
starke Bindung des Individuums an die<br />
Gemeinschaft infolge einer zu schwachen<br />
Individualität oder übertriebenem Altruismus,<br />
welche zum Suizid führen. 3. Der Anomische<br />
(gesetzlose) Suizid ist eine gesellschaftliche<br />
Unterdrückung der Bedürfnisse. E. Durkheim<br />
ist der Meinung, dass der Suizid mit der<br />
Ausübung gesellschaftlicher Macht zusammenhängt.<br />
Die gesellschaftliche Regellosigkeit<br />
und Normschwäche schlägt auf die betroffenen<br />
Menschen durch. Durkheim schreibt<br />
darüber: „Es ist bekannt, dass wirtschaftliche<br />
Krisen auf die Selbstmordanfälligkeit eine verstärkende<br />
Wirkung haben“. 6<br />
Die Humanwissenschaften wollen uns zeigen,<br />
wie komplex das Suizidproblem ist. Kranken,<br />
suizidgefährdeten Menschen ist Hilfe anzubieten,<br />
damit sie den Schritt ins Leben wieder finden<br />
und sich am Leben erfreuen können.<br />
Meiner Meinung nach kann eine Religion nur<br />
dann Hilfestellungen anbieten, wenn sie eine<br />
entsprechende Haltung gegen den Suizid einnimmt<br />
und der Mensch, der ihr angehört, sich<br />
restlos zu ihr bekennt und entsprechend handelt.<br />
Der Schutz des Lebens ist eine ausgezeichnete<br />
Hilfe der Religion, die für die<br />
Suizidgefährdeten eine äußerst wichtige und<br />
wirksame Unterstützung mit sich bringt. Diese<br />
Unterstützung kann man als Therapie gegen<br />
den Suizid bezeichnen.